T 1354/22 (Analyse der Druckluftversorgungssicherheit/KAESER) 28-03-2024
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Verfahren zur Analyse der Druckluftversorgungssicherheit einer Druckluftanlage
Neuheit - Hauptantrag (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsanträge 12, 13, 15, 1A bis 8A, 11A, 14A, 16' bis 25' (nein)
Zulässigkeit von Anspruchsänderungen mit erweitertem Schutzumfang - Hilfsanträge 1 bis 11 und 14 (nein): Verbot von reformatio in peius
Zulassung von am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereichten Anspruchsänderungen - Hilfsantrag 26 (nein): keine außergewöhnlichen Umstände
I. Die Beschwerde der Einsprechenden (Beschwerdeführerin) richtete sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des vorliegenden europäischen Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage eines "Hilfsantrags 02" (von der Patentinhaberin und in dieser Entscheidung als "Hilfsantrag 0.2" bezeichnet).
II. Der folgende Stand der Technik ist für die vorliegende Entscheidung relevant:
D6: G M Kopanos et al.: "Optimization of a network
of compressors in parallel: Operational and
maintenance planning - The air separation plant
case", Applied Energy 146, Seiten 453 bis 470,
13. März 2015.
III. Am 28. März 2024 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt, an deren Ende die Entscheidung der Kammer verkündet wurde.
Die Schlussanträge der Parteien lauteten wie folgt:
- Die Einsprechende beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
- Die Patentinhaberin beantragte,
- die Beschwerde zurückzuweisen, d. h. das Patent auf der Grundlage von "Hilfsantrag 0.2" aufrechtzuerhalten (Hauptantrag), weiter hilfsweise
- das Patent auf der Grundlage der Ansprüche eines der
- Hilfsanträge 16' bis 25', eingereicht mit
Schreiben vom 24. November 2023,
- Hilfsanträge 1A bis 8A, 11A und 14A,
eingereicht mit der Beschwerdebegründung,
- Hilfsanträge 1 bis 15, eingereicht während des
Einspruchsverfahrens, und
- Hilfsantrag 26, eingereicht gegen Ende der
mündlichen Verhandlung, aufrechtzuerhalten.
IV. Anspruch 1 des Hauptantrags ("Hilfsantrag 0.2") hat folgenden Wortlaut:
a) "Verfahren zur Analyse der Druckluftversorgungs-sicherheit einer Druckluftanlage, die einen oder mehrere Drucklufterzeuger (C1, C2) umfasst und über ein Druckluftnetzwerk (9) ein oder mehrere Druckluftverbraucher beliefert, dadurch gekennzeichnet,
b) dass ein zeitlicher Verlauf des maximalen Liefervolumenstroms MDVF(t) erfasst, abgeschätzt oder errechnet wird,
c) dass ein zeitlicher Verlauf des Verbrauchsvolumen-stroms CVF(t) erfasst, abgeschätzt oder errechnet wird,
d) dass zur Analyse der Druckluftversorgungssicherheit der zeitliche Verlauf des maximalen Liefervolumen-stroms MDVF(t) und der zeitliche Verlauf des Verbrauchsvolumenstroms CVF(t) über einen Analysezeitraum automatisch miteinander verrechnet werden,
e) wobei das Ergebnis der Analyse der Druckluftversor-gungssicherheit zur Wartungsterminplanung herangezogen wird,
f) oder das Ergebnis der Analyse der Druckluftversor-gungssicherheit automatisch in ein Steuerungs-verfahren der Druckluftanlage eingeht, das den Betrieb der Druckluftanlage steuert,
g) oder das Ergebnis der Analyse der Druckluftversor-gungssicherheit zu Planungszwecken herangezogen wird zur: Auslegung einer Druckluftanlage oder
Erweiterung bzw. Anpassung einer bestehenden Druckluftanlage."
V. Anspruch 1 von Hilfsantrag 1A und 16' unterscheidet sich von Anspruch 1 von Hilfsantrag 0.2 dadurch, dass im Wortlaut von Merkmal d) am Anfang "und" eingefügt wurde und der Wortlaut von Merkmal b) nunmehr wie folgt lautet:
b') "dass ein zeitlicher Verlauf des maximalen
Liefervolumenstroms MDVF(t) erfasst, abgeschätzt oder errechnet wird, wobei der zeitliche Verlauf des maximalen Liefervolumenstroms MDVF(t) hingegen nicht auf direkt oder indirekt erfassten Messwerten basiert, sondern ein theoretischer Verlauf ist, der auf einer Annahme basiert, welche Drucklufterzeu-ger, die entweder real bereits vorhanden oder in zukünftigen Varianten oder innerhalb einer Planung einer Druckluftanlage, im Analysezeitraum unter Zugrundelegung eines möglichen Szenarios zu einer bestimmten Zeit zur Verfügung stehen,".
VI. Anspruch 1 von Hilfsantrag 2A und 17' unterscheidet sich von Anspruch 1 von Hilfsantrag 0.2 dadurch, dass am Ende folgender Wortlaut hinzugefügt worden ist:
h) "und dass zur Analyse der Druckluftversorgungs-
sicherheit im Analysezeitraum an einer Vielzahl von
aufeinanderfolgenden Zeitpunkten t0, ..., ti, ...
eine Differenzbildung von maximalem Liefervolumen-
strom MDVF(t) und Verbrauchsvolumenstrom CVF(t)
vorgenommen und in der Analyse berücksichtigt wird."
VII. Anspruch 1 von Hilfsantrag 3A und 18' unterscheidet sich von Anspruch 1 von Hilfsantrag 0.2 dadurch, dass im Wortlaut von Merkmal d) am Anfang "und" eingefügt und zwischen den Merkmalen d) und e) folgender Wortlaut hinzugefügt wurde:
i) "und dass bei der Analyse der Druckluftversorgungs-
sicherheit das wirksame Puffervolumen V bzw.
die im wirksamen Puffervolumen V abspeicherbare
maximale Reserve RMAX berücksichtigt wird,".
VIII. Anspruch 1 von Hilfsantrag 4A und 19' unterscheidet sich von Anspruch 1 von Hilfsantrag 3A bzw. 18' dadurch, dass zwischen den Merkmalen i) und e) folgender Wortlaut hinzugefügt worden ist:
j) "wobei RMAX die durch eine Druckspielraumgrenze UPL
begrenzte maximale Reserve ist, die man im wirksamen Puffervolumen speichern kann,".
IX. Anspruch 1 von Hilfsantrag 5A und 20' unterscheidet sich von Anspruch 1 von Hilfsantrag 0.2 dadurch, dass im Wortlaut von Merkmal d) am Anfang "und" eingefügt und am Ende folgender Wortlaut hinzugefügt wurde:
k) "wobei zur Analyse der Druckluftversorgungs-
sicherheit ein Liefervolumenstromüberschuss DVFE(t)
über eine oder mehrere bestimmte Zeitspannen
integriert wird, wobei DVFE(t) = MDVF(t) - CVF(t)."
X. Anspruch 1 von Hilfsantrag 6A und 21' unterscheidet sich von Anspruch 1 von Hilfsantrag 0.2 dadurch, dass im Wortlaut von Merkmal d) am Anfang "und" eingefügt und zwischen den Merkmalen d) und e) folgender Wortlaut hinzugefügt wurde:
i') "und dass bei der Analyse der Druckluftversorgungs-
sicherheit die im wirksamen Puffervolumen V
gespeicherte Reserve R(t) berücksichtigt wird,".
XI. Anspruch 1 von Hilfsantrag 7A und 22' unterscheidet sich von Anspruch 1 von Hilfsantrag 6A bzw. 21' dadurch, dass zwischen den Merkmalen d) und i') folgender Wortlaut hinzugefügt worden ist:
k') "dass zur Analyse der Druckluftversorgungs-
sicherheit ein Liefervolumenstromüberschuss DVFE(t)
über ein oder mehrere bestimmte Zeitspannen
integriert wird".
XII. Anspruch 1 von Hilfsantrag 8A und 23' unterscheidet sich von Anspruch 1 von Hilfsantrag 6A bzw. 21' dadurch, dass zwischen den Merkmalen d) und i') der Wortlaut von Merkmal k) mit einem "dass" statt dem "wobei" am Anfang hinzugefügt worden ist.
XIII. Anspruch 1 von Hilfsantrag 1 bis 8 unterscheidet sich von Anspruch 1 von Hilfsantrag 1A (16') bis 8A (23') jeweils dadurch, dass die Wortlaute der Merkmale e), f) und g) gestrichen worden sind.
XIV. Anspruch 1 von Hilfsantrag 9 enthält die Merkmale a) bis d) von Hilfsantrag 0.2, wobei im Wortlaut von Merkmal d) am Anfang "und" eingefügt und am Ende folgendes Merkmal hinzugefügt wurde:
l) "so dass als Ergebnis der Analyse der Druckluftver-
sorgungssicherheit ein Reservegrad und/oder eine
Reserve der Druckluftanlage ermittelt und/oder
angezeigt werden derart, dass der Betreiber einer
Anlage zu jedem Zeitpunkt über den Stand der
Druckluftversorgungssicherheit informiert ist."
XV. Anspruch 1 von Hilfsantrag 10 unterscheidet sich von Hilfsantrag 9 dadurch, dass zwischen den Wortlaut der Merkmale d) und l) der Wortlaut von Merkmal k) eingefügt ist.
XVI. Anspruch 1 von Hilfsantrag 11A und 24' unterscheidet sich von Anspruch 1 von Hilfsantrag 0.2 dadurch, dass im Wortlaut von Merkmal d) am Anfang "und" eingefügt, der Wortlaut von Merkmal g) gestrichen und zwischen den Merkmalen d) und e) der folgende Wortlaut hinzugefügt wurde:
m) "und dass das Verfahren zur Analyse der
Druckluftversorgungssicherheit vollständig oder teilweise von einer Steuerungseinrichtung ausgeführt wird, die zur Steuerung der Druckluftanlage vorgesehen ist,".
XVII. Anspruch 1 von Hilfsantrag 11 unterscheidet sich von Hilfsantrag 11A dadurch, dass der Wortlaut von Merkmal e) und f) gestrichen worden ist.
XVIII. Anspruch 1 von Hilfsantrag 12 enthält die Merkmale a) bis d) von Hilfsantrag 0.2, wobei im Wortlaut von Merkmal d) am Anfang "und" eingefügt und am Ende folgendes Merkmal hinzugefügt wurde:
e') "wobei in einer Wartungsterminplanungs-Routine auf
Basis der Analyse der Druckluftversorgungssicher-heit automatisch eine Wartungsterminplanung ermittelt wird, bei der eine Gefährdung der Druckluftversorgungssicherheit vermieden wird und wobei in der Wartungsterminplanungs-Routine insbesondere abgeprüft wird, ob eine Wartung der Druckluftanlage ohne Gefährdung der Druckluftversorgungssicherheit in einem bestimmten Zeitraum stattfinden kann."
XIX. Anspruch 1 von Hilfsantrag 13 unterscheidet sich von Hilfsantrag 12 dadurch, dass zwischen die Wortlaute der Merkmale d) und e') der Wortlaut von Merkmal k) eingefügt wurde.
XX. Anspruch 1 von Hilfsantrag 14A und 25'A unterscheidet sich von Anspruch 1 von Hilfsantrag 0.2 dadurch, dass im Wortlaut von Merkmal d) am Anfang "und" eingefügt, Wortlaut von Merkmal e) und g) gestrichen, beim Wortlaut von Merkmal f) am Anfang "oder" durch "wobei" ersetzt und am Ende der folgende Wortlaut hinzugefügt worden ist:
n) "und dass bei Gefährdung der Druckluftversorgungs-
sicherheit, insbesondere automatisch, Maßnahmen
zur Erhöhung des Liefervolumenstroms DVF(t)
getroffen werden und damit der Druck im
Druckluftnetzwerk angehoben bzw. zusätzliche Menge
an Druckluft in das Puffervolumen eingespeist wird."
XXI. Anspruch 1 von Hilfsantrag 14 unterscheidet sich von Hilfsantrag 14A dadurch, dass der Wortlaut von Merkmal f) gestrichen worden ist.
XXII. Anspruch 1 von Hilfsantrag 15 unterscheidet sich von Anspruch 1 von Hilfsantrag 14A dadurch, dass bei Merkmal n) das Wort "insbesondere" gestrichen worden ist und das Merkmal f) nunmehr wie folgt lautet:
f') "wobei die Ergebnisse der Analyse der Druckluftver-
sorgungssicherheit in einem Steuerungsverfahren,
das den Betrieb der Druckluftanlage steuert,
eingehen bzw. dort Berücksichtigung finden,"
und zwischen Merkmal f') und n) folgender Wortlaut hinzugefügt worden ist:
i'') "wobei bei der Analyse der Druckluftversorgungs-
sicherheit die im wirksamen Puffervolumen V
gespeicherte Reserve R(t) berücksichtigt wird,
wobei auf den Aufbau einer gezielten Reserve durch
Anhebung des Netzdrucks p(t) verzichtet wird, wenn
der angenommene Verbrauchsvolumenstrom CVF(t) in
der prospektierten Zeitspanne der Steuerung bzw.
Regelung problemlos durch die zur Verfügung
stehenden Drucklufterzeuger produziert werden
kann,".
XXIII. Anspruch 1 von Hilfsantrag 26 hat folgenden Wortlaut:
"Verfahren zur Analyse der Druckluftversorgungs-sicherheit einer Druckluftanlage, die einen oder mehrere Drucklufterzeuger (C1, C2) umfasst und über ein Druckluftnetzwerk (9) ein oder mehrere Druckluftverbraucher beliefert, dadurch gekennzeichnet,
- dass ein zeitlicher Verlauf des maximalen Liefervolumenstroms MDVF(t) erfasst, abgeschätzt oder errechnet wird,
- dass ein zeitlicher Verlauf des Verbrauchsvolumen-stroms CVF(t) erfasst, abgeschätzt oder errechnet wird,
- dass zur Analyse der Druckluftversorgungssicherheit der zeitliche Verlauf des maximalen Liefervolumen-stroms MDVF(t) und der zeitliche Verlauf des Verbrauchsvolumenstroms CVF(t) über einen Analysezeitraum automatisch miteinander verrechnet werden,
wobei das Ergebnis der Analyse der Druckluftversor-gungssicherheit zur Wartungsterminplanung herangezogen wird,
oder das Ergebnis der Analyse der Druckluftversor-gungssicherheit automatisch in ein Steuerungsverfahren der Druckluftanlage eingeht, das den Betrieb der Druckluftanlage steuert,
wobei als Ergebnis der Analyse der Druckluftversor-
gungssicherheit ein Reservegrad, der dem Verhältnis aus dem minimalen Wert der Reserve R(t) für den Analysezeitraum und der Maximalreserve RMAX entspricht, der Druckluftanlage ermittelt und angezeigt wird."
1. Technischer Hintergrund des Streitpatents
Das Patent betrifft ein Verfahren zur Analyse der Druckluftversorgungssicherheit einer Druckluftanlage anhand der zeitlichen Verläufe des sog. "maximalen Liefervolumenstroms MDVF(t)" und des "Verbrauchsvolumenstroms CVF(t)".
2. Hauptantrag - Neuheit (Artikel 54 EPÜ)
2.1 Dokument D6 betrifft ein allgemeines mathematisches Modell zur Optimierung verschiedener Faktoren wie Betriebszustand, Stromverbrauch, Start- und Stoppkosten von Kompressoren und Lieferleistung eines Kompressornetzwerks bei voller Erfüllung der Anforderungen, d. h. bei Gewährleistung der Versorgungssicherheit (vgl. Titel und Zusammenfassung). Als Ziel ist auch konkret genannt, die Gesamtkosten hierbei zu reduzieren (Seite 458, rechte Spalte, dritter Absatz). Dabei werden die folgenden Größen verwendet (Seite 458, linke Spalte, Aufzählung):
- Ein in Zeitabschnitte unterteilter Betrachtungs-zeitraum
- Mehrere Kompressoren mit jeweils einem maximalen Lieferstromvolumen
- Mehrere lokale Verfahrensanlagen mit einem Bedarf an Druckluft pro Zeitabschnitt.
2.1.1 Bezüglich Merkmal a) werden mehrere in Serie oder parallel zu einem Netzwerk verbundene Kompressoren optimiert (Zusammenfassung und Seite 1, Abschnitt 1, erster Absatz). Als Verbraucher ist eine Anlage zu Aufspaltung von Luft in ihre Bestandteile genannt (ibid.).
Die Patentinhaberin bestritt, dass Merkmal a) offenbart sei, da es ein bestimmtes Ergebnis, d. h. eine Aussage über die Versorgungssicherheit, liefern müsse und dies in D6 eben nicht offenbart sei.
Nach Ansicht der Kammer bedingt jedoch die Optimierung bei vollständiger Bedarfsdeckung ("under full demand satisfaction") die Gewährleistung der Versorgungssicherheit und dazu deren Analyse. Eine Erstellung einer expliziten Aussage dazu ist hingegen nicht Teil von Merkmal a).
2.1.2 Betreffend Merkmal b) werden als Ergebnis der Optimierung Betriebspläne für die einzelnen Kompressoren und deren Liefervolumenverläufe bestimmt bzw. abgeschätzt oder berechnet (Seite 464, Fig. 9 und Seite 465, Fig. 10). Dass in D6 die Betriebspläne in Abhängigkeit des Bedarfs bestimmt werden, tut der Tatsache keinen Abbruch, dass der "zeitliche Verlauf des maximalen Liefervolumenstroms" eben doch bestimmt wird.
Die Patentinhaberin argumentierte, dass in Dokument D6 nicht auf das "maximale Liefervolumenstrom" abgestellt wird, sondern nur auf den Liefervolumenstrom. So werde in D6 explizit beschrieben, dass die großen Kompressoren gerade nicht immer mit maximalem Volumenstrom arbeiten (siehe Seite 465, rechte Spalte, vorletzter Absatz). Dies sei ein Unterschied zu dem "maximalen Liefervolumenstrom", der angibt, was die Anlage maximal liefern könnte (siehe das Streitpatent, Absatz [0018]). Es sei vielmehr ein Parameter, der mit der maximal möglichen Leistung eines Autos vergleichbar sei.
Die Kammer stimmt dem nicht zu. Der Begriff "maximaler Liefervolumenstrom" ist so zu verstehen, dass er immer auf die Betriebssituation zum jeweiligen Zeitpunkt bezogen ist und davon abhängt, welche Kompressoren vorhanden und mit welcher Leistung sie im Einsatz sind. Dies ist auch im Streitpatent so, wie Absatz [0018] im letzten Satz feststellt. Insofern ist kein Unterschied zu dem Verfahren von D6 festzustellen. Hier wird nämlich auch der maximal mögliche Liefervolumenstrom der Kompressoren in der Konfiguration berücksichtigt, was auch das Ergebnis der Optimierung darstellt. Dem Argument der Patentinhaberin, D6 würde sich auf Masseströme und nicht auf Volumenströme beziehen, kann die Kammer ebenso wenig folgen, da die Größen Volumen und Masse bei gegebener Dichte und Druck in einem bestimmten Verhältnis zueinander stehen und umrechenbar sind, d. h. äquivalent zueinander sind.
2.1.3 In Bezug auf Merkmal c) wird auch in D6 der zeitliche Verlauf des Verbrauchsvolumenstroms ermittelt. Dies ergibt sich aus der Berücksichtigung des Druckluftbedarfs über die Zeit, d. h. der zeitliche Verlauf des Verbrauchsvolumenstroms, wie er auch in einem Diagramm dargestellt ist (Seite 463, linke Spalte, Fig. 8). Anhand dieser Größen wird dann das Kompressornetzwerk mathematisch modelliert (Abschnitte 5 und 6 auf den Seiten 458 bis 462).
2.1.4 Betreffend Merkmal d) wird in verschiedenen Fallstudien der Betrieb über mehrere Tage unter Berücksichtigung verschiedener Nebenbedingungen rechnergestützt, d. h. automatisch, optimiert (Seite 462, Abschnitt 7 und insbesondere Seite 463, linke Spalte, letzter Absatz). Diese Optimierung findet immer unter der eingangs genannten Prämisse statt, dass die Versorgungssicherheit gegeben ist. Dazu muss wiederum sichergestellt sein, dass zu jedem Zeitpunkt die Summe der Druckluftlieferungen der Kompressoren größer als der gesamte Verbrauch ist. Es findet also implizit eine Verrechnung des maximalen Liefervolumenstroms und des maximalen Verbrauchsvolumenstroms statt. Diese Verrechnung erfolgt im Übrigen innerhalb der vorgenannten Optimierung rechnergestützt bzw. automatisch (ibid.).
2.1.5 Bezüglich Merkmale e) und f) berücksichtigen die vorgenannten Fallstudien auch bestimmte Wartungspläne ("maintenance policy"; Seite 463, linke Spalte, Mitte: "Several maintenance policies are considered ..."). In einem Fall ("Problem I.3") ist der Wartungsplan zudem flexibel und wird zusätzlich zum Betrieb ebenfalls optimiert, d. h. nicht vorgegeben, sondern anhand anderer Werte bestimmt (Seite 465, linke Spalte, erster Absatz: "[...] if maintenance and operational tasks for compressors are optimized simultaneously"). Das Ergebnis der Verrechnung als Teil der Optimierung fließt somit automatisch bei der Planung der Wartungstermine und bei der Steuerung des Betriebs ein.
2.1.6 Dokument D6 offenbart somit alle Merkmale a) bis d) und von den alternativen Merkmalen e), f) und g) die ersten beiden Merkmale. Das Verfahren von Anspruch 1 ist somit nicht neu gegenüber D6.
2.2 Der Hauptantrag ist daher nicht nach Artikel 54 EPÜ gewährbar.
3. Hilfsanträge 1 bis 11 und 14 - Verbot von reformatio in peius
3.1 Die nicht beschwerdeführende Patentinhaberin ist primär darauf beschränkt, das Patent in der Fassung zu verteidigen, die die Einspruchsabteilung ihrer Zwischenentscheidung zugrunde gelegt hat (d. h. gemäß "Hilfsantrag 0.2"). Änderungen, die nicht notwendig und zweckmäßig sind, um dieses Ergebnis zu verteidigen, d. h. welche die beschwerdeführende Einsprechende in eine schlechtere Lage bringen würden, sind als unzulässig zurückzuweisen (Verbot von reformatio in peius; siehe z. B. G 4/93, Leitsatz II). Dies gilt für diejenigen Hilfsanträge, deren Anspruch 1 keines der drei ODER-verknüpften Merkmale e) bis g) in unveränderter oder weiter eingeschränkter Form (d. h. mit Merkmal e') und f')) umfasst, und deren Gegenstand daher erweitert wurde.
3.2 Diese Bemerkung wurde von der Kammer in der Mitteilung nach Artikel 15 Absatz 1 VOBK gemacht. Die Patentinhaberin hat weder in ihrer schriftlichen Erwiderung noch in der mündlichen Verhandlung darauf reagiert, und die Kammer sieht auch keinen Grund, davon abzuweichen.
3.3 Die Hilfsanträge 1 bis 11 und 14 werden daher als unzulässig zurückgewiesen.
4. Hilfsanträge 12, 13, 15, 1A bis 8A, 11A, 14A, und 16' bis 25'
4.1 Merkmalsübersicht
Ansprüche 1 dieser Hilfsanträge enthalten zusätzlich oder in Abwandlung der Merkmale a) bis d) die folgenden Merkmale einzeln oder in Kombination (Hervorhebungen durch die Kammer):
b') wobei der zeitliche Verlauf von MDVF(t) hingegen
nicht auf direkt oder indirekt erfassten Messwerten
basiert, sondern ein theoretischer Verlauf ist, der
auf einer Annahme basiert, welche Drucklufter-
zeuger, die entweder real bereits vorhanden oder in
zukünftigen Varianten oder innerhalb einer Planung
einer Druckluftanlage, im Analysezeitraum unter
Zugrundelegung eines möglichen Szenarios zu einer
bestimmten Zeit zur Verfügung stehen
(Hilfsanträge 1, 1A und 16')
e') dass in einer Wartungsterminplanungs-Routine auf
Basis der Analyse der Druckluftversorgungs-sicherheit automatisch eine Wartungsterminplanung ermittelt wird, bei der eine Gefährdung der Druckluftversorgungssicherheit vermieden wird und wobei in der Wartungsterminplanungs-Routine insbesondere abgeprüft wird, ob eine Wartung der Druckluftanlage ohne Gefährdung der Druckluftversorgungssicherheit in einem bestimmten Zeitraum stattfinden kann (Hilfsanträge 12 und 13)
f') dass die Ergebnisse der Analyse der Druckluft-
versorgungssicherheit in einem Steuerungsverfahren,
das den Betrieb der Druckluftanlage steuert,
eingehen bzw. dort Berücksichtigung finden
(Hilfsantrag 15)
h) dass zur Analyse der Druckluftversorgungssicherheit
im Analysezeitraum an einer Vielzahl von aufeinan-derfolgenden Zeitpunkten eine Differenzbildung von MDVF(t) und CVF(t) vorgenommen und in der Analyse berücksichtigt wird (Hilfsanträge 2, 2A und 17')
i) dass bei der Analyse der Druckluftversorgungs-
sicherheit das wirksame Puffervolumen V bzw. die
im wirksamen Puffervolumen V abspeicherbare
maximale Reserve RMAX berücksichtigt wird
(Hilfsanträge 3, 3A, 4, 4A, 18' und 19')
i') dass bei der Analyse der Druckluftversorgungs-
sicherheit die im wirksamen Puffervolumen V
gespeicherte Reserve R(t) berücksichtigt wird
(Hilfsanträge 6, 6A, 7, 7A, 8, 8A, 21', 22' und
23')
i'') dass bei der Analyse der Druckluftversorgungs-
sicherheit die im wirksamen Puffervolumen V
gespeicherte Reserve R(t) berücksichtigt wird,
wobei auf den Aufbau einer gezielten Reserve durch
Anhebung des Netzdrucks p(t) verzichtet wird, wenn
der angenommene CVF(t) in der prospektierten
Zeitspanne der Steuerung bzw. Regelung problemlos
durch die zur Verfügung stehenden Druckluft-
erzeuger produziert werden kann, und dass bei
Gefährdung der Druckluftversorgungssicherheit
automatisch Maßnahmen zur Erhöhung von CVF(t)
getroffen werden und damit der Druck im
Druckluftnetzwerk angehoben bzw. zusätzliche Menge
an Druckluft in das Puffervolumen eingespeist wird
(Hilfsantrag 15)
j) wobei RMAX die durch eine Druckspielraumgrenze UPL
begrenzte maximale Reserve ist, die man im
wirksamen Puffervolumen speichern kann
(Hilfsanträge 4, 4A und 19')
k) dass zur Analyse der Druckluftversorgungssicher-
heit ein Liefervolumenstromüberschuss DVFE(t) über
eine oder mehrere bestimmte Zeitspannen integriert
wird, wobei DVFE(t) = MDVF(t) - CVF(t) gilt
(Hilfsanträge 5, 5A, 8, 8A, 10, 13, 20' und 23')
k') dass zur Analyse der Druckluftversorgungssicher-
heit ein Liefervolumenstromüberschuss DVFE(t) über
ein oder mehrere bestimmte Zeitspannen integriert
wird (Hilfsanträge 7, 7A und 22')
m) dass das Verfahren zur Analyse der Druckluftver-
sorgungssicherheit vollständig oder teilweise von
einer Steuerungseinrichtung ausgeführt wird, die
zur Steuerung der Druckluftanlage vorgesehen ist
(Hilfsanträge 11, 11A und 24')
n) dass bei Gefährdung der Druckluftversorgungs-
sicherheit[, insbesondere automatisch,]
Maßnahmen zur Erhöhung des Liefervolumenstroms
CVF(t) getroffen werden und damit der Druck im
Druckluftnetzwerk angehoben bzw. zusätzliche Menge
an Druckluft in das Puffervolumen eingespeist wird
(Hilfsanträge 14, 14A und 25')
n') dass bei Gefährdung der Druckluftversorgungs-
sicherheit automatisch Maßnahmen zur Erhöhung
des Liefervolumenstroms CVF(t) getroffen werden
und damit der Druck im Druckluftnetzwerk
angehoben bzw. zusätzliche Menge an Druckluft in
das Puffervolumen eingespeist wird
(Hilfsantrag 15)
4.2 Beitrag zu einer erfinderischen Tätigkeit
4.2.1 Die in Merkmal b') im Vergleich zu Merkmal b) hinzugefügten Einschränkungen können keinen technischen Effekt erzeugen, da explizit keine erfassten Messwerte verwendet werden, sondern lediglich ein theoretischer Verlauf herangezogen wird. Daher können sie grundsätzlich nicht zu einer erfinderischen Tätigkeit beitragen.
4.2.2 Wie in Merkmal e') wird auch im Verfahren von D6 eine Wartungsterminplanung automatisch im Rahmen der Optimierung ermittelt (Seite 464, Fig. 9; Seite 465, linke Spalte, erster Absatz). Dabei wird die Wartung implizit so geplant, dass die Druckluftversorgung nicht gefährdet wird.
4.2.3 In Merkmal f') wurde im Vergleich zu Merkmal f) "automatisch" gestrichen. Merkmal f') ist damit breiter und wird mithin ebenso von D6 vorweggenommen (vgl. Punkt 2.1.5 oben).
4.2.4 In Merkmal h) werden der "maximale Liefervolumenstrom" und der "Verbrauchsvolumenstrom" zu einer Vielzahl von aufeinanderfolgenden Zeitpunkten miteinander verrechnet und in der Analyse berücksichtigt. Dieses Merkmal ist in der Tat nicht explizit in D6 offenbart - auch wenn im Verfahren von D6 die Bedarfsdeckung implizit zu jedem Zeitpunkt gegeben sein muss. Allerdings stellt das Merkmal eine Maßnahme zur Implementierung des Verfahrens von D6 dar, die zweifellos Teil des allgemeinen Fachwissens einer Fachperson auf dem Gebiet der Automatisierungstechnik ist. Die Fachperson hätte, ausgehend von D6 und mit der Implementierung des Verfahrens von D6 betraut, Merkmal h) ins Auge gefasst, ohne erfinderisch tätig werden zu müssen. Abgesehen davon, lässt sich dem Merkmal auch kein technischer Effekt beimessen, da es nur die Art der Berechnungen betrifft und nicht notwendigerweise die tatsächliche Steuerung eines technischen Systems ("Druckluftanlage"). Auf alle Fälle kann hier mangels detaillierter Angaben keine - wie von der Patentinhaberin geltend gemachte - "verbesserte oder verfeinerte quantitative Beurteilung der Druckluftversorgungssicherheit" glaubhaft ermöglicht werden. Das hinzugefügte Merkmal trägt also nicht zu einer erfinderischen Tätigkeit bei.
Die Patentinhaberin argumentierte hierzu, dass Merkmal h) nicht auf die Prüfung zu reduzieren sei, ob der "maximale Liefervolumenstrom" oder der "Verbrauchsvolumenstrom" größer seien, sondern liefere eine Differenz. Dies sei jedoch in D6 nicht offenbart, zumal dort auch die Möglichkeit offengehalten werde, einzelne Produkte zuzukaufen, so dass der "Verbrauchvolumenstrom" gegebenenfalls angepasst werden kann.
Die Kammer ist von dem Argument nicht überzeugt. Zur Implementierung des Verfahrens von D6 ist es sogar zwingend nötig, die Differenz zwischen Liefer- und Verbrauchsvolumenstrom zu ermitteln, um im Betriebsplan auch die "richtigen" Kompressoren einplanen zu können. Und selbst wenn in D6 die Möglichkeit offengehalten wird, Produkte zuzukaufen, muss die Optimierung typischerweise auch möglich sein, ohne diese Möglichkeit zu nutzen.
4.2.5 In Merkmal i) wird die "abspeicherbare maximale Reserve" zur Analyse herangezogen. Es wird, mit anderen Worten, berücksichtigt, bis zu welchem Punkt eine "Reserve" aufgebaut werden kann. Bei einem wie in D6 bekannten zeitlichen Verlauf des Verbrauchsvolumen-stroms die aufbaubare Reserve zu berücksichtigen, um beispielsweise für einen zu erwartenden abrupten Verbrauchsanstieg vorzusorgen, ist - unabhängig davon, ob eine technische Steuerung überhaupt stattfindet -nach Ansicht der Kammer naheliegend (siehe ergänzend auch Punkt 4.2.6 oben).
4.2.6 Die "Reserve" in Merkmal i') ist nichts weiter als die Druckluft, die gegebenenfalls wegen der inhärenten Speicherfähigkeit des Druckluftnetzwerks vorhanden ist. Dieses Merkmal kann also auch nicht glaubhaft eine "verfeinerte quantitative Beurteilung der Druckluftversorgungssicherheit" im Sinne der Patentinhaberin gewährleisten. Bei dem Optimierungsverfahren von D6 wäre es nach Ansicht der Kammer für die Fachperson naheliegend gewesen, diese Reserve auch bei der Optimierung des Kompressorbetriebs zu berücksichtigen, um vorhandene Reserven auszunutzen.
Die Patentinhaberin argumentierte auch, dass D6 nicht offenbare, das "Puffervolumen" bei der Analyse zu berücksichtigen. Nach Ansicht der Kammer ist dies zwar korrekt, aber es war dennoch für die Fachperson aus den obigen Gründen naheliegend, das Puffervolumen und die darin enthaltene Reserve zu berücksichtigen, um beispielsweise nicht mehr Kompressoren zu betreiben als nötig sind.
4.2.7 Merkmal i'') erweitert Merkmal i') im Wesentlichen um die Anweisung, dass ohne Not keine Reserve aufgebaut wird. Dieses Vorgehen stellt jedoch nach Ansicht der Kammer eine Alternative dar, die selbstverständlich der Fachperson zum Anmeldezeitpunkt des Streitpatents bekannt war und von dieser in naheliegender Weise in Betracht gezogen worden wäre.
4.2.8 Merkmal j) definiert die "abspeicherbare maximale Reserve" auf eine Weise, die für ein Druckluftnetzwerk nahezu zwingend ist, wenn der Druck innerhalb eines bestimmten Bereichs gehalten werden soll - was für ein Druckluftnetzwerk auch grundsätzlich anzunehmen ist.
4.2.9 In Merkmal k) wird ein "Liefervolumenüberschuss" integriert. Da Druckluftsysteme typischerweise ein inhärentes Speichervolumen aufgrund der Leitungen besitzen, wäre es der Fachperson zum Anmeldezeitpunkt bekannt gewesen, dass die zeitliche Komponente berücksichtigt werden muss, um wiederum die Druckschwankungen bei Über- bzw. Unterdeckung, d. h. Überschuss- oder Fehlvolumenstrom, bestimmen zu können. Zudem stellt eine Integration über die Zeit ein bekanntes und für die Fachperson naheliegendes Verfahren dar, um aus der Differenz zwischen Liefer- und Verbrauchsvolumenstrom die Auswirkungen auf den Druck und damit die Versorgungssicherheit bestimmen zu können. Darüber hinaus kann auch dem Merkmal k) kein technischer Effekt zuerkannt werden, da es nur arithmetische Berechnungen betrifft.
Die Patentinhaberin argumentierte, dass in D6 keine Analyse der Versorgungssicherheit stattfinde, da dort keine quantitative Aussage gemacht werde. Es werde alles nur so gewählt, dass die Versorgung gewährleistet sei. Dies sei aber nur qualitativer Natur.
Die Kammer ist auch von diesem Argument nicht überzeugt. Selbst wenn D6 nicht die "Integration" offenbart, wäre es für eine Fachperson dennoch naheliegend gewesen - wenn nicht sogar zwingend erforderlich - sie durchzuführen, um die Versorgungssicherheit in einem Netzwerk mit inhärentem Speichervolumen zu gewährleisten bzw. den Druck im vorgeschriebenen Bereich zu halten. Abgesehen davon, dass auch in Merkmal k) keine quantitative Aussage angesprochen wird, liefert eine Integration üblicherweise einen quantitativen Wert. Einen solchen Wert hätte die Fachperson auch mittels Integration ermittelt, um den Einsatz der Kompressoren in dem Verfahren von D6 "richtig" zu koordinieren.
4.2.10 Merkmal k') ist weniger eingeschränkt als Merkmal k) und daher ebenfalls naheliegend (siehe Punkt 4.2.9 oben).
4.2.11 Merkmal m) schränkt das Verfahren dahingehend ein, dass es zumindest teilweise von einer "Steuerungseinrich-tung" ausgeführt wird, die auch zur Steuerung der Druckluftanlage vorgesehen ist. Dokument D6 offenbart jedoch bereits, dass die Optimierung mittels einer "Recheneinrichtung" durchgeführt wird und als Ergebnis einen Betriebsplan liefert (Seite 463, linke Spalte, letzter Absatz; Seite 464, Fig. 9(a),(b) und (c); Seite 463, rechte Spalte, letzter Absatz: "Fig. 9a displays the optimal compressors schedule ..."; ebenso für Figuren 9(b) und (c) auf Seite 464, linke Spalte, letzter Absatz und Seite 465, linke Spalte, zweiter Absatz). Ein Betriebsplan für die Kompressoren ist zumindest ein Element für die Steuerung einer Druckluftanlage, so dass die bei der Optimierung in dem System von D6 eingesetzte "Recheneinrichtung" auch zur Steuerung der Druckluftanlage "vorgesehen" ist. Merkmal m) wird somit auch durch D6 vorweggenommen.
4.2.12 In Merkmal n) ist die automatische Ausführung, die technische Mittel implizieren könnte, optional. Die übrigen Elemente beschreiben nichts weiter, als dass bei Gefährdung der Druckluftversorgungssicherheit,
d. h. wenn der Verbrauchsvolumenstrom geringer als der Liefervolumenstrom ist oder zu werden droht, das Lieferstromvolumen erhöht und damit der Druck angehoben wird bzw. zusätzliche Druckluft in das Puffervolumen geladen wird. Es zählte jedoch für eine Fachperson auf dem Gebiet der Drucklufttechnik zum Anmeldezeitpunkt des Streitpatents zweifellos zum allgemeinen Fachwissen, die Druckluftlieferung bei zu niedrigem Liefervolumen zu erhöhen, um den Bedarf zu decken. Abgesehen davon sind die Betriebspläne in dem System von D6 immer dahingehend optimiert, dass die Versorgungssicherheit auch immer gegeben ist, so dass stets genügend Kompressoren zugeschaltet werden und somit der Liefervolumenstrom erhöht werden kann, wodurch auch der Druck angehoben wird (siehe z. B. die Zusammenfassung "... under full demand satisfaction ..."). Merkmal n) wird somit auch von D6 vorweggenommen.
4.2.13 In Merkmal n') wurde im Vergleich zu Merkmal n) "insbesondere" gestrichen, so dass die Maßnahmen zur Druckerhöhung nunmehr automatisch durchgeführt werden. Auch die Automatisierung dieser trivialen Maßnahmen war nach Ansicht der Kammer naheliegend zum Anmeldezeitpunkt (siehe Punkt 4.2.12 oben).
4.3 Die Merkmale b'), e'), f'), h), i), i'), i''), j), k), k'), m), n) und n') können daher auch in Kombination nicht zu einer erfinderischen Tätigkeit beitragen. Die Hilfsanträge 12, 13, 15, 1A bis 8A, 11A, 14A, und 16' bis 25' sind daher ebenfalls nicht gewährbar (Artikel 56 EPÜ).
5. Hilfsantrag 26 - Zulassung (Artikel 13 (2) VOBK)
5.1 In Anspruch 1 dieses sehr spät eingereichten Hilfsantrags ist ausgeführt, dass als Ergebnis der Analyse ein "Reservegrad" angezeigt wird.
5.2 Die Patentinhaberin argumentierte, dass dieser Antrag unter dem Eindruck der Diskussion der Technizität einiger Merkmale in Reaktion auf die vorläufige Meinung der Kammer (vgl. Ladungsmitteilung, Punkt 5.2) eingereicht wurde, um mit der Aufnahme eines konkreten Parameters diesbezüglich Abhilfe zu schaffen.
5.3 Dies vermag nicht zu überzeugen. Dieser Antrag wurde nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung bzw. der Zustellung der vorläufigen Meinung der Kammer und insbesondere gegen Ende dieser Verhandlung eingereicht. Er fällt daher in den Anwendungsbereich von Artikel 13 (2) VOBK. Somit ist dieser Hilfsantrag nicht zu berücksichtigen, es sei denn, die betreffende Partei hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass "außergewöhnliche Umstände" vorliegen.
5.4 Die Kammer stellt hierzu fest, dass der Einwand der mangelnden Technizität von bestimmten Merkmalen von Anspruch 1 des Hilfsantrags 0.2 in der Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK erhoben wurde und daher durchaus Gelegenheit bestand, wenn überhaupt, vor der mündlichen Verhandlung vor der Kammer einen entsprechend überarbeiteten Anspruchssatz einzureichen. Darüber hinaus drehte sich die Diskussion zu den in der mündlichen Verhandlung vorher behandelten Anträgen um die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit gegenüber Dokument D6 (siehe oben). Daher können hier auch keine "außergewöhnliche Umstände" im Sinne von Artikel 13 (2) VOBK vorliegen.
5.5 Darüber hinaus stehen auch die Kriterien von
Artikel 13 (1) VOBK aus den folgenden Gründen der Zulassung dieses Hilfsantrags entgegen:
Das hinzugefügte Merkmal richtet sich auf die bloße Informationsvermittlung für eine Bedienperson und steht in keinerlei Beziehung zu den bislang behandelten Aspekten, die die Verwendung der Analyseergebnisse zur Steuerung der Druckluftanlage oder die Wartungsplanung betrafen. Die Änderung führt mithin eine neue Komplexität in das Verfahren ein, so dass gegebenenfalls weitere Dokumente heranzuziehen wären und das Gebot der Verfahrensökonomie somit verletzt wäre. Abgesehen davon erscheint es prima facie zweifelhaft, dass das hinzugefügte Merkmal zu einer erfinderischen Tätigkeit beitragen und die Einwände der mangelnden Neuheit bzw. erfinderischen Tätigkeit ausräumen kann, da auch in Dokument D6 ein Bericht für eine Bedienperson erstellt wird und die Anzeige eines "Reservegrads", d. h. des bei einem bestimmten Betriebsplan verbleibenden Sicherheitspuffers, vom allgemeinen technischen Fachwissen der Fachperson durchaus umfasst ist.
5.6 Die Kammer hat deshalb entschieden, Hilfsantrag 26 nicht in das Verfahren zuzulassen.
6. Da keiner der vorliegenden Anspruchssätze gewährbar ist, ist das Streitpatent zu widerrufen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.