T 1481/19 20-10-2020
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TRANSPORTVORRICHTUNG
Änderungen - zulässig (nein)
Spät eingereichte Hilfsanträge - zugelassen (nein)
Spät eingereichte Hilfsanträge - Hilfsanträge wurden im Prüfungsverfahren zurückgenommen und hätten dort zur Entscheidung gestellt werden können
Niederschrift über mündliche Verhandlung vor der Prüfungsabteilung
Niederschrift über mündliche Verhandlung - Antrag auf Korrektur der Niederschrift (nein)
Widerlegbare Vermutung der Richtigkeit der Niederschrift über die mündliche Verhandlung - Sofern eine Partei meint, die Verhandlungsniederschrift sei unvollständig oder fehlerhaft, da diese wesentliche Ausführungen nicht oder fälschlicherweise enthalte, obliegt es ihr, zur Wahrung ihrer Rechte bei dem zuständigen Organ eine entsprechende Protokollberichtigung zu beantragen (Nr. 2.3 der Gründe).
I. Die Anmelderin (Beschwerdeführerin) hat gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung über die Zurückweisung der Anmeldung Nr. 16150974.0 form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt.
II. Der angefochtenen Entscheidung lag ausschließlich der in der mündlichen Verhandlung vor der Prüfungsabteilung am 15. November 2018 eingereichte Anspruchssatz (Hauptantrag) zugrunde. Die Prüfungsabteilung entschied, dass der Gegenstand dessen Anspruchs 1 die Erfordernisse der Artikel 123(2), 84 und 54 EPÜ nicht erfüllt.
III. Die Beschwerdeführerin beantragte,
die angefochtene Entscheidung aufzuheben und
ein Patent auf der Basis der Ansprüche gemäß dem
Hauptantrag, eingereicht am 15. November 2018, zu
erteilen,
hilfsweise die Angelegenheit an die Prüfungsabteilung zur weiteren Entscheidung des Hauptantrages und der Hilfsanträge 1 bis 3, eingereicht am 15. Oktober 2018, zurückzuverweisen.
IV. Mit Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 teilte die Kammer ihre vorläufige negative Beurteilung der Sach- und Rechtslage mit, zu der die Beschwerdeführerin schriftlich nicht inhaltlich Stellung nahm.
V. Am 20. Oktober 2020 fand eine mündliche Verhandlung statt, wegen deren Einzelheiten auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen wird und an deren Ende der Entscheidungsausspruch verkündet wurde.
VI. Die Zurückweisungsgründe der angefochtenen Entscheidung erachtet die Beschwerdeführerin als unzutreffend. Das entscheidungserhebliche Vorbringen der Beschwerdeführerin wird in den Gründen dieser Entscheidung diskutiert.
VII. Der Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag lautet wie folgt (die Änderungen in dem Anspruch gegenüber dem ursprünglich eingereichten Anspruch sind durchgestrichen oder in Fettschrift dargestellt).
"Verfahren zum Betrieb einer Transportvorrichtung (1) für Lasten (6), vorzugsweise für die Verwendung in Verpackungsmaschinen, [deleted: dadurch gekennzeichnet, daß eine oder] wobei mehrere Aufnahmen (4) für Lasten (6) vorgesehen sind, dadurch gekennzeichnet, daß eine Kette, ein Band, ein Seil, einer Linearmotorbahn oder dergleichen vorgesehen ist, auf dem die Aufnahmen (4) angeordnet sind oder angeordnet werden und daß die Aufnahmen ( 4 ), welche über Halteelemente (7) verfügen, hinsichtlich ihrer Länge, das heisst hinsichtlich des Abstandes der Halteelemente (7) auf einer Aufnahme und zusätzlich zudem zueinander hinsichtlich ihres Abstandes verstellbar ausgebildet sind, wodurch der Abstand der Halteelemente (7) zweier benachbarter Aufnahmen (4) zueinander verändert wird, wodurch Gegenstände (6) aufgenommen das heisst wahlweise auf einer Aufnahme (4) zwischen zwei Halteelementen (7) einer Aufnahme (4) und/oder zwischen zwei Halteelementen (7) zweier benachbarter Aufnahmen (4) geklemmt werden."
VIII. Da der genaue Wortlaut der unabhängigen Ansprüche der Hilfsanträge, die allesamt nicht mehr auf Verfahrensansprüche zum Betrieb einer Transporteinrichtung für Lasten, sondern auf Produktansprüche für eine Transporteinrichtung für Lasten gerichtet sind, nicht entscheidungserheblich ist, wird von deren wörtlicher Wiedergabe abgesehen.
1. Hauptantrag - Änderungen , Artikel 123 (2) EPÜ
1.1 Die Prüfungsabteilung hat unter Punkt II.12 der Entscheidungsgründe festgestellt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrages die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ nicht erfüllt, weil er eine Alternative abdeckt, die nicht ursprünglich offenbart wurde, nämlich dass Gegenstände wahlweise auf einer Aufnahme zwischen zwei Halteelementen einer Aufnahme und zwischen zwei Halteelementen zweier benachbarter Aufnahmen geklemmt werden.
1.2 Die Kammer betrachtet dies als eine aus dem Blickwinkel einer fachkundigen Person nachvollziehbare und verständliche Lesart des Gegenstandes des geänderten Anspruchs 1. Dieses Verständnis ist nicht von den beiden auf Seiten 5 und 6 der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen offenbarten alternativen Varianten für das Klemmen von Gegenständen zwischen zwei Halteelementen gedeckt.
1.3 Die erste Variante (siehe ursprüngliche Beschreibung auf Seite 5, vorletzte Zeile, bis Seite 6, Zeile 2) sieht vor, dass der Gegenstand 6 zwischen zwei ("beiden") Haltelemente 7 der beiden benachbarten Aufnahmen 4 geklemmt wird, und entspricht den Ausführungsbeispielen von Figuren 4 und 5:
FORMEL/TABELLE/GRAPHIKFORMEL/TABELLE/GRAPHIK
1.4 Die zweite Variante (siehe ursprüngliche Beschreibung auf Seite 6, vierter Absatz) sieht vor, dass der Gegenstand 6 zwischen zwei oder mehr Haltelemente 7 auf einer Aufnahme 4 geklemmt wird, und entspricht dem Ausführungsbeispiel von Figur 6:
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
1.5 Es wurde daher die Variante nicht ursprünglich offenbart, bei welcher der Gegenstand 6 zwischen zwei Haltelementen einer ersten Aufnahme und einem (oder mehr) Haltelement der zweiten Aufnahme geklemmt wird, wie beispielsweise die Skizze unten zeigt:
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
1.6 Diese Variante wird jedoch durch die vorliegende Formulierung des Anspruchs 1 "dass Gegenstände wahlweise auf einer Aufnahme zwischen zwei Haltelementen einer Aufnahme und zwischen zwei Haltelementen zweier benachbarter Aufnahmen geklemmt werden" (Hervorhebung durch die Kammer) abgedeckt.
1.7 Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass die ursprünglichen Ansprüche 2, 3 und 11 und die Beschreibungsseite 2, Absätze 2 bis 5, sowie die Seite 6, zweiter Absatz, eine Basis bildeten, die die Alternative mit der "und"-Verknüpfung rechtfertigte. Dies ist nach Ansicht der Kammer nicht zutreffend, denn diese Passagen beziehen sich lediglich auf die Anpassung der Aufnahmen und/oder der Halteelemente, nicht aber auf die Anzahl und Position der klemmenden Haltelemente, geschweige denn auf die Klemmung zwischen zwei Haltelementen zweier benachbarter Aufnahmen.
1.8 Damit steht dem Hauptantrag der Zurückweisungsgrund der mangelnden Vereinbarkeit mit den Erfordernissen von Artikel 123 (2) EPÜ weiterhin entgegen.
2. Hilfsanträge 1 bis 3, Zulassung
2.1 Laut der angefochtenen Entscheidung (Entscheidungsgründe, Punkt I.9) und der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor der Prüfungsabteilung (Protokoll, Punkt 3, dritter Absatz) wurden die am 15. Oktober 2018 eingereichten und im Beschwerdeverfahren erneut geltend gemachten Hilfsanträge 1 bis 3 zurückgenommen.
2.2 Die Beschwerdeführerin behauptet nun, sie hätte die Hilfsanträge während der mündlichen Verhandlung vor der Prüfungsabteilung nicht zurückgenommen, weshalb über diese noch zu entscheiden sei. Insoweit rügt die Beschwerdeführerin einen Verfahrensfehler (siehe Seite 2, erster Absatz, der Beschwerdebegründung) und die Fehlerhaftigkeit der Protokollierung und der Entscheidung in dieser Hinsicht. Der Umstand, dass dieser angebliche Verfahrensfehler ausschließlich mit der Beschwerde geltend gemacht werde, nicht aber (auch) eine Berichtigung des nach Meinung der Beschwerdeführerin unrichtigen Protokolls durch die Prüfungsabteilung beantragt wurde, sei unschädlich. Nach der Rechtssprechung (siehe Rechtbesprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage 2019, V.A.9.5.7.f) und III.C.7.10.3) könne eine Partei bei dem zuständigen Organ eine Protokollberichtigung beantragen. Eine absolute Verpflichtung zu einem solchen Antrag bestehe hingegen nicht. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin könnte die Unrichtigkeit des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor der Prüfungsabteilung auch allein im Kontext ihrer Beschwerde beanstandet werden.
2.3 Diese Auffassung der Beschwerdeführerin ist jedoch rechtsirrig. Abgesehen davon, dass kein Hinweis auf eine Falschprotokollierung der prozessualen und damit verbindlichen Rücknahmeerklärungen der Beschwerdeführerin auch nur ansatzweise erkennbar ist, streitet die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor der Prüfungsabteilung als solches zunächst einmal für ihre Richtigkeit. Zur Protokollberichtigung ist nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern allein die Stelle zuständig und berufen, vor welcher die mündliche Verhandlung abgehalten wurde, im vorliegenden Fall die Prüfungsabteilung (siehe T 1005/08 und T 2150/15, nicht veröffentlicht im ABl. EPA). Sofern eine Partei meint, die Verhandlungsniederschrift sei unvollständig oder fehlerhaft, da diese wesentliche Ausführungen nicht oder fälschlicherweise enthalte, obliegt es ihr, zur Wahrung ihrer Rechte bei dem zuständigen Organ eine entsprechende Protokollberichtigung zu beantragen. Ohne einen solchen Antrag ist die Behauptung der Beschwerdeführerin, es liege ein wesentlicher Verfahrensmangel vor, nicht stichhaltig (siehe Rechtbesprechung der Beschwerdekammern, supra, V.A.9.5.7.f), erster Absatz, mit weiteren Nachweisen).
2.4 Im Übrigen stellt die Kammer fest, dass die Beschwerdeführerin vor Verkündung des Ausspruches der angefochtenen Entscheidung (Punkt 5, fünfter Absatz, des Protokolls) nicht auf die nach ihrer Ansicht noch notwendige Erörterung der Hilfsanträge drang. Dazu hätte sie aber aufgrund der Mitteilung des Vorsitzenden der Prüfungsabteilung, dass Anspruch 1 des Hauptantrages den Erfordernissen der Artikel 123 (2), 84 und 54 EPÜ nicht genügte (Punkt 5, vierter Absatz, des Protokoll) nicht nur einen Anlass, sondern auch eine hinreichende Gelegenheit gehabt. Auch dieser Umstand spricht jedenfalls nicht für die jetzt vorgetragene Behauptung einer verfahrensfehlerhaften Nichtentscheidung über die Hilfsanträge.
2.5 Vor diesem Hintergrund geht die Kammer von der Richtigkeit des Protokolls und der Festlegungen in der angefochtenen Entscheidung betreffend die Rücknahme der Hilfsanträge 1 bis 3 aus.
2.6 Die Zulassung der Hilfsanträge in das Beschwerdeverfahren unterliegt daher dem Ermessen der Kammer gemäß Artikel 12 (4) VOBK 2007, der nach Artikel 25 (2) VOBK 2020 auf das vorliegende Verfahren anwendbar ist.
2.7 In Anbetracht dessen, dass das Beschwerdeverfahren nach Artikel 12 (2) VOBK 2020 zuvörderst der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung dient, betrachtet die Kammer es als nicht angemessen, dass die Beschwerdeführerin Anträge zur Entscheidung durch die Beschwerdekammer stellt, die sie im vorausgegangenen Verfahren vor der Verwaltungsinstanz ausdrücklich zurückgenommen und damit einer Entscheidung durch die Prüfungsabteilung eigenverantwortlich entzogen hatte. Die Kammer lässt die Hilfsanträge 1 bis 3 daher in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 12 (4) VOBK 2007 nicht in das Verfahren zu.
3. Da kein Antrag vorliegt, der die Zurückweisungsgründe überwindet bzw. der ins Verfahren zugelassen wurde und auf dessen Basis eine Zurückverweisung an die Prüfungsabteilung zur weiteren Entscheidung erfolgen könnte, erübrigt sich auch eine Entscheidung der Kammer zum entsprechenden Antrag auf Zurückverweisung.
4. Im Ergebnis ist die Beschwerde daher zurückzuweisen
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.