T 0905/20 25-01-2024
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Steckgehäuse zum zumindest teilweisen Aufnehmen eines Gehäuseeinsteckbauteils und elektrische Steckverbindungsanordnung zum Miteinander-Verbinden eines männlichen Kontaktelements und eines weiblichen Kontaktelements
Hauptantrag - Änderungen zulässig (nein)
Hilfsantrag 4 - Ausreichende Substantiierung nach Zulassung ergänzender Erklärungen (ja)
I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des Streitpatents in der Fassung des damaligen Hilfsantrags 1, eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 3. Dezember 2019.
II. Die folgenden Dokumente sind für diese Entscheidung relevant:
E1: US 2011/0104916 A1
E3: DE 40 04 385 A1
E9: WO 95/24061 A1
III. In der angefochtenen Entscheidung war die Einspruchsabteilung unter anderem zu dem Schluss gelangt, dass die in Anspruch 1 des damaligen Hilfsantrags 1 vorgenommenen Änderungen den Erfordernissen der Artikel 84 und 123 (2) EPÜ genügen sowie dass der Gegenstand des Anspruchs 1 dieses Antrags gegenüber E1 und E3 neu und ausgehend von E3 erfinderisch ist.
IV. Eine mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 25. Januar 2024 als Videokonferenz statt.
Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des angefochtenen Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte abschließend als Hauptantrag, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter Fassung auf Grundlage eines der am 31. August 2020 eingereichten Hilfsanträge 4, 2, 3 oder 5, in vorgenannter Reihenfolge, aufrecht zu erhalten.
V. Anspruch 1 des Patents (in der von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachteten Fassung) gemäß Hauptantrag, hat den folgenden Wortlaut (Merkmalsbezeichnungen in eckigen Klammern kammerseitig hinzugefügt und Änderungen gegenüber dem erteilten Patent durch Unterstreichung hervorgehoben):
"[a] Steckgehäuse (12) zum zumindest teilweisen Aufnehmen eines Gehäuseeinsteckbauteils (14),
[b] wobei ein weibliches Kontaktelement (61) in dem Gehäuseeinsteckbauteil (14) angeordnet ist, aufweisend:
[c] - einen Grundkörper (16), der eine Aussparung (18) und eine in einer Bodenwand (22) der Aussparung (18) angeordnete Durchgangsöffnung (20) aufweist,
[d] wobei sich die Durchgangsöffnung (20) durch den Grundkörper (16) hindurch erstreckt, wobei die Aussparung (18) von vier Seitenwänden (48a-d) begrenzt ist,
[e] wobei ein Abschnitt (50) eines männlichen Kontaktelements (28) durch die Durchgangsöffnung (20) hindurch in die Aussparung (18) einsteckbar ist, und
[f] - ein bügelförmiges Anlageelement (30), das benachbart zu der Durchgangsöffnung (20) mittig in der Aussparung (18) angeordnet ist und in die Aussparung (18) vorspringt,
[g] derart, dass der Abschnitt (50) des männlichen Kontaktelements (28) an einer zur Durchgangsöffnung (20) weisenden Seite des bügelförmigen Anlageelements (30) anlegbar ist."
VI. In Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 wurden gegenüber dem Hauptantrag die folgenden Änderungen in den Merkmalen c und d vorgenommen (Änderungen gegenüber dem Hauptantrag kammerseitig hervorgehoben):
"[c] - einen Grundkörper (16), der eine Aussparung (18) und eine in einer Bodenwand (22) der Aussparung (18) angeordnete Durchgangsöffnung (20) aufweist, wobei die Aussparung (18) kammerförmig mit einem im Wesentlichen rechteckigen Querschnitt ausgebildet ist,
[d] wobei sich die Durchgangsöffnung (20) durch den Grundkörper (16) hindurch erstreckt, [deleted: wobei die Aussparung (18) von vier Seitenwänden (48a-d) begrenzt ist,]"
Die Ansprüche 2 bis 10 des Hilfsantrags 4 sind von Anspruch 1 abhängig.
VII. Im Hinblick auf die von der Kammer zum Hilfsantrag 4 getroffene Entscheidung war die Wiedergabe der weiteren Hilfsanträge an dieser Stelle nicht erforderlich.
VIII. Die Beschwerdeführerin argumentierte zum Hauptantrag,
dass das in Anspruch 1 neu aufgenommene Merkmal, wonach die Aussparung von vier Seitenwänden begrenzt ist, eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung darstelle.
Weiterhin verstoße der Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 gegen das Verschlechterungsverbot. Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 sei im Hinblick auf den Begriff "kammerförmig" im Übrigen unklar. Des Weiteren sei der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 4 auch nicht neu gegenüber den Dokumenten E1, E3 und E9.
IX. Die Beschwerdegegnerin vertrat hingegen die Auffassung, dass der Anspruch 1 des Hauptantrags das Erfordernis von Artikel 123 (2) EPÜ erfülle. Im Übrigen sei der Einwand nicht ausreichend substantiiert vorgetragen worden.
Im Hinblick auf den Hilfsantrag 4 trat sie dem Einwand entgegen, dass dieser gegen das Verschlechterungsverbot verstoße. Weiterhin brachte sie Argumente zur Stützung der Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 gegenüber den Dokumenten E1, E3 und E9 vor.
Die detaillierten Argumente der Parteien werden in den Entscheidungsgründen erörtert.
1. Hauptantrag - Ausreichende Substantiierung des Einwandes unter Artikel 123 (2) EPÜ (Artikel 12 (3) VOBK)
1.1 Die Beschwerdegegnerin machte geltend, dass der Einwand nach Artikel 123 (2) EPÜ gegen den Hauptantrag nicht hinreichend substantiiert im Sinne von Artikel 12 (3) VOBK sei. Zur Begründung führte sie aus, die Beschwerdeführerin habe sich in der Beschwerdebegründung nicht mit den in der angefochtenen Entscheidung angeführten Gründen auseinandergesetzt.
1.2 Nach Artikel 12 (3) VOBK müssen die Beschwerdebegründung und die Erwiderung das vollständige Beschwerdevorbringen eines Beteiligten enthalten. Dementsprechend müssen sie deutlich und knapp angeben, aus welchen Gründen beantragt wird, die angefochtene Entscheidung aufzuheben, abzuändern oder zu bestätigen; sie sollen ausdrücklich alle geltend gemachten Anträge, Tatsachen, Einwände, Argumente und Beweismittel im Einzelnen anführen.
1.3 Die Kammer sieht die oben genannten Voraussetzungen in Bezug auf den Einwand unter Artikel 123 (2) EPÜ gegen den Hauptantrag als erfüllt an. Zwar wird in der betreffenden Passage unter Punkt II. der Beschwerdebegründung nicht ausdrücklich auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen. Eine solche ausdrückliche Bezugnahme ist jedoch keine notwendige Voraussetzung für eine hinreichende Substantiierung im Sinne von Artikel 12 (3) VOBK. Entscheidend ist vielmehr, dass sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin zweifelsfrei ergibt, aus welchen Gründen sie die angefochtene Entscheidung in diesem Punkt für unrichtig hält und deren Aufhebung oder Abänderung begehrt.
Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin ausführlich begründet, warum sie der Auffassung ist, dass der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag nicht dem Erfordernis des Artikels 123 (2) EPÜ entspricht. Aus diesem Vorbringen ergibt sich für die Kammer zweifelsfrei, aus welchen Gründen die Beschwerdeführerin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung beantragt.
1.4 Die Kammer ist daher zu dem Schluss gelangt, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Hinblick auf den Einwand unter Artikel 123 (2) EPÜ gegen den Hauptantrag die Voraussetzungen des Artikels 12 (3) VOBK erfüllt und folglich Teil des Beschwerdeverfahrens ist.
2. Hauptantrag - Zulässigkeit der Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)
2.1 Gegenüber Anspruch 1 des erteilten Patents enthält Anspruch 1 des Hauptantrags das zusätzliche Merkmal, dass die Aussparung (18) von vier Seitenwänden (48a-d) begrenzt ist. Diese Änderung stellt eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung dar und geht damit über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinaus.
2.2 Zwar deutet der Begriff "Aussparung" bereits das Vorhandensein eines abgegrenzten Bereichs an. Eine Begrenzung durch vier Seitenwände wird dadurch jedoch nicht impliziert.
2.3 In der ursprünglichen Beschreibung findet sich unstreitig keine wörtliche Offenbarung des fraglichen Merkmals, wonach die Ausnehmung durch vier Seitenwände begrenzt ist. Die Seitenwände an sich werden in der Beschreibung stets im Zusammenhang mit konkreten Ausführungsbeispielen der Erfindung erwähnt. Insbesondere wird in Absatz [0041] der Veröffentlichungsschrift (EP 2 683 036 A1) Folgendes offenbart:
"Jeweils ein bügelförmiges Anlageelement 30 des Steckgehäuses 12 ist benachbart zu und in Flucht mit einer Durchgangsöffnung 20 in einer Aussparung 18 angeordnet und springt in die Aussparung 18 von der Bodenwand 22 aus vor. Das Anlageelement 30 weist einen im Wesentlichen U-förmigen Körper mit einem ersten und zweiten Schenkel 32, 34 und einem senkrecht zu dem ersten und zweiten Schenkel 32, 34 verlaufenden Verbindungsabschnitt 36 auf. Ein Schenkelende 38, 40 des ersten und zweiten Schenkels 32, 34 ist jeweils mit einem Anschnitt der Bodenwand 22 der Aussparung benachbart zu einem Randabschnitt 42, 44 eines Randes 46 der Durchgangsöffnung 20 verbunden. Das Anlageelement 30 ist mittig in der Aussparung 18 angeordnet und von vier Seitenwänden 48a-d der Aussparung 18 beabstandet angeordnet."
So werden in dem oben wiedergegebenen Absatz [0041] zwar vier Seitenwände offenbart, jedoch soll das Anlageelement von diesen vier Seitenwänden beabstandet sein. Dieses Merkmal bezieht sich ausschließlich auf das erste Ausführungsbeispiel der Erfindung gemäß Figur 1a und ist nicht Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags. Die betreffende Passage in Absatz [0041] der Offenlegungsschrift kann daher nicht als Grundlage für das allgemeine Merkmal herangezogen werden, wonach die Aussparung durch vier Seitenwände begrenzt ist, unabhängig von der relativen Anordnung des Anlageelements in der Aussparung.
2.4 Die Offenbarung einer generellen Begrenzung der Aussparung durch vier Seitenwände, unabhängig von den in Absatz [0041] dargelegten Merkmalen, kommt somit allenfalls durch die Figuren in Betracht. Die Figuren 1a, 4a und 7a zeigen unterschiedlich Ausführungsformen der Erfindung, die jeweils eine Aussparung mit vier Seitenwänden aufweisen. Jeder Ausführungsform sind neben den vier Seitenwänden weitere Merkmale zur Spezifizierung des Steckgehäuses gemäß der konkreten Ausführungsform der Erfindung zu entnehmen.
2.5 Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist eine Zwischenverallgemeinerung nur zulässig, wenn keinerlei eindeutig erkennbare funktionale oder strukturelle Verbindung zwischen den Merkmalen der spezifischen Kombination besteht.
2.6 Im vorliegenden Fall ist das Merkmal, dass die Aussparung von vier Seitenwänden begrenzt ist, stets in struktureller und funktionaler Verbindung mit weiteren Merkmalen des Steckgehäuses in den Figuren dargestellt.
Es mag zutreffen, dass jede Ausführungsform nach den Figuren 1a, 4a und 7a spezifische Eigenheiten aufweist. So weist die Ausführungsform nach Figur 1a jeweils einen Abstand zwischen dem Anlageelement und jeder der vier Seitenwände auf. In den Figuren 4a und 7a ist das Anlageelemente demgegenüber nur beabstandet zu zwei der vier Seitenwände angeordnet. In der Ausführungsform nach Figur 7a sind zusätzlich stegförmige Verbindungselemente vorgesehen.
Ungeachtet dieser Unterschiede hat die Beschwerdeführerin jedoch zu Recht darauf hingewiesen, dass in allen Ausführungsformen der Erfindung stets weitere Merkmale im Zusammenhang mit den vier Seitenwänden offenbart sind. Beispielsweise ist das bügelförmige Anlageelement in allen Ausführungsformen mit der Bodenwand verbunden, insbesondere auf die in Absatz [0041] beschriebene Weise. Ferner weist die Aussparung in allen Ausführungsformen nicht nur vier Seitenwände, sondern stets einen im Wesentlichen rechteckigen Querschnitt auf.
Diese Merkmale stehen auch strukturell und funktional in Zusammenhang mit den vier Seitenwänden, denn sie beschränken die Art und Weise, wie das Anlageelement mit dem Grundkörper verbunden ist und insbesondere in der Aussparung angeordnet und im Verhältnis zu den Seitenwänden gehalten ist. Dementsprechend beschreibt Absatz [0041] der Offenlegungsschrift neben weiteren Merkmalen insbesondere, dass das bügelförmige Anlageelement von der Bodenwand aus in die Aussparung vorspringt.
2.7 Anspruch 1 in der Fassung des Hauptantrags erstreckt sich demgegenüber auf Ausführungsformen, bei denen die Aussparung von vier Seitenwänden begrenzt wird und das bügelförmige Anlageelement in irgendeiner Weise mit dem Grundkörper verbunden ist, insbesondere auch ausschließlich durch Verbindung mit der Seitenwand bzw. den Seitenwänden und somit ohne Kontakt mit der Bodenwand der Aussparung. Eine entsprechende Lehre ist den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen nicht zu entnehmen. Der Anspruch 1 des Hauptantrags umfasst somit technische Informationen, die über das hinaus gehen, was der Fachmann der ursprünglichen Anmeldung als Ganzes entnehmen konnte.
2.8 Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdegegnerin kann den Figuren daher keine isolierte technische Lehre im Hinblick auf eine Begrenzung der Aussparung von vier Seitenwänden entnommen werden, die keinen Bezug zu der konkreten Verbindung des Anlageelements mit dem Grundkörper, insbesondere dessen Anordnung im Verhältnis zur Bodenwand der Aussparung, aufweist.
2.9 Die Kammer ist daher zu dem Schluss gelangt, dass das Merkmal, wonach die Aussparung von vier Seitenwänden begrenzt ist, eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung der ursprünglichen Offenbarung darstellt und folglich gegen das Erfordernis von Artikel 123 (2) EPÜ verstößt.
3. Hilfsantrag 4 - Zulassung ins Beschwerdeverfahren (Artikel 12 (3), (5) und 13 (1) VOBK)
3.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 stellt eine Kombination der erteilten Ansprüche 1 und 4 dar und entspricht dem im erstinstanzlichen Verfahren am 2. Oktober 2019 gestellten Hilfsantrag 4, der zwar nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung ist, jedoch in zulässiger Weise geltend gemacht und aufrechterhalten wurde.
3.2 Hilfsantrag 4 wurde in der Beschwerdeerwiderung nicht entsprechend der Vorgaben des Artikels 12 (3) VOBK substantiiert. Zum Hilfsantrag 4 enthält die Beschwerdeerwiderung der Beschwerdegegnerin lediglich den nachfolgend wiedergegebenen Absatz:
"Der Hilfsantrag 4 entspricht dem Hilfsantrag 4, der am 2. Oktober 2019 eingereicht worden ist. Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 entspricht somit dem erteilten Patentanspruch 4. Ergänzend darf auf die Ausführungen in dem Schriftsatz vom 2. Oktober 2019, Seite 14f verwiesen werden."
3.3 Nach Artikel 12 (3) VOBK müssen die Beteiligten am Beschwerdeverfahren ihr vollständiges Vorbringen in ihren ersten Schriftsätzen (Beschwerdebegründung und Erwiderung darauf) darlegen (vgl. Punkt 1.2 oben). Bei Einreichung eines neuen Anspruchssatzes ist es erforderlich ausdrücklich anzugeben, warum die Änderungen, die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden und/oder die von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwände ausräumen.
Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin in der Beschwerdeerwiderung zum Hilfsantrag 4, wie oben wiedergegeben, erfüllt diese Anforderungen nicht, denn es enthält keinerlei entsprechende Angaben.
3.4 Auch kann der Verweis auf das eigene Vorbringen in der ersten Instanz die explizite Angabe der unter Artikel 12 (3) VOBK geforderten ausdrücklichen Angaben in der Regel nicht ersetzen (s. Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10. Auflage 2022, V.A.3.2.2). Selbst unter Berücksichtigung der Ausführungen unter Ziffer 4 auf Seite 14 des Schriftsatzes vom 2. Oktober 2019 vermag die Kammer jedoch keinen hinreichend substantiierten Sachvortrag zu erkennen. In der betreffenden Passage wird lediglich die Grundlage der Änderungen (Kombination der erteilten Ansprüche 1 und 4) genannt und darüber hinaus knapp die Neuheit gegenüber dem Dokument E9 erörtert, obwohl auch Neuheitseinwände im Lichte von E1 und E3 erhoben wurden. Somit geht auch aus dem Schriftsatz vom 2. Oktober 2019 nicht hervor, welche spezifischen von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwände durch den Hilfsantrag 4 ausgeräumt werden sollen.
3.5 Nach Artikel 12 (5) VOBK steht es im Ermessen der Kammer, Vorbringen eines Beteiligten nicht zuzulassen, soweit es die Erfordernisse nach Absatz 3 nicht erfüllt. Obwohl das ursprüngliche Vorbringen der Beschwerdegegnerin in ihrer Beschwerdeerwiderung im Hinblick auf den Hilfsantrag 4 mangels ausdrücklicher Erläuterungen kein ausreichend substantiiertes Vorbringen im Sinne von Artikel 12 (3) VOBK bildet, haben die konkreten Umstände des vorliegenden Falles die Kammer dazu veranlasst, das ihr zustehende Ermessen dahingehend auszuüben, den Hilfsantrag 4 und das diesbezügliche Vorbringen in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.
Zum einen war für die Kammer ohne Weiteres erkennbar, dass der Hilfsantrag 4 und die darin vorgenommenen Änderungen des Anspruchs 1, durch Aufnahme der Merkmale des erteilten Anspruchs 4, primär der Ausräumung der Einwände der Beschwerdeführerin unter Artikel 84 und 123 (2) EPÜ dienen sollten.
Zum anderen hat die Kammer berücksichtigt, dass die Beschwerdegegnerin in ihrem Schreiben vom 27. Oktober 2021 und damit mehr als ein Jahr vor der Ladung zur mündlichen Verhandlung, sachliche Argumente zum Hilfsantrag 4 zumindest nachgereicht hat. Insbesondere hat sie darin dargelegt, aus welchen Gründen der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 4 das Erfordernis der Neuheit im Hinblick auf die Dokumente E1, E3 und E9 erfüllt. Aus diesem Vortrag war somit erkennbar, aus welchen Gründen die Beschwerdegegnerin den Hilfsantrag 4 für geeignet hält, nicht nur die Einwände unter Artikel 123 (2) und 84 EPÜ auszuräumen, sondern auch die Einwände unter Artikel 54 EPÜ im Hinblick auf die Dokumente E1, E3 und E9. Die Kammer hat ihr Ermessen deshalb dahingehend ausgeübt, diesen verspäteten Vortrag, wie nachfolgend erläutert, ins Beschwerdeverfahren zuzulassen.
3.6 Das erstmalig in dem Schreiben vom 27. Oktober 2021 dargelegte Vorbringen im Hinblick auf den Hilfsantrag 4 wurde von der Beschwerdegegnerin nach Einreichung ihrer Beschwerdeerwiderung vorgebracht, sodass seine Zulassung in das Beschwerdeverfahren nach Artikel 13 (1) VOBK in das Ermessen der Kammer gestellt ist.
Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 stellt lediglich eine Kombination der ursprünglichen Ansprüche 1 und 4 bzw. der erteilten Ansprüche 1 und 4 dar. Es ist somit unmittelbar erkennbar, dass die Änderungen, wie weiter oben bereits dargelegt, sämtliche von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Einwände unter Artikel 123 (2) und 84 EPÜ ausräumen.
Weiterhin hat die Kammer bei der Ausübung ihres Ermessens berücksichtigt, dass die im Hilfsantrag 4 vorgenommenen Änderungen keine neuen Fragen im Hinblick auf die Neuheit aufwerfen, sondern im Wesentlichen die zum Hauptantrag vorgebrachten Einwände und Argumente der Beschwerdeführerin basierend auf den Dokumenten E1, E3 und E9 erörterungsbedürftig bleiben. Zudem wurden die ergänzenden Erläuterungen mehr als ein Jahr vor der Ladung zur mündlichen Verhandlung und dem damit verbundenen Ladungszusatz der Kammer eingereicht, so dass die Kammer die Erläuterungen in ihre vorläufige Würdigung einbeziehen konnte.
3.7 Im Lichte der vorstehend dargelegten Umstände des vorliegenden Falles hat die Kammer ihr Ermessen unter Artikel 13 (1) VOBK dahingehend ausgeübt, die zusätzlichen Angaben der Beschwerdegegnerin zum Hilfsantrag 4 in das Beschwerdeverfahren zuzulassen. Vor diesem Hintergrund hat die Beschwerdegegnerin ihren anfänglich unsubstantiierten Sachvortrag im Hinblick auf den Hilfsantrag 4 jedenfalls nachträglich in ausreichender und zulässiger Weise substantiiert.
Angesichts dieser Umstände hat die Kammer Hilfsantrag 4 und das diesen erläuternde Vorbringen der Beschwerdegegnerin im Beschwerdeverfahren berücksichtigt, obwohl die Voraussetzungen von Artikel 12 (3) VOBK ursprünglich nicht erfüllt waren.
4. Hilfsantrag 4 - Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot (Verbot der reformatio in peius)
4.1 Nach den in G 9/92 und G 4/93 festgelegten Grundsätzen ist für den Fall, dass der Einsprechende der alleinige Beschwerdeführer gegen eine Zwischenentscheidung über die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang ist, der Patentinhaber primär darauf beschränkt, das Patent in der Fassung zu verteidigen, die die Einspruchsabteilung ihrer Zwischenentscheidung zugrunde gelegt hat. Gemäß der Entscheidung G 1/99 der Großen Beschwerdekammer muss ein geänderter Anspruch, durch den der Einsprechende und alleinige Beschwerdeführer schlechter gestellt würde als ohne die Beschwerde, in der Regel zurückgewiesen werden (s. Leitsatz).
4.2 Die Beschwerdeführerin hat geltend gemacht, der Hilfsantrag 4 verstoße gegen das vorstehend erläuterte "Verschlechterungsverbot" (Verbot der reformatio in peius). Insbesondere hat sie in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer erstmals geltend gemacht, dass die Formulierung in Anspruch 1 des Hilfsantrags 4:
"wobei die Aussparung (18) kammerförmig mit einem im Wesentlichen rechteckigen Querschnitt ausgebildet ist"
gegenüber der ursprünglichen Formulierung des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag:
"wobei die Aussparung (18) von vier Seitenwänden (48a-d) begrenzt ist"
einen größeren Schutzbereich aufweise, da der Begriff "kammerförmig" keine Beschränkung auf vier Seitenwände impliziere. Vielmehr könne eine kammerförmige Ausbildung auch durch mehr als vier Seitenwände realisiert werden, wie auch in Figur 8a des Patents erkennbar sei.
Die Beschwerdegegnerin ist dem Einwand der Beschwerdeführerin entgegengetreten und hat erläutert, warum der durch das streitige Merkmal definierte Schutzbereich in Hilfsantrag 4 dem Schutzbereich des vorherigen Merkmals im Hauptantrag entspricht, auch wenn der Wortlaut nicht identisch ist.
4.3 Die Beschwerdeführerin hat ihren detaillierten Vortrag zu dem geltend gemachten Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer gehalten. Die Frage seiner Zulassung in das Beschwerdeverfahren kann jedoch dahinstehen bleiben, denn er überzeugt die Kammer jedenfalls nicht.
4.4 Insbesondere vermag die Kammer dem Argument der Beschwerdeführerin nicht zu folgen, wonach der Fachmann unter einer "kammerförmigen" Ausbildung der Aussparung eine Ausführungsform als mitumfasst verstehen würde, die mehr als vier Seitenwände im Sinne des Anspruchs 1 aufweist. Zum einen ist die Anzahl der Seitenwände der Aussparung bereits dadurch auf vier festgelegt, dass sie gemäß Anspruch 1 mit einem im Wesentlichen rechteckigen Querschnitt ausgebildet ist. Ein Rechteck ist ein Viereck, das aus jeweils zwei gleich langen Seiten besteht, die parallel zueinander sind und senkrecht aufeinander stehen. Übertragen auf die im Grundkörper des Steckgehäuses vorgesehene Aussparung sind somit jeweils zwei gleich lange Seitenwände, insgesamt also vier Seitenwände, vorgesehen.
Zudem impliziert der Begriff "kammerförmig" im Kontext des Anspruchs 1 eine seitlich geschlossene Form der Aussparung. Selbst wenn also eine Seitenwand aus zwei aneinandergrenzenden Teilseitenwänden bestehen sollte, wird der Fachmann eine entsprechende, aus zwei Teilseitenwänden bestehende Wand, als eine (einzige) Seitenwand im Sinne des Anspruchs 1 verstehen.
Ausführungsformen, bei denen breitere Schlitze oder Durchbrechungen in einer Seitenwand vorhanden sind, fallen demgegenüber schon deshalb nicht in den Schutzbereich des Patents, weil die Ausnehmung des Grundkörpers in diesen Fällen nicht mehr "kammerförmig" ausgebildet wäre und damit nicht mehr das dem Begriff "Kammer" immanenten Verständnis eines seitlichen Abschlusses aufweisen würde, der vom Patentanspruch in seiner Gesamtheit ausschließlich vermittelt wird.
4.5 Auch der Hinweis der Beschwerdeführerin auf die Figur 8a überzeugt nicht, denn Figur 8a des Patents zeigt kein Steckgehäuse, sondern ein hiermit zu verbindendes weibliches Gehäuseeinsteckbauteil. Dabei sind die seitlichen Durchbrechungen 88, 90 in dem Gehäuseeinsteckbauteil zur Aufnahme der in dem zugehörigen Steckgehäuse vorgesehenen Verstärkungselemente 84, 86 ausgebildet (s. Absatz [0054] des Patents). Das zugehörige Steckgehäuse selbst weist jedoch lediglich vier durchgehende Seitenwände auf (s. Figur 7a).
Aus der Figur 8a kann daher in keiner Weise geschlossen werden, dass sich der Schutzbereich des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 4 auf eine kammerförmige Aussparung mit einem im Wesentlichen rechteckigen Querschnitt erstreckt, die mehr als vier Seitenwände aufweist.
4.6 Die Kammer ist daher insgesamt zu dem Schluss gelangt, dass der Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 nicht gegen das Verbot der reformatio in peius verstößt.
5. Hilfsantrag 4 - Zulässigkeit der Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)
Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 stellt eine Kombination der ursprünglichen Ansprüche 1 und 4 dar. Die Merkmale des ursprünglichen Anspruchs 4 wurden dabei nicht identisch bzw. wortgleich in den Anspruch 1 aufgenommen, sondern vielmehr wurde der Begriff "mittig" in den ursprünglichen Anspruch 1, und insbesondere in den dort zumindest teilweise bereits vorhandenen zweiten Teilsatz des ursprünglichen Anspruchs 4, sinnvoll eingebettet ("bügelförmiges Anlageelement ... in der Aussparung (18) mittig angeordnet ..."). Da der so geänderte Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 inhaltlich nach wie vor eine reine Kombination von ursprünglich eingereichten Ansprüchen darstellt, erfüllt der Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 das Erfordernis von Artikel 123 (2) EPÜ. Die Beschwerdeführerin hat die Zulässigkeit der Änderungen unter Artikel 123 (2) EPÜ auch nicht in Frage gestellt.
6. Hilfsantrag 4 - Klarheit (Artikel 84 EPÜ)
6.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 ist eine Kombination der erteilten Ansprüche 1 und 4. Da die erteilten Ansprüche den ursprünglich eingereichten Ansprüchen entsprechen, kann hinsichtlich der konkreten Kombination der erteilten Ansprüche 1 und 4 auf das oben unter Punkt 5. Gesagte verwiesen werden. Damit ist zwar keine wörtliche Übernahme des gesamten Wortlauts des Anspruchs 4 in den Anspruch 1 erfolgt, aber der Begriff "mittig" wurde, wie oben dargelegt, unter Beibehaltung des vollen und unveränderten Sinngehalts des erteilten Anspruchs 4 in den Anspruch 1 des erteilten Patents integriert.
6.2 Nach den in G 3/14 festgelegten Grundsätzen können bei der Prüfung nach Artikel 101 (3) EPÜ, ob das Patent in der geänderten Fassung den Erfordernissen des EPÜ genügt, die Ansprüche des Patents nur auf die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ geprüft werden, sofern und dann auch nur soweit diese Änderung einen Verstoß gegen Artikel 84 EPÜ herbeiführt. Da der Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 eine Kombination von erteilten Ansprüchen darstellt ohne deren Inhalt zu verändern, wird durch diese Kombination kein Verstoß gegen Artikel 84 EPÜ herbeigeführt. Anspruch 1 des Hilfsantrag 4 ist somit unter Anwendung dieses Grundsatzes der Prüfung nach Artikel 84 EPÜ nicht zugänglich.
6.3 Der in diesem Zusammenhang von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Einwand, der Begriff "kammerförmig" sei unklar, ist vor diesem Hintergrund unbeachtlich.
7. Hilfsantrag 4 - Neuheit gegenüber dem Dokument E1 (Artikel 54 EPÜ)
7.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 4 ist neu gegenüber dem Dokument E1, denn es offenbart zumindest nicht das Merkmal c, wonach der Grundkörper eine Aussparung aufweist und in einer Bodenwand der Aussparung eine Durchgangsöffnung angeordnet ist.
7.2 Das Dokument El offenbart einen Steckdosenausgang für ein Bussystem, siehe Figur 1. In dem Gehäuse des Steckdosenausgangs sind mehrere Fingerschutzelemente 110 ("fingerguard") angeordnet, die jeweils Rasthaken 126 zur Befestigung im Gehäuse aufweisen. Bei einem Fingerschutzelement handelt es sich somit lediglich um ein Einsteckteil, welches in ein Gehäuse einsteckbar ist. Die Kammer stimmt daher mit der Beschwerdegegnerin darin überein, dass ein in E1 offenbarter Fingerschutz 110 nicht als Grundkörper eines Steckgehäuses im Sinne des Anspruchs 1 verstanden werden kann.
7.3 Selbst wenn jedoch der Fingerschutz als Grundkörper im Sinne des Anspruchs 1 aufgefasst werden würde, so weist dieser Grundkörper jedenfalls keine Bodenwand auf, in der eine Durchgangsöffnung angeordnet ist, wie dies von Anspruch 1 gefordert wird.
7.4 Unter Verweis auf die Figuren 6, 2A und 2B des Dokuments E1 vertrat die Beschwerdeführerin die Auffassung, dass die in der Figur 6 erkennbaren kurzen (stummelartigen} Fortsätze eine Bodenwand im Sinne des Anspruchs 1 bilden. Weiter argumentierte sie, dass die Fortsätze sich von oben und unten in vertikaler Richtung zu dem männlichen Kontaktelement 106 erstreckten, das durch eine Durchgangsöffnung zwischen diesen Fortsätzen hindurchgeführt sei.
7.5 Die Beschwerdegegnerin hat jedoch zutreffend argumentiert, dass eine Bodenwand, dem normalen Sprachgebrauch entsprechend, von einer Fachperson als eine zusammenhängende Fläche verstanden werden würde. Gegenüberliegende Rasthaken bzw. stummelartige Fortsätze der Rastarme 118 oder die Rastarme selbst, würde die Fachperson deshalb nicht als Bodenwand auffassen. Da das Dokument E1 bereits keine Bodenwand aufweist, ist dem Dokument E1 auch keine darin angeordnete Durchgangsöffnung zu entnehmen.
Weitere Elemente des Fingerschutzes (fingerguard 110) oder des übergeordneten Gehäuses hat die Beschwerdeführerin in dem Dokument E1 nicht als Bodenwand identifiziert.
7.6 Die Kammer ist daher zu dem Schluss gelangt, dass das Dokument E1 zumindest nicht das Merkmal c offenbart. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 4 ist damit neu gegenüber dem Dokument E1 (Artikel 54 EPÜ).
8. Hilfsantrag 4 - Neuheit gegenüber dem Dokument E3 (Artikel 54 EPÜ)
8.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 4 ist neu gegenüber dem Dokument E3, denn es offenbart nicht das Merkmal c und somit keinen Grundkörper, der eine Aussparung aufweist, die kammerförmig mit einem im Wesentlichen rechteckigen Querschnitt ausgebildet ist.
8.2 Die Beschwerdeführerin verwies im Wesentlichen auf die Figuren 3 und 4 des Dokuments E3 und machte geltend, dass durch das Einbringen des Hauptkörpers 4 in die Abschirmung 3 eine kammerförmige Aussparung mit einem im Wesentlichen rechteckigen Querschnitt (s. E3, Figur 4) resultiere. Zwar sei die Ausgestaltung nach E3 zweiteilig, eine einteilige Ausbildung werde in Anspruch 1 jedoch nicht definiert.
8.3 Die Kammer folgt der Beschwerdeführerin nicht in ihrer Argumentation. Die Beschwerdegegnerin hat nämlich zu Recht geltend gemacht, dass gemäß Merkmal c die Aussparung in den Grundkörper eingebracht ist. In diesem Sinne kann der Grundkörper in dem Dokument E3 nur der Hauptkörper 4 sein, denn der Fachmann würde die Abschirmung 3 eindeutig nicht als Teil eines Grundkörpers verstehen. Der Hauptkörper 4 weist jedoch eindeutig keine Aussparung auf. Insofern offenbart Dokument E3 keine Aussparung in einem Grundkörper, insbesondere auch keine kammerförmige Aussparung.
8.4 Die Beschwerdeführerin argumentierte weiter, dass Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 nicht fordere, dass die Seitenwände integraler Bestandteil des Grundkörpers zur Ausbildung der Kammerform seien. Vielmehr werde eine kammerförmige Ausbildung durch die Kontur des Grundkörpers bestimmt, die auch in E3 kammerförmig sei.
Entgegen dem Argument der Beschwerdeführerin geht aus dem Wortlaut des Anspruchs 1 eindeutig hervor, dass der Grundkörper eine Aussparung aufweist. Diese Aussparung ist ferner als kammerförmig mit einem im Wesentlichen rechteckigen Querschnitt definiert. In dem Dokument E3 wird der Grundkörper nicht durch eine Zusammenschau der Elemente 4 (Hauptkörper) und 3 (Abschirmung) gebildet, sondern der Fachmann würde vielmehr den Hauptkörper als Grundkörper im Sinne des Anspruchs 1 auffassen (s.o.). Der Hauptkörper 4 weist jedoch, entgegen der Definition des Anspruchs 1, keine Aussparung auf, schon gar keine kammerförmige Aussparung. Wie weiter oben bereits dargelegt, wird in dem Dokument E3 erst durch Zusammenfügen des Hauptkörpers 4 mit der Abschirmung 3 eine Art Aufnahmeraum geschaffen, den die Fachperson jedoch nicht als Aussparung in einem Grundkörper im Sinne des Anspruchs 1 auffassen würde.
Darüber hinaus ist fraglich, ob der in Figur 3 gezeigte Querschnitt noch als im Wesentlichen rechteckig gelten kann. Da jedoch das Dokument E3 bereits keine Aussparung in einem Grundkörper im Sinne des Merkmals c des Anspruchs 1 offenbart, konnte diese Frage dahinstehen bleiben.
8.5 Die Kammer ist daher zu dem Schluss gelangt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 4 neu ist gegenüber dem Dokument E3 (Artikel 54 EPÜ).
9. Hilfsantrag 4 - Zulassung des Einwandes der mangelnden Neuheit gegenüber dem Dokument E9 (Artikel 12 (4) und (6) VOBK)
9.1 Die Kammer hat ihr Ermessen unter Artikel 12 (4) und (6) VOBK dahingehend ausgeübt, den Einwand der mangelnden Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 4 gegenüber dem Dokument E9 in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.
9.2 Die Beschwerdegegnerin machte im Wesentlichen geltend, dass der Einwand im Beschwerdeverfahren nicht zuzulassen sei, weil die Beschwerdeführerin diesen auf E9 gestützten Einwand bereits gegen den Hauptantrag, den die Einspruchsabteilung als Hilfsantrag 1 für gewährbar erachtet hatte, in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung nicht mehr vorgebracht habe. Dementsprechend sei ein auf E9 gestützter Neuheitseinwand gegen den Hilfsantrag 1 (jetzt Hauptantrag) nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung. Da der auf E9 gestützte Einwand somit schon nicht gegen den Hauptantrag hätte zugelassen werden dürfen, könne er erst recht nicht gegen Hilfsantrag 4 zugelassen werden.
9.3 Die Beschwerdeführerin trug vor, das Dokument E9 sei gemäß der angefochtenen Entscheidung in das Einspruchsverfahren zugelassen worden (siehe Punkt 2 der Begründung der angefochtenen Entscheidung). Das Dokument E9 sei daher Gegenstand der angefochtenen Entscheidung und im Übrigen auch Gegenstand der Beschwerdebegründung. Das Dokument E9 sei deshalb Teil des Beschwerdeverfahrens, und der darauf gestützte Einwand nach Artikel 54 EPÜ gegen Hilfsantrag 4 daher zuzulassen.
9.4 Die Kammer stellt zunächst fest, dass das Dokument E9 von der Einspruchsabteilung als prima facie relevant für den damaligen Hauptantrag (Patent in der erteilten Fassung) in das Einspruchsverfahren zugelassen wurde. Es trifft auch zu, dass ein auf E9 gestützter Einwand gegen den damaligen Hilfsantrag 1 (jetziger Hauptantrag) nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung ist.
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Hilfsantrag 4 nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung war, sondern erst im Laufe des Beschwerdeverfahrens relevant geworden ist. Im Übrigen hat die Beschwerdeführerin bereits in der Beschwerdebegründung einen auf das Dokument E9 gestützten Einwand gegen den abhängigen Anspruch 4 erhoben, der in Kombination mit dem erteilten Anspruch 1 den Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 bildet (vgl. S. 22 und 23 der Beschwerdebegründung). Der betreffende Einwand wurde daher bereits in der Beschwerdebegründung substantiiert vorgetragen.
Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung einen auf E9 gestützten Einwand gegen den damaligen Hilfsantrag 1 (jetzt Hauptantrag) nicht erhoben hat, kann im vorliegenden Fall nicht dazu führen, dass sie diesen Einwand im Beschwerdeverfahren gegen andere Hilfsanträge, die nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung waren, nicht mehr erheben kann.
Der auf E9 gestützte Einwand gegen Hilfsantrag 4 ist vielmehr als Teil einer normalen Entwicklung des Beschwerdeverfahrens zu betrachten.
9.5 Im Lichte der obigen Erwägungen hat die Kammer daher ihr Ermessen dahingehend ausgeübt, den Einwand unter Artikel 54 EPÜ basierend auf E9 gegen den Hilfsantrag 4 in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.
10. Hilfsantrag 4 - Neuheit gegenüber dem Dokument E9 (Artikel 54 EPÜ)
10.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 4 ist neu gegenüber dem Dokument E9. Gemäß Merkmal f des Anspruchs 1 ist ein bügelförmiges Anlageelement mittig in der Aussparung angeordnet. Eine entsprechende mittige Anordnung ist in dem Dokument E9 nicht gezeigt.
10.2 Für die Beurteilung der Neuheit ist vorliegend die Auslegung des Begriffs "mittig" in Merkmal f des Anspruchs 1 maßgeblich.
Die Beschwerdeführerin machte geltend, dass eine "mittige" Anordnung im Sinne von Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 im Lichte der Offenbarung des Patents allenfalls so zu verstehen sei, dass zwischen dem Anlageelement und den Seitenwänden der Aussparung ein Abstand bestehe. Ferner sei der Begriff "mittig" nicht auf zwei Raumrichtungen beschränkt. Vielmehr genüge eine mittige Anordnung in einer Raumrichtung. Dementsprechend sei auch bei der Ausführungsform gemäß Figur 7a des Patents das Anlageelement nur in einer Raumrichtung mittig und damit insbesondere mit Abstand zu lediglich zwei Seitenwänden angeordnet.
10.3 Die Kammer folgt den Argumenten der Beschwerdeführerin nicht, sondern stimmt vielmehr mit der Beschwerdegegnerin darin überein, dass der Begriff "mittig" zum einen nicht auf eine (einzige) Raumrichtung der Aussparung beschränkt ist, und dass es zum anderen nicht ausschließlich auf einen vorhandenen Abstand zu wenigstens zwei Seitenwänden der Aussparung ankommt.
In der Gesamtoffenbarung des Patents wird der Begriff "mittig" entsprechend dem allgemeinen Sprachverständnis so verwendet, dass das Anlageelement im Sinne einer symmetrischen Anordnung zu den Seitenwänden jeweils den gleichen Abstand zu den gegenüberliegenden Seitenwänden aufweist. Dieser Abstand kann in einer Raumrichtung auch Null sein, wie dies bei der Ausführungsform gemäß den Figuren 4a und 7a der Fall ist, bei denen das bügelförmige Anlageelement mit zwei gegenüberliegenden Seitenwänden fest verbunden ist (vgl. z.B. Absatz [0048] des Patents). Insofern kommt es für eine mittige Anordnung des Anlageelements in Verbindung mit der kammerförmigen Aussparung, die einen im Wesentlichen rechteckigen Querschnitt aufweist, nicht allein auf eine mittige Anordnung in einer (einzigen) Raumrichtung an, sondern auf eine symmetrische Anordnung in beiden Raumrichtungen in Bezug auf den im Wesentlichen rechteckigen Querschnitt der kammerförmigen Aussparung.
Die Beschwerdegegnerin hat in diesem Zusammenhang zudem zutreffend dargelegt, dass auch die besondere Funktion der mittigen Anordnung des Anlageelements zu berücksichtigen ist. Denn nach Absatz [0015] des Patents kann durch diese Maßnahme der frei zugängliche Querschnitt der Aussparung gleichmäßig verkleinert werden, so dass die Berührungssicherheit des Steckgehäuses über den Querschnitt der Aussparung gesehen gleich gut ist.
10.4 In E9 ist das bügelförmige Anlageelement unter Zugrundelegung der oben dargelegten sachgerechten Auslegung von Anspruch 1 hinsichtlich des Begriffs "mittig" gerade nicht mittig, sondern seitlich und damit außermittig angeordnet. Bügelförmige Anlageelemente im Sinne des Anspruchs 1 werden nach der Lehre der E9 durch Leisten 53, 53', 55, 55' gebildet, die jeweils mit der Kunststoff-Kappe 52, 54 ein der Kontur der breiten Seite des Kontaktstiftes 16, 18 folgendes, u-förmiges Teil bilden (s. E9 in Figur 1 und 2 in Verbindung mit Seite 4, Zeilen 1 bis 4).
Insbesondere aus Figur 2 der E9 wird deutlich, dass diese bügelförmigen Anlageelemente (in Figur 2 durch die Bezugszeichen 16 und 18 angedeutet) nicht mittig im Sinne einer symmetrischen Anordnung zu gegenüberliegenden Seiten angeordnet sind. Vielmehr sind die bügelförmigen Anlageelemente zum Zwecke der Kontaktierung der Kontaktstifte durch die fensterartige Ausnehmung seitlich in der Ausnehmung angeordnet (Bezugszeichen 26, 28, 30 in Figur 2).
10.5 Die Kammer ist daher zu dem Schluss gelangt, dass das Dokument E9 zumindest nicht das Merkmal f offenbart. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 4 ist damit neu gegenüber dem Dokument E9 (Artikel 54 EPÜ).
11. Ergebnis
Da der Hauptantrag gegen die Bestimmungen des Artikels 123 (2) EPÜ verstößt, jedoch keiner der gegen den Hilfsantrag 4 vorgebrachten Einwände durchgreift, war dem Hilfsantrag 4 der Beschwerdegegnerin stattzugeben.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in geändertem Umfang auf Grundlage des Hilfsantrags 4, eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung am 31. August 2020 und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.