T 1006/22 (Unmittelbare Abhängigkeit I/SIEMENS) 01-02-2024
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Diagnoseverfahren für Schienenfahrzeuge
Bombardier Transportation GmbH
KNORR-BREMSE Systeme für Schienenfahrzeuge GmbH
Neuheit - Hauptantrag und Hilfsantrag 1 (nein)
Klarheit - Hilfsantrag 2 (nein)
Unzulässige Erweiterung - Hilfsantrag 3 (ja)
Zulassung von mit der Beschwerde eingereichten Anspruchsänderungen - Hilfsanträge 4 bis 7 (nein): hätten früher vorgebracht werden sollen
Zulassung von während der mündlichen Verhandlung eingereichten Anspruchsänderungen - Hilfsantrag 8 (nein): keine "außergewöhnlichen Umstände"
I. Die Patentinhaberin (im Folgenden "die Beschwerdeführerin") legte Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung über den Widerruf des Streitpatents ein.
II. In der vorliegenden Entscheidung wird auf den folgenden Stand der Technik Bezug genommen:
ES1: EP 1 900 597 A1.
III. Am 1. Februar 2024 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt, an deren Ende die Kammer ihre Entscheidung verkündete.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückweisung des Einspruchs (Hauptantrag), oder hilfsweise die Aufrechterhaltung des Streitpatents in geänderter Fassung gemäß einem der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 1 bis 7, wobei der Hauptantrag und die Hilfsanträge 1 bis 3 den der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Haupt- bzw. Hilfsanträgen 1 bis 3 entsprechen, oder hilfsweise gemäß dem während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereichten Hilfsantrag 8.
Die Einsprechenden 1 und 2 (im Folgenden "die Beschwerdegegnerinnen") beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.
IV. Anspruch 1 des Hauptantrags und des Hilfsantrags 1 lautet wie folgt:
"Diagnoseverfahren für Schienenfahrzeuge, welche jeweils zumindest eine Messeinrichtung zur Erfassung von Messwerten zumindest einer Messgröße umfassen, mit folgenden Verfahrensschritten:
- Erfassen von Messwerten mittels der zumindest einen Messeinrichtung von zumindest einem Schienenfahrzeug,
- Übertragen der Messwerte vom Schienenfahrzeug zu einem streckenseitig angeordneten Kontrollzentrum,
- Auswerten der Messwerte im Kontrollzentrum mittels eines vorgegebenen Algorithmus, und
- Bereitstellen zumindest eines Ergebnisses der Auswertung zur Ausgabe, dadurch gekennzeichnet, dass die Auswertung der Messwerte vom Schienenfahrzeug im Kontrollzentrum mittels des vorgegebenen Algorithmus in unmittelbarer Abhängigkeit von weiteren Messwerten erfolgt, welche unabhängig vom Schienenfahrzeug mittels Messeinrichtungen erfasst werden, die unabhängig vom Schienenfahrzeug sind."
Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 wie folgt (Änderungen unterstrichen):
"[...] die Auswertung der Messwerte vom Schienenfahrzeug im Kontrollzentrum mittels des vorgegebenen Algorithmus in unmittelbarer Abhängigkeit von weiteren Messwerten erfolgt, welche unabhängig vom Schienenfahrzeug und unabhängig von Zuständen oder Zustandsänderungen des Schienenfahrzeugs oder von Fahrzeugkomponenten des Schienenfahrzeugs mittels Messeinrichtungen erfasst werden, die unabhängig vom Schienenfahrzeug sind."
Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 wie folgt (Änderungen unterstrichen):
"Diagnoseverfahren für Schienenfahrzeuge, welche zumindest eine Gruppe identisch ausgestalteter Fahrzeugkomponenten und jeweils zumindest eine Messeinrichtung zur Erfassung von Messwerten zumindest einer Messgröße umfassen, mit folgenden Verfahrensschritten:
- Erfassen von Messwerten für jede der identisch ausgestalteten Fahrzeugkomponenten mittels der zumindest einen Messeinrichtung von zumindest einem Schienenfahrzeug,
[...]
die Auswertung der Messwerte vom Schienenfahrzeug im Kontrollzentrum mittels des vorgegebenen Algorithmus in unmittelbarer Abhängigkeit von weiteren Messwerten erfolgt, welche unabhängig vom Schienenfahrzeug mittels Messeinrichtungen erfasst werden, die unabhängig vom Schienenfahrzeug sind, wobei auf einen fehlerhaften Zustand einer der identisch ausgestalteten Fahrzeugkomponenten geschlossen wird,
wenn ein Messwert der Fahrzeugkomponente mindestens um ein vorgegebenes Maß von den anderen Messwerten der Anderen der identisch ausgestalteten Fahrzeugkomponenten abweicht, welches Maß in Abhängigkeit von den weiteren Messwerten vorgegeben wird, welche unabhängig vom Schienenfahrzeug mittels der Messeinrichtungen erfasst werden, die unabhängig vom Schienenfahrzeug sind."
Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 wie folgt (Änderungen unterstrichen):
"Diagnoseverfahren für Schienenfahrzeuge, welche jeweils zumindest eine Gruppe identisch ausgestalteter Fahrzeugkomponenten und jeweils zumindest eine Messeinrichtung zur Erfassung von Messwerten zumindest einer Messgröße umfassen, mit folgenden Verfahrensschritten: [...]".
Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 wie folgt (Änderungen unterstrichen):
"[...] die Auswertung der Messwerte vom Schienenfahrzeug im Kontrollzentrum mittels des vorgegebenen Algorithmus in unmittelbarer Abhängigkeit von weiteren Messwerten erfolgt, welche unabhängig vom Schienenfahrzeug und unabhängig von Zuständen oder Zustandsänderungen des Schienenfahrzeugs oder von den Fahrzeugkomponenten des Schienenfahrzeugs mittels Messeinrichtungen erfasst werden, die unabhängig vom Schienenfahrzeug sind, wobei auf einen fehlerhaften Zustand einer der identisch ausgestalteten Fahrzeugkomponenten geschlossen wird, wenn ein Messwert der Fahrzeugkomponente mindestens um ein vorgegebenes Maß von den anderen Messwerten der Anderen der identisch ausgestalteten Fahrzeugkomponenten abweicht, welches Maß in Abhängigkeit von den weiteren Messwerten vorgegeben wird, welche unabhängig vom Schienenfahrzeug und unabhängig von Zuständen oder Zustandsänderungen des Schienenfahrzeugs oder von den Fahrzeugkomponenten des Schienenfahrzeugs mittels der Messeinrichtungen erfasst werden, die unabhängig vom Schienenfahrzeug sind."
Anspruch 1 des Hilfsantrags 6 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 wie folgt (Änderungen unterstrichen):
"[...] die Auswertung der Messwerte vom Schienenfahrzeug im Kontrollzentrum mittels des vorgegebenen Algorithmus in unmittelbarer Abhängigkeit von weiteren Messwerten erfolgt, welche unabhängig vom Schienenfahrzeug und unabhängig von Zuständen oder Zustandsänderungen des Schienenfahrzeugs oder von den Fahrzeugkomponenten des Schienenfahrzeugs mittels streckenseitig angeordneter, unbeweglicher Messeinrichtungen erfasst werden, die unabhängig vom Schienenfahrzeug sind, wobei auf einen fehlerhaften Zustand einer der identisch ausgestalteten Fahrzeugkomponenten geschlossen wird, wenn ein Messwert der Fahrzeugkomponente mindestens um ein vorgegebenes Maß von den anderen Messwerten der Anderen der identisch ausgestalteten Fahrzeugkomponenten abweicht, welches Maß in Abhängigkeit von den weiteren Messwerten vorgegeben wird, welche unabhängig vom Schienenfahrzeug und unabhängig von Zuständen oder Zustandsänderungen des Schienenfahrzeugs oder von den Fahrzeugkomponenten des Schienenfahrzeugs mittels der streckenseitig angeordneter, unbeweglicher Messeinrichtungen erfasst werden, die unabhängig vom Schienenfahrzeug sind."
Anspruch 1 des Hilfsantrags 7 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 6 wie folgt (Änderungen unterstrichen):
"[...] werden, die unabhängig vom Schienenfahrzeug sind, wobei das Ergebnis der Auswertung in Abhängigkeit des Ergebnisses der Auswertung auf das Schienenfahrzeug übermittelt wird und wobei das Ergebnis der Auswertung auf dem Schienenfahrzeug ausgegeben wird."
Anspruch 1 des Hilfsantrags 8 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags wie folgt (Änderungen unterstrichen):
"[...] die Auswertung der Messwerte vom Schienenfahrzeug im Kontrollzentrum mittels des vorgegebenen Algorithmus in unmittelbarer Abhängigkeit von weiteren Messwerten erfolgt, welche unabhängig vom Schienenfahrzeug mittels streckenseitig angeordneten, unbeweglichen Messeinrichtungen erfasst werden, die unabhängig vom Schienenfahrzeug sind."
1. Hauptantrag und Hilfsantrag 1 - Neuheit
1.1 Gegenstand von Anspruch 1
Anspruch 1 des Hauptantrags und des Hilfsantrags 1 enthält die folgenden einschränkenden Merkmale (Merkmalsgliederung der Kammer):
a) Diagnoseverfahren für Schienenfahrzeuge, welche jeweils zumindest eine Messeinrichtung zur Erfassung van Messwerten zumindest einer Messgröße umfassen, mit folgenden Verfahrensschritten:
b) Erfassen von Messwerten mittels der zumindest einen Messeinrichtung von zumindest einem Schienenfahrzeug,
c) Übertragen der Messwerte vom Schienenfahrzeug zu einem streckenseitig angeordneten Kontrollzentrum,
d) Auswerten der Messwerte im Kontrollzentrum mittels eines vorgegebenen Algorithmus, und
e) Bereitstellen zumindest eines Ergebnisses der Auswertung zur Ausgabe, wobei
f) die Auswertung der Messwerte vom Schienenfahrzeug im Kontrollzentrum mittels des vorgegebenen Algorithmus in unmittelbarer Abhängigkeit von weiteren Messwerten erfolgt,
g) welche unabhängig vom Schienenfahrzeug mittels Messeinrichtungen erfasst werden, die unabhängig vom Schienenfahrzeug sind.
1.2 Anspruchsauslegung
1.2.1 Unter dem breiten Begriff "Auswertung" versteht die Kammer jede Art von Analyse, Deutung bzw. Untersuchung.
1.2.2 Als besonders strittig erwies sich die Bedeutung der sogenannten "unmittelbaren Abhängigkeit" einer Auswertung der Messwerte bzw. eines für diesen Zweck bestimmten Algorithmus von weiteren Messwerten gemäß Merkmal f). Die Kammer hält jedoch diesen Begriff nicht für einen festen technischen Begriff, sondern für eine wenig aussagekräftige Floskel, ähnlich wie "unmittelbare Nähe", usw. Die Kammer kann hierbei nicht erkennen, dass es für die Fachperson einen technisch sinnvollen Unterschied zwischen einer "mittelbaren Abhängigkeit" und einer "unmittelbaren Abhängigkeit" eines Algorithmus von einem Messwert geben solle.
1.2.3 Merkmal g) gibt lediglich an, dass die "weiteren Messwerte" von infrastrukturbezogenen Messeinrichtungen gemessen worden sind und nicht von im Schienenfahrzeug installierten "onboard" Messeinrichtungen. Die Beschwerdeführerin stimmte dieser Auslegung nicht zu: sie führte aus, dass gemäß diesem Merkmal die Messungen unabhängig vom Betriebszustand bzw. einer Beeinflussung des Schienenfahrzeuges erfasst werden. Dennoch kann eine Messeinrichtung nur messen; sie kann eben nicht bestimmen, ob die Messwerte, die sie misst, von irgendetwas abhängig oder unabhängig sind.
1.3 Neuheit gegenüber ES1
1.3.1 Die Kammer stimmt der Einspruchsabteilung und den Beschwerdegegnerinnen zu, dass der Gegenstand von Anspruch 1 nicht neu gegenüber ES1 ist (Artikel 54 EPÜ).
1.3.2 Die Beschwerdeführerin bestritt, dass das Dokument ES1 die Merkmale f) und g) offenbare. Sie führte aus, dass die Auswertung gemäß ES1 irgendwie anders ("eventbezogen", "nicht unabhängig vom Schienenfahrzeug", usw.) als im Anspruch 1 stattfinde.
Diese Überlegungen sind jedoch für die Frage der Neuheit der Merkmale f) und g) nicht relevant. Merkmale f) und g) geben nämlich lediglich an, dass Messwerte von Schienenfahrzeugen und weitere infrastrukturbezogene Messwerte zusammengeführt und ausgewertet werden. Daher stimmt die Kammer der Einspruchsabteilung und den Beschwerdegegnerinnen darin zu, dass bereits ES1, Absatz [0008] neuheitsschädlich für die Merkmale f) und g) anzusehen ist.
1.3.3 Somit ist der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags und des Hilfsantrags 1 nicht neu gegenüber ES1 (Artikel 54 EPÜ).
2. Hilfsantrag 2 - Klarheit
2.1 Gegenstand von Anspruch 1
Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 der höherrangigen Anträge dadurch, dass Merkmal g) durch das folgende, der Beschreibung entnommene Merkmal ersetzt wurde (Merkmalsgliederung und Hervorhebung der Kammer):
h) welche unabhängig vom Schienenfahrzeug und unabhängig von Zuständen oder Zustandsänderungen des Schienenfahrzeugs oder von Fahrzeugkomponenten des Schienenfahrzeugs mittels Messeinrichtungen erfasst werden, die unabhängig vom Schienenfahrzeug sind.
2.2 Die Kammer stimmt der angefochtenen Entscheidung und den Beschwerdegegnerinnen zu, dass Merkmal h) durch die zahlreichen "und/oder"-Verknüpfungen sprachlich unklar ist. Die Beschwerdeführerin erläuterte in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer ausführlich, wie diese Verknüpfungen eigentlich zu verstehen seien. Dennoch ist für die Kammer die Notwendigkeit dieser Erläuterungen ein Hinweis darauf, dass der Wortlaut des Merkmals eben unklar ist. Die Unklarheit wird insbesondere dadurch verursacht, dass die
"und/oder"-Verknüpfungen eine negative Einschränkung, d. h. "unabhängig", betreffen.
2.3 Somit ist Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unklar (Artikel 84 EPÜ).
3. Hilfsantrag 3 - unzulässige Erweiterung
3.1 Änderungen in Anspruch 1
Im Vergleich mit Anspruch 1 des Haupt- bzw. Hilfsantrags 1 wurde Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 wie folgt geändert:
a) Diagnoseverfahren für Schienenfahrzeuge, welche zumindest eine Gruppe identisch ausgestalteter Fahrzeugkomponenten und jeweils zumindest eine Messeinrichtung zur Erfassung van Messwerten zumindest einer Messgröße umfassen, mit folgenden Verfahrensschritten:
b) Erfassen von Messwerten für jede der identisch ausgestalteten Fahrzeugkomponenten mittels der zumindest einen Messeinrichtung van zumindest einem Schienenfahrzeug,
c) Übertragen der Messwerte vom Schienenfahrzeug zu einem streckenseitig angeordneten Kontrollzentrum,
d) Auswerten der Messwerte im Kontrollzentrum mittels eines vorgegebenen Algorithmus, und
e) Bereitstellen zumindest eines Ergebnisses der Auswertung zur Ausgabe, wobei
f) die Auswertung der Messwerte vom Schienenfahrzeug im Kontrollzentrum mittels des vorgegebenen Algorithmus in unmittelbarer Abhängigkeit von weiteren Messwerten erfolgt,
g) welche unabhängig vom Schienenfahrzeug mittels Messeinrichtungen erfasst werden, die unabhängig vom Schienenfahrzeug sind wobei auf einen fehlerhaften Zustand einer der identisch ausgestalteten Fahrzeugkomponenten geschlossen wird, wenn ein Messwert der Fahrzeugkomponente mindestens um ein vorgegebenes Maß von den anderen Messwerten der Anderen der identisch ausgestalteten Fahrzeugkomponenten abweicht, welches Maß in Abhängigkeit von den weiteren Messwerten vorgegeben wird, welche unabhängig vom Schienenfahrzeug mittels der Messeinrichtungen erfasst werden, die unabhängig vom Schienenfahrzeug sind.
3.2 Die angefochtene Entscheidung kam zur Schlussfolgerung, dass diese Änderungen aus unterschiedlichen Ausführungsformen, die die Messungen in einem Schienenfahrzeug (Seiten 7 und 8 der Beschreibung in der ursprünglich eingereichten Fassung) bzw. in einer "Flotte von Schienenfahrzeugen" (Seiten 12 und 13 der Beschreibung in der ursprünglich eingereichten Fassung) betreffen, stammen, die nicht miteinander kombiniert werden könnten.
3.3 Die Beschwerdeführerin wies in diesem Zusammenhang insbesondere auf den Wortlaut der Seite 7, Zeile 34 der Beschreibung in der ursprünglich eingereichten Fassung hin. Jedoch führten die Beschwerdegegnerinnen zutreffend aus, dass in diesem Ausführungsbeispiel, das auf Seite 8 der ursprünglichen Beschreibung weiter beschrieben wird, keine gemeinsame Auswertung (geschweige denn in sogenannter "unmittelbarer Abhängigkeit") von Messwerten von Schienenfahrzeug-komponenten und infrastrukturbezogenen weiteren Messwerten erfolgt. Dies gilt auch für die weiteren Passagen der Beschreibung in der ursprünglich eingereichten Fassung, die die Beschwerdeführerin während der mündlichen Verhandlung zitiert hat, nämlich Seite 11, Zeilen 21 bis 27 und Seite 12, Zeile 22 ff.
3.4 Daher stimmt die Kammer der Einspruchsabteilung und den Beschwerdegegnerinnen zu, dass die Änderungen von Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehen (Artikel 123 (2) EPÜ).
4. Hilfsanträge 4 bis 7 - Zulassung
4.1 Im Hinblick auf das vorrangige Ziel des Beschwerdeverfahrens, die angefochtene Entscheidung gerichtlich zu überprüfen, ist das Beschwerdevorbringen eines Beschwerdeführers auf die Anträge zu richten, die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegen (Artikel 12 (2) VOBK 2020). Erfüllt ein Teil des Beschwerdevorbringens nicht diese Erfordernisse, so ist dieser Teil als "Änderung" zu betrachten, sofern der Beschwerdeführer nicht zeigt, dass dieser Teil in dem Verfahren, das zu der angefochtenen Entscheidung geführt hat, in zulässiger Weise vorgebracht und aufrechterhalten wurde. Es steht im Ermessen der Kammer, solche "Änderungen" zuzulassen. Der Beschwerdeführer hat zu begründen, warum eine "Änderung" im Beschwerdeverfahren erfolgt
(Artikel 12 (4) VOBK 2020).
4.2 Im vorliegenden Fall liegen Hilfsanträge 4 bis 7 nicht der angefochtenen Entscheidung zugrunde, da sie erstmalig mit der Beschwerdebegründung eingereicht wurden (vgl. Punkt III. oben). Damit sind sie "Änderungen" gemäß Artikel 12 (2) und (4) VOBK 2020.
4.3 Die Beschwerdeführerin begründete diese Änderungen damit, dass sie eine Reaktion auf die Entscheidungsbegründung der Einspruchsabteilung seien. Während des gesamten Einspruchsverfahrens sei der in der angefochtenen Entscheidung erhobene Einwand einer unzulässigen Erweiterung gegen Hilfsantrag 3 für die Beschwerdeführerin nicht ersichtlich gewesen.
Dies überzeugt die Kammer nicht. Wie die Beschwerdegegnerinnen zutreffend ausführten, wurde Hilfsantrag 3 während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereicht und der Einwand einer unzulässigen Erweiterung während der mündlichen Verhandlung auch diskutiert (siehe die entsprechende Niederschrift, Punkt 10.6). Deswegen hätten diesbezügliche Änderungen bereits vor der Einspruchsabteilung vorgebracht werden sollen. Gemäß Artikel 12 (6) Satz 2 VOBK 2020 sind nämlich Anträge nicht zuzulassen, die in dem Verfahren, das zu der angefochtenen Entscheidung geführt hat, vorzubringen gewesen wären.
4.4 Aus diesen Gründen wurden die Hilfsanträge 4 bis 7 nicht in das Beschwerdeverfahren zugelassen
(Artikel 12 (4) und (6) VOBK 2020).
5. Hilfsantrag 8 - Zulassung
5.1 Gemäß Artikel 13 (2) VOBK 2020 bleiben Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass "außergewöhnliche Umstände" vorliegen.
5.2 Im vorliegenden Fall wurde Hilfsantrag 8 während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereicht. Auf die Frage der Kammer nach den "außergewöhnlichen Umständen", die eine Zulassung rechtfertigen würden, erklärte die Beschwerdeführerin, dass sie sich bewusst sei, dass dieser Antrag wahrscheinlich nicht zugelassen werden würde, dass sie ihn aber dennoch einreiche und aufrechterhalten wolle. "Außergewöhnliche Umstände" lagen mithin nicht vor.
5.3 Aus diesen Gründen wurde Hilfsantrag 8 nicht in das Beschwerdeverfahren zugelassen (Artikel 13 (2) VOBK 2020).
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.