T 1657/20 27-04-2022
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Fahrgestell eines Reisewohnmobils oder ähnlicher Fahrzeuge sowie Chassis für ein solches Fahrgestell
Spät eingereichte Tatsachen - im erstinstanzlichen Verfahren zugelassen (nein)
Spät eingereichte Tatsachen - zugelassen (ja)
Neuheit - Hauptantrag (nein)
Zurückverweisung - besondere Gründe für Zurückverweisung
Zurückverweisung - (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - nicht naheliegende Lösung
I. Die Einsprechende legte Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein, den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 2 722 225 aufgrund des Artikels 101 (2) EPÜ zurückzuweisen.
II. Die angefochtene Entscheidung nimmt unter anderem Bezug auf die folgenden Entgegenhaltungen, die auch der vorliegenden Entscheidung zugrunde liegen:
A2: DE 82 32 306 U1
A3: DE 197 48 894 A1
A4: DE 41 33 401 A1
A8: EP 2 360 082 A1
III. Die Einspruchsabteilung hatte entschieden, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 wie erteilt neu gegenüber A2 und erfinderisch gegenüber den Kombinationen A2 mit Fachwissen, A3 mit A2 und A4 mit A2 sei. Keine der drei Entgegenhaltungen offenbare ein Chassis, das als tragende Struktur eine Tragwanne mit einem Unterboden und einer umlaufenden Seitenwandung ausbildet, oder lege ein solches Chassis nahe.
Weiterhin wurde die verspätet eingereichte Entgegenhaltung A8 nicht als prima-facie relevant angesehen und daher nicht ins Verfahren zugelassen.
IV. Am 27. April 2022 fand eine als Videokonferenz durchgeführte mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts statt.
V. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis der Ansprüche 1 bis 15 des Hilfsantrags 2, eingereicht mit Schreiben vom 29. Januar 2020, sowie der Seiten 1 bis 10 der Beschreibung und der Figuren 1 bis 14 wie erteilt.
VI. Anspruch 1 in der erteilten Fassung (Hauptantrag) lautet wie folgt (Gliederung gemäß der angefochtenen Entscheidung):
a) Fahrgestell eines Reisewohnmobils (2) oder ähnlicher Fahrzeuge mit einem Triebkopf (4) und einem daran anschließenden Chassis (6), auf dem beim endgefertigten Fahrzeug (2) ein Aufbau (8) aufgebaut ist,
b) wobei das Chassis (6) als tragende Struktur eine Tragwanne (10) mit einem Unterboden (14) und einer umlaufenden Seitenwandung (16) ausbildet und
c) der Innenraum der Tragwanne (10) als Stauraum für die Anordnung von Versorgungskomponenten (44), wie Wassertanks, Batterien etc. ausgebildet ist, und
d) dass die Tragwanne (10) zur Ausbildung eines Bodens (40) von einer Bodenplatte überspannt ist
dadurch gekennzeichnet, dass
e) die Tragwanne (10) in ihrem Innenraum zwei integrierte Längsholme (46) aus Faserverbundwerkstoff aufweist, wobei
f) die Längsholme (46) jeweils eine Schottwand bilden und einen Mittenbereich von zwei äußeren Randbereichen abgrenzen.
Anspruch 15 in der erteilten Fassung (Hauptantrag) lautet wie folgt (Gliederung gemäß der angefochtenen Entscheidung):
g) Chassis (2) für ein Fahrgestell nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass
h) es als tragende Struktur eine Tragwanne (10) mit einem Unterboden (14) und einer umlaufenden Seitenwandung (16) ausbildet und der Innenraum der Tragwanne (10) als Stauraum für die Anordnung von Versorgungskomponenten (44), wie Wassertanks, Gasflaschen, Batterien etc. ausgebildet ist, und dass
i) die Tragwanne (10) von einem Boden (40) überspannt ist.
In Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 wurde der Wortlaut des erteilten Anspruchs 1 wie folgt ergänzt:
"so dass beidseitig eines Mittenstauraums weitere Stauräume angeordnet sind, und der Mittenstauraum von oben über Revisionsöffnungen (42) und die weiteren Stauräume über Klappen von außen durch die Seitenwandung hindurch oder von oben über Revisionsöffnungen (42) im Boden zugänglich sind, und wobei die Stauräume eine Innenhöhe von zumindest 350mm aufweisen."
In Anspruch 15 des Hilfsantrags 2 wurde der Wortlaut des erteilten Anspruchs 15 wie folgt ergänzt:
"und dass die Tragwanne (10) in ihrem Innenraum zwei integrierte Längsholme (46) aus Faserverbundwerkstoff aufweist, wobei die Längsholme (46) jeweils eine Schottwand bilden und einen Mittenbereich von zwei äußeren Randbereichen abgrenzen, so dass beidseitig eines Mittenstauraums weitere Stauräume angeordnet sind, und der Mittenstauraum von oben über Revisionsöffnungen (42) und die weiteren Stauräume über Klappen von außen durch die Seitenwandung hindurch oder von oben über Revisionsöffnungen (42) im Boden zugänglich sind, und wobei die Stauräume eine Innenhöhe von zumindest 350mm aufweisen."
VII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin (Einsprechende) - soweit es für die Entscheidung wesentlich war - lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Zulassung der A8
Eine prima-facie Relevanz sei nicht allein dann gegeben, wenn direkte Neuheitsschädlichkeit vorliege, sondern auch, wenn offensichtlich die erfinderische Tätigkeit infrage gestellt werde. A8 sei zumindest für erfinderische Tätigkeit prima-facie relevant. Dies habe die Einspruchsabteilung jedoch gar nicht geprüft. Auch wenn in der A8 ein Wohnmobil nicht direkt genannt werde, offenbare die A8 doch alle weiteren Merkmale des Anspruchs 1, insbesondere das in A2 bis A4 angeblich nicht offenbarte Merkmal b, wonach das Chassis (6) als tragende Struktur eine Tragwanne (10) mit einem Unterboden (14) und einer umlaufenden Seitenwandung (16) ausbildet.
Hauptantrag - Neuheit gegenüber A8
Die umstrittenen Merkmale a und c seien in der A8 wie folgt offenbart:
Merkmal a sei implizit dem Absatz [0002] zu entnehmen. Figur 5 zeige ein spezifisches Ausführungsbeispiel in Form eines Sattelaufliegers ohne Triebkopf. In Absatz [0002] erhalte der Fachmann jedoch die Information, dass das in Anspruch 13 beanspruchte Fahrgestell nicht nur bei Sattelaufliegern, sondern auch bei Lastkraftwagen oder Kraftfahrzeugen für den Individualverkehr Anwendung finde. Diese Fahrzeuge fielen unter den Anspruchswortlaut "oder ähnliche Fahrzeuge". Der Fachmann wisse, dass damit auch Fahrgestelle gemeint seien, die einen Triebkopf umfassen. Die A8 richte sich somit auch auf Fahrgestelle mit Triebkopf.
Merkmal c fordere im Innenraum der Tragwanne einen Stauraum für die Anordnung von Versorgungskomponenten. Diese Versorgungskomponenten seien nicht auf Reisewohnmobil-spezifische Versorgungskomponenten beschränkt. In A8 dienten die gemäß Anspruch 13 im Innenraum der Tragwanne angeordneten Längsträger, in deren Inneren gemäß Absatz [0019] ebenfalls Versorgungskomponenten wie z.B. Leitungen angeordnet seien, als Stauraum.
Die im Anspruchsmerkmal f genannten und durch die Längsholme abgegrenzten Bereiche im Innenraum der Tragwanne seien nicht als Stauraum definiert und stünden auch nicht unmittelbar in Verbindung mit dem in Merkmal c definierten Stauraum.
Hilfsantrag 2 - Zurückverweisung an erste Instanz
Hilfsantrag 2 sei zwar im Einspruchsverfahren eingereicht worden, allerdings erst kurz vor der mündlichen Verhandlung und somit verspätet. Ansprüche 1 und 15 des Hilfsantrags 2 enthielten Merkmale aus der Beschreibung, die erstinstanzlich nicht recherchiert worden seien. Daher sei eine Zurückverweisung zur Diskussion dieser Hilfsanträge angemessen.
Hilfsantrag 2 - erfinderische Tätigkeit
Ausgehend von der A8 sei es selbstverständlich, die vorhandenen Hohlräume, die sich - wie in Figur 5 gezeigt - zwischen den Längsträgern und in den Randbereichen des Fahrgestells befänden, mit Zugangsöffnungen zu versehen, wenn man sie als Stauraum nutzen wolle. Gerade bei Reisewohnmobilen gehöre die Anordnung von Klappen und Öffnungen zum allgemeinen Fachwissen wie z.B. in A2, Seite 14, letzter Absatz, A3, Klappe 24 in Figur 1 oder A4, Spalte 3, Zeilen 42-47 offenbart.
Aus demselben Grund führe auch die Kombination von A8 mit einem der Dokumente A2, A3 und A4 auf naheliegende Weise zum beanspruchten Gegenstand. Bei dem Merkmal, wonach die Stauräume mindestens eine Innenhöhe von 350 mm aufweisen, handele es sich um eine rein willkürliche Auswahlerfindung ohne erkennbaren Vorteil, der eine erfinderische Tätigkeit begründen könne.
Auch die in der Beschwerdebegründung gegen den Hauptantrag vorgebrachten Angriffe ausgehend von A2 fänden Anwendung.
Der zum Hauptantrag vorgebrachte Neuheitsangriff (vgl. insbesondere Beschwerdebegründung, Punkt II.1.i) werde mit Blick auf den Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 zu einen Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit ausgehend von A2 mit Fachwissen.
Entgegen der Auslegung der Einspruchsabteilung (Entscheidung, Seite 11, letzter Absatz) offenbare die A2 ein Chassis, das einen Rahmen und eine Bodenwanne umfasse. Der Wortlaut des Anspruchs gebe es nicht her, dass das Chassis und die Bodenwanne einstückig realisiert sein müssten. Weiterhin habe die Bodenwanne tragende Funktion, so dass Merkmal b in der A2 offenbart sei. Anspruch 1 unterscheide sich daher von der A2 nur in einer Mindesthöhe der Stauräume von 350mm. Wie bereits vorgetragen, könne darin keine erfinderische Tätigkeit gesehen werden.
Sollte die Kammer der Auffassung der Einspruchsabteilung folgen, dass sich Anspruch 1 von der A2 weiterhin durch Merkmal b unterscheide, ergebe sich der beanspruchte Gegenstand auf naheliegende Weise aus der Kombination von A2 mit A8. Diese Kombination sei in der Beschwerdebegründung ebenfalls mit Blick auf den Hauptantrag vorgetragen worden (vgl. Punkt II.5). Die A2, Figur 2, offenbare ein Chassis 3 und eine Tragwanne 11. Um die Aufgabe einer einfacheren Gesamtkonstruktion zu lösen, lege die A8 nahe, das Chassis bereits als Tragwanne in einer Faserkunststoff-Konstruktion ohne zusätzlichen Rahmen auszubilden. Für die beanspruchte Mindesthöhe von 350mm gelte das bereits Gesagte.
VIII. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) - soweit es für die Entscheidung wesentlich war - lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Zulassung der A8
Artikel 12(6) VOBK 2020 erlaube eine Zulassung von A8 nur, wenn die Entscheidung der Einspruchsabteilung ermessensfehlerhaft wäre oder sich die Umstände im Beschwerdestadium geändert hätten. Weder das eine noch das andere sei hier der Fall. Es sei weder erkennbar noch vorgetragen worden, dass die Einspruchsabteilung bei der Anwendung des Ermessensspielraum fehlerhaft vorgegangen sei. Daher sei A8 auch weiterhin nicht ins Verfahren zuzulassen.
Die Einspruchsabteilung habe die prima-facie Relevanz nicht nur bzgl. Neuheit, sondern auch hinsichtlich des Artikels 56 EPÜ geprüft. Dies gehe aus der Entscheidung, Seite 10, zweiter Absatz, letzter Satz, hervor, worin bzgl. der Relevanz für erfinderische Tätigkeit die zu lösende Aufgabe "Schaffung von Stauräumen in Wohnmobilen" herangezogen worden sei.
Auch die Umstände im Beschwerdeverfahren seien unverändert, da sich weder der Hauptantrag noch der zitierte Stand der Technik im Vergleich zum Einspruchsverfahren geändert habe.
Hauptantrag - Neuheit gegenüber A8
A8 offenbare weder Merkmal a noch Merkmal c des Anspruchs 1, noch das dem Merkmal c entsprechende Merkmal h des Anspruchs 15.
Der Wortlaut des Merkmals a "Fahrgestell eines Reisewohnmobils" fordere, dass das Fahrgestell nicht nur für ein Reisewohnmobil vorgesehen sei, sondern auch am Ende zu einem solchen verbaut sein müsse. A8 offenbare weder ein Reisewohnmobil noch ein Fahrgestell mit einem Triebkopf.
Der Fachmann habe bei einem Fahrgestell eines Reisewohnmobils ein bestimmtes Bild von Stauräumen vor Augen, nämlich wie in den Absätzen [0004], [0007] und [0008] der ursprünglichen Anmeldung beschrieben. Demnach handele es sich um Stauraum für einsatzspezifische Ausrüstungsgegenstände wie Gasflaschen oder Wassertanks, Schläuche oder Pumpen.
Das Patent unterscheide klar zwischen Stauräumen und dem Hohlraum in Längsträgern. Der Hohlraum im Längsträger sei kein Stauraum im Sinne des Merkmals c. Ein Stauraum erfordere eine Zugänglichkeit. Die Stauräume seien in Absatz [0029] der Streitschrift derart beschrieben, dass der Innenraum der Tragwanne als Ganzes der Stauraum sei, der durch die Längsholme in einen Mittenstauraum und zwei äußere Stauräume unterteilt werde. Die Längsholme bildeten im Streitpatente nur eine Schottwand zwischen den Stauräumen. Diese Anordnung sei der Merkmalskombination c+e+f zu entnehmen, wonach folglich der Hohlraum in den Längsträgern gar kein anspruchgemäßer Stauraum sein könne.
Tatsächlich unterscheide auch die A8 zwischen Stauräumen (Absatz [0022]) und dem Hohlraum in den Längsträgern. Als mit dem Streitpatent vergleichbare Stauräume seien in der A8, Absatz [0032] z.B. das Palettenfach 15 oder der Stauraum 16 genannt (Figur 4), die jedoch nicht im Innenraum der Tragwanne, sondern unterhalb ausgebildet seien. Diese fielen daher keinesfalls unter den Anspruchswortlaut.
Die Unterbringung der von der Beschwerdeführerin angeführten Versorgungskomponenten erfolge in der A8 hingegen in den Längsträgern (Absatz [0019]), d.h. nicht in den Stauräumen.
Der Figur 5 der A8 könne man vielleicht einen mittleren Bereich zwischen den Längsträgern bzw. zwei äußere Randbereiche zugestehen, dieses sind jedoch gemäß Anspruch 13 durch das Deckelteil fest verschlossen. Damit sei darin weder irgendetwas verstaut, noch seien diese Bereiche zugänglich. Diese Bereiche könnten folglich auch nicht als Stauraum angesehen werden.
Hilfsantrag 2 - Zurückverweisung an erste Instanz
Eine Zurückverweisung sei nicht zweckmäßig. Hilfsantrag 2 sei im Einspruchsverfahren eine unmittelbare Reaktion auf das von der Einsprechenden verspätet eingereichte Dokument A8 gewesen. Der Hilfsantrag sei lange genug im Verfahren, so dass bereits hätte nachrecherchiert werden können.
Außerdem sei für das Patent die Tragwanne das wesentliche Charakteristikum, die in keinem der fristgerecht eingereichten Entgegenhaltungen des Einspruchsverfahrens gezeigt werde. Eine Recherche nach einer Tragwanne mit Zugangsöffnungen sei offensichtlich durch das Patent selbst veranlasst gewesen.
Hilfsantrag 2 - erfinderische Tätigkeit
Der Beschwerdebegründung der Einsprechenden (Seite 13, Absatz 3) sei für Hilfsantrag 2 lediglich ein Vortrag zu A8 mit Fachwissen zu entnehmen. Für die weiteren, erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Angriffe (A8 in Kombination mit einem der Entgegenhaltungen A2, A3 oder A4, oder A2 mit Fachwissen oder A8) stelle sich die Frage der Zulassung ins Verfahren.
Des Weiteren greife keiner der vorgetragenen Angriffe. Anspruch 1 und Anspruch 15 definierten die Stauräume so, wie der Fachmann sie bei einem Wohnmobil verstehen würde, nämlich durch Öffnungen und Klappen zugängliche Räume im Inneren der Tragwanne. Die Mitten- und Randbereiche des Merkmals f seien als Stauräume definiert, so dass ein Hohlraum in einem Längsträger eindeutig ausgeschlossen sei. Die Höhe sei ein wichtiger Gesichtspunkt für die Aufgabe, Stauraum zu gewinnen.
A8 zeige keine Zugänglichkeit der durch den Deckel verschlossenen Mitten- und Randbereiche und beschäftige sich auch nicht mit der Schaffung von Stauräumen. Weiterhin weise die A8 bereits Stauräume 15, 16 auf, so dass die Anordnung von Zugangsöffnungen oder Klappen zu den Mittenbereich bzw. den Randbereichen nicht naheliege.
Wie von der Einspruchabteilung festgestellt, sei in der A2 die Trennung zwischen dem Chassis 3 und der Bodenwanne 11 (Figur 2) wesentlich. Der Vortrag zu A2 mit Fachwissen, der auf der Annahme beruhe, dass nur die Stauraumhöhe von 350mm in A2 fehle, führe daher ins Leere.
Merkmal b und damit auch die Lehre der A8 widerspreche der Lehre der A2. Die A2 sei daher genauso wenig mit der A8 kombinierbar wie die A8 mit der A2. Die A3 und die A4 seien gedanklich der A2 gleich. Stauraum werde immer in den Aufbau des Wohnmobils integriert. Die Erfindung verlege einen Teil des Aufbaus in das Chassis. Dies werde vom Stand der Technik nicht nahegelegt.
1. Zulassung von A8
1.1 Die Entgegenhaltung A8 wurde verspätet ins Einspruchsverfahren eingereicht und von der Einspruchsabteilung wegen fehlender prima-facie Relevanz im Hinblick auf Anspruch 1 nicht ins Verfahren zugelassen (Entscheidung, Kapitel 2.3).
1.2 Die Kammer lässt A8 unter Artikel 12(4) und (6) VOBK 2020 ins Beschwerdeverfahren zu. Dabei übt die Kammer ihr Ermessen selbst aus, da aus der angefochtenen Entscheidung nicht vollständig hervor geht, auf welcher Tatsachengrundlage die Einspruchsabteilung ihre Ermessensentscheidung getroffen hat. Somit ist nicht nachvollziehbar, ob die Entscheidung der Nichtzulassung der A8 ins Einspruchsverfahren ermessenfehlerfrei war. Der Vorbehalt, dass eine Beschwerdekammer eine ermessensfehlerfrei ergangene Entscheidung der Vorinstanz respektieren und nicht durch die Ausübung ihres eigenen Ermessens ersetzen sollte, greift daher vorliegend nicht ein.
1.3 Unter Punkt 2.3 der angefochtenen Entscheidung wird die fehlende prima-facie Relevanz der A8 damit begründet, dass die A8 kein Fahrgestell mit Triebkopf offenbare und auch ein Sattelauflieger, wie in den Figuren 4 bis 6 gezeigt, mit einem evtl. implizit offenbarten Zugfahrzeug nicht der beanspruchten Struktur des Merkmals a des Anspruchs 1 entspreche.
Merkmal a des Anspruchs 1 definiert ein Fahrgestell mit einem Triebkopf und einem Chassis. Der breiter gefasste Anspruch 15 ist jedoch lediglich auf ein Chassis für das Fahrgestell nach Anspruch 1 gerichtet und fordert keinen Triebkopf. Ob hinsichtlich Anspruch 15 eine prima-facie Relevanz bzgl. Neuheit geprüft wurde, ist der angefochtenen Entscheidung nicht entnehmbar.
1.4 Weiterhin stellt sich die Frage, inwieweit die Einspruchsabteilung berücksichtig hat, dass die A8 laut Einsprechender (jetzt Beschwerdeführerin) das in Anspruch 1 und Anspruch 15 enthaltene Merkmal des als Tragwanne mit Seitenwandung ausgebildeten Chassis vorwegnehme. Dieses Merkmal sah die Einspruchsabteilung weder vorläufig (Entscheidung, Seite 6, Punkt 6.1) noch abschließend (Entscheidung, Seite 15, zweiter Absatz) in einem der rechtzeitig eingereichten Entgegenhaltungen A2 bis A4 offenbart.
1.5 Vor diesem Hintergrund bleibt es auch fraglich, inwieweit die Einspruchsabteilung eine Prüfung auf prima-facie Relevanz für erfinderische Tätigkeit vorgenommen hat. Der einzige Hinweis darauf ist in der von der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) angeführten Passage der Entscheidung auf Seite 10, zweiter Absatz, letzter Satz, zu finden, wonach die A8 nicht die Lösung der Aufgabe "Schaffung von Stauräumen" zum Ziel habe. Hieraus geht jedoch nicht hervor, wie die Einspruchsabteilung prima facie die Offenbarung von Stauräumen im Innenraum der Tragwanne in dem Fahrgestell der A8 eingeschätzt hat. Dies erscheint jedoch sowohl für Anspruch 1 (Merkmal c) als auch für Anspruch 15 (Merkmal h) relevant.
1.6 Die Kammer lässt A8 gemäß Artikel 12(4), letzter Satz VOBK 2020 primär wegen deren Eignung zur Behandlung der Fragestellungen, die zu der angefochtenen Entscheidung führten (also wegen deren prima facie Relevanz, die zum Zeitpunkt der Einreichung das maßgebliche, aber von der Einspruchsabteilung - nicht nachprüfbar - möglicherweise nicht ausreichend geprüfte Kriterium darstellte) in das Beschwerdeverfahren zu.
A8 zeigt prima facie ein Fahrzeugchassis (Figuren 4 bis 6), das als tragende Struktur eine Tragwanne mit einer umlaufenden Seitenwandung ausbildet, wobei die Tragwanne von einem Boden (Deckelteil) überspannt ist (Anspruch 13 der A8). Sowohl im Streitpatent (Absatz [0008]) wie auch in der A8 (Absatz [0002], Zeile 17) soll ein derartiges Chassis mehr Zuladung ermöglichen. Damit beschäftigt sich die A8 prima facie mit einer vergleichbaren Aufgabe wie die Streitschrift. Weiterhin geht die aus A8 vorgeschlagene Lösung, auf den schweren Stahl-Leiterrahmen zu verzichten und als tragende Struktur eine Tragwanne mit Seitenwandung und Deckelteil vorzusehen, aus keinem der anderen Entgegenhaltung A2 bis A4 hervor.
Auch die beiden anderen in Artikel 12(4), letzter Satz VOBK 2020 genannten Kriterien sprechen nicht gegen eine Zulassung: A8 und die darauf aufbauende Argumentation ist nicht sonderlich komplex, sondern überschaubar und verständlich und den Parteien bereits aus dem Einspruchsverfahren bekannt. Eine Behandlung vor der Beschwerdekammer ist vor diesem Hintergrund zudem verfahrensökonomischer als eine wegen der Begründungsdefizite auch mögliche Zurückverweisung zur erneuten Ermessensausübung an die Einspruchsabteilung.
Auch eine Verlagerung der Behandlung in etwaige spätere nationale Nichtigkeitsverfahren erscheint insgesamt in der vorliegenden Konstellation nicht als sachgerechte Lösung, auch wenn Artikel 12(4) VOBK 2020 diesen Aspekt der Institutionen übergreifenden Verfahrensökonomie wohl nicht mehr direkt regelt. Da die dortige Auflistung aber explizit nicht abschließend ist, wurde auch dieser Aspekt - wenn auch nicht mit gleichem Gewicht wie die anderen - von der Kammer berücksichtigt.
2. Hauptantrag - Neuheit gegenüber A8
2.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags ist nicht neu gegenüber A8.
2.2 Unbestritten zeigt die A8 in Figur 4 bis 6 einen Sattelauflieger, dessen Fahrgestell 12 gemäß Anspruch 13 als tragende Struktur ein wannenartiges Unterteil mit hochgezogenen Seitenwänden und ein oberseitig auf das Unterteil aufgesetztes Deckelteil umfasst (Merkmale b, d). In das Unterteil sind zwei Längsträger 1 aus Carbonfaserverbundwerkstoff eingesetzt und festgelegt (Merkmal e), wobei die Längsträger in ihrem Inneren Leitungen, Leitungsschächte und/oder Lagerkapazitäten für die Lagerung von Betriebsmedien (Druckluft, Hydrauliköl, Treibstoff, Wasser oder dgl.) aufweisen (Absatz [0019], Anspruch 11). Die Längsträger grenzen einen Mittenbereich von zwei äußeren Randbereichen ab (Figur 5).
2.3 Die Offenbarung der A8 umfasst auch Merkmal a. Dabei ist zunächst festzustellen, dass unter einem "Fahrgestell eines Reisewohnmobils" entgegen der Argumentation der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) lediglich ein "für ein Reisewohnmobil geeignetes Fahrgestell" zu verstehen ist und nicht unbedingt ein am Ende zu einem Reisewohnmobil verbautes Fahrgestell. Ein geeignetes Fahrgestell ist laut Absatz [0002] der Streitschrift zunächst auch ein Fahrgestell von Serienfahrzeugen, z.B. der LKW-Klasse.
Weiterhin ist die Offenbarung der A8 nicht auf Fahrgestelle ohne Triebkopf beschränkt. In Absatz [0002], wie auch in Absatz [0021] ("Ein weitere Aspekt der Erfindung besteht in einem Fahrgestell eines Fahrzeuges,..."), bezieht sich die A8 zunächst allgemein auf ein Fahrgestell für ein Fahrzeug. Absatz [0002] nennt als lasttransportierende Fahrzeuge neben dem beispielsweise in Figur 5 gezeigten Sattelauflieger zusätzlich auch Lastkraftwagen. Unter einem Lastkraftwagen versteht der Fachmann u.a. auch ein Fahrgestell mit Triebkopf und anschließendem Chassis, auf das ein zum Tragen der Last bestimmter Aufbau angeordnet ist. Derartige Fahrgestelle sind auch für Reisewohnmobile geeignet, in dem der Aufbau entsprechend angepasst wird, wie dem Streitpatent (Absatz [0002]) selbst zu entnehmen ist. Ein einsatzspezifischer Aufbau, insbesondere ein Reisewohnmobilaufbau, wird von Merkmal a nicht gefordert.
2.4 Merkmal c definiert, dass der Innenraum der Tragwanne als Stauraum zur Anordnung von Versorgungskomponenten ausgebildet ist. Die enge Auslegung der Beschwerdegegnerin, dass der gesamte Innenraum der Tragwanne als Stauraum anzusehen sei und dass unter Versorgungskomponenten nur aufbauspezifische Ausrüstungsgegenstände zu verstehen seien, ist nicht überzeugend. Zum einen schließt der Anspruchswortlaut fahrzeugspezifische Versorgungskomponenten nicht aus, zum anderen wird der Begriff auch in der Streitschrift in Bezug auf fahrzeugspezifische Funktionen verwendet und nicht nur auf Funktionen des Reisewohnmobils beschränkt (vgl. Seite 5, Zeilen 23, 24: ""Unter stangenförmige Komponenten werden hierbei einerseits Versorgungskomponenten sowohl für fahrwerkspezifische Funktionen als auch für Funktionen des Reisewohnmobils verstanden."). Auf Seite 5, Zeilen 25, 26, des Streitpatents werden beispielsweise elektrische Versorgungsleitungen, Bremsleitungen oder Druckluftleitungen genannt. Stauraum wird im Kontext des Anspruchswortlauts und der Beschreibung nicht nur in einem engen Sinn als der dem späteren Nutzer des Wohnmobils zum Stauen zur Verfügung gestellte Raum verstanden, sondern wesentlich weiter als ein Raum, der es auch schon in der Konstruktionsphase des Fahrzeugs erlaubt, in ihm die für das Fahrzeug benötigten Komponenten unterzubringen, also zu verstauen.
2.5 In der A8 wird in Anspruch 13 mit Anspruch 11 und 12 (vgl. auch Absatz [0019]) offenbart, dass in der Tragwanne des Fahrgestells Versorgungskomponenten unterbracht sind. Somit dient der Innenraum der Tragwanne auch als Stauraum zur Anordnung von Versorgungskomponenten. Dass sich die Versorgungskomponenten im Innenraum der Tragwanne wiederum innerhalb der in der Tragwanne angeordneten Längsträger befinden, wird von dem breiten Anspruchswortlaut nicht ausgeschlossen. Ebenso ist nicht ausgeschlossen, dass nur ein Teil des Innenraums tatsächlich als Stauraum genutzt wird.
2.6 Das Argument der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin), dass lediglich die in Merkmal f genannten Bereiche ("Mittenbereich", "Randbereiche") den beanspruchten Stauraum bilden könnten, da die Längsholme die Schottwand bildeten, ist ebenfalls nicht überzeugend. Dem Anspruchswortlaut fehlt ein eindeutiger Bezug zwischen den durch die Längsholme abgegrenzten Bereichen und dem in Merkmal c definierten Stauraum. Merkmal c kann somit losgelöst von den Merkmalen e und f gesehen werden.
3. Hilfsantrag 2 - Antrag auf Zurückverweisung
3.1 Die Kammer lehnt den Antrag der Beschwerdeführerin (Einsprechende) auf Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung gemäß Artikel 11 VOBK 2020 ab, da keine besonderen Gründe dafür sprechen.
3.2 Die Hilfsanträge 1 und 2a wurden von der Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen.
3.3 Die Ansprüche 1 und 15 des Hilfsantrags 2 wurden um Merkmale aus der Beschreibung ergänzt, insbesondere um das Merkmal "Revisionsöffnungen und Klappen", durch die die Stauräume zugänglich sind. Dem Vortrag der Beschwerdeführerin (Einsprechende), dass diese Änderungen eine zusätzliche Recherche erforderten, wodurch eine Zurückverweisung an die erste Instanz gerechtfertigt sei, ist im Ergebnis nicht zu folgen.
3.4 Zum einen überzeugt das Vorbringen der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin), dass das Wesen der Erfindung darin liegt, dass das Chassis als tragende Struktur eine Tragwanne mit Unterboden, Seitenwandung und Boden ausbildet, und der Innenraum der Tragwanne einen Stauraum bietet (zugänglich oder nicht sei dahingestellt). Eine Recherche hierzu war bereits durch das Patent und nicht erst durch Hilfsantrag 2 veranlasst.
3.5 Zum anderen soll eine zusätzliche Recherche nach Angaben der Beschwerdeführerin (Einsprechende) dazu dienen, eindeutig nachzuweisen, dass das Anordnen von Revisionsöffnungen und Klappen bei Reisewohnmobilen eine fachübliche Maßnahme sei. Die Kammer sieht dieses Fachwissen aber bereits ausreichend durch die vorliegenden Entgegenhaltungen A2 bis A4 belegt, so dass sich eine weitere Recherche zum Nachweis des Fachwissens erübrigt.
4. Hilfsantrag 2 - Erfinderische Tätigkeit
4.1 A8 als nächstliegender Stand der Technik
4.1.1 A8 wird als nächstlegender Stand der Technik angesehen und offenbart die Merkmale a bis f (siehe Punkt 2 dieser Entscheidung).
4.1.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 (und auch der des Anspruchs 15) unterscheidet sich von dem aus der A8 bekannten Fahrgestell bzw. Chassis dadurch, dass beidseitig eines Mittenstauraums weitere Stauräume angeordnet sind, und der Mittenstauraum über Revisionsöffnungen (42) von oben und die weiteren Stauräume über Klappen von außen durch die Seitenwandung hindurch oder von oben über Revisionsöffnungen (42) im Boden zugänglich sind, und wobei die Stauräume eine Innenhöhe von zumindest 350mm aufweisen.
4.1.3 Wie von der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) vorgetragen, wird durch die Unterscheidungsmerkmale verdeutlicht, wo sich im Chassis die Stauräume befinden. Weiterhin ist für die Beurteilung der erfinderinderischen Tätigkeit das Merkmal Stauraum vor dem Hintergrund des Verwendungszwecks des Chassis für Reisewohnmobile zu sehen.
4.1.4 Die zu lösende Aufgabe kann in der Schaffung von mehr Stauraum, insbesondere bei Reisewohnmobilen, gesehen werden (vgl. Absatz [0013] der Streitschrift).
4.1.5 Die Lösung des Anspruchs 1 wird ausgehend von der A8 weder in Kombination mit Fachwissen, noch in Kombination mit einem der Dokumente A2 bis A4 nahegelegt. Zwar ist das Fahrgestell der A8 prinzipiell für einen Wohnmobilaufbau geeignet, der Fachmann betrachtet die A8 jedoch nicht nur vor dem Hintergrund einer Anwendung als Wohnmobil, sondern allgemein vor dem Hintergrund einer Anwendung bei Nutzfahrzeugen, bei für den Transport von Personen bestimmten Fahrzeugen oder bei Fahrzeuge für den Individualverkehr (A8, Absatz [0002]). Die evtl. vorhandenen Hohlräume in der Tragwanne im Mittenbereich oder den Randbereichen als Stauraum zu erkennen und zu nutzen, ist nicht für jede Verwendung des Chassis üblich oder geeignet und insbesondere nicht durch die konkreter in A8 beschriebene Ausführungsform nahegelegt.
4.1.6 Die A8 offenbart bereits Stauräume 15, 16 (Figur 4 mit den Absätzen [0022] und [0032]) und lehrt, diese Stauräume nicht innerhalb, sondern unterhalb der Tragwanne anzuordnen. Wollte der Fachmann bei dem für viele Verwendungszwecke offenbarten Fahrgestell der A8 weiteren Stauraum schaffen, würde er diesen ebenfalls unterhalb anordnen und ggbfs. mit Revisionsöffnungen oder Klappen versehen.
4.1.7 Bzgl. Wohnmobilen umfasst das Fachwissen, die Bodenwanne des Aufbaus mit Stauräumen zu versehen, die durch Öffnungen und Klappen zugänglich sind. Diese Bodenwanne wird üblicherweise auf ein einfaches, kostengünstiges Chassis aufgesetzt (z.B. A2, Figur 2: Chassis 3 und Wanne 11 mit Seite 9, Absatz 3; A3, Figur 1: Chassis 1 und Wanne 6 mit Klappen 25, 26).
Um zum beanspruchten Gegenstand zu gelangen, müsste der Fachmann entgegen dem Fachwissen die Möglichkeit erkennen, das Fahrgestell der A8 gleichzeitig als Unterbau für ein Reisewohnmobil zu nutzen und im Folgenden die Hohlräume im Mitten- und Randbereich als nutzbare Stauräume erkennen und ausgestalten. Hierfür gibt es jedoch weder in der A8 selbst noch im Fachwissen oder in einem der Dokumente A2 bis A4 einen Hinweis.
4.1.8 Die Lehre der A2 lehrt von der Nutzung des Fahrgestells als Teil des Wohnmobilaufbaus weg, da es gerade Ziel der A2 ist, einen chassisunabhängigen Wohnmobilaufbau zu schaffen (z.B. Seite 15, erster Absatz ("Sollte später der Oberbau, d.h. der Wohnaufbau 2, auf ein anderes Chassis 3 montiert werden, so kann der Unterbau, bestehend aus Bodenwanne 11 und Abdeckplatte 15 verworfen werden, falls deren Form und Abmessungen nicht auf das neue Chassis 3 passen."). Den Stahlrahmen 12 der A2 in die Bodenwanne zu integrieren, und damit die Kombination von A8 mit A2, liegt somit nicht nahe (vgl. auch Punkt 4.2 dieser Entscheidung).
4.1.9 Die A3 (Figur 1) löst die Aufgabe, mehr Stauraum zu schaffen (Spalte 1, Zeilen 20 bis 24) durch die Nutzung eines einfachen Fahrgestells 1 mit einem speziellen Funktionsboden 6, 7 als Teil der Wohnmobil-Bodengruppe. Diese Lösung schafft nicht nur Stauraum, sondern ist auch günstig hinsichtlich Montagezeit und Materialaufwand (Spalte 1, Zeilen 32 bis 43). Für den Fachmann wäre es daher naheliegend, für ein Wohnmobil die Lösung der A3 vollständig zu übernehmen, da die dort präsentierten Stauräume bereits für wohnmobilspezifische Verwendungszwecke vorgesehen sind. Das Argument der Beschwerdeführerin (Einsprechende), dass der Fachmann lediglich die Revisionsöffnungen oder Klappen aus der A3 übernehmen würde, beruht auf einer rückschauenden Betrachtungsweise.
4.1.10 Ähnliches gilt für A4, die sich ebenfalls mit der Schaffung von Stauraum für den Zweck eines Reisewohnmobils beschäftigt (Spalte 1, Zeile 44 bis 49). Die Lösung sieht hier eine zumindest im unteren Bereich selbsttragende Kabine 2 vor. Die tragenden Strukturen sind in A4, Figuren 1 bis 5 schraffiert dargestellt und bieten Stauräume 11 und 16 (vgl. Spalte 2, Zeilen 50 bis 54, Spalte 3, Zeilen 48 bis 50), die für den Verwendungszweck als Reisewohnmobil vorgesehen sind. Auch die A4 offenbart eine Gesamtlösung, die auch die Kabine 2 bereits integriert. Für den Fachmann läge es daher wie bei der A3 nahe, die fertige Lösung der A4 zu übernehmen.
4.2 A2 als nächstliegender Stand der Technik
4.2.1 Auch ausgehend von der A2 wird der beanspruchte Gegenstand nicht nahegelegt. Ein Chassis kann zwar prinzipiell wie von der Beschwerdeführerin (Einsprechende) vorgetragen aus mehreren Bauteilen bestehen, die Auslegung der Einspruchsabteilung (Entscheidung, S. 11, dritter, vierter Absatz) ist jedoch überzeugend, dass im konkreten Kontext für die Lehre der A2 wesentlich ist, die Bodenwanne durchgängig als ein vom Chassis 3 zu unterscheidendes Teil anzusehen, siehe z.B. Seite 7, letzter Absatz ("Bei dem neuerungsgemäß ausgebildeten Wohnmobil bleibt die Bodenplatte ein Bestandteil des Wohnaufbaus, d. h., sie ist durch Lösen der Verschraubung mit der Abdeckplatte vom Chassis trennbar, so dass der Wohnaufbau als Ganzes abgenommen und wieder aufgesetzt oder auf ein anderes Chassis montiert werden kann.").
4.2.2 Wie von der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) vorgetragen, entnimmt der Fachmann der Lehre der A2 folglich kein Chassis, dessen tragende Struktur als Tragwanne ausgebildet ist, sondern einerseits ein herkömmliches Stahl-Leiterrahmen-Chassis 3 mit Traversen 12 und andererseits einen Unterbau mit Bodenwanne 11 und Abdeckplatte 15.
4.2.3 Damit unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 (und auch der des Anspruchs 15) von dem aus der A8 bekannten Fahrgestell bzw. Chassis zumindest durch Merkmal b und die Stauraumhöhe von mindestens 350mm.
Der Vortrag der Beschwerdeführerin (Einsprechenden), dass sich der beanspruchte Gegenstand ausgehend von der A2 lediglich durch Kombination mit Fachwissen ergebe, da Merkmal b in A2 offenbart sei, ist somit hinfällig.
4.2.4 Das Merkmal b widerspricht jedoch der Lehre der A2, den Wohnmobilaufbau unbedingt vom Chassis getrennt auszuführen (vgl. auch Punkt 4.1.3 dieser Entscheidung). Eine Kombination von A2 mit der A8, wonach der Fachmann zur Lösung der Aufgabe einer einfacheren Gesamtkonstruktion den Chassisrahmen in die Bodenwanne integrieren würde, ist daher genauso wenig überzeugend, wie bereits der Angriff A8 mit A2.
4.2.5 Da in der Sache keiner der vorgebrachten Angriffe zur erfinderischen Tätigkeit durchgreift, kann die Frage einer möglichen Nichtzulassung der erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Kombinationen unbeantwortet bleiben.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent auf der Basis der Ansprüche 1 bis 15 des Hilfsantrags 2, eingereicht mit Schreiben vom 29. Januar 2020, sowie der Seiten 1 bis 10 der Beschreibung und der Figuren 1 bis 14 wie erteilt aufrechtzuerhalten.