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T 0916/21 (Initialisierung eines Bordgeräts / TollCollect) 11-08-2023
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Initialisierung eines Bordgeräts
Patentansprüche - Klarheit
Patentansprüche - Hauptantrag (nein)
Patentansprüche - Klarheit
Patentansprüche - Hilfsantrag (ja)
Neuheit - Hauptantrag (nein)
Neuheit - Hilfsantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - nach Änderung
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (ja)
Änderung nach Ladung - außergewöhnliche Umstände (ja)
Änderung nach Ladung - berücksichtigt (ja)
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die Anmeldung zurückzuweisen.
II. Die Prüfungsabteilung war der Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag nicht neu und der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß den Hilfsanträgen 1 und 3 nicht erfinderisch sei. Die Hilfsanträge 2, 4 und 5 wurden für nicht zulässig erachtet.
III. In ihrer Entscheidung berücksichtigte die Prüfungsabteilung unter anderem folgendes Dokument:
D2 EP 1 870 302 A1
IV. In der Beschwerdebegründung beantragte die Beschwerdeführerin, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage des Hauptantrags zu erteilen, hilfsweise auf Grundlage eines der Hilfsanträge 1 bis 5, mithin auf Grundlage der Anträge die auch der angefochtenen Entscheidung zugrunde lagen. Ferner wurde eine mündliche Verhandlung beantragt.
V. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK teilte die Kammer ihre vorläufige Auffassung mit.
Die Kammer war der Ansicht, dass Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag nicht klar sei (Artikel 84 EPÜ) und teilte die Auffassung der Prüfungsabteilung, dass dieser nicht neu sei (Artikel 54 EPÜ).
Hinsichtlich Anspruch 1 des gemäß Hilfsantrag 1 war die Kammer der Ansicht, dass dieser weder klar noch erfinderisch sei. Außerdem war die Kammer der Auffassung, dass die Prüfungsabteilung in zulässiger Weise über die Nichtzulassung der Hilfsanträge 2, 4 und 5 entschieden hatte. Schließlich mangele es dem Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3 an erfinderischer Tätigkeit.
VI. Mit ihrem Schreiben vom 27. Juni 2023 reichte die Beschwerdeführerin Änderungen zu allen Anträgen ein und ersetzte die bisherigen Anträge durch die geänderten Fassungen.
VII. Mit einer Kurzmitteilung vom 28. Juni 2023 teilte die Kammer der Beschwerdeführerin ihre Auffassung mit, dass sie an den wesentlichen Einwänden bezüglich Hauptantrag und Hilfsanträgen 1 und 2 auch unter Beachtung der Änderungen festhalte. Jedoch beabsichtige die Kammer, die Erteilung eines Patents auf der Grundlage des geänderten Hilfsantrags 3 anzuordnen.
VIII. Mit Schreiben vom 10. Juli 2023 nahm die Beschwerdeführerin ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurück und bat die Kammer darum, wie in der Kurzmitteilung dargelegt zu entscheiden.
IX. Daraufhin teilte die Kammer der Beschwerdeführerin noch am gleichen Tage mit, dass der anberaumte Termin zur mündlichen Verhandlung aufgehoben worden sei.
X. Mit Kurzmitteilung vom 31. Juli 2023 bat die Kammer die Beschwerdeführerin, offensichtliche Fehler in den Rückbezügen der abhängigen Ansprüche zu berichtigen.
XI. Mit Schreiben vom 8. August 2023 reichte die Beschwerdeführerin eine entsprechend berichtigte Fassung des Hilfsantrags 3 ein.
XII. Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag lautet wie folgt:
"Bordgerät (1), das zum Mitführen in einem Fahrzeug ausgebildet ist und einen nicht-initialisierten Zustand, in welchem die Ausführung wenigstens eines einer Bordgerätefunktion dienlichen vorbestimmten Prozesses durch das Bordgerät (1) nicht möglich ist, sowie einen initialisierten Zustand, bei welchem die Ausführung des vorbestimmten Prozesses durch das Bordgerät (1) möglich ist, aufweisen kann, das Bordgerät (1) umfassend:
- eine Kommunikationseinheit (11), die ausgebildet ist zum drahtlosen Empfangen und Senden von Daten über ein Mobilfunkkommunikationssystem (6);
- eine an die Kommunikationseinheit (11) gekoppelte Steuereinheit (13) zum Steuern des Betriebs des Bordgeräts (1);
dadurch gekennzeichnet, dass die Steuereinheit (13) im nicht-initialisierten Zustand des Bordgerätes (1) ausgebildet ist zum
- Veranlassen einer Ausgabe eines dem Bordgerät (1) zugeordneten und durch das Bordgerät (1) bereitgestellten Initialisierungscodes (12-1) an einen Benutzer (3) des Bordgeräts (1) und/oder an ein dem Benutzer (3) des Bordgeräts zur Verfügung stehendes, vom Bordgerät (1) beabstandetes Endgerät (31);
- Überführen des Bordgeräts (1) in den initialisierten Zustand durch Initialisieren des Bordgeräts (1) in Abhängigkeit von Initialisierungsdaten, die in einer von der Kommunikationseinheit (11) empfangenen Initialisierungsnachricht (11-1) einer vom Bordgerät (1) beabstandeten zentralen Datenverarbeitungsanlage (2) enthalten sind."
Der unabhängige Anspruch 13 bezieht sich auf ein korrespondierendes Verfahren.
XIII. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 lautet wie folgt:
"System umfassend
- ein Bordgerät (1), das zum Mitführen in einem Fahrzeug ausgebildet ist und einen nicht-initialisierten Zustand, in welchem die Ausführung wenigstens eines einer Bordgerätefunktion dienlichen vorbestimmten Prozesses durch das Bordgerät (1) nicht möglich ist, sowie einen initialisierten Zustand, bei welchem die Ausführung des vorbestimmten Prozesses durch das Bordgerät (1) möglich ist, aufweisen kann,
- eine vom Bordgerät (1) beabstandete zentrale Datenverarbeitungsanlage (2), und
- ein einem Benutzer (3) des Bordgeräts zur Verfügung stehendes und vom Bordgerät (1) beabstandetes Endgerät (31);
wobei das Bordgerät (1) umfasst:
- eine Kommunikationseinheit (11), die ausgebildet ist zum drahtlosen Empfangen und Senden von Daten über ein Mobilfunkkommunikationssystem (6);
- eine an die Kommunikationseinheit (11) gekoppelte Steuereinheit (13) zum Steuern des Betriebs des Bordgeräts (1);
dadurch gekennzeichnet, dass
- die Steuereinheit (13) im nicht-initialisierten Zustand des Bordgerätes (1) ausgebildet ist zum Veranlassen einer Ausgabe eines dem Bordgerät (1) zugeordneten und durch das Bordgerät (1) bereitgestellten Initialisierungscodes (12-1) an den Benutzer (3) und/oder an das Endgerät (31);
- die zentrale Datenverarbeitungsanlage (2) ausgebildet ist zum
o Empfangen des Initialisierungscodes (12-1) von dem Endgerät (31),
o Bereitstellen von Initialisierungsdaten in Abhängigkeit von dem empfangenen Initialisierungscode (12-1), und
o Versenden einer die Initialisierungsdaten beinhaltenden Initialisierungsnachricht (11-1) über das Mobilfunkkommunikationssystem (6) an das Bordgerät (1); und
- die Steuereinheit (13) im nicht-initialisierten Zustand des Bordgerätes (1) ausgebildet ist zum Überführen des Bordgeräts (1) in den initialisierten Zustand durch Initialisieren des Bordgeräts (1) in Abhängigkeit von den Initialisierungsdaten, die in der von der Kommunikationseinheit (11) empfangenen Initialisierungsnachricht (11-1) der zentralen Datenverarbeitungsanlage (2) enthalten sind."
XIV. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 dahingehend, dass ferner spezifiziert wird, dass die Steuereinheit ausgebildet ist zum Veranlassen einer Ausgabe eines Initialisierungscodes
"an den Benutzer (3) mittels einer an die Steuereinheit (13) gekoppelten Anzeigeeinheit (12), wobei die Steuereinheit (13) ausgebildet ist, die Anzeigeeinheit (12) zu veranlassen, den Initialisierungscode (12-1)anzuzeigen, und/oder
o an das Endgerät (31) über eine kurzreichweitige Funkverbindung;"
XV. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 dahingehend, dass der kennzeichnende Teil lautet:
"dadurch gekennzeichnet, dass
- die Steuereinheit (13) im nicht-initialisierten Zustand des Bordgerätes (1) ausgebildet ist zum Veranlassen einer Ausgabe eines dem Bordgerät (1) zugeordneten und durch das Bordgerät (1) bereitgestellten Initialisierungscodes (12-1)
o an den Benutzer (3) mittels einer an die Steuereinheit (13) gekoppelten Anzeigeeinheit (12), wobei die Steuereinheit (13) ausgebildet ist, die Anzeigeeinheit (12) zu veranlassen, den Initialisierungscode (12-1)anzuzeigen;
- die zentrale Datenverarbeitungsanlage (2) ausgebildet ist zum
o Empfangen des Initialisierungscodes (12-1) von dem Endgerät (31),
o Bereitstellen von Initialisierungsdaten in Abhängigkeit von dem empfangenen Initialisierungscode (12-1), und
o Versenden einer die Initialisierungsdaten beinhaltenden Initialisierungsnachricht (11-1) über das Mobilfunkkommunikationssystem (6)an das Bordgerät (1); und
- die Steuereinheit (13) im nicht-initialisierten Zustand des Bordgerätes (1) ausgebildet ist zum Überführen des Bordgeräts (1) in den initialisierten Zustand durch Initialisieren des Bordgeräts (1) in Abhängigkeit von den Initialisierungsdaten, die in der von der Kommunikationseinheit (11) empfangenen Initialisierungsnachricht (11-1) der zentralen Datenverarbeitungsanlage (2) enthalten sind; und
- die Steuereinheit (13) ausgebildet ist, im initialisierten Zustand des Bordgeräts (1) die Unterlassung der Ausgabe des Initialisierungscodes (12-1) sicherzustellen."
XVI. Der Wortlaut der Ansprüche der Hilfsanträge 4 und 5 ist für diese Entscheidung nicht von Belang.
1. Die vorliegende Anmeldung betrifft die Initialisierung eines Bordgeräts, das für die Zwecke einer dezentralen oder zentralen Mauterkennung geeignet ist.
2. Hauptantrag
2.1 Zulassung (Artikel 13(2) VOBK)
Der Anspruchssatz des Hauptantrags enthält Änderungen in den abhängigen Ansprüchen. Diese Änderungen stellen eine Reaktion auf die erstmals von der Kammer beanstandeten Klarheitsmängel in diesen abhängigen Ansprüchen. Daher liegen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Zulassung des geänderten Antrags rechtfertigen (Artikel 13(2) VOBK).
2.2 Klarheit (Artikel 84 EPÜ)
2.2.1 In der angefochtenen Entscheidung stellte die Prüfungsabteilung fest, dass das Merkmal "Ausgabe ... an ein vom Bordgerät beabstandetes Endgerät" dahingehend zu interpretieren sei, dass das beanspruchte Bordgerät lediglich zum Veranlassen einer Ausgabe an ein Endgerät "geeignet" sein müsse.
2.2.2 Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass das Bordgerät nur dann anspruchsgemäß sei, wenn es zumindest ausgebildet sei, einen durch das Bordgerät bereitgestellten Initialisierungscode an das Endgerät bereitzustellen. Auch differenziere der in Anspruch 1 gewählte Wortlaut zwischen einem Endgerät und einer Datenverarbeitungsanlage. Diese Konfiguration sei daher als beschränkend für das Bordgerät auszulegen.
2.2.3 Die Kammer stellt zunächst fest, dass Anspruch 1 auf ein Bordgerät gerichtet ist und folglich auch die Vorrichtungsmerkmale des Bordgeräts festzulegen hat. Die Definition von Vorrichtungsmerkmalen kann auch durch Verfahrensschritte erfolgen, zu deren Ausführung das beanspruchte Bordgerät ausgebildet ist. Im vorliegenden Fall umfasst das Merkmal "Ausgabe ... an ein dem Benutzer des Bordgeräts zur Verfügung stehendes, vom Bordgerät beabstandetes Endgerät" jedoch auch Merkmale des beabstandeten Endgeräts, welches nicht Teil des beanspruchten Bordgeräts ist (Endgerät steht dem Benutzer zur Verfügung; Empfang erfolgt durch das Endgerät). Aus der Formulierung des Anspruchs 1 geht somit nicht hervor, in welcher Art und Weise die Eigenschaften des beabstandeten Endgeräts das beanspruchte Bordgerät beschränken sollen. Selbiges gilt prinzipiell auch analog für den Empfang von der "zentralen Datenverarbeitungsanlage". Somit ist Anspruch 1 nicht klar.
2.2.4 Hinsichtlich der abhängigen Ansprüche merkt die Kammer an, dass die eingereichten Änderungen die von der Kammer festgestellten Klarheitsmängel beheben.
2.2.5 Folglich erfüllt der Hauptantrag aus den in Abschnitt 2.2.3 genannten Gründen nicht die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ.
2.3 Neuheit (Artikel 54(1) EPÜ)
2.3.1 In der angefochtenen Entscheidung stellte die Prüfungsabteilung fest, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 - wie von der Prüfungsabteilung interpretiert - nicht neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments D2 sei.
2.3.2 Der Analyse der Prüfungsabteilung im Wesentlichen folgend stellt die Kammer fest, dass Dokument D2 die folgenden Merkmale des Anspruchs 1 offenbart (die Verweise in Klammern beziehen sich auf dieses Dokument; nicht offenbarte Merkmale sind durchgestrichen; in diesem Dokument offenbarte alternative Merkmale sind unterstrichen):
Bordgerät ("On Board-Unit", vgl. [0003]),
das zum Mitführen in einem Fahrzeug ausgebildet ist (vgl. [0003]) und
einen nicht-initialisierten Zustand, in welchem die Ausführung wenigstens eines einer Bordgerätefunktion dienlichen vorbestimmten Prozesses durch das Bordgerät nicht möglich ist, sowie einen initialisierten Zustand, bei welchem die Ausführung des vorbestimmten Prozesses durch das Bordgerät möglich ist, aufweisen kann,
("...dass die jeweilige On-Board-Unit mit relevanten Daten initialisiert werden muss, bevor sie in Betrieb genommen werden kann", vgl. [0003])
das Bordgerät umfassend:
- eine Kommunikationseinheit, die ausgebildet ist zum drahtlosen Empfangen und Senden von Daten über ein Mobilfunkkommunikationssystem ("GSM", vgl. [0002]);
- eine an die Kommunikationseinheit gekoppelte Steuereinheit zum Steuern des Betriebs des Bordgeräts (impliziert);
wobei die Steuereinheit im nicht-initialisierten Zustand des Bordgerätes ausgebildet ist zum
- Veranlassen einer Ausgabe eines dem Bordgerät zugeordneten und durch das Bordgerät bereitgestellten Initialisierungscodes [deleted: an einen Benutzer des Bordgeräts und/oder] an ein [deleted: dem Benutzer des Bordgeräts zur Verfügung stehendes,] **([Artikel 84 EPÜ]) vom Bordgerät beabstandetes [deleted: Endgerät] Gerät **([Artikel 84 EPÜ]);
("Anderenfalls können die erfassten, relevanten Daten bereitgestellt werden, indem sie aktiv von der On-Board-Unit abgerufen werden. Dazu wird in der Regel ein spezifischer Befehl von der On-Board-Unit an eine separate Instanz (in der Regel das Back-Office) abgesetzt. Dieses Verfahren wird üblicherweise bei der Online-Personalisierung eingesetzt.", vgl. [0032])
- Überführen des Bordgeräts in den initialisierten Zustand durch Initialisieren des Bordgeräts in Abhängigkeit von Initialisierungsdaten, die in einer von der Kommunikationseinheit empfangenen Initialisierungsnachricht einer vom Bordgerät beabstandeten zentralen Datenverarbeitungsanlage enthalten sind.
("Während der Kommunikation zwischen der On-Board-Unit und dem Back-Office werden die Daten dann in einem Online-Verfahren im Back-Office direkt zusammengestellt und an die On-Board-Unit übertragen. Daraufhin kann die On-Board-Unit die bereitgestellte Personalisierungsdatei unmittelbar in den eigenen Speicher laden.", vgl. [0027])
2.3.3 Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass Dokument D2 nicht die Merkmale des Kennzeichens des Anspruchs 1 offenbare. Insbesondere erfordere das anspruchsgemäße Bereitstellen des Initialisierungscodes an das Endgerät und das Empfangen Initialisierungsnachricht von einer zentralen Datenverarbeitungsanlage zwei Datenverbindungen. Demgegenüber offenbare Dokument D2 jedoch nur eine Datenverbindung.
Die Kammer ist von dem Argument der Beschwerdeführerin nicht überzeugt. Die beanspruchte Übertragung von Daten an das Endgerät könnte ebenfalls über die Mobilfunkverbindung erfolgen, beispielsweise per E-Mail. Mithin impliziert der Anspruch nicht die Verwendung von zwei Datenverbindungen.
2.3.4 Die Kammer kommt somit zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments D2 ist (Artikel 54 EPÜ).
2.4 Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist der Hauptantrag nicht gewährbar.
3. Hilfsantrag 1
3.1 Änderungen
Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags insbesondere dadurch, dass ersterer ein System zum Gegenstand hat, welches neben dem Bordgerät auch die zentrale Datenverarbeitungsanlage und das Endgerät umfasst.
3.2 Zulassung (Artikel 13(2) VOBK)
Es gelten die gleichen Erwägungen wie für den Hauptantrag. Daher lässt die Kammer diesen geänderten Hilfsantrag in das Verfahren zu.
3.3 Klarheit (Artikel 84 EPÜ)
Die Kammer stellt fest, dass Hilfsantrag 1 aufgrund der vorgenommenen Änderungen die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ erfüllt.
3.4 Neuheit (Artikel 54 EPÜ)
3.4.1 In der angefochtenen Entscheidung kam die Prüfungsabteilung zu dem Schluss, dass Dokument D2 alle Merkmale des Anspruchs 13 (nunmehr Anspruch 12) offenbare, außer das Versenden über das Mobilfunknetz. Dabei wurde Dokument D2 dahingehend interpretiert, dass die OBU-Anfrage zur Initialisierung eine Identifikation der OBU beinhalte, die die beanspruchte Ausgabe des Initialisierungscodes vorwegnehme. Die Prüfungsabteilung merkte an, dass diese Erwägungen mutatis mutandis auch auf Anspruch 1 zuträfen.
3.4.2 Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass die Prüfungsabteilung in Kenntnis des beanspruchten Verfahrens den Offenbarungsgehalt der D2 in ihren Ausführungen in Abschnitt 3.1 der Entscheidung falsch bewertet hätte. Tatsächlich offenbare Dokument D2 jedoch nicht das Kennzeichen des Anspruchs 1. An keiner Stelle stelle Dokument D2 einen Zusammenhang her zwischen einem Initialisierungscode, der mittels des Bordgeräts dem Endgerät bereitgestellt worden sei, und Initialisierungsdaten, die in Abhängigkeit von dem Initialisierungscode dem Bordgerät mittels der Datenverarbeitungsanlage über das Mobilfunksystem bereitgestellt worden seien.
3.4.3 Die Kammer stellt zunächst fest, dass der von der Prüfungsabteilung betrachtete Anspruch 13 (nunmehr Anspruch 12) weiter eingeschränkt ist als Anspruch 1, auf welchem die Argumentation der Beschwerdeführerin basiert. Ersterer ist auf die Ausgabe des Initialisierungscodes an den Benutzer beschränkt, während letzterer zusätzlich (als Alternative) dessen Ausgabe an ein Endgerät umfasst.
In der angefochtenen Entscheidung wurden für das Merkmal der "Ausgabe ... an einen Benutzer" die Absätze [0065]-[0068] des Dokuments D2 zitiert, die das "aktive Anfordern einer Initialisierung durch die OBU über den als Router fungierenden zwischengeschalteten PC" offenbaren. Da jedoch der Begriff "Router" eine datentechnische Übertragung der Initialisierung impliziert, schließt dies die in Anspruch 12 geforderte Ausgabe des Initialisierungscodes an den Benutzer aus.
Allerdings stellt die Kammer fest, dass Dokument D2 in Abb. 1 und [0021] die Erfassung der "relevanten Daten" (einschl. z.B. der Seriennummer, vgl. [0051]) durch den Nutzer mit anschließender Personalisierung der OBU (z.B. über GSM, vgl. [0067]) zeigt.
3.4.4 Von der Analyse der angefochtenen Entscheidung wie dargelegt abweichend kommt die Kammer zu dem Schluss, dass Dokument D2 die folgenden Merkmale des Anspruchs 12 offenbart (die Verweise in Klammern beziehen sich auf dieses Dokument; nicht offenbarte Merkmale sind durchgestrichen):
Verfahren zum Initialisieren eines Bordgeräts
("On Board-Unit", vgl. [0003])
in einem System mit wenigstens einer zentralen Datenverarbeitungsanlage
("Back Office", "BO", vgl. [0002] und Abb. 2)
und wenigstens einem einem Benutzer des Bordgerätes zur Verfügung stehenden, vom Bordgerät beabstandeten Endgerät,
("PC", vgl. Abb. 2)
wobei das Bordgerät zum Mitführen in einem Fahrzeug ausgebildet ist
("Betrieb in einem Fahrzeug", vgl. [0003])
und einen nicht-initialisierten Zustand, in welchem die Ausführung wenigstens eines einer Bordgerätefunktion dienlichen vorbestimmten Prozesses durch das Bordgerät nicht möglich ist, sowie einen initialisierten Zustand, bei welchem die Ausführung des vorbestimmten Prozesses durch das Bordgerät möglich ist, aufweisen kann,
("...dass die jeweilige On-Board-Unit mit relevanten Daten initialisiert werden muss, bevor sie in Betrieb genommen werden kann", vgl. [0003])
und wobei das Bordgerät umfasst:
- eine Kommunikationseinheit, die ausgebildet ist zum drahtlosen Empfangen und Senden von Daten über ein Mobilfunkkommunikationssystem;
("GSM", vgl. [0002], [0067])
- eine an die Kommunikationseinheit gekoppelte Steuereinheit zum Steuern des Betriebs des Bordgeräts;
(implizit)
wobei das Verfahren die folgenden Schritte aufweist:
- [deleted: mittels der Steuereinheit: Veranlassen einer Ausgabe eines dem Bordgerät zugeordneten Initialisierungscodes an einen Benutzer des Bordgeräts im nicht-initialisierten Zustand des Bordgeräts;]
- Eingabe des Initialisierungscodes
("Seriennummer", vgl. [0051])
in das Endgerät;
("ebenfalls ist es möglich, dass der Nutzer oder ein Servicepersonal die Daten an einer beliebigen rechnergestützten Instanz eingeben", vgl. [0018])
- in der zentralen Datenverarbeitungsanlage: Empfangen des Initialisierungscodes von dem Endgerät,
(impliziert, da sonst keine Zuordnung der relevanten Daten zur OBU möglich wäre)
Bereitstellen von Initialisierungsdaten in Abhängigkeit von dem empfangenen Initialisierungscode und Versenden einer die Initialisierungsdaten beinhaltenden Initialisierungsnachricht
("Personalisierungsvorgang", "relevanten Daten ND online zusammengestellt und an die On-Board-Unit OBU übertragen" vgl. [0063])
über das Mobilfunkkommunikationssystem an das Bordgerät;
("datentechnische Verbindung zwischen der On-Board-Unit OBU und - mittelbar oder unmittelbar - mit dem Back-Office BO", vgl. [0063]; "GSM", vgl. [0067])
- mittels der Steuereinheit:
(impliziert)
Überführen des Bordgeräts in den initialisierten Zustand durch Initialisieren des Bordgeräts in Abhängigkeit von den Initialisierungsdaten, die in der von der Kommunikationseinheit empfangenen Initialisierungsnachricht der zentralen Datenverarbeitungsanlage enthalten sind.
("Üblicherweise werden die relevanten Daten ND direkt in einen Speicher der On-Board-Unit OBU gespeichert", vgl. [0063]; "Mit der Speicherung dieser [relevanten] Daten ist eine On-Board-Unit personalisiert.", vgl. [0003])
3.4.5 Der Gegenstand des Anspruchs 12 unterscheidet sich von der Offenbarung des Dokuments D2 hinsichtlich des Merkmals:
"Veranlassen einer Ausgabe eines dem Bordgerät zugeordneten Initialisierungscodes an einen Benutzer des Bordgeräts im nicht-initialisierten Zustand des Bordgeräts"
Die Kammer stellt somit fest, dass der Gegenstand des Anspruchs 12 neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments D2 ist.
3.5 Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
In der angefochtenen Entscheidung wurde für den dort ermittelten Unterschied die objektive technische Aufgabe formuliert, wie die Sicherheit der Übertragung der Personalisierungsdaten verbessert werden könne. Ein Fachmann müsse nicht erfinderisch tätig werden, um diese Aufgabe durch die Nutzung der bestehenden Direktverbindung zu lösen, da es zum Standardwissen eines Fachmanns gehöre, dass jede zusätzliche Übertragung zwischen Kommunikationspartnern ein Sicherheitsrisiko berge.
Betreffend das von der Kammer ermittelte Unterschiedsmerkmal stellte die Prüfungsabteilung (im Zusammenhang mit Hilfsantrag 3) fest, dass die Anzeige des Initialisierungscodes nur die Aufgabe einer Bereitstellung von Informationen an einen Benutzer löse (vgl. Abschnitt 5.3). Es sei allgemein bekannt, dem Benutzer über eine Anzeigevorrichtung Informationen bereitzustellen. Dabei sei es auch naheliegend, die OBU-Seriennummer anzuzeigen.
Die Beschwerdeführerin argumentierte hierzu (ebenfalls im Zusammenhang mit Hilfsantrag 3), dass durch die Anzeige die Eingabe des Codes in das Endgerät erleichtert werde, da das Endgerät die optische Anzeige des Codes entweder automatisch erfassen könne oder aber der Benutzer den angezeigten Code lesen und dann manuell in das Endgerät eingeben könne.
Die Kammer ist von dem Argument der Beschwerdeführerin nicht überzeugt, da nach Auffassung der Kammer allgemein bekannt ist, Seriennummern auf ein Gerät aufzudrucken oder auf dem Display anzuzeigen, z.B. in einem Auswahlmenü. Dies stellt für den Fachmann somit eine übliche Maßnahme dar.
Der Fachmann würde daher ohne erfinderisches Zutun zur Lösung gemäß Anspruch 12 gelangen.
Infolge dessen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 12 nicht erfinderisch gegenüber dem betrachteten Stand der Technik (Dokument D2 in Kombination mit allgemeinem Fachwissen) ist.
Die gleichen Erwägungen treffen mutatis mutandis auch auf Anspruch 1 zu.
3.6 Folglich ist Hilfsantrag 1 ebenfalls nicht gewährbar.
4. Hilfsantrag 2
Der vorliegende Antrag basiert auf dem in der Verhandlung vor der Prüfungsabteilung als Hilfsantrag Ia eingereichten Hilfsantrag 2. Dieser wurde von der Prüfungsabteilung für verspätet erachtet und u.a. aufgrund eines prima facie erkennbaren Verstoßes gegen Artikel 123(2) EPÜ nicht in das Verfahren zugelassen.
Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 dahingehend, dass das Merkmal bezüglich der Anzeige des Initialisierungscodes auf einer Anzeigeeinheit hinzugefügt wurde.
Die Kammer merkt an, dass das hinzugefügte Merkmal bereits von der Analyse der erfinderischen Tätigkeit betreffend Hilfsantrag 1 umfasst ist. Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der bezüglich Hilfsantrag 1 formulierte Einwand gemäß Artikel 56 EPÜ auch auf Hilfsantrag 2 zutrifft.
Da Hilfsantrag 2 folglich aus den bereits getroffenen Erwägungen nicht gewährbar ist, kann die Frage der Zulassung des geänderten Antrags dahingestellt bleiben.
5. Hilfsantrag 3
5.1 Änderungen
Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 wurde dahingehend geändert, dass das Merkmal des vormaligen abhängigen Anspruchs 3 angefügt wurde, nämlich dass
"die Steuereinheit (13) ausgebildet ist, im initialisierten Zustand des Bordgeräts (1) die Unterlassung der Ausgabe des Initialisierungscodes (12-1) sicherzustellen".
Der unabhängige Verfahrensanspruch 10 wurde in gleicher Weise geändert.
5.2 Zulassung (Artikel 13(2) VOBK)
Da die Änderungen nach Zustellung der Ladung erfolgten, bleiben sie gemäß Artikel 13(2) VOBK grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.
Im vorliegenden Fall stellen die Änderungen eine Reaktion auf die Kurzmitteilung der Kammer betreffend die Rückbezüge der abhängigen Ansprüchen sowie die in der vorläufigen Meinung der Kammer enthaltene Erläuterung zur Interpretation des Anspruchswortlauts dar.
In der angefochtenen Entscheidung war dieselbe Erläuterung bereits als Teil der Argumentationslinie zu Hilfsantrag 3 enthalten. Diese Argumentationslinie konnte die Kammer jedoch in zentralen Punkten nicht überzeugen (siehe Abschnitt 3.4.3; man beachte dass auch in der Entscheidung die Argumentationslinie zu Hilfsantrag 3 auf der zu Hilfsantrag 1 aufsetzt). Nach Ansicht der Kammer konnte es von der Beschwerdeführerin im vorliegendem Fall, in dem die Änderungen alle Einwände der Beschwerdekammer ausräumen, nicht erwartet werden, auf einen einzelnen Aspekt einer insgesamt nicht überzeugenden Argumentationslinie in der angefochtenen Entscheidung mit auf diesen Aspekt gerichteten Änderungen bereits bei Einlegen der Beschwerde zu reagieren. Mithin sind die im Hilfsantrag 3 enthaltenen Änderungen als eine Reaktion auf die in der vorläufigen Meinung der Kammer erstmals geäußerte Argumentationslinie zu betrachten. Die Änderungen führen im Ergebnis zu einem Antrag, der klar den Erfordernissen des EPÜ genügt, so dass die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann. Die Zulassung des Hilfsantrags 3 dient daher der Verfahrensökonomie.
Die Kammer sieht dies insgesamt als außergewöhnliche Umstände im Sinne von Artikel 13(2) VOBK an, die eine Zulassung dieses Antrags in das Verfahren rechtfertigen (zur Zulassung eines alle Einwände beseitigenden Antrags siehe T1055/17, zitiert in RSBK 10. Aufl. 2022, V.A.4.5.5 f)).
5.3 Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
Die Kammer stellt fest, dass das angefügte Merkmal einen zusätzlichen Unterschied gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik darstellt.
Mittels dieses Unterschiedsmerkmals wird die von der Beschwerdeführerin vorgetragene technische Wirkung erreicht, nämlich die Bereitstellung einer sicheren (also fehlerrobusten) und effizienten (da dezentral zu bewerkstelligen) Initialisierung eines zuvor nicht-initialisierten Bordgeräts. Die objektive technische Aufgabe besteht somit darin, den nächstliegenden Stand der Technik so zu verändern, dass eine sichere und effiziente Initialisierung eines zuvor nicht-initialisierten Bordgeräts erreicht wird. Diese Aufgabe wird durch das angefügte Merkmal gelöst, da durch die Bereitstellung des Initialisierung-Codes an den Benutzer beziehungsweise dessen Endgerät eine weitere Kontrollinstanz in die Initialisierung eingebunden ist. Insoweit kann auch ein Risiko missbräuchlicher Initialisierungsvorgänge reduziert werden, denn ohne Ausgabe des Initialisierung-Codes kann auch keine Initialisierung erfolgen.
Eine Anzeige eines Initialisierungscodes wird in Dokument D2 weder offenbart noch nahegelegt. Wie bereits oben erwähnt ist es nach Auffassung der Kammer allgemein bekannt, Seriennummern auf ein Gerät aufzudrucken oder auf dem Display anzuzeigen, z.B. in einem Auswahlmenü. Es ist nach Auffassung der Kammer aber nicht allgemein bekannt, dass die Anzeige nur unter bestimmten Bedingungen erfolgt. Daher wäre der Fachmann auf Grundlage des zitierten Stands der Technik selbst in Kombination mit seinem allgemeinen Fachwissen nicht in naheliegender Weise zum angefügten Anspruchsmerkmal gelangt. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).
Die gleichen Erwägungen gelten mutatis mutandis auch für das Verfahren gemäß Anspruch 10.
5.4 In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist Hilfsantrag 3 gewährbar.
6. Die Beschwerde ist somit begründet.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben. Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit den Ansprüchen gemäß Hilfsantrag 3, eingereicht am 8. August 2023, den Zeichnungen 1-3 wie ursprünglich eingereicht und einer noch anzupassenden Beschreibung zu erteilen.