T 1957/21 07-03-2024
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Anordnung und Verfahren zur Überprüfung von stabförmigen Artikeln der Tabak verarbeitenden Industrie
Einspruchsgründe - Gegenstand geht über den Inhalt der früheren Anmeldung hinaus (ja)
Änderungen - Erweiterung des Patentanspruchs (ja)
Patentansprüche - Klarheit nach Änderung (nein)
I. Die Einsprechende legte form- und fristgerecht Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein, mit der der Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 2 865 282 zurückgewiesen wurde.
II. Mit Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Beurteilung der Sach- und Rechtslage mit.
III. Am 7. März 2024 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt. Hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll verwiesen.
IV. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) beantragte zuletzt,
die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
V. Die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) beantragte zuletzt,
die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 1 bis 10 wie eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung.
VI. Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag) lautet:
"Anordnung zur Überprüfung von queraxial geförderten stabförmigen Artikeln (14) der Tabak verarbeitenden Industrie, insbesondere zur Überprüfung von flüssigkeitsgefüllten Kapseln (18) in Filtern (16) von Filterzigaretten (14), mit wenigstens einer Muldenfördervorrichtung (10, 20) mit Mulden (12, 22) zur Aufnahme und queraxialen Förderung von stabförmigen Artikeln (14) und wenigstens einer kapazitiven HF-Messvorrichtung (30) mit wenigstens einem Messkondensator (34, 34'), wobei die wenigstens eine kapazitive HF-Messvorrichtung (30) entlang eines Förderweges der stabförmigen Artikel (14) wenigstens einen längserstreckten, einseitig oder beidseitig offenen seitlichen Durchtrittskanal (40) für einen über die jeweiligen Mulden (12, 22) überstehenden Abschnitt (15) der Artikel (14) aufweist, wobei der wenigstens eine Durchtrittskanal (40) den wenigstens einen Messkondensator (34, 34') seitlich durchdringt, so dass überstehende Abschnitte (15) der stabförmigen Artikel (14) auf ihrem Förderweg durch den Durchtrittskanal (40) ein HF-Messfeld im wenigstens einen Messkondensator (34, 34') durchqueren, dadurch gekennzeichnet, dass der wenigstens eine Messkondensator (34, 34') auf einer ersten Seite des Durchtrittskanals (40) eine von einem Grundkörper (36) der HF-Messvorrichtung (30) isolierte leitende Elektrodenfläche (38) aufweist und auf einer gegenüberliegenden Seite des Durchtrittskanals (40) wenigstens eine gegenüber dem Grundkörper (36) isolierte, auf virtueller Masse (60) gehaltene Kondensatorelektrode (42, 42') aufweist, deren Oberfläche kleiner ist als eine Oberfläche der leitenden Elektrodenfläche (38) auf der ersten Seite des Durchtrittskanals (40), wobei die wenigstens eine Kondensatorelektrode (42, 42') zentral entlang einer Trajektorie (19) einer Kapsel (18) angeordnet ist".
VII. Anspruch 1 des Patents in der gemäß Hilfsantrag 1 geänderter Fassung entspricht Anspruch 1 des Hauptantrags wobei der letzte Satz, nämlich:
"wobei die wenigstens eine Kondensatorelektrode (42, 42') zentral entlang einer Trajektorie (19) einer Kapsel (18) angeordnet ist"
gestrichen worden ist.
VIII. Anspruch 1 des Patents in der gemäß Hilfsantrag 2 geänderter Fassung entspricht Anspruch 1 des Hauptantrags wobei der Ausdruck in der dritten Zeile "insbesondere zur Überprüfung" in "nämlich zur Überprüfung" geändert worden ist.
IX. Anspruch 1 des Patents in der gemäß Hilfsantrag 3 geänderter Fassung lautet (Änderungen im Vergleich zum Hauptantrag hervorgehoben durch die Kammer):
"Anordnung zur Überprüfung von queraxial geförderten stabförmigen Artikeln (14) der Tabak verarbeitenden Industrie, insbesondere zur Überprüfung von flüssigkeitsgefüllten Kapseln (18) in Filtern (16) von Filterzigaretten (14), mit wenigstens einer Muldenfördervorrichtung (10, 20) mit Mulden (12, 22) zur Aufnahme und queraxialen Förderung von stabförmigen Artikeln (14) und wenigstens einer kapazitiven HF-Messvorrichtung (30) mit wenigstens einem Messkondensator (34, 34'), wobei die wenigstens eine kapazitive HF-Messvorrichtung (30) entlang eines Förderweges der stabförmigen Artikel (14) wenigstens einen längserstreckten, einseitig oder beidseitig offenen seitlichen Durchtrittskanal (40) für einen über die jeweiligen Mulden (12, 22) überstehenden Abschnitt (15) der Artikel (14) aufweist, wobei der wenigstens eine Durchtrittskanal (40) den wenigstens einen Messkondensator (34, 34') seitlich durchdringt, so dass überstehende Abschnitte (15) der stabförmigen Artikel (14) auf ihrem Förderweg durch den Durchtrittskanal (40) ein HF-Messfeld im wenigstens einen Messkondensator (34, 34') durchqueren, dadurch gekennzeichnet, dass der wenigstens eine Messkondensator (34, 34') auf einer ersten Seite des Durchtrittskanals (40) als Kondensatorfläche eine von einem Grundkörper (36) der HF-Messvorrichtung (30) isolierte leitende durch ein HF-Messsignal beaufschlagte Elektrodenfläche (38) [deleted: aufweist] und auf einer gegenüberliegenden Seite des Durchtrittskanals (40) als Kondensatorfläche eine Fläche aus einer auf Massepotenzial liegenden Grundkörperfläche und wenigstens einer gegenüber dem Grundkörper (36) isolierten, auf virtueller Masse (60) gehaltene Kondensatorelektrode (42, 42') aufweist, deren Oberfläche kleiner ist als eine Oberfläche der leitenden Elektrodenfläche (38) auf der ersten Seite des Durchtrittskanals (40), wobei die wenigstens eine Kondensatorelektrode (42, 42') zentral entlang einer Trajektorie (19) einer Kapsel (18) angeordnet ist".
X. Anspruch 1 des Patents in der gemäß Hilfsantrag 4 geänderten Fassung lautet (Änderungen im Vergleich zum Hauptantrag hervorgehoben durch die Kammer):
"Anordnung zur Überprüfung von queraxial geförderten stabförmigen Artikeln (14) der Tabak verarbeitenden Industrie, insbesondere zur Überprüfung von flüssigkeitsgefüllten Kapseln (18) in Filtern (16) von Filterzigaretten (14), mit wenigstens einer Muldenfördervorrichtung (10, 20) mit Mulden (12, 22) zur Aufnahme und queraxialen Förderung von stabförmigen Artikeln (14) und wenigstens einer kapazitiven HF-Messvorrichtung (30) mit wenigstens einem Messkondensator (34, 34'), wobei die wenigstens eine kapazitive HF-Messvorrichtung (30) entlang eines Förderweges der stabförmigen Artikel (14) wenigstens einen längserstreckten, einseitig oder beidseitig offenen seitlichen Durchtrittskanal (40) für einen über die jeweiligen Mulden (12, 22) überstehenden Abschnitt (15) der Artikel (14) aufweist, wobei der wenigstens eine Durchtrittskanal (40) den wenigstens einen Messkondensator (34, 34') seitlich durchdringt, so dass überstehende Abschnitte (15) der stabförmigen Artikel (14) auf ihrem Förderweg durch den Durchtrittskanal (40) ein HF-Messfeld im wenigstens einen Messkondensator (34, 34') durchqueren, dadurch gekennzeichnet, dass der wenigstens eine Messkondensator (34, 34') auf einer ersten Seite des Durchtrittskanals (40) als Kondensatorfläche eine von einem Grundkörper (36) der HF-Messvorrichtung (30) isolierte leitende durch ein HF-Messsignal beaufschlagte Elektrodenfläche (38) [deleted: aufweist] und auf einer gegenüberliegenden Seite des Durchtrittskanals (40) als Kondensatorfläche eine Fläche aus einer auf Massepotenzial liegenden Grundkörperfläche [deleted: wenigstens eine] und zwei gegenüber dem Grundkörper (36) isolierten, auf virtueller Masse (60) gehaltene Kondensatorelektroden (42, 42') aufweist, deren Oberfläche kleiner ist als eine Oberfläche der leitenden Elektrodenfläche (38) auf der ersten Seite des Durchtrittskanals (40), wobei die [deleted: wenigstens eine] Kondensatorelektroden (42, 42') zentral entlang einer Trajektorie (19) einer Kapsel (18) angeordnet sind [deleted: ist]".
XI. Anspruch 1 des Patents in der gemäß Hilfsantrag 5 geänderten Fassung entspricht dem Anspruchs 1 des Hilfsantrags 4 mit den folgenden zusätzlichen Merkmalen:
"wobei eine elektronische Schaltung umfasst ist, mittels der die Elektrodenfläche (38) auf der ersten Seite des Durchtrittskanals (38) mit einem HF-Messsignal beaufschlagbar oder beaufschlagt ist und die wenigstens eine Kondensatorelektrode (42, 42') auf einer virtuellen Masse (60) haltbar oder gehalten ist, wobei die zwei Kondensatorelektroden (42, 42') zu beiden Seiten einer Trajektorie (19) von Kapseln (18) an einer Kapsel-Sollposition angeordnet sind, wobei die elektronische Schaltung ausgebildet ist, Summenmessungen und/oder Differenzmessungen der Signale der zwei Kondensatorelektroden (42, 42') auszuführen."
XII. Anspruch 1 des Patents in der gemäß Hilfsantrag 6 geänderten Fassung entspricht dem Anspruchs 1 des Hilfsantrags 5 mit den folgenden zusätzlichen Merkmalen:
"wobei die wenigstens eine Kondensatorelektrode (42, 42') mittels eines Nulldetektor-Regelkreises auf einer virtuellen Masse (60) haltbar oder gehalten ist, wobei jedem Messkondensator (34, 34') ein eigener Nulldetektor-Regelkreis zugeordnet ist".
XIII. Anspruch 1 des Patents in der gemäß Hilfsantrag 7 geänderten Fassung lautet:
"Verfahren zur Überprüfung von queraxial geförderten stabförmigen Artikeln (14) der Tabak verarbeitenden Industrie, insbesondere zur Überprüfung von flüssigkeitsgefüllten Kapseln (18) in Filtern (16) von Filterzigaretten (14), wobei stabförmige Artikel (14), insbesondere Filterzigaretten (14), in Mulden (12, 22) wenigstens einer Muldenfördervorrichtung (10, 20) queraxial an wenigstens einer kapazitiven HF-Messvorrichtung (30) mit wenigstens einem Messkondensator (34, 34') vorbei gefördert werden, wobei die stabförmigen Artikel (14) einen über die jeweiligen Mulden (12, 22) überstehenden Abschnitt (15) aufweisen, wobei die überstehenden Abschnitte (15) der Artikel (14) auf ihrem Förderweg wenigstens einen längserstreckten, einseitig offenen seitlichen Durchtrittskanal (40) der wenigstens einen kapazitiven HF-Messvorrichtung (30) durchqueren und auf ihrem Förderweg durch den Durchtrittskanal (40) den wenigstens einen Messkondensator (34, 34') durchqueren, so dass die überstehenden Abschnitte (15) der stabförmigen Artikel (14) auf ihrem Förderweg durch den Durchtrittskanal (40) ein HF-Messfeld in dem wenigstens einen Messkondensator (34, 34') durchqueren, dadurch gekennzeichnet, dass ein Messsignal des wenigstens einen Messkondensators (34, 34') auf das Vorhandensein und/oder eine Befüllung einer Kapsel (18) in einem Filter (16) ausgewertet wird und Messsignale von zwei Messkondensatoren (34, 34') auf eine Positionierung einer Kapsel (18) ausgewertet werden."
XIV. Das entscheidungserhebliche Vorbringen der Parteien wird im Detail in den Entscheidungsgründen diskutiert.
Hauptantrag - erteilte Fassung
1. Unzulässige Erweiterung des Gegenstandes des Anspruchs 1 des Patents in der erteilten Fassung (Artikel 100 c) und 123(2) EPÜ)
1.1 Die Einsprechende wendet sich gegen die Feststellung der Einspruchsabteilung (siehe die angefochtene Entscheidung Punkt 13.3, Seite 10 und 11), dass das Merkmal des Anspruchs 1:
"wobei die wenigstens eine Kondensatorelektrode zentral entlang einer Trajektorie einer Kapsel angeordnet ist"
keine unzulässige Änderung des ursprünglich eingereichten Anspruchs 1 im Sinne des Artikels 123(2) EPÜ darstelle.
1.2 Die Einspruchsabteilung stellte fest, dass der Fachmann den Absätzen [0007] bis [0009] der veröffentlichen Anmeldung entnehmen kann, dass auch nur eine Kondensatorelektrode zur Überprüfung von Kapseln vorgesehen sein könnte (siehe die angefochtene Entscheidung, Seite 11, erster Absatz, letzter Satz).
1.3 Die Kammer schließt sich der Einsprechenden an, dass der entscheidende Punkt nicht ist, ob die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung eine Anordnung zur Überprüfung von stabförmigen Artikeln offenbart, in der auch nur eine Kondensatorelektrode vorgesehen sein könnte, sondern ob es eindeutig und unmittelbar den ursprünglich Anmeldungsunterlagen zu entnehmen ist, dass wenigstens eine Kondensatorelektrode, d.h. auch nur eine einzige, zentral entlang einer Trajektorie einer Kapsel angeordnet ist.
Die Kammer teilt die Auffassung der Einsprechenden, dass dies nicht der Fall ist.
1.4 Die von der Einspruchsabteilung zur Unterstützung des strittigen Merkmals des Anspruchs 1 angegebene Fundstelle (Seite 15, Zeilen 15 bis 17 der ursprünglich eingereichten Anmeldung, entsprechend Absatz [0041] der veröffentlichten Fassung) lautet:
"Zentral entlang der Trajektorie 19 einer Kapsel 18 sind zwei Kondensatorelektroden 42, 42' angeordnet, die auf virtueller Masse gehalten werden."
Aus dieser Passage ist von der Lage einer (einzelnen) Kondensatorelektrode nicht die Rede, vielmehr wird die Bedeutung der Anordnung zweier Elektroden links und rechts der Trajektorie noch eigens betont (vgl. Zeilen 20 bis 24). Eine einzelne Elektrode und deren Lage in Bezug auf die Trajektorie ist auch den anderen von der Einspruchsabteilung angegebenen Passagen der veröffentlichten Anmeldung (siehe die angefochtene Entscheidung, Seite 11, erster Absatz), insbesondere Absätze [0007] bis [0009], [0011], [0013], [0016] und [0023] nicht zu entnehmen.
Ferner hat die "zentrale" Anordnung zweier Kondensatorelektroden eine technische Bedeutung, weil, da sie links und rechts der Trajektorie angeordnet sind, eine Fehlpositionierung einer Kapsel durch eine Asymmetrie in den Messsignalen der Kondensatorelektroden erkennbar wird (siehe Absatz [0041], letzter Satz der veröffentlichten Fassung der Anmeldung). Wie und wieso ein Fachmann nachvollziehen können sollte, dass auch eine einzelne Kondensatorelektrode "zentral entlang der Trajektorie einer Kapsel" angeordnet sein sollte, ist nicht ersichtlich.
1.5 Die von der Patentinhaberin im Beschwerdeverfahren vorgebrachten Argumente sind ebenfalls nicht überzeugend.
1.6 Der Argumentation der Patentinhaberin, dass mehrere Kondensatorenelektroden vorgesehen sein können, so dass aus der Beschreibung, aus Seite 4, Zeile 9 bis Seite 5, Zeile 10 der ursprünglichen Anmeldung und aus den Figuren 4a bis 4c zu entnehmen sei, dass die Geometrie des oben genannten strittigen Merkmals unabhängig von der Anzahl der Kondensatorelektroden auf virtuelle Masse gelte, kann nicht gefolgt werden. In der von der Patentinhaberin angegebenen Passage wird über die Lage einer einzelnen Kondensatorelektrode nichts gesagt.
1.7 Das ähnliche Argument der Patentinhaberin, dass aus der Figur 4a bis 4c der ursprünglichen Anmeldung der Fachmann die Darstellung von zwei "einzelnen" Kondensatorelektrode entnehmen würde und entsprechend die erforderliche Anordnung eines "einzelnen" Kondensatorelektrode zentral im Messfeld und daher entlang der Trajektorie einer Kapsel, überzeugt die Kammer nicht, weil den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen, insbesondere deren Figuren 4a bis 4c und der dazu gehörigen Beschreibung kein Hinweis zu entnehmen ist, dass der Fachmann eine solche Lehre bekommen würde; es fehlt dort schlicht an Erläuterung, wie eine Ausführungsform mit nur einer einzigen Elektrode auszuführen wäre.
1.8 Auch die von der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung vertretene These, dass beide Elektroden "zentral" im Sinne des streitigen Merkmals lägen, da dieses und die erste von den beiden oben unter Punkt 1.4 abgehandelten Passagen in Absatz [0041] der A-Schrift sich in Wahrheit auf die senkrechte Anordnung entlang einer gedachte Y-Achse bezögen, während nur die zweite Passage auf die waagrechte Lage entlang einer gedachten X-Achse in Figur 4c bezogen sei, kann nicht überzeugen. Es gibt für diese Auffassung schlicht keinen Anhaltspunkt in dem fraglichen Absatz. Im Gegenteil: Beide Passagen stehen dort in direktem Bezug zueinander und beziehen sich ihrem Wortlaut nach auf die Lage der Elektroden im Verhältnis zu der senkrecht durch die Bildmitte verlaufende Trajektorie 19. Zentral entlang dieser (und nicht zentral in Bezug auf die oberen und unteren Enden des Grundkörpers 36) sind die beiden gezeigten und beschriebenen Elektroden angeordnet, und zwar links und rechts von ihr. Die Uminterpretation des Aussagegehalts des streitigen Merkmals und von dessen vermeintlicher Offenbarungsgrundlage, die von der Patentinhaberin auch in ihrer eigenen Argumentation nicht stringent durchgehalten wurde, erscheint daher weit hergeholt und im Ergebnis nicht überzeugend.
Ferner, auch wenn dem obigen Argument gefolgt würde, fehlt immer noch eine eindeutige und unmittelbar Offenbarung, wie eine Ausführungsform mit nur einer einzigen Elektrode auszuführen wäre.
1.9 Dem Argument der Patentinhaberin, dass es für den Fachmann offensichtlich ist, dass eine einzelne Kondensatorelektrode genügt, um die Qualität der stabförmigen Artikel zu überprüfen, mag wohl gefolgt werden, allerdings ist dies die Überlegung, ob eine Abwandlung erfinderisch wäre oder nicht. Der anzuwendende Test ist aber nicht das Kriterium, ob die Abwandlung naheliegend, sondern eindeutig und unmittelbar offenbart ist. An einer solchen eindeutigen und unmittelbaren Lehre bezüglich der Anordnung einer einzelnen Kondensatorelektrode fehlt es vorliegend aber gerade.
1.10 Dass der Fachmann eine einzelne Kondensatorelektrode aufgrund seines Fachwissens "zentral" anordnen würde, um Randeffekte zur vermeiden bzw. zu vermindern, bleibt eine unbewiesene Behauptung und ist nicht relevant für die Bewertung der eindeutigen und unmittelbaren Offenbarung der ursprünglichen eingereichten Anmeldung.
Auch dieses Argument kann die Tatsache nicht überwinden, dass keine eindeutige und unmittelbare Offenbarung zur Anordnung eines einzelnen Kondensatorelektrode in der ursprünglichen Anmeldungsunterlage zu finden ist.
1.11 Die Kammer schließt sich daher der Einsprechenden an, dass die Feststellung der Einspruchsabteilung, dass der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 c) EPÜ nicht durchgreift, fehlerhaft ist.
2. Hilfsantrag 1
2.1 Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 entspricht dem Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung, mit der Änderung, dass die Merkmalskombination
"wobei die wenigstens eine Kondensatorelektrode (42, 42') zentral entlang einer Trajektorie (19) einer Kapsel (18) angeordnet ist"
gestrichen worden ist.
Der Hilfsantrag 1 entspricht dem Hauptantrag im Einspruchsverfahren, der von der Einspruchsabteilung als verspätet wegen fehlender eindeutiger Gewährbarkeit nicht ins Verfahren zugelassen wurde (siehe die angefochtene Entscheidung, Punkt 11, Seiten 5 bis 8).
2.2 Die Patentinhaberin argumentiert, dass die Einspruchsabteilung ihr Ermessen unrichtig ausgeübt habe und dass der Hauptantrag im Einspruchsverfahren hätte zugelassen worden sollen.
2.3 Mit der Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK (siehe Punkt 9.4) hat die Kammer den Parteien mitgeteilt, dass, unabhängig von der Tatsache, ob die Einspruchsabteilung ihr Ermessen in der richtigen Art und Weise nach den maßgeblichen Kriterien ausgeübt hat, die gestrichene Merkmalskombination ein technisches, nicht zu vernachlässigendes und somit beschränkendes Merkmal des Anspruchs 1 des Patents in der erteilten Fassung verkörpere und seine ersatzlose Streichung im Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 daher eine unzulässige Erweiterung des erteilten Schutzbereichs im Sinne vom Artikel 123(3) EPÜ darstelle.
Da keine Argumente von der Patentinhaberin diesbezüglich vorgebracht wurden, stellt die Kammer, nach erneuter Prüfung der rechtlichen und technischen Umstände des Falles, fest, dass Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 die Erfordernisse des Artikel 123(3) EPÜ nicht erfüllt.
3. Hilfsantrag 2 und 3
Anspruch 1 der Hilfsanträge 2 und 3 enthält, wie Anspruch 1 des Hauptantrags, die Merkmalskombination, dass
"die wenigstens eine Kondensatorelektrode zentral entlang einer Trajektorie einer Kapsel angeordnet ist",
so dass er aus den gleichen Gründen wie der Hauptantrag die Erfordernissen des Artikels 123(2) EPÜ nicht erfüllt und ebenfalls nicht gewährbar ist.
4. Klarheit des Anspruchs 2 des Hilfsantrags 4 (Artikel 84 EPÜ)
4.1 Die Formulierung von Anspruch 2 gemäß Hilfsantrag 4 ist unklar, weil Anspruch 2, der von Anspruch 1 abhängig ist, sich auf "die wenigstens eine Kondensatorelektrode" bezieht, die aber im Anspruch 1 nicht mehr beansprucht wird, weil sie durch das Merkmal "zwei... Kondensatorelektroden" ersetzt wurde.
Es bleibt daher unklar, ob zwei Kondensatorelektroden oder eine Kondensatorelektrode im Anspruch 1 und 2 gemeint sind.
4.2 Da das hinzugefügte Merkmal der "zwei Kondensatorelektroden" aus der Beschreibung entnommen wurde und nicht einem erteilten und geprüften Anspruch entstammt, sind die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ vorliegend auch im Einspruchsbeschwerdeverfahren zu prüfen (vgl. G3/14) und im Ergebnis nicht erfüllt.
4.3 Dem Argument der Patentinhaberin, dass das Merkmal des Anspruchs 2 "die wenigstens eine Kondensatorelektrode" auch die zwei Kondensatorelektroden des Anspruchs 1 umfasst, kann nicht gefolgt werden, weil der Widerspruch zwischen den zwei Kondensatorelektroden von Anspruch 1 und der wenigstens einen Kondensatorelektrode des Anspruchs 2 damit nicht gelöst wird.
Dem Argument der Patentinhaberin, dass mit dem Bezug auf die virtuelle Masse in Anspruch 2, die ebenfalls in Anspruch 1 beansprucht wird, der Anspruch für einen Fachmann klar ist, kann ebenfalls nicht gefolgt werden. In Anspruch 1 werden "zwei gegenüber dem Grundkörper (36) isolierte, auf virtueller Masse (60) gehaltene Kondensatorelektroden (42, 42')" erwähnt und im Anspruch 2, dass "die wenigstens eine Kondensatorelektrode (42, 42') auf einer virtuellen Masse (60) haltbar oder gehalten ist". Der Verweis auf die virtuelle Masse löst den Widerspruch zwischen den in den Ansprüchen 1 und 2 verwendeten unterschiedlichen Ausdrücken, "zwei...Kondensatorelektroden" und "die wenigstens eine Kondensatorelektrode" nicht auf.
5. Klarheit des Anspruchs 1 der Hilfsanträge 5 und 6 (Artikel 84 EPÜ)
Aus ähnlichen Gründen wie für Hilfsantrag 4 in Bezug auf die Merkmale "zwei Kondensatorelektroden" bzw. "die wenigstens eine Kondensatorelektrode" ausgeführt, erfüllt Anspruch 1 der Hilfsanträge 5 und 6 ebenso nicht die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ .
Die Patentinhaberin hat in dieser Hinsicht keine weiteren Argumente vorgebracht.
6. Hilfsantrag 7
Hilfsantrag 7 ist auf die Verfahrensansprüche beschränkt worden. Die Einsprechende hat keinen Einwand gegen diesen Hilfsantrag vorgebracht. Solche liegen für die Kammer auch nicht auf der Hand.
Das Patent ist daher in der geänderten Fassung gemäß Hilfsantrag 7 aufrechtzuerhalten.
7. Anpassung der Beschreibung
Eine dem Anspruchssatz des Hilfsantrags 7 angepasste Beschreibung wurde während der mündlichen Verhandlung diskutiert und dann als endgültige Version eingereicht. Gegen diese wurde seitens der Einsprechenden kein Einwand erhoben. Die Kammer sieht auch keinen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in geändertem Umfang auf der Grundlage der folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
- Ansprüche 1-4 des Hilfsantrags 7;
- Beschreibung
- Spalten 1 bis 12 wie während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer um 12.34 Uhr eingereicht
und
- Spalte 13 gemäß Patentschrift;
- Figuren 1 bis 7 gemäß Patentschrift.