T 3018/18 02-06-2022
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Verfahren zur Reinigung von Isocyanaten
Teilanmeldung - unzulässige Erweiterung
Teilanmeldung - Hauptantrag (ja)
Teilanmeldung - Hilfsantrag (nein)
Patentansprüche - Klarheit
Patentansprüche - Hilfsantrag (ja)
Ausreichende Offenbarung - Hilfsantrag (ja)
Ausreichende Offenbarung - Beweislastumkehr (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Neuformulierung der technischen Aufgabe
Erfinderische Tätigkeit - (nein)
I. Sowohl die Patentinhaberin als auch die Einsprechende legten form- und fristgerecht Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein, das Streitpatent EP 1 717 223 unter Artikel 101(3)(a) EPÜ in geänderter Form aufrechtzuerhalten.
II. Im Einspruchsverfahren wurde das Patent unter Artikeln 100(a), 100(b) und 100(c) EPÜ wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ), mangelnder Ausführbarkeit (Artikel 83 EPÜ) und unerlaubter Änderungen bezüglich der Stammanmeldung bzw. der ursprünglich eingereichten Teilanmeldung (Artikel 76(1) und 123(2) EPÜ) angegriffen.
In der angefochtenen Entscheidung kam die Einspruchsabteilung zu dem Schluss, die Ansprüche des ihr vorliegenden Hauptantrags seien unerlaubt geändert worden. Der erste Hilfsantrag erfülle aber die Erfordernisse des EPÜ. Auf dieser Grundlage könne das Patent aufrechterhalten werden.
III. Auf folgende Dokumente wird Bezug genommen:
D1: |US 3,471,543 |
D3: |US 3,410,888 |
D4: |US 3,140,305 |
D5: |US 4,216,063 |
D7: |Chemistry of the Production of Organic Isocyanates, Twitchett, Chem. Soc. Rev. Vol.3, No.2, pages 209-230, 1974|
D10:|US 2,680,127 |
D11: |ChemSystems TDI/MDI report PER98/99S8, October 1999 |
D12: |SRI Process Economics Program Report No.1E, ISOCYANATES, August 1992 |
D13: |Cole, "Vapor-Liquid Equilibria for Mixtures of 2,4- and 2,6-Toluene Diisocyanate |
D14: |Ullmanns Encyclopedia 5th Edition, Volume A14, pp 611-625, 1989 |
IV. Der unabhängige Anspruch 1 des der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Hauptantrags der Patentinhaberin lautet wie folgt:
"Verfahren zur Reinigung eines Produktstroms aus der Isocyanatsynthese, umfassend
- destillative Reinigung eines Rohisocyanatstromes (1) im Vakuum bei 1 bis 120 mbar und bei Temperaturen von 90 bis 170 °C in einen gasförmigen Brüden (3) und einen flüssigen Teilstrom (2),
- den nicht verdampfbaren Rückstand im Teilstrom (2) von dem Brüdenstrom (3) und/oder von Stoffströmen, die den Brüdenstrom (3) zumindest teilweise enthalten, getrennt halten,
- Abtrennung von im flüssigen Teilstrom (2) enthaltenem Isocyanat von darin enthaltenem, nicht verdampfbaren Rückstand als isocyanathaltiger dampfförmiger Reststrom (4),
dadurch gekennzeichnet, daß man die Abtrennung in einem Schaufeltrockner ohne Kühlzone und mit Austragsschnecke für den nicht verdampfbaren Rückstand (8) durchführt."
V. Der unabhängige Anspruch 1 des der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden ersten Hilfsantrags der Patentinhaberin lautet wie folgt:
"Verfahren zur Reinigung eines Produktstroms aus der Isocyanatsynthese, umfassend
- destillative Reinigung eines Rohisocyanatstromes (1) im Vakuum bei 1 bis 120 mbar und bei Temperaturen von 90 bis 170 °C in einen gasförmigen Brüden (3) und einen flüssigen Teilstrom (2),
- den nicht verdampfbaren Rückstand im Teilstrom (2) von dem Brüdenstrom (3) und/oder von Stoffströmen, die den Brüdenstrom (3) zumindest teilweise enthalten, getrennt halten,
- Abtrennung von im flüssigen Teilstrom (2) enthaltenem Isocyanat von darin enthaltenem, nicht verdampfbaren Rückstand als isocyanathaltiger dampfförmiger Reststrom (4),
- destillatives Auftrennen des isocyanathaltigen dampfförmigen Reststroms (4) und des Brüdenstroms (3) in drei Einzelströme (5,6,7) mit unterschiedlichen Siedebereichen, wobei der am leichtesten siedende Strom (5) einen wesentlichen Teil des Leichtsiederanteils des Rohisocyanatstroms (1) enthält, der am schwersten siedende Strom (7) einen wesentlichen Teil des Hochsiederanteils des Rohisocyanatstroms (1) enthält, und der mittelsiedende Strom (6) im Wesentlichen Wertprodukt enthält,
dadurch gekennzeichnet, daß man die Abtrennung in einem Schaufeltrockner ohne Kühlzone und mit Austragsschnecke für den nicht verdampfbaren Rückstand (8) durchführt."
Der unterstrichene Abschnitt ist dabei im Vergleich zum Hauptantrag hinzugefügt worden.
Im folgenden werden die in diesem Verfahren definierten vier Schritte als Schritte (a), (b), (c) und (d) bezeichnet.
Die weiteren Hilfsanträge sind für die vorliegende Entscheidung ohne Belang.
VI. Die Beschwerdeführerin-Einsprechende hat im Verfahren zu den entscheidungsrelevanten Fragen im wesentlichen folgendes vorgebracht:
Die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Hauptantrag wegen unerlaubter Änderungen nicht zu gewähren, sei korrekt. Die ursprüngliche Offenbarung beschränke sich auf ein vierstufiges Verfahren. Ein dreistufiges Verfahren wie beansprucht sei nicht als solches offenbart worden.
Der Hilfsantrag wurde von der Einspruchsabteilung zu Unrecht gewährt. Zwar sei der im Hauptantrag fehlende vierte Schritt (d) wieder in den Anspruch eingefügt, allerdings seien verschiedene andere Merkmale des unabhängigen und verschiedener abhängiger Ansprüche unerlaubt geändert worden, Artikel 76(1) und 123(2) EPÜ. Das beanspruchte Verfahren sei nur für aromatische, nicht jedoch für aliphatische Isocyanate in ausführbarer Weise beschrieben, Artikel 83 EPÜ. Ausgehend von D5 als nächstem Stand der Technik sei das beanspruchte Verfahren für den Fachmann naheliegend, Artikel 56 EPÜ. Es seien lediglich in Schritt (a) allgemein bekannte Destillationsbedingungen definiert und mit Schritt (d) eine triviale Destillation zur Abtrennung von Verunreinigungen hinzugefügt worden.
VII. Die Beschwerdeführerin-Patentinhaberin hat im Verfahren zu den entscheidungsrelevanten Fragen im wesentlichen folgendes vorgebracht:
Ein dreistufiges Verfahren gemäß des Anspruchs 1 des Hauptantrags sei ursprünglich als solches offenbart. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung sei daher zu korrigieren.
Der Hilfsantrag wurde von der Einspruchsabteilung zu Recht als gewährbar angesehen. Unerlaubte Änderungen seien nicht gemacht worden. Es sei von der Einsprechenden kein Nachweis erbracht worden, dass das beanspruchte Verfahren mit aliphatischen Isocyanaten nicht funktioniere. Das beanspruchte Verfahren sei dem Fachmann ausgehend von D10 nicht nahelegt, wie auch in der angefochtenen Entscheidung bestätigt. D5 sei als nächster Stand der Technik weniger geeignet. Auch ausgehend von D5 sei das beanspruchte Verfahren aber dem Fachmann nicht nahegelegt, denn es müssten verschiedene Verfahrensschritte aus anderen Verfahren isoliert und in das Verfahren der D5 eingebaut werden. Dazu bestünde aber kein Anlass.
VIII. Am 18. Januar 2021 erließ die Kammer einen Bescheid unter Regel 100(2) EPÜ, in dem sie eine vorläufige Einschätzung der strittigen Sach- und Rechtsfragen abgab.
IX. Mit Ladung vom 7. Juli 2021 wurden die Parteien für den 2. Juni 2022 zu einer mündlichen Verhandlung geladen. Die Verhandlung fand am geladenen Termin in allseitigem Einverständnis in Form einer Videokonferenz statt. Am Ende der Verhandlung wurde die Entscheidung verkündet.
X. Die Anträge der Parteien waren die folgenden:
Die Beschwerdeführerin-Patentinhaberin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf Basis des der Entscheidung zugrundeliegenden Hauptantrags aufrechtzuerhalten. Hilfsweise beantragte sie Aufrechterhaltung auf Basis des der Entscheidung zugrundeliegenden Hilfsantrags 1, d. h. die Zurückweisung der Beschwerde der Einsprechenden. Weiterhin beantragte sie hilfsweise Aufrechterhaltung auf Basis verschiedener anderer Hilfsanträge, die aber für die vorliegende Entscheidung ohne Belang sind.
Außerdem beantragte die Patentinhaberin, die von der Einsprechenden im Rahmen des Beschwerdeverfahrens eingereichten Dokument D11-D14 nicht ins Verfahren zuzulassen.
Die Beschwerdeführerin-Einsprechende beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
1. Die Beschwerden sind zulässig.
2. Zulassung von Dokumenten ins Verfahren
Die Patentinhaberin hat die Nichtzulassung der Dokumente D11-D14 beantragt.
Die Einsprechende hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, D13 und D14 für ihre Argumentation nicht zu benötigen, und sich auch nicht auf diese Dokumente berufen.
Bezüglich D11 und D12 kommt die Kammer zu dem Schluss, dass deren Zulassung oder Nichtzulassung für den Verfahrensausgang nicht entscheidend ist, siehe unten. Eine dementsprechende Entscheidung erübrigt sich daher.
Hauptantrag der Patentinhaberin
3. Änderungen (Artikel 76(1) und 123(2) EPÜ
Die Kammer schließt sich der Beurteilung der Einspruchsabteilung in diesem Punkt auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Patentinhaberin im Beschwerdeverfahren an. Die Gründe dafür sind im folgenden ausgeführt. Für die ursprüngliche Offenbarung wird auf die veröffentlichte Stammanmeldung WO2004/056759 verwiesen; die Beschreibung der ursprünglich eingereichten Teilanmeldung ist identisch.
3.1 Anspruch 1 des Hauptantrags definiert ein Verfahren zur Reinigung eines Produktstroms aus der Isocyanatsynthese, das zumindest drei Schritte umfasst:
a) Destillative Trennung des Rohstroms (1) in einen flüssigen (2) und einen gasförmigen (3) Strom
b) Getrennthalten der Ströme (2) und (3)
c) Abtrennung von im flüssigen Teilstrom (2) enthaltenen Isoyanat von nicht verdampfbarem Rückstand als dampfförmiger Reststrom (4); diese Abtrennung wird in einem Schaufeltrockner ohne Kühlzone und mit Austragsschnecke für den nichtverdampfbaren Rückstand durchgeführt.
3.2 Dieser Anspruch unterscheidet sich von Anspruch 1 der ursprünglichen Offenbarung bzw. der Beschreibung des Verfahrens dort auf Seite 3, Zeile 28 bis Seite 4, Zeile 10 unter anderem dadurch, dass der letzte Schritt (d) fehlt. In diesem letzten Schritt werden die in Schritten (a) bzw. (c) erhaltenen Ströme (3) und (4) destillativ in drei Ströme (5), (6) und (7) aufgetrennt, von denen der mittlere Strom (6) im wesentlichen das Wertprodukt enthält (siehe Seite 4, Zeilen 5-10).
3.3 Es stellt sich also die Frage, ob ein Reinigungsverfahren für einen Produktstrom aus der Isocyanatsynthese, der nur aus den Schritten (a), (b) und (c) besteht, ursprünglich offenbart war.
3.3.1 Die Einspruchsabteilung hat zur Beurteilung dieser Frage den sogenannten Wesentlichkeitstest verwendet, der in den Prüfungsrichtlinien H-V, 3.1 beschrieben ist. Dieser Test wird in der momentan gültigen Ausgabe der Richtlinien nur als notwendige, nicht jedoch als hinreichende Bedingung dafür bezeichnet, dass ein Anspruch die Erfordernisse von Artikel 123(2) bzw. 76(1) EPÜ erfüllt.
Nach Ansicht der Kammer ist die entscheidende Frage, ob bei der gemachten Änderung, d. h. dem Weglassen des Schrittes (d), der sogenannte Goldstandard eingehalten wurde, d. h. ob ein Fachmann den Anspruchsinhalt unter Verwendung seines allgemeinen Fachwissens in den ursprünglich offenbarten Unterlagen unmittelbar und eindeutig entnehmen kann. Dies folgt aus G 2/10 mit Bezug auf G 3/89 and G 11/91, siehe Punkt 4.3 der Entscheidungsgründe, und wird auch in der neueren Rechtsprechung so gesehen (siehe etwa T 838/16, Punkt 2 der Entscheidungsgründe).
3.3.2 Das in der ursprünglichen Anmeldung beschriebene Verfahren umfasst die vier Schritte (a) bis (d), wie in der allgemeinen Offenbarung auf Seite 3 Zeile 28 bis Seite 4 Zeile 10 ausgeführt wird.
Schritt (d) dieses Verfahrens wird auf Seiten Zeile 31 bis Seite 9 Zeile 30 näher erläutert, wobei verschiedene alternative Ausgestaltungen beschrieben werden. Allen diesen Alternativen ist gemeinsam, dass die zunächst erhaltenen Ströme (3) und (4) destillativ in drei Ströme (5), (6) und (7) aufgetrennt werden. Nirgendwo ist beschrieben, dass dieser Schritt nur eine bevorzugte Ausführungsform wäre oder weggelassen werden könnte, wie von der Patentinhaberin behauptet. Es wird im Gegenteil durchgehend der in diesem Verfahrensschritt erhaltene mittlere Strom (6) als "Reinisocyanatstrom" bezeichnet, während die Ströme (5) und (7) als Leicht- bzw. Hochsiederströme bezeichnet und am Ende verworfen werden (zu letzterem siehe Seite 9, Zeilen 1/2). Beide Ausführungsbeispiele in Abbildungen 1 und 2 enthalten Schritt (d). Auch wenn natürlich bereits die Schritte (a) bis (c) eine gewisse Reinigung des Rohisocyanatstroms bewirken, so gibt es doch in den ursprünglichen Unterlagen nirgendwo eine Beschreibung eines Reinigungsverfahrens für einen Rohisocyanatstrom, bei dem nach den Schritten (a) bis (c) die getrennt anfallenden Ströme (3) und (4) als Produktströme entnommen werden, wie von der Patentinhaberin vorgebracht.
3.3.3 Ein dreistufiges Reinigungsverfahren, wie in Anspruch 1 des Hauptantrags definiert, war daher ursprünglich nicht beschrieben.
3.4 Dies wurde bereits im von der Kammer erlassenen Bescheid unter Regel 100(2) EPÜ so festgestellt; in der mündlichen Verhandlung hat die Patentinhaberin dazu keine weiteren Ausführungen gemacht.
3.5 Die Beschwerde der Patentinhaberin ist daher unbegründet.
Erster Hilfsantrag der Patentinhaberin
4. Auf Basis diesen Antrags wurde das Patent von der Einspruchsabteilung gemäß Artikel 101(3)(a) EPÜ in geänderter Form aufrechterhalten.
Im Ergebnis hat diese Entscheidung auch nach dem Vorbringen der Parteien im Beschwerdeverfahren Bestand, wie im folgenden begründet wird.
5. Änderungen (Artikel 76(1) und 123(2) EPÜ
5.1 Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass der im Hauptantrag fehlende Schritt (d) aus Seite 4, Zeilen 5-10 der Beschreibung wieder eingeführt wurde. Der diesbezüglich gegen den Hauptantrag bestehende Einwand ist daher ausgeräumt.
5.2 Die Einsprechende hat im Zuge ihrer Einlassungen zum Hauptantrag eine Reihe von Einwänden vorgebracht die auch für den ersten Hilfsantrag gelten. Diese Einwände sind aber aus den folgenden Gründen nicht überzeugend:
5.2.1 Die Einsprechende hat vorgebracht, der in Anspruch 1 definierte Ausgangsstrom sei breiter definiert als ursprünglich offenbart, da die in der ursprünglichen Offenbarung von Schritt (a) genannten höher- und niedrigersiedenden Komponenten, sowie der nicht verdampfbare Rückstand nicht explizit als Bestandteile desselben verlangt werden.
Allerdings verlangt Anspruch 1 als Startprodukt einen "Rohisocyanatstrom", der laut Oberbegriff einer Isocyanatsynthese entspringt. Derartige Ströme enthalten immer sowohl höher- und niedrigersiedende Bestandteile als auch nicht verdampfbare Rückstände. Diese werden ja im übrigen gemäß dem Wortlaut der nachfolgenden Schritte (b) und (d) aus dem Strom entfernt, müssen also vorher vorhanden gewesen sein. Eine unerlaubte Erweiterung wurde hier nicht vorgenommen.
Die Einsprechende hat insbesondere vorgebracht, in Anspruch 1 der ursprünglichen Anmeldung sei in Schritt (a) vorgeschrieben, dass der gasförmige Brüden (3) Isocyanate und Leichtsieder enthalte, wohingegen der vorliegende Anspruch keine Isocyanate mehr verlange. Es falle daher auch ein Verfahren unter den Anspruch, bei dem Strom (3) ausschließlich Leichtsieder enthalte.
Die Kammer sieht hier ebenfalls keine unerlaubte Erweiterung. Zwar ist richtig, dass dem Wortlaut des Anspruchs nach im Strom (3) keine Isocyanate mehr verlangt werden. Allerdings wird in Schritt (a) eine Destillation des Rohisocyanatstroms in einen flüssigen und einen gasförmigen Teilstrom beschrieben. Es ist unvermeidlich, dass sich zumindest zu einem gewissen Teil auch Isocyanate im gasförmigen Brüden befinden; eine vollständige Abtrennung ist unmöglich. Im ursprünglichen Anspruch wird auch kein bestimmter Anteil an Isocyanaten verlangt. Das Vorhandensein von Isocyanaten im gasförmigen Brüden ist daher ein implizites Merkmal des geänderten Anspruchs.
5.2.2 Ebenso hat die Einsprechende kritisiert, dass die Ströme (2) und (3) in Schritt (a) nur als flüssig bzw. gasförmig charakterisiert werden, während in der ursprünglichen Offenbarung im Strom (2) zusätzlich ein nicht verdampfbarer Rückstand und in Strom (3) die Leichtsieder verlangt werden.
Hier gilt gleiches wie oben. Der nicht verdampfbare Rückstand wird in Schritt (c) aus dem Strom (2) entfernt, war also vorher darin vorhanden. Die Leichtsieder werden in Schritt (d) aus den Strömen (3) und (4) entfernt; da Strom (4) aus Strom (2) stammt, der in der ersten Destillation aus dem Sumpf abgezogen wird, kommen die Leichtsieder aus Strom (3) und müssen daher in Schritt (a) nicht extra definiert werden.
5.2.3 Die Einsprechende hat auch die Formulierung der Abtrennung des Isocyanats als gasförmiger Strom (4) von nicht verdampfbarem Rückstand in Schritt (c) kritisiert. In der ursprünglichen Offenbarung wird letzterer zusätzlich als Strom (8) bezeichnet.
Das Weglassen dieser Bezeichnung geht aber nicht über die ursprüngliche Offenbarung hinaus. Der Wortlaut von Schritt (c) gemäß Anspruch 1 findet sich auf Seite 7, Zeilen 12/13 der ursprünglichen Unterlagen.
5.2.4 Bezüglich der abhängigen Ansprüche 3-6 wurde eingewandt, es handle sich jeweils um eine Auswahl aus der ursprünglichen Offenbarung.
Es handelt sich aber nicht um eine Auswahl, die mit einer neuen, ursprünglich nicht offenbarten Lehre verbunden wäre. Es wurden ja nur Alternativen aus Listen gestrichen.
5.2.5 Bezüglich der abhängigen Ansprüche 7 und 8 wurde eingewandt, die Offenbarung der Temperaturen und Drücke auf Seite 7, Zeilen 24/25 beschränke sich auf die entsprechenden Kombinationen. Drücke und Temperaturen seien nicht unabhängig voneinander offenbart.
Dies geht jedoch nicht klar aus dem Absatz hervor. Es wird dort nicht eine Temperatur in Kombination mit einem Druck beschrieben, sondern es werden zwei Temperatur- und zwei Druckbereiche nacheinander aufgelistet. Eine Offenbarung dieser Bereiche nur in Kombination liegt daher nicht vor.
5.2.6 Die Merkmale der abhängigen Ansprüche sind in der Beschreibung in allgemeiner Weise offenbart. Eine Kombination der abhängigen Ansprüche mit dem unabhängigen Anspruch 1 bringt daher, entgegen des Vorbringens der Einsprechenden, keine ursprüngliche nicht offenbarten Merkmale in die Ansprüche ein.
5.3 Die Erfordernisse der Artikel 123(2) und 76(1) EPÜ sind deshalb erfüllt.
6. Klarheit (Artikel 84 EPÜ)
Gemäß G 03/14 beschränkt sich die Klarheitsprüfung im Einspruchsverfahren auf Merkmale, die nicht bereits in den erteilten Ansprüchen vorhanden waren. Im vorliegenden Fall betrifft dies den in den ersten Hilfsantrag eingefügten Schritt (d), da dieser im erteilten Patent kein Bestandteil des Anspruchs war. Die Einsprechende hat zwei Einwände vorgebracht.
6.1 Ein Einwand richtet sich gegen die Bezeichnung der Ströme (5), (6) und (7) als leicht-, mittel- und hochsiedend. Die Einsprechende hatte vorgebracht, dies seien relative Bezeichnungen, die laut den Prüfungsrichtlinien, F-IV, 4.6.1, nicht zulässig seien, solange keine allgemein anerkannte Definition dieser Bezeichnungen im relevanten technischen Gebiet existiere.
Nach Überzeugung der Kammer ist dies jedoch unproblematisch. Diese Bezeichnungen definieren die Siedebereiche der Ströme relativ zueinander. Ein Fachmann kann die Ströme jedenfalls anhand dieser Bezeichnungen voneinander unterscheiden. Ob diese Begriffe auf dem Gebiet der Isocyanatsynthese eine eindeutige Definition haben oder nicht, ist daher unerheblich.
6.2 Der zweite Einwand richtet sich gegen die Bedingung, dass der am leichtesten siedende Strom einen wesentlichen Teil des Leichtsiederanteils des Rohisocyanatstroms (1), der am schwersten siedende Strom einen wesentlichen Teil des Hochsiederanteils des Rohisocyanatstroms (1) und der mittlere Strom im wesentlichen Wertprodukt enthält.
6.2.1 Die Einsprechende brachte vor, es sei unklar, welche Anteile damit definiert würden. Insbesondere verwies sie auf das Beispiel des Patents. Dort sei für den Rohisocyanatstrom (1) 170 ppm Leichtsieder angegeben, was bei 1 kg/h einen Fluss von 1,7 g/h ausmache. Für den Strom (5) ergäbe sich 0,15 g/h. Dies bedeute, dass Strom 5 nur ca. 10% des Leichtsiederanteils aus dem Rohisocyanatstrom (1) enthalte; dies könne nicht als wesentlicher Anteil gelten.
6.2.2 Die Patentinhaberin brachte vor, ein Fachmann wisse, was unter einem wesentlichen Anteil zu verstehen sei. Sie verwies auf Absatz [0048] der Beschreibung, der einen Anteil von Reinisocyanat im mittelsiedenden Strom (6) von über 99% definiere. In Bezug auf die Anteile von leicht- und schwersiedenden Verunreinigungen aus dem Strom (1), die in den Strömen (5) und (7) enthalten sein müssten, brachte sie vor, die Berechnungen der Einsprechenden seien nicht nachvollziehbar. Im Übrigen seien diese Ströme unwichtig, da sie ohnehin verworfen würden, wie in Absatz [0044] beschrieben.
6.2.3 Die Kammer kommt zu der Überzeugung, dass die eingebrachten Merkmale keine Unklarheit entsteht.
Die von der Einsprechenden in ihrer Beschwerdebegründung vorgestellte Berechnung beruht auf einem Rechenfehler, da 170 ppm des Rohisocyanatstroms (1) bei 1 kg/h nicht 1,7 g/h, sondern 0,17 g/h entsprechen. Daher enthält der Strom (5) ca. 88% der in Strom (1) eingebrachten leichtsiedenden Verunreinigungen, was der Fachmann durchaus als wesentlichen Teil ansehen würde. Das Beispiel illustriert das beanspruchte Verfahren und steht nicht im Widerspruch zu den Ansprüchen, wie von der Einsprechenden behauptet.
Der Anspruch verlangt, dass wesentliche Teile leicht- und schwersiedender Verunreinigungen aus Strom (1) in den Strömen (5) und (7) zu finden sind. Auch wenn der Anspruch keine zahlenmäßigen Anteile angibt, so ist doch für den Fachmann klar, was damit gemeint ist. Genauso ist für den Fachmann klar, was mit der Bedingung gemeint ist, dass der Strom (6) im wesentlichen Wertprodukt enthält. Wie von der Patentinhaberin angeführt, hätte er hier zudem noch einen Anhaltspunkt aus Absatz [48] der Beschreibung.
6.3 Das Klarheitserfordernis des Artikels 84 ist daher erfüllt.
7. Ausführbarkeit (Artikel 83 EPÜ)
Die Einsprechende hatte zur mangelnden Ausführbarkeit ebenfalls zwei Einwände vorgebracht.
7.1 Der erste Einwand der Einsprechenden betrifft die Natur des in Schritt (c) verwendeten Schaufeltrockners, nämlich ein Schaufeltrockner ohne Kühlzone und mit Austragsschnecke für den nicht verdampfbaren Rückstand. Nach Ansicht der Einsprechenden weiß ein Fachmann nicht, worum es sich dabei handelt.
Das Patent enthält dazu in der Tat keine Angaben. Die Frage ist also, ob ein Fachmann zum Prioritätszeitpunkt gewusst hätte, welche Geräte er zu diesem Zweck verwenden soll.
Die Patentinhaberin hat dazu vorgetragen, Schaufeltrockner ohne Kühlzone und mit Austragsschnecke seien in D6 offenbart, insbesondere in Abbildung 4.
Die Kammer hält dies für ausreichend. Derartige Trockner standen dem Fachmann zum Prioritätstag zur Verfügung. Damit kann ein Fachmann das beanspruchte Verfahren ausführen. Weitergehende Überlegungen der Einsprechenden, ob eventuell auch noch andere Apparaturen mit der im Anspruch verwendeten Definition gemeint sein könnten, ändern daran nichts.
7.2 Der zweite Einwand der Einsprechenden betrifft die Natur des eingesetzten Isocyanats.
7.2.1 Die Einsprechende hat vorgebracht, dass bei Verwendung aliphatischer Isocyanate das beanspruchte Verfahren nicht funktionieren könne, und zwar insbesondere die Entfernung des nicht verdampfbaren Rückstands in Schritt (c). Dazu wird auf das Verfahren in D5 verwiesen, das einen solchen Trennungsschritt in einem Schaufeltrockner ohne Kühlzone für TDI, ein aromatisches Isocyanat, beschreibt. Laut D3 (Spalte 2, Zeilen 42-64) funktioniert diese Trocknung mit aliphatischen Isocyanaten nicht, da eine klebrige Masse entsteht, die die verwendeten Apparaturen verstopft. Als Lösung dieses Problems wird in D3 die Einführung einer Kühlzone in den Trockner beschrieben.
Aus D3 in Kombination mit D5 sei daher klar, dass zumindest Teile des beanspruchten Verfahrens nicht ausführbar beschrieben seien. Das Patent selbst enthielte keine Beispiele mit aliphatischen Isocyanaten. Es sei daher Sache der Patentinhaberin, zu beweisen, dass ein solches Verfahren ausführbar sei.
7.2.2 Die Einspruchsabteilung überzeugten diese Argumente nicht, da das Verfahren von D5 nicht äquivalent zu dem Verfahren in den vorliegenden Ansprüchen sei. Insbesondere sei dort Schritt (a) nicht beschrieben, und auch Schritt (b) nicht, zumindest nicht explizit.
Die Patentinhaberin brachte zusätzlich zu bedenken, dass in D3 nicht gesagt werde, ob die Apparatur aus D5 verwendet wurde. Zudem beschreibe D3 keine konkreten Versuche.
7.2.3 Im Einspruchsverfahren trägt die Einsprechende die Last des Nachweises, dass das Patent die einschlägigen Vorschriften des EPÜ nicht erfüllt, siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9te Auflage, III G 5.2.1. Die Kammer kommt im vorliegenden Fall zu dem Schluss, dass die Angaben in D3 und D5 nicht ausreichen, um substantiierte Zweifel ans der Ausführbarkeit, die durch überprüfbare Fakten erhärtet sind, zu belegen. Eine Beweislastumkehr in dem Sinne, dass die Patentinhaberin die Ergebnisse aus D3/D5 widerlegen müsste, ist daher nicht gerechtfertigt.
D5 nimmt als Startmaterial eine als "distillation residues" genannte Mischung. In Beispiel 1 der D5 wird der Sumpf einer Konzentrationskolonne verwendet, der aus TDI und Polymerisationsresten besteht. Dies entspricht möglicherweise Strom (2) des vorliegenden Anspruchs. Details hierzu fehlen jedoch.
Gemäß D3 kann der Trocknungsprozess der D5 an aliphatische Isocyanate nicht ohne das Einfügen einer Kühlzone angepasst werden. Allerdings enthält D3 keine konkreten Experimente, sondern beschreibt nur allgemein, dass es den Erfindern der D3 nicht gelungen sei, den Prozess der D5 auf aliphatische Isocyanate zu übertragen. Wie von der Patentinhaberin angeführt, ist weder klar, welche Art von Apparaturen benutzt, noch, welche Ausgangsmaterialien genau eingesetzt wurden. Es gibt in D3 keine überprüfbaren Angaben zum durchgeführten Verfahren, die Rückschlüsse auf die Gründe des Scheiterns ermöglichen würden. Die bloße Behauptung in D3, das Verfahren der D5 funktioniere nicht, kann keine Beweislastumkehr zur Folge haben.
7.3 Die Erfordernisse des Artikel 83 EPÜ sind daher erfüllt.
8. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
8.1 In der angefochtenen Entscheidung kam die Einspruchsabteilung zu dem Schluss, das beanspruchte Verfahren sei weder ausgehend von D5 noch ausgehend von D10 nahegelegt (Punkt 10 der Entscheidungsbegründung).
Sowohl in der Beschwerdebegründung als auch in der Antwort auf die Beschwerdebegründung der Patentinhaberin ist die Einsprechende von D5 als nächstem Stand der Technik ausgegangen. Dass das beanspruchte Verfahren ausgehend von D10 nicht nahegelegt ist, wurde nicht bestritten und ist daher weiterhin gültig.
Die Kammer kommt nach Abwägung der von den Parteien vorgetragenen Argumente zu dem Schluss, dass erfinderische Tätigkeit auch ausgehend von D5 gegeben ist. Die Begründung ist im folgenden dargelegt.
8.2 Unterschiede des beanspruchten Verfahrens gegenüber D5
8.2.1 D5 beschäftigt sich mit dem Problem, TDI aus einem flüssigen, viskosen Rückstand zu isolieren, der in einer Menge von 10-15% bei der TDI-Synthese anfällt. Das Ziel der D5 besteht darin, einerseits TDI zu gewinnen, und andererseits einen trockenen Rückstand zu erhalten, der dann einer Verbrennung zugeführt werden kann (siehe Spalte 1, Zeilen 12-24). Zu diesem Zweck wird vorgeschlagen, die Trennung des TDI von den festen Rückständen in einem Schaufeltrockner durchzuführen (siehe den Absatz übergreifend Spalten 1 und 2 oder Beispiel 1). Dieser Schaufeltrockner besitzt eine Austragsschnecke ("continuously extruded under vacuum with a hot screw", Spalte 2, Zeilen 37/38), eine Kühlzone ist nicht beschrieben.
8.2.2 Die Ansprüche betreffen ein Verfahren zur Reinigung eines Produktstroms aus der Isocyanatsynthese, umfassend Schritte (a) bis (d).
Das Verfahren der D5 entspricht dem Schritt (c) des vorliegend beanspruchten Verfahrens. Der in D5 eingesetzte Strom entspricht dem Verfahrensstrom (2), das gewonnene TDI entspricht dem Verfahrensstrom (4). Des weiteren offenbart D5, dass der eingesetzte Strom aus dem Sumpf einer Konzentrationskolonne stammt (Beispiel 1), woraus gefolgert werden kann, dass ein anderer Teil des TDIs abdestilliert wurde (entsprechend Strom 3). Die im vorliegenden Schritt (a) verwendeten Destillationsbedingungen werden allerdings nicht erwähnt.
Die Einsprechende ist der Auffassung, auch das Anspruchsmerkmal (b) sei offenbart, denn es würden ja schließlich keine Ströme wieder zusammengeführt. Merkmal (b) verlangt, dass der im ersten Destillationsschritt abdestillierte gasförmige Brüden (3) von dem im flüssigen Strom (2) enthaltenen nicht verdampfbaren Rückstand getrennt gehalten wird. In D5 wird der Brüden (3) nicht explizit erwähnt, demnach auch nicht Merkmal (b). Ob das Merkmal implizit offenbart ist, ist strittig, aber nicht entscheidend, wie unten ausgeführt ist.
Das beanspruchte Verfahren unterscheidet sich also von demjenigen der D5 zumindest in den folgenden Punkten:
i) die Destillationsbedingungen in Schritt (a)
ii) dem nachgeschalteten Schritt (d), in dem Ströme (3) und (4) in drei Fraktionen (5), (6) und (7) aufgetrennt werden, von denen Strom (6) das reine Isocyanat enthält.
8.3 Technische Aufgabe und deren Lösung
8.3.1 Die Einsprechende hat zur Aufgabenstellung argumentiert, für Schritte (a) und (d) müssten jeweils Teilaufgaben definiert werden, die für sich genommen betrachtet werden müssten, da zwischen den Schritten (a) und (d) keine Synergie zu erkennen sei. Für Schritt (a) bestehe die technische Aufgabe darin, geeignete Destillationsbedingungen zu finden. Für Schritt (d) bestehe die technische Aufgabe darin, einen Strom, der Isocyanate und Leicht- sowie Hochsieder als Verunreinigung enthält, entsprechend aufzutrennen.
Die Kammer kann dem nicht zustimmen. Ein solcher Ansatz verkennt, dass das vorliegende Patent darauf gerichtet ist, ein Gesamtverfahren zur Herstellung reinen Isocyanats aus einem Rohisocyanatstrom zur Verfügung zu stellen. Diese Aufgabe ist in D5 nicht beschrieben. Die D5 hat ein anderes Ziel, denn sie ist nur damit befasst, restliches Isocyanat aus den festen Rückständen des Destillationssumpfs eines Teilschritts eines derartigen Verfahrens wiederzugewinnen. Eine Auftrennung der technischen Aufgabe in Teilaufgaben ausgehend von einzelnen Schritten der D5, wie von der Einsprechenden vorgenommen, lässt unberücksichtigt, dass das vorliegend beanspruchte Gesamtverfahren ein anderes Ziel verfolgt, als die D5.
8.3.2 Die zu lösende Aufgabe ist in Absatz [0015] des Patents beschrieben und besteht darin, ein Verfahren zur Herstellung von reinem Isocyanat durch Reinigung eines Rohisocyanatstroms zu finden, das ein möglichst reines Produkt mit möglichst wenig Aufwand erhältlich macht. Da, wie oben ausgeführt, diese Aufgabe in D5 nicht gelöst wurde, besteht kein Anlass, sie im Lichte dieses Dokuments umzuformulieren.
Die Aufgabe wird durch das beanspruchte vierstufige Verfahren gelöst, das sich insbesondere dadurch auszeichnet, dass im ersten Schritt passende Destillationsbedingungen festgelegt werden und der letzte Schritt eine Auftrennung in Leichtsieder, Wertprodukt und Hochsieder erlaubt. Dass das Verfahren die gestellte Aufgabe löst, wurde nicht bestritten; die Einsprechende argumentiert ja im Gegenteil, die Lösung des Problems sei für den Fachmann naheliegend gewesen.
8.4 Naheliegen der Lösung
8.4.1 Die beanspruchte Lösung der Aufgabe ist vom Stand der Technik nicht nahegelegt.
8.4.2 Ein Fachmann hätte ausgehend von D5 zunächst einmal einen Schritt zurückgehen müssen, um den Rohisocyanatstrom (1) als Ausgangsstrom zu nehmen. Dann hätte er sich für die erste Destillation (a) die beanspruchten Druck und Temperaturbedingungen überlegen müssen, den erhaltenen gasförmigen Strom (3) in drei Fraktionen (5), (6) und (7) auftrennen, den in (a) erhaltenen flüssigen Strom gemäß dem Verfahren der D5 verarbeiten, und den dort erhaltenen gasförmigen Strom ebenfalls in drei Fraktionen (5), (6) und (7) auftrennen müssen, um schließlich jeweils im mittleren Strom (6) das reine Isocyanat zu erhalten.
8.4.3 Die Einsprechende hat im wesentlichen argumentiert, die Destillationsbedingungen in (a) seien aus dem Stand der Technik bekannt, etwa aus D4, ebenso die Tatsache, dass in Schritt (b) die Ströme getrennt gehalten würden. Des weiteren sei die Fraktionierung der Ströme (3) und (4) in drei Teilströme eine einfache weitere Aufreinigung der Produktströme wie etwa in D7 und daher naheliegend. Für den finalen Schritt (d) wurden auch D11 und D12 zitiert.
Die Einsprechende hat weiterhin vorgebracht, der Schritt (d) sei für das beanspruchte Verfahren dem Vorbringen der Patentinhaberin nach ohnehin unwichtig, wie aus ihrem Vorbringen zum Hauptantrag hervorgehe. Dieser enthalte diesen Schritt nicht. Schritt (d) könne daher keinen erfinderischen Beitrag leisten.
8.4.4 Die Kammer kann dem nicht beipflichten.
Dass D11 oder D12 den beanspruchten Verfahrensschritt (d) offenbaren, wurde von der Patentinhaberin bestritten.
Selbst wenn man im Sinne der Einsprechenden zugesteht, dass D12 in Kolonne C-406 eine Auftrennung eines dem Brüdenstrom (3) entsprechenden Stroms in drei Teilströme offenbart, von denen der mittlere das Wertprodukt enthält, so ist der beanspruchte Prozess ausgehend von D5 dadurch trotzdem nicht nahegelegt. Ein Fachmann hätte ja ausgehend von D5 einzelne Verfahrensschritte aus verschiedenen im Stand der Technik beschriebenen komplexen Verfahren herausnehmen und neu zusammensetzen müssen. Er hätte beispielsweise die erste Destillation aus D4 verwenden, dabei aber den flüssig anfallenden Strom nicht gemäß der Lehre der D4, sondern gemäß der Lehre der D5 weiterverarbeiten müssen, um danach sowohl den im ersten Schritt gemäß D4 als auch den im zweiten Schritt gemäß D5 anfallenden gasförmigen Strom in drei Teile zu fraktionieren. Darauf gibt es weder in der D5 noch anderswo einen Hinweis. Die D5 misst ja dem Schicksal des verfahrensgemäßen Stroms (3) überhaupt keine Bedeutung zu.
Das Argument, Schritt (d) wäre dem Vorbringen der Patentinhaberin bezüglich des Hauptantrags zufolge unwichtig, kann ebenfalls nicht überzeugen. Der Hauptantrag wurde ja gerade wegen der Abwesenheit diesen Schritts nicht gewährt. Im vorliegenden Antrag ist er Bestandteil des Verfahrens und kann daher bei der Analyse nicht ignoriert werden.
8.5 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass ein Fachmann ausgehend von dem in D5 beschriebenen Verfahren keine Veranlassung hatte, einzelne Verfahrensschritte mosaikartig aus den von der Einsprechenden zitierten Dokumenten herauszunehmen und dem Verfahren der D5 hinzuzufügen, um die gestellte technische Aufgabe, reines Isocyanat aus einem Rohisocyanatstrom zu erhalten, zu lösen.
Erfinderische Tätigkeit ist daher gegeben.
9. Die Beschwerde der Einsprechenden ist daher ebenfalls unbegründet.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.