T 2873/19 22-09-2020
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SCHLAUCHSET UND ABFÜLLNADEL ZUR VERWENDUNG IN EINEM SCHLAUCHSET ZUM ABFÜLLEN EINES FLIESSFÄHIGEN MEDIUMS, INSBESONDERE EINES PHARMAZEUTIKUMS
Patentansprüche - Klarheit
Patentansprüche - Hauptantrag (ja)
Neuheit - Hauptantrag (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (ja)
Einheitlichkeit der Erfindung - Rückerstattung der zusätzlich entrichteten Recherchengebühr (nein)
I. Die Anmelderin (Beschwerdeführerin) legte form- und fristgerecht Beschwerde gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 21. Mai 2019 ein, welche die europäische Patentanmeldung Nr. 16 197 448.0 zurückgewiesen hatte.
II. Die Anmeldung wurde als nicht patentfähig angesehen, weil sie nicht den Erfordernissen des Artikel 84 EPÜ genüge. Ferner fehle es dem Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag 1 gegenüber dem Dokument D1 an Neuheit gemäß Artikel 54 EPÜ und die Hilfsanträge 2 und 3 beruhen gegenüber dem Dokument D1 und dem allgemeinen Fachwissen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gemäß Artikel 56 EPÜ.
Mit der Zurückweisung der Patentanmeldung wurde ebenfalls ein Antrag der Anmelderin auf Rückerstattung einer weiteren Recherchegebühr zurückgewiesen, weil der Einwand der Rechercheabteilung zur fehlenden Einheitlichkeit gemäß Artikel 82 EPÜ und Regel 44 (1) EPÜ begründet sei.
III. Mit Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 vom 3. Juni 2020 teilte die Kammer der Beschwerdeführerin ihre vorläufige Beurteilung der Sach- und Rechtslage mit, wonach die Beschwerde zumindest im Umfang des Hauptantrags und des Hilfsantrags 1 unbegründet und deshalb zurückzuweisen sein dürfte. Ebenso war nach vorläufiger Meinung der Kammer der Antrag auf Rückzahlung der Recherchegebühr zurückzuweisen. Die Kammer erachtete dagegen eine Patenterteilung auf der Basis des Hilfsantrags 2 für möglich.
IV. Mit Schriftsatz vom 7. Juli 2020 reichte die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme zur Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 ein und nahm zugleich ihren Antrag auf Anberaumung einer mündliche Verhandlung zurück.
V. Die Beschwerdeführerin beantragt zuletzt sinngemäß:
die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung
und
die Erteilung eines europäischen Patents auf Basis des Hauptantrag, der mit Schriftsatz vom 29. August 2018 eingereicht wurde (Hauptantrag)
hilfsweise
auf Basis der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 1 bis 6
sowie
die Anordnung der Rückzahlung der eingezahlten zweiten Recherchegebühr.
VI. In der vorliegenden Entscheidung wird auf die folgenden Dokumente Bezug genommen:
D1: DE 10 2013 010509 A1;
D4: DE 10 2006 001 178 A1;
D8: US 2013/056130 A1;
D9: US 2009/227954 A1;
D10: US 2014/283940 A1;
D11: DE 10 2011 076938 A1;
X1: DE 20 2010 004 551 U1;
X2: WO 2008 103 484 A2;
X3: US 4 347 874.
VII. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:
Abfüllnadel (16) zur Verwendung in einem Schlauchset zum Abfüllen eines fließfähigen Mediums, insbesondere eines Pharmazeutikums,
- mit einem Nadelende (17) zum zeitweiligen Einführen in einen Abfüllbehälter,
- mit einem Konnektorende (18) zum Konnektieren der Abfüllnadel(16) mit einer Fülleinrichtung (19a), über die das Medium der Abfüllnadel (16) zuführbar ist, und
- mit einer ein inneres Schlauchlumen (8) vorgebenden inneren Schlauchschicht (2) aus Silikon,
- wobei die Abfüllnadel (16) insgesamt ausschließlich aus Kunststoffmaterial besteht.
VIII. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 entspricht dem unabhängigen Anspruch 1 des Hauptantrags.
IX. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 lautet:
Abfüllnadel (16) zur Verwendung in einem Schlauchset zum Abfüllen eines fließfähigen Mediums, insbesondere eines Pharmazeutikums,
- mit einem Nadelende (17) zum zeitweiligen Einführen in einen Abfüllbehälter,
- mit einem Konnektorende (18) zum Konnektieren der Abfüllnadel (16) mit einer Fülleinrichtung (19a), über die das Medium der Abfüllnadel (16) zuführbar ist,
- mit einer ein inneres Schlauchlumen (8) vorgebenden inneren Schlauchschicht (2) aus Silikon, und
- eine das innere Schlauchlumen (8) umgebende äußere Versteifungs-Schlauchschicht (3) aus einem Kunststoff-Versteifungsmaterial,
- wobei die Versteifungs-Schlauchschicht (3) aus Polypropylen, Polyethylen, Polycarbonat oder Polysulfon gefertigt ist und
- wobei die Abfüllnadel (16) insgesamt ausschließlich aus Kunststoffmaterial besteht.
X. Der Wortlaut der weiteren Hilfsanträge 3 bis 6 ist angesichts der getroffenen Entscheidung nicht relevant.
XI. Das entscheidungserhebliche Vorbringen der Beschwerdeführerin, die die Feststellungen der Prüfungsabteilung bestreitet, wird im Detail in den Entscheidungsgründen diskutiert.
1. Die vorliegende Entscheidung ergeht im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung gemäß Artikel 12 (8) VOBK 2020.
2. Die Beschwerdesache ist auf der Grundlage der zu überprüfenden angefochtenen Entscheidung und des umfänglichen schriftsätzlichen Vorbringens der Beschwerdeführerin unter Wahrung derer Rechte gemäß Artikel 113 (1) und 116 (1) EPÜ entscheidungsreif, so dass der ursprünglich anberaumte Termin zur mündlich Verhandlung aufgehoben wird.
3. Durch die ausdrückliche Zurücknahme des Antrags auf mündliche Verhandlung sind zugleich auch alle Voraussetzungen für eine anteilige Rückzahlung der von der Beschwerdeführerin gezahlten Beschwerdegebühr nach Regel 103 (4) c) EPÜ erfüllt.
4. Klarheit des Anspruch 1 gemäß Hauptantrag (Artikel 84 EPÜ)
4.1 Die Prüfungsabteilung war in der angefochtenen Entscheidung unter Punkt 12 zu der Auffassung gelangt, dass Anspruch 1 nicht den Anforderungen des Artikel 84 EPÜ genügt, weil der Begriff "Abfüllnadel" unklar sei. Sie verweist insbesondere darauf, dass eine Abfüllnadel in der Figurenbeschreibung explizit nur als Ausführungsform und nur in Bezug auf Figuren 7 - 11 beschrieben würde. An keiner Stelle der Anmeldung sei erwähnt, dass nicht auch Schläuche als Abfüllnadel verwendet werden könnten. Die Prüfungsabteilung war der Ansicht, dass angesichts der Beschreibung auch beliebige stumpfe, flexible Schläuche unter den in den Ansprüchen verwendeten Begriff "Abfüllnadel" fielen. Der Fachmann habe keine Möglichkeit, einen beliebigen (flexiblen) Schlauchabschnitt von einer Abfüllnadel mit einer aus Sicht der Anmelderin ausreichenden Steifigkeit zu unterscheiden. Dies führe zu einem Mangel an Klarheit.
4.2 Die Kammer ist von dieser Argumentation nicht überzeugt und schließt sich dem Argument der Beschwerdeführerin an, dass es sich bei dem Begriff "Abfüllnadel" um einen dem Fachmann geläufigen Begriff handelt (vgl Punkt II.2.a) der Beschwerdebegründung). Dabei berücksichtigt die Kammer insbesondere die von der Prüfungsabteilung angeführten Dokumente D1 und D4, sowie die Dokumente X2 und X3, auf welche die Beschreibungseinleitung der Anmeldung auf Seite 1 der ursprünglich eingereichten Unterlagen, Zeilen 9 und 14, verweist, um das technische Gebiet anzugeben, auf das sich die beanspruchte Erfindung bezieht.
4.3 Allen Dokumenten ist gemeinsam, dass sie den Aufbau einer Abfüllanlage für pharmazeutische Medien beschreiben. Diese umfasst regelmäßig ein Reservoir für ein Medium, ein Schlauchsystem und eine Abfüllnadel, die über das Schlauchssystem mit dem Reservoir verbunden ist (vgl. Absatz [0002] in D1, Absatz [0006] in D4, Absatz [0002] in X2 oder Spalte 1, Zeile 26 bis 42, in X3).
4.4 Allen Dokumenten ist weiterhin gemeinsam, dass die Abfüllnadel zum sterilen Einbringen des abzufüllenden Mediums in ein dafür vorgesehenes Behältnis ausgestaltet ist. Es wird auch ein Eindringen der Abfüllnadel durch ein Abdeckmaterial wie Gummi beschrieben (vgl. bspw. X3, Spalte 3, Zeile 58 bis 61)
4.5 Dem Fachmann ist damit die Bedeutung und Funktion einer Abfüllnadel hinreichend bekannt und er unterscheidet offensichtlich eine Abfüllnadel von einem in einer Abfüllanlage verwendeten (flexiblen) Schlauch.
4.6 Angesichts der oben angegebenen Gründe erfüllt Anspruch 1 entgegen den diesbezüglichen Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung die Erfordernisse der Klarheit gemäß Artikel 84 EPÜ.
5. Hauptantrag - Neuheit (Artikel 54 EPÜ)
5.1 Anders als die Prüfungsabteilung (Punkt 13 der angefochtenen Entscheidung) ist die Kammer nicht zu der Überzeugung gelangt, dass Dokument D1 einen Mehrschichtkunststoffschlauch beschreibt, der eine Abfüllnadel ist.
5.2 Dokument D1 offenbart vielmehr explizit im ersten Satz der Beschreibung, "ein Schlauchsystem zum Anschluss an eine Abfüllanlage zur Befüllung von Behältnissen mit pharmazeutischen Flüssigkeiten". Zwei Sätze folgend heißt es: "Typischerweise werden bei einem solchen Schlauchsystem ein erster Endabschnitt des Schlauches mit der Abfüllanlage und ein zweiter Endabschnitt des Schlauchs mit der Abfüllnadel verbunden". Weiterhin wird in Absatz [0035] erläutert, dass im Bereich des zweiten Endabschnitts 7 der Schlauchanordnung 2 eine den Außenschlauch 4 umgebende, eine Hülse bildende Abfüllnadel aus Edelstahl angeordnet ist.
5.3 Angesichts dieser expliziten Offenbarung teilt die Kammer die unter Punkt II.3 der Beschwerdebegründung dargelegte Ansicht der Beschwerdeführerin, dass der Fachmann dem Dokument D1 nicht unmittelbar und eindeutig entnehmen könne, dass die Abfüllnadel insgesamt ausschließlich aus Kunststoffmaterial besteht. Vielmehr werden in Dokument D1 lediglich Abfüllnadeln aus Edelstahl erwähnt.
5.4 Entgegen den Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung ist Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag daher neu gegenüber D1 im Sinne des Artikel 54 EPÜ.
6. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit
6.1 Die Kammer ist jedoch ihrerseits im Rahmen ihrer Kompetenz nach Artikel 111 (1), Satz 2, 1. Alternative EPÜ zu der Überzeugung gekommen, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag in Hinblick auf das Dokument D1 und dem allgemeinen Fachwissen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gemäß Artikel 56 EPÜ beruht (vgl. Mitteilung der Beschwerdekammer, Punkt 5).
6.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von der Offenbarung aus dem Dokument D1 allein darin, dass die Abfüllnadel insgesamt ausschließlich aus Kunststoffmaterial besteht. Damit wird eine Abfüllnadel bereitgestellt, die kostengünstig herstellbar ist.
6.3 Es war dem Fachmann aus seinem allgemeinen Fachwissen bekannt, dass Abfüllnadeln aus Kunststoff als kostengünstige Alternative existieren. Dieses allgemeines Fachwissen ist von der Beschwerdeführerin so nicht bestritten worden und wird zudem nach Ansicht der Beschwerdekammer mittels des Dokuments X1, dort insbesondere Absatz [0002], bekräftigt.
6.4 Das in auf Seite 2 des Schriftsatzes der Beschwerdeführerin vom 6. Juli 2020 in Erwiderung auf die Mitteilung der Kammer dargelegte Argument der Beschwerdeführerin, dass das Dokument X1 eine besondere und vorteilhafte Lösung in Ausgestaltung einer Edelstahl-Abfüllnadel beschreibt, vermag nicht zu überzeugen, weil das Dokument X1 gerade auch offenbart, dass dem Fachmann Abfüllnadel aus Kunststoff geläufig sind.
6.5 In dem Dokument X1 werden sowohl Vor- als auch Nachteile der Verwendung von Kunststoff-Abfüllnadel beschrieben. Aus Sicht der Kammer ist zunächst nur wesentlich, dass Kunststoff-Abfüllnadeln mit den ihnen eigenen Vor- und Nachteilen zum Zeitpunkt der Anmeldung Teil des allgemeinen Fachwissens waren.
Im Sinne der auf Seite 1, Zeilen 17 und 18, der ursprünglichen Unterlagen formulierten, der vorliegenden Erfindung zugrunde liegenden und sehr weit gefassten Aufgabe, dass eine Abfüllnadel zu schaffen ist, die kostengünstig herzustellen ist, hätte und würde der Fachmann ausgehend von Dokument D1 und angesichts seines Fachwissens eben gerade auch eine Verwendung der D1 mit Kunststoff-Abfüllnadeln als sinnvolle Alternative in Betracht gezogen haben und wäre so in naheliegender Weise zu dem Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag gelangt.
6.6 Im Ergebnis beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gemäß Artikel 56 EPÜ.
7. Hilfsantrag 1
7.1 Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 entspricht Anspruch 1 des Hauptantrags. Die oben in Punkt 6 gemachten Feststellungen zum Hauptantrag sind daher ohne weiteres auf den Hilfsantrag 1 zu übertragen.
8. Hilfsantrag 2
8.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags durch das hinzugefügte Merkmal:
"- eine das innere Schlauchlumen (8) umgebende äußere Versteifungs-Schlauchschicht (3) aus einem Kunststoff-Versteifungsmaterial,
- wobei die Versteifungs-Schlauchschicht (3) aus Polypropylen, Polyethylen, Polycarbonat oder Polysulfon gefertigt ist".
8.2 Die Kammer ist nicht von dem Argument der Prüfungsabteilung überzeugt, dass der Fachmann die Ausgestaltung der Hülse aus dem beanspruchten Kunststoffmaterialien ohne besondere Schwierigkeiten hätte umsetzen können (vgl. Entscheidungsgründe, Punkt 15.4). Wie von der Beschwerdeführerin in zutreffender Weise dargelegt, zöge der Fachmann vielmehr bei einem Ausgestalten der Hülse durch mittels eines Kunststoffmaterial ausgehend von dem Dokument D1 zunächst das dort offenbarte PFTE (siehe Absatz [0018]) und nicht andere Kunststoffe in Betracht und gelangte damit bereits zu einer funktionierenden, wenn auch nicht die gleichen Vorteile wie die Erfindung gemäß Hilfsantrag 2 aufweisenden Lösung für die Abfüllnadel (vgl. Beschwerdebegründung, Punkt IV.2 e)).
8.3 Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 beruht daher entgegen der Feststellungen aus der angefochtenen Entscheidung auf einer erfinderischen Tätigkeit gemäß Artikel 56 EPÜ.
8.4 In der angefochtenen Entscheidung sind keine weiteren Hindernisse aufgeführt, die der Patentfähigkeit des Hilfsantrags 2 entgegenstünden. Für die Kammer sind solche auch nicht offensichtlich erkennbar. Die Entscheidung der Prüfungsabteilung über die fehlende Patentfähigkeit des Hilfsantrags 2 ist daher aufzuheben.
9. Rückzahlung der Recherchegebühr
9.1 Gemäß Regel 64 (2) EPÜ wird auf Antrag des Anmelders eine zusätzliche Recherchegebühr zurückbezahlt, wenn die Prüfungsabteilung feststellt, dass die Mitteilung der Rechercheabteilung nach Regel 64 (1) EPÜ nicht gerechtfertigt war. Nach gefestigter Rechtsprechung (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage 2019, II.B.3.3, u.a. mit Hinweis auf T 0188/00) hat die Überprüfung die Prüfungsabteilung allein auf der Grundlage der von der Recherchenabteilung in ihrer Mitteilung nach Regel 64 (1) EPÜ angeführten Tatsachen zu erfolgen.
9.2 Die Rechercheabteilung hatte auf Grundlage der vorläufigen Recherche festgestellt, dass die ursprünglichen Ansprüche 1 und 2 nicht neu gegenüber dem aufgefundenen Dokument D1 waren (vgl. vorläufiger Recherchebericht). Diese Feststellung wurde von der Beschwerdeführerin in Bezug auf die Argumentation der Einheitlichkeit der Erfindung zu keinem Zeitpunkt bestritten.
In zutreffender Weise hat die Rechercheabteilung die Bewertung der Einheitlichkeit nicht ausgehend von der zugrundeliegenden Aufgabe der Erfindung gemäß den (a posteriori nicht neuen) Ansprüchen 1 und 2 vorgenommen, sondern ausgehend von den ,,verbleibenden" Ansprüchen, die als patentfähig erschienen (siehe Prüfungsrichtlinien des Europäischen Patentamts, Stand November 2018, F.V.4.2). Dabei hat sie festgestellt, dass sich vier Erfindungsgruppen ergeben, wobei die Erfindungsgruppe 1 sich auf das Bereitstellen eines mehrlagigen Schlauchs mit einer inneren Schicht aus Silikon und die Erfindungsgruppe 4 auf die Fortbildung des Systems, genauer, wie von der Prüfungsabteilung festgestellt, auf die Art und Weise, wie Abfüllnadel und Fülleinrichtung miteinander verbunden werden (siehe vorläufiger Recherchebericht und Entscheidungsgründe, Punkt 18.3), beziehen.
9.3 Durch diesen Sachverhalt geht das Argument der Beschwerdeführerin fehl, dass die beiden Erfindungsgruppen einheitlich seien, weil es sich bei den Gegenständen der Erfindungsgruppen 4 und 1 eindeutig um ein System mit dazugehörigen Untersystem handele (vgl. Beschwerdebegründung, Punkt I.1 a) und weil beide Ansprüche die Abfüllnadel und deren Ausgestaltung gemäß Anspruch 1 beträfen (vgl. Beschwerdebegründung, Punkt I.1 b).
Es ist zutreffend, dass Anspruch 1 (und auch Anspruch 2) die Erfindungsgruppen 1 und 4 miteinander verbinden. Weil dieser aber in der Recherche a posteriori als nicht neu erkannt wurde, kann er gerade nicht als verbindendes Element zwischen den Erfindungsgruppen dienen. Dies gilt gleichermaßen in Hinblick auf das unter Punkt I.2. der Beschwerdebegründung vorgetragenen Argument, dass Anspruch 7 sich von dem übergeordneten Anspruch 1 lediglich durch eine Fülleinrichtung unterscheide, da Anspruch 7 bereits die Verbindung von Abfüllnadel und Fülleinrichtung zum Gegenstand hat und damit eine andere Aufgabe betrifft, als die Ansprüche 3 und 4, die auf die Lösung der Aufgabe gerichtet sind, einen mehrlagigen Schlauch bereit zu stellen (vgl. ursprüngliche Unterlagen, Seite 2, Zeilen 15 bis 22).
9.4 Die Beschwerdekammer ist ebenfalls nicht von dem unter I.3. vorgetragenen Argument der Beschwerdeführerin überzeugt, dass die Punkte 9 bis 11 der Stellungnahme zur (erweiterten) Recherche zeigten, dass für die Rechercheabteilung bereits der ursprünglich recherchierte Stand der Technik in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen ausreichend war, um die Patentfähigkeit der ursprünglichen Ansprüche 7 bis 9 beurteilen zu können.
Die ursprünglichen Ansprüche 7 bis 9 beziehen sich im Gegensatz zu den auf eine Abfüllnadel gerichtete ursprünglichen Ansprüchen 1 bis 6 auf ein eine solche Abfüllnadel umfassendes Schlauchsystem und, wie unter Punkt 9.3. dargelegt, auf einen Gegenstand der zusätzliche Merkmale zur Lösung einer gesonderten technischen Problemstellung umfasst.
Wie sich gezeigt hat, war eine zusätzliche Recherche tatsächlich erforderlich, um für Anspruch 8 das allgemeine Fachwissen zum Überstülpen von Schläuchen auf Konnektor-Komponenten mittels der Dokumente D8 oder D9 (vgl. Stellungnahme zur (erweiterten) Recherche, Punkt 11) und um für Anspruch 9 das Einschieben von Schläuchen in Konnektor-Komponenten mittels der Dokumente D8, D10 und D11 (vgl. Stellungnahme zur (erweiterten) Recherche, Punkt 10) hinreichend darlegen zu können. Sämtliche relevanten Dokumente D8 bis D11 sind erst ein Ergebnis der zusätzlichen Recherche gewesen.
9.5 Soweit die Beschwerdeführerin weiterhin unter Punkt I.4 der Beschwerdebegründung auf die Entscheidung der Prüfungsabteilung hinsichtlich des Rückzahlungsantrag eingeht, so werden lediglich die gleichen Argumente wie in Bezug auf die Feststellungen der Rechercheabteilung wiederholt. Die Kammer kann sich diesem Vortrag aus den oben jeweils unter Punkt 9.2 bis 9.4 angegebenen Gründen nicht anschließen.
9.6 Die Kammer ist daher zu der Ansicht gekommen, dass die Beschwerdeführerin nicht in überzeugender Weise darlegen konnte, weshalb die Überprüfung des Einwands der Rechercheabteilung zur fehlenden Einheitlichkeit durch die Prüfungsabteilung gemäß Regel 64 (2) EPÜ unrichtig gewesen sein sollte. Der Antrag auf eine Rückzahlung der zweiten Recherchegebühr ist vielmehr zurückzuweisen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen:
Beschreibung:
Seiten: 1 bis 4 und 4a, eingereicht als Hilfsantrag 2 mit Schriftsatz vom 25. September 2019 und
Seiten 5 bis 15, wie ursprünglich eingereicht,
Ansprüche:
Nr.: 1 bis 6, eingereicht als Hilfsantrag 2 mit Schriftsatz vom 25. September 2019,
Zeichnungen:
Blätter: 1 bis 5, wie ursprünglich eingereicht.
3. Der Antrag auf Rückzahlung der zweiten Recherchegebühr wird zurückgewiesen.
4. Die von der Beschwerdeführerin gezahlte Beschwerdegebühr wird in Höhe von 25 % zurückgezahlt.