T 1594/20 (Verfahren zum Aufteilen eines Kommissionierauftrags/KNAPP) 30-04-2024
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VERFAHREN ZUM AUFTEILEN EINES KOMMISSIOINIERAUFTRAGES
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag, Hilfsanträge 1 bis 4 (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Mischung technischer und nicht-technischer Merkmale
Spät eingereichte Hilfsanträge 5 und 6
Spät eingereichte Hilfsanträge - Zulassung (nein)
Eine mathematisch rechnerische Optimierung zur effizienten Aufteilung eines Kommissionierauftrags bewirkt nicht zwangsläufig auch eine Simulation des zugrunde liegenden physikalischen Vorgangs (hier Warentransport), sondern es sind vom hier vorliegenden Anspruchsgegenstand auch rein deterministische mathematische Optimierungen umfasst.
Eine geltend gemachte Energieeinsparung ist rein spekulativ und kann nicht ohne weiteres zur Annahme eines technischen Effekts führen. Dazu wäre erforderlich, dass ein solcher Effekt mit technischen Mitteln erreicht würde. Beim beanspruchten Gegenstand wäre eine Energieeinsparung (sofern tatsächlich erzielt) aber Folge einer rein organisatorischen oder algorithmischen Optimierung, die im Wesentlichen auf einer gedanklichen Tätigkeit basiert. Daraus kann kein technischer Effekt zur Berücksichtigung einer erfinderischen Tätigkeit abgeleitet werden (vgl. insbesondere Entscheidungsgründe 1.6 und 1.11).
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung auf Zurückweisung der europäischen Patentanmeldung Nr. 16159681.2 mangels erfinderischer Tätigkeit gemäß Artikel 56 EPÜ gestützt auf die folgenden Druckschriften:
D1: US 7 266 422 B1,
D2: Y. JIANG ET AL: "Learning to place new
objects in a scene", THE INTERNATIONAL JOURNAL OF ROBOTICS RESEARCH, Bd. 31, Nr. 9, 14. Mai 2012 (2012-05-14), Seiten 1021-1043, XP055162517, ISSN: 0278-3649, DOI: 10.1177/0278364912438781 und
D3: EP 2 161 219 A1.
II. Die Kammer hat in einem Bescheid ihre vorläufige Meinung zu der Beschwerde dargelegt. Auf der Grundlage insbesondere von D1 hat sie Einwände wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit erhoben und die Gründe dafür dargelegt.
III. Mit Schreiben vom 14. Juli 2023 reichte die Beschwerdeführerin die Hilfsanträge 5 und 6 ein. Sie hat außerdem weitere Argumente im Hinblick auf die erfinderische Tätigkeit übermittelt.
IV. Am 30. April 2024 fand eine mündliche Verhandlung statt, in deren Verlauf alle vorgetragenen Argumente diskutiert wurden.
V. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent zu erteilen auf der Grundlage des Hauptantrags oder einer der Hilfsanträge 1 bis 4, eingereicht mit Schriftsatz vom 14. November 2019, oder des Hilfsantrags 5 oder 6, beide eingereicht mit Schriftsatz vom 14. Juli 2023.
VI. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag lautet:
"1. Verfahren zum physischen Aufteilen eines eine Vielzahl von Kolli (8) umfassenden Kommissionierauftrages auf mehrere Ladungsträger (7), welche Kolli (8) von einem Quelllager mittels eines Transportfahrzeuges in ein Ziellager und im Ziellager zu Zielpositionen transportiert werden, dadurch gekennzeichnet, dass vor einer Aufteilung des Kommissionierauftrages mehrere Varianten möglicher Aufteilungen rechnerisch gebildet werden, wonach eine Auswahl einer Variante erfolgt, gemäß welcher die Aufteilung durchgeführt wird, wobei für verschiedene berechnete Varianten eine Anzahl von Fahrten bestimmt wird, welche erforderlich sind, um die einzelnen Kolli (8) im Ziellager mit den Ladungsträgern (7) vom Transportfahrzeug zu den Zielpositionen zu transportieren, und wobei die Anzahl der Fahrten in die Auswahl eingeht, wonach der Kommissionierauftrag gemäß der ausgewählten Variante physisch auf die einzelnen Ladungsträger (7) aufgeteilt wird."
Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 fügt gegenüber dem Hauptantrag folgendes weitere Merkmal hinzu: "wonach der Kommissionierauftrag gemäß der ausgewählten Variante teil- oder vollautomatisiert mittels eines Roboters physisch auf die einzelnen Ladungsträger (7) aufgeteilt wird".
Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 lautet wie folgt:
"1. Verfahren zum physischen Aufteilen eines eine Vielzahl von Kolli (8) umfassenden Kommissionierauftrages auf mehrere Ladungsträger (7), welche Kolli (8) von einem Quelllager mittels eines Transportfahrzeuges in ein Ziellager und im Ziellager zu Zielpositionen transportiert werden, dadurch gekennzeichnet, dass vor einer Aufteilung des Kommissionierauftrages mehrere Varianten möglicher Aufteilungen rechnerisch gebildet werden, wobei eine Stabilität eines Packbildes der Kolli (8) auf einzelnen Ladungsträgern (7) unter Berücksichtigung einer Belastbarkeit der einzelnen Kolli (8) sowie eines Gewichtes der einzelnen Kolli (8) automatisiert bestimmt wird und diese Stabilität in die Auswahl eingeht, wobei Belastbarkeit und Gewicht der Kolli (8) in einer Datenbank abgespeichert sind, wobei die einzelnen Kolli (8) nach Belastbarkeit unterschiedlicher Oberflächenbereiche, insbesondere einer Belastbarkeit an einem Rand, an Ecken und/oder einer Fläche, kategorisiert sind, um die Stabilität des Packbildes zu bestimmen, wonach eine Auswahl einer Variante erfolgt, gemäß welcher die Aufteilung durchgeführt wird, wobei für verschiedene berechnete Varianten eine Anzahl von Fahrten bestimmt wird, welche erforderlich sind, um die einzelnen Kolli (8) im Ziellager mit den Ladungsträgern (7) vom Transportfahrzeug zu den Zielpositionen zu transportieren, und wobei die Anzahl der Fahrten in die Auswahl eingeht, wonach der Kommissionierauftrag gemäß der ausgewählten Variante teil- oder vollautomatisiert mittels eines Roboters physisch auf die einzelnen Ladungsträger (7) aufgeteilt wird."
Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 fügt gegenüber dem Hauptantrag folgendes weitere Merkmal hinzu: "wonach die gewählte Variante über eine Datenbrille ausgegeben wird, wonach die Kommissionierung teilautomatisiert erfolgt".
Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 lautet wie folgt:
"1. Verfahren zum Transport eines eine Vielzahl von Kolli (8) umfassenden Kommissionierauftrages von einem Quelllager mittels eines Transportfahrzeuges in ein Ziellager und im Ziellager zu Zielpositionen, wobei der Kommissionierauftrag auf mehrere Ladungsträger (7) aufgeteilt wird, dadurch gekennzeichnet, dass vor einer Aufteilung des Kommissionierauftrages mehrere Varianten möglicher Aufteilungen rechnerisch gebildet werden, wonach eine Auswahl einer Variante erfolgt, gemäß welcher die Aufteilung durchgeführt wird, wobei für verschiedene berechnete Varianten eine Anzahl von Fahrten bestimmt wird, welche erforderlich sind, um die einzelnen Kolli (8) im Ziellager mit den Ladungsträgern (7) vom Transportfahrzeug zu den Zielpositionen zu transportieren, und wobei die Anzahl der Fahrten in die Auswahl eingeht, wonach der Kommissionierauftrag gemäß der ausgewählten Variante teil- oder vollautomatisiert mittels eines Roboters physisch auf die einzelnen Ladungsträger (7) aufgeteilt wird, wonach die auf den Ladungsträgern (7) befindlichen Kolli mittels des Transportfahrzeuges vom Quelllager in das Ziellager und im Ziellager zu Zielpositionen transportiert werden".
Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 fügt gegenüber dem Hauptantrag im Wesentlichen die Anwendung eines Greedy-Algorithmus zur rechnerischen Ermittlung von Varianten von Aufteilungen hinzu.
Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 6 entspricht im Wesentlichen dem Gegenstand von Hilfsantrag 4, erweitert um die Anwendung eines Greedy-Algorithmus zur rechnerischen Ermittlung von Varianten von Aufteilungen.
VII. Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete die Kammer ihre Entscheidung.
Hauptantrag
1. Artikel 56 EPÜ - Erfinderische Tätigkeit
1.1 Die Kammer stimmt mit der angefochtenen Entscheidung überein, dass das in Anspruch 1 beschriebene Verfahren lediglich einen administrativen Ablauf zur Transportoptimierung im Bereich der Logistik unter Berücksichtigung mathematischer Methoden zum Aufteilen von Kommissionieraufträgen betrifft, welches seinen technischen Charakter aufgrund einer Implementierung auf einem herkömmlichen Computersystem mit Recheneinheit, Speichereinrichtung und Kommunikationseinrichtung bezieht. Weder das Computersystem, noch dessen Arbeitsweise werden in technischer Hinsicht weitergebildet. Die Kammer kann weder im beanspruchten Gegenstand noch in den Anmeldungsunterlagen als Ganzes Implementierungsdetails für dieses Konzept finden, welche von technischen Überlegungen bestimmt sind, die die interne Funktionsweise eines Computers betreffen. Die technischen Merkmale des beanspruchten Gegenstandes beziehen sich somit lediglich auf die computergestützte Umsetzung der mathematischen/geschäftlichen Optimierungsmethode.
1.2 Dabei stellen die Schritte nach Anspruch 1 lediglich ein abstraktes Verfahren dar, welches unabhängig von einem Computersystem durch einen Geschäftsmann aus dem Bereich Logistik ausführbar ist (siehe dazu auch Punkt 12.2.11 der angefochtenen Entscheidung).
1.3 Der Gegenstand von Anspruch 1 stellt eine "Mischerfindung" dar, die aus technischen und nichttechnischen Merkmalen besteht und als Ganzes technischen Charakter aufweist. Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist für eine solche Mischerfindung der COMVIK-Ansatz (T 0641/00 - Zwei Kennungen/COMVIK, Abl. EPA 2003, 352) für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit anzuwenden. Dabei werden nur die Merkmale, welche zum technischen Charakter beitragen, zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit herangezogen. Merkmale, die keinen solchen Beitrag leisten, können das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit nicht stützen, jedoch als Rahmenbedingungen für die zu lösende technische Aufgabe aufgegriffen werden, insbesondere als eine zwingend zu erfüllende Vorgabe.
Im vorliegenden Fall stimmt die Kammer der angefochtenen Entscheidung zu, dass sich die technischen Merkmale des Gegenstandes von Anspruch 1 auf ein konventionelles vernetztes Computersystem beschränken, worin auch der nächstliegende Stand der Technik zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit gesehen wird. Ergänzend wird auch auf die Druckschrift D1 (siehe Figur 1, Spalte 3, Zeile 63ff. mit computer system 22) oder D3 (siehe Figuren 1 und 2 mit [0024] der Beschreibung) verwiesen, die genau diese technischen Merkmale offenbaren und somit ebenfalls einen geeigneten Stand der Technik darstellen.
1.4 Auch zeigt Anspruch 1 keinen konkreten Algorithmus auf, der eine solche Optimierung ausführen könnte. Vielmehr definiert er lediglich das gewünschte Ziel einer Optimierung, ohne nähere Anweisungen dafür zu geben, wie genau der Fachmann vorgehen muss, um dies zu erreichen. Es wird lediglich spezifiziert, dass "mehrere Varianten möglicher Aufteilungen rechnerisch gebildet werden" und schließlich "eine Auswahl einer Variante" erfolgt. Nach welchen Kriterien die Auswahl erfolgt, wird nur sehr allgemein mit Hinweis auf die Anzahl der Fahrten bestimmt. Wie gerechnet werden soll, bleibt offen. Allerdings wäre selbst ein konkreter Algorithmus bzw. eine mathematische Berechnungsvorschrift im Bereich der vom Geschäftsmann vorgegebenen nicht-technischen Spezifikation einzuordnen.
1.5 Die Beschwerdeführerin hat auf Grundlage der Entscheidung T 1227/05 argumentiert, es handele sich bei dem beanspruchten Gegenstand um ein computergestütztes Simulationsverfahren.
1.6 Die Kammer bezweifelt, dass überhaupt eine Simulation eines technischen Gegenstands vorliegt. Eine mathematisch rechnerische Optimierung bewirkt nicht zwangsläufig auch eine Simulation des zugrunde liegenden physikalischen Vorgangs (hier Warentransport), sondern es sind vom hier vorliegenden Anspruchsgegenstand auch rein deterministische mathematische Optimierungen umfasst. Die optimierte Aufteilung eines Kommissionierauftrags nach rein kaufmännischen Kostenbetrachtungen (z.B. break-even-point) ist ebenso umfasst wie mathematische Optimierungsalgorithmen analog zum bekannten travelling-salesman-problem. Dabei werden kognitive geschäftsbezogene Daten verarbeitet und es liegen keine technischen Überlegungen zugrunde, die zu einer erfinderischen Tätigkeit nach Art. 56 EPÜ beitragen können.
1.7 Selbst wenn man von einer Simulation ausgeht und die im Laufe des Beschwerdeverfahrens ergangene Entscheidung G 1/19 heranzieht, lässt sich im Hinblick auf den beanspruchten Gegenstand nach Anspruch 1 feststellen, dass die Formulierung eines zugrunde gelegten Modells oder von Berechnungsvorschriften auch dann eine gedankliche Tätigkeit darstellen, wenn diese durch einen Computer unterstützt wird (vgl. G 1/19, Entscheidungsgründe Nr. 106 und 112). Sie tragen somit nicht zum technischen Charakter des Anspruchsgegenstands bei.
Nach dem COMVIK-Ansatz (siehe oben) können numerische Daten den technischen Charakter einer Erfindung normalerweise nicht begründen. Jedoch können berechnete numerische Daten, die das physische Verhalten eines in einem Computer modellierten Systems widerspiegeln, den technischen Charakter einer Erfindung dann begründen, wenn das berechnete Verhalten das Verhalten des der Simulation zugrunde liegenden realen Systems (hier des physikalischen Warentransports) adäquat widerspiegelt (vgl. G 1/19, Entscheidungsgründe Nr. 128).
Für die Zwecke der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit kann eine computer-implementierte Simulation eines technischen Systems oder Verfahrens, die als solche beansprucht wird, durch Erzeugung einer technischen Wirkung, die über die Implementierung der Simulation auf einem Computer hinausgeht, eine technische Aufgabe lösen. Für diese Beurteilung ist es aber keine hinreichende Bedingung, dass die Simulation ganz oder teilweise auf technische Prinzipien gestützt wird, die dem simulierten System oder Verfahren (hier dem Warentransport) zugrunde liegen (vgl. G 1/19, Entscheidungsformel 1 und 2). Die Kammer sieht im beanspruchten Gegenstand jedoch keine technische Wirkung, die über die Implementierung auf einem Computer hinausgeht.
1.8 Die optimale Aufteilung eines Kommissionierauftrages ist keine technische Aufgabe, die mit technischen Mitteln gelöst wird, sondern erfordert eine administrative Entscheidung im Bereich der Logistik, wie kognitive Daten zu organisieren sind.
1.9 Ein möglichst effizienter Transport von Waren eines Kommissionierauftrages von einem Quelllager zu einer Zielpositionen mag physikalisch technische Vorgänge beinhalten. Jedoch werden diese durch die beanspruchte Lehre nicht weitergebildet. Vielmehr erfolgt eine rein organisatorische Optimierung auf der Basis bekannter Warenbeförderungsvorgänge. Eine verbesserte Infrastruktur zur Warenbeförderung oder verbesserte Transportmittel zur Warenbeförderung sind nicht erkennbar.
Das beanspruchte Verfahren soll zwar zur Transportoptimierung dienen, jedoch werden in Anspruch 1 keine Merkmale spezifiziert, die eine konkrete Veränderung an der Art und Weise vornehmen, wie die Waren transportiert werden. Dabei werden auch keine funktionalen Wirkungen bzw. technischen Eigenschaften der zu transportierenden Waren berücksichtigt.
1.10 Ein technischer Effekt ergibt sich auch nicht durch den Warentransport selbst, da dieser nicht Bestandteil von Anspruch 1 ist. Der Anspruchsgegenstand betrifft nur Auswertungsergebnisse.
1.11 Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass mit dem beanspruchten Gegenstand eine Reduktion der Anzahl von Fahrten erreicht werde und damit eine Energieein-sparung verbunden sei (vgl. Eingabe vom 14. Juli 2023, Seite 3, Absatz 2 sowie auch in der mündlichen Verhandlung). Die Kammer ist davon nicht überzeugt. Die angeführte Energieeinsparung ist rein spekulativ und kann nicht ohne weiteres zur Annahme eines technischen Effekts führen. Auch wäre dazu erforderlich, dass ein solcher Effekt mit technischen Mitteln erreicht würde.
Die Beschwerdeführerin hat in der mündlichen Verhandlung argumentiert, dass die beanspruchte Erfindung vergleichbar sei mit einer Optimierung des Reifendrucks bei der Warenbeförderung, wodurch ebenfalls eine Energieeinsparung erzielt würde.
Dieses Argument überzeugt die Kammer jedoch nicht. Denn während es sich bei der Regulierung des Reifendrucks um eine technische Maßnahme handelt, wäre beim beanspruchten Gegenstand eine Energieeinsparung (sofern tatsächlich erzielt) die Folge einer rein organisatorischen oder algorithmischen Optimierung, die im Wesentlichen auf einer gedanklichen Tätigkeit basiert. Daraus kann kein technischer Effekt zur Berücksichtigung einer erfinderischen Tätigkeit abgeleitet werden.
Sollten mit dem erfindungsgemäßen Verfahren also Auswirkungen auf den Energieverbrauch verbunden sein, so wird dies nicht durch den Einsatz von technischen Mitteln erreicht, sondern ist eine Folge der administrativen bzw. organisatorischen Maßnahmen.
1.12 Die Kammer stimmt daher der angefochtenen Entscheidung zu, dass die objektive technische Aufgabe darin besteht, das mathematische Verfahren zur Warenkommissionierung, welches vom Geschäftsmann der Logistik als Spezifikation vorgegeben wird, auf einem Computersystem zu implementieren.
1.13 Bei der Implementierung sieht die Kammer keinen technischen Effekt, welcher über die reine Automatisierung hinausgeht. Diese erfordert lediglich die Implementierung der abstrakten Verfahrensschritte zur Transportoptimierung mittels geläufiger Programmierkenntnisse. Weder Anspruch 1, noch den Anmeldungsunterlagen insgesamt lassen sich technische Implementierungsdetails entnehmen, welche eine Grundlage für eine erfinderische technische Leistung im Rahmen der Implementierung darstellen könnten.
1.14 Dem Gegenstand von Anspruch 1 fehlt es somit an einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber einem fachnotorisch bekannten vernetzten Computersystem oder ausgehend von der Lehre von D1 oder D3, jeweils vor dem Hintergrund der allgemeinen Programmierkenntnisse eines EDV-Fachmanns.
Hilfsanträge 1 bis 4
2. Der jeweilige Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 bis 4 fügt Merkmale hinzu, die ebenfalls keinen erfinderischen Beitrag gegenüber der Lehre von D1 leisten.
2.1 Eine Aufteilung des Kommissionierauftrages teil- oder vollautomatisiert mittels eines Roboters nach Hilfsantrag 1 ist bereits aus D1 bekannt (siehe Figur 1, Roboter 14 und zugehörige Beschreibung ab Spalte 3, Zeile 63ff). Die vorstehenden Argumente ausgehend von D1 gelten somit für Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 sinngemäß.
2.2 Bezüglich des Hilfsantrags 2 macht die Beschwerde-führerin geltend, dass ein besonders stabiler Transport von Waren als technische Wirkung vorliegt (vgl. Seite 4, Absatz 2 der Eingabe vom 14. Juli 2023).
Gewichtsbeschränkungen werden generell jedoch schon durch die Verwendung einer speziellen Sorte von Paletten vorgegeben. Diese sind schon aus Sicht des Logistikers zu beachten und erfordern keine besonderen technischen Kenntnisse. Es versteht sich von selbst, dass bei der Aufteilung von Kommissionieraufträgen die Stabilität (z.B. Maximallast) in Betracht gezogen werden muss. Die Kammer sieht darin keinen besonderen technischen Effekt, sondern lediglich ein Kriterium bei der Optimierung der Kommissionieraufgabe, das jeder Logistiker zu beachten hat. Die Berücksichtigung der Stabilität eines Packbildes von Kollis anhand von Belastbarkeit und Gewicht entsprechend dem Anspruch 1 von Hilfsantrag 2 stellen nur weitere kognitive Daten dar, wie sie jeder Geschäftsmann bei einer Aufteilung von Kommissionieraufträgen auf mehrere Ladungsträger berücksichtigt. Solche Parameter werden beispielsweise aus Listen vorgegeben und fließen als abstrakte numerische Zahlen in die mathematische Optimierung ein. Dies liefert somit keinen technischen Beitrag und ist darüber hinaus bereits aus D1 bekannt (vgl. "Best Score Rule" ab Spalte 7, Zeile 25, insbesondere die Kriterien ab Zeile 32 inklusive "stability"). Die Verwendung einer Datenbank nach Hilfsantrag 2 ist zwar technisch, aber ebenfalls bereits aus D1 bekannt (siehe Spalte 4, Zeilen 6 bis 12). Die voranstehenden Argumente ausgehend von D1 gelten somit für Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 sinngemäß.
2.3 Die Verwendung einer Datenbrille zur Ausgabe von Informationen zur Kommissionierung von Waren nach Hilfsantrag 3 ist bereits aus D3 bekannt (siehe Figur 2, Datenbrillen 300 und zugehörige Beschreibung in [0027]). Die Kammer ist überzeugt davon, dass der Fachmann die Datenbrille aus D3 nicht nur zum Transport, sondern auch zur Auswahl der Varianten verwenden würde, nachdem diese Form der Ausgabe von Informationen bereits vorhanden ist, um die Aufgabe einer möglichst effizienten Bereitstellung von Informationen zur Kommissionierung zu lösen. Die voranstehenden Argumente ausgehend von D1 als Stand der Technik gelten somit für Anspruch 1 nach Hilfsantrag 3 sinngemäß. In Kombination mit der Lehre von D3 sind somit auch die zusätzlichen Merkmale von Anspruch 1 dieses Antrags nahegelegt.
2.4 Die Verwendung eines Transportfahrzeugs nach Hilfsantrag 4 ist zwar technisch, jedoch als fachnotorisch bekannt anzusehen. Abgesehen von einem anderen Gattungsbegriff, ist der Gegenstand des Anspruchs auf die gleichen Merkmale gerichtet wie im Hilfsantrag 1. Die vorstehend zum Hilfsantrag 1 angeführten Argumente ausgehend von D1 gelten somit für Anspruch 1 nach Hilfsantrag 4 sinngemäß.
3. Hilfsanträge 5 und 6
3.1 Zulässigkeit
Diese Anträge wurden als Reaktion auf die Mitteilung der Kammer gemäß Regel 100(2) EPÜ vom 16. März 2023 und vor Ablauf der in dieser Mitteilung gesetzten Frist zur Stellungnahme eingereicht. Ihre Zulassung in das Verfahren unterliegt daher der Regelung des Artikels 13(1) VOBK. Danach bedarf ihre Zulassung rechtfertigender Gründe und steht im Ermessen der Kammer.
Allein die Tatsache, dass neue Hilfsanträge "in Reaktion auf die vorläufige Stellungnahme der Kammer" vorgelegt wurden, reicht als Begründung nicht aus und rechtfertigt ihre späte Einreichung nicht. Dies gilt in dem vorliegenden Fall schon deshalb, weil die Kammer keine neuen Einwände oder Dokumente in das Verfahren eingebracht hat. Die Anträge hätten daher bereits mit der Einreichung der Beschwerde vorgelegt werden können und müssen. Nach Artikel 12(3) VOBK hat diese das vollständige Beschwerdevorbringen zu enthalten. Die Kammer sieht daher keine rechtfertigenden Gründe für die Zulassung der Hilfsanträge 5 und 6.
3.2 Darüber hinaus sind die neuen Anträge auch nicht gewährbar und daher nicht geeignet, die Einwände zu überwinden.
3.3 Hilfsantrag 5
Bei einem Greedy-Algorithmus handelt es sich um ein bekanntes mathematisches Verfahren zur Lösung von Optimierungsproblemen nach dem Gradientenverfahren. Da es üblich war, auch Greedy-Algorithmen für Optimierungsaufgaben einzusetzen, erachtet die Kammer es als naheliegend, diesen auch auf den beanspruchten Gegenstand anzuwenden.
Anspruch 1 beinhaltet damit zwar einen konkreten Algorithmus. Jedoch hat die Kammer bereits zum Hauptantrag festgestellt, dass selbst ein konkreter Algorithmus bzw. eine mathematische Berechnungsvorschrift im Bereich der vom Geschäftsmann vorgegebenen nicht-technischen Spezifikation einzuordnen wäre (vgl. Punkt 1.4 oben).
3.4 Hilfsantrag 6
Ein teil- oder vollautomatisches Aufteilen des Kommissionierauftrags durch einen Roboter sowie der anschließende Transport zum Ziellager mittels Transportfahrzeug stellen zwar technische Merkmale dar, aber diese sind als fachüblich anzusehen.
Eine teil- oder vollautomatisierte Aufteilung des Kommissionierauftrages mittels eines Roboters ist bereits aus D1 bekannt (siehe Figur 1, Roboter 14 und zugehörige Beschreibung ab Spalte 3, Zeile 63ff). Die Argumente zum Hilfsantrag 1 und Hilfsantrag 4 ausgehend von D1 gelten somit für Anspruch 1 nach Hilfsantrag 6 sinngemäß.
3.5 Vor diesem Hintergrund lässt die Kammer die Hilfsanträge 5 und 6 nach Artikel 13(1) VOBK nicht in das Beschwerdeverfahren zu.
4. Dem Gegenstand von Anspruch 1 aller zugelassenen Anträge fehlt es somit an einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend von der Lehre von D1, gegebenenfalls kombiniert mit D3 (Hilfsantrag 3), jeweils vor dem Hintergrund der allgemeinen Programmierkenntnisse eines EDV-Fachmanns. Die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ sind somit nicht erfüllt.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.