T 0383/23 06-10-2023
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VERFAHREN ZUR HERSTELLUNG VON SPUNDWANDKOMPONENTEN
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent N° 2134506 in geänderter Fassung aufrechterhalten worden ist, Beschwerde eingelegt.
II. Die Einspruchsabteilung stellte fest, dass der am 2. September 2022 eingereichte Hauptantrag den Erfordernissen des EPÜ genügte und entschied, das Patent in dieser geänderten Fassung aufrechtzuerhalten. Die Neuheit des Gegenstands des unabhängigen Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag würde unter Berücksichtigung des folgenden Standes der Technik gemäß Artikel 54(3) EPÜ anerkannt:
WO 2007/082619 A1
III. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.
Mit Schreiben vom 5. September 2023 teilte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) der Kammer mit, dass sie beschlossen hatte, das Patent durch die Nichtzahlung der 16. Jahresgebühr fallenzulassen, und dass von einer Erwiderung auf die Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) daher abgesehen wird.
Mit der Erwiderung vom 21 September 2023 auf eine Mitteilung der Kammer gemäß Regel 100(2) EPÜ datiert 18 September 2023, hielt die Beschwerdeführerin (Einsprechende) ihre Beschwerde aufrecht.
Unter diesen Umständen und im Hinblick auf die nachstehend ausgeführte Schlussfolgerung zur Sache konnte die Entscheidung der Kammer auf der Grundlage des schriftlichen Beschwerdevorbringens erfolgen.
IV. Der der angefochtenen Entscheidung unterliegende Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt (Merkmalsgliederung wie von der Einspruchsabteilung hinzugefügt):
1.a "Verfahren zur Herstellung einer Spundwandkomponente, die mindestens ein sich über die gesamte Länge der Spundwandkomponente erstreckendes Schloss gleichbleibenden Querschnitts zum Einhängen des Schlosses einer weiteren (18) Spundwandkomponente aufweist, wobei bei dem Verfahren:
1.b ein Vorprodukt durch Umformen gefertigt wird und
1.c das Schloss im Querschnitt gesehen zumindest abschnittsweise durch spanende Bearbeitung an dem mit dem Schloss zu versehenden Abschnitt des Vorproduktes gefertigt wird, wobei
1.d der Abschnitt im Querschnitt so ausreichend bemessen ist, dass durch das Umformen am Vorprodukt entstehende Maßabweichungen bei der spanenden Bearbeitung des Schlosses berücksichtigt sind, dadurch gekennzeichnet,dass
1.e die Spundwandkomponente ein Keulenträger (10) mit sich zum freien Ende des T-Balkens (12) hin keilförmig erweiternder Querschnittsform als Schloss zum Einhängen des Schlosses einer weiteren (18) Spundwandkomponente ist, und
1.f dass das Schloss im Querschnitt gesehen zumindest abschnittsweise mit Hilfe einer mobilen Bearbeitungsstation durch spanende Bearbeitung aus dem Vorprodukt erzeugt wird.
Neuheit: Artikel 52(1) und 54 EPÜ
1. Entgegen der Schlussfolgerung der Einspruchsabteilung ist der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht neu im Sinne von Artikeln 52(1) und 54 EPÜ.
1.1 Dokument D2 stellt einen Stand der Technik gemäß Artikel 53(4) EPÜ dar. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass die Merkmale 1.a bis 1.e des unabhängigen Anspruchs 1 in D2 in Kombination offenbart seien. In Ermangelung einer Stellungsnahme der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat die Kammer keinen Grund, von dieser Einschätzung abzuweichen. Die Einspruchsabteilung war auch der Auffassung, dass das Merkmal 1.f des unabhängigen Anspruchs 1, wonach:
"das Schloss im Querschnitt gesehen zumindest abschnittsweise mit Hilfe einer mobilen Bearbeitungsstation durch spanende Bearbeitung aus dem Vorprodukt erzeugt wird."
dem D2 nicht eindeutig und unmittelbar zu entnehmen sei, und kam somit zur Schlussfolgerung, dass diese Entgegenhaltung nicht neuheitsschädlich für den Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 sei. Hierzu wurde ausgeführt, dass D2 völlig offen lasse, ob die zur Herstellung des Schlosses (siehe "groove 24" in Figur 3 des D2) verwendete Fräsmaschine (vgl. Seite 9, Zeilen 15-18) mobil oder stationär sei.
1.2 Die Ausführungen der Einspruchsabteilung zur Neuheit sind aus folgenden Gründen nicht überzeugend:
Die Kammer schließt sich der Auffassung der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) an, dass der relative Begriff "mobil" - entgegen der Interpretation der Einspruchsabteilung - im weitesten Sinne als "transportierbar" auszulegen ist. Eine solche breitere Auslegung wird dadurch gerechtfertigt, dass das Patent keine Information hinsichtlich der strukturellen Eigenschaften, z.B. Gesamtmaß und Gewicht einer patentgemäßen Bearbeitungsstation, liefert. Die einzige in diesem Zusammenhang relevante Angabe im Streitpatent ist, dass eine mobile Bearbeitungsstation von Vorteil sei, wenn vor Ort, beispielsweise an einer Baustelle, an einen herkömmlichen Träger, nachträglich, ein einfaches Schloss ausgebildet werden soll (vgl. Absatz [0021] des Streitpatents). Diese Textstelle verdeutlicht, dass eine patentgemäße Bearbeitungsmaschine zur Baustelle transportierbar sein soll. Die Kammer stimmt der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) zu, dass fast jede Fräsmaschine im Prinzip als transportierbar anzusehen ist. Auf jeden Fall ist es für den Fachmann klar, dass zum Anbringen eines Schlosses (24) in die Flansche (14) der aus dem D2 bekannten Spundwandkomponente, aufgrund deren Dimensionen, nur eine - im weitesten Sinn -transportierbare Fräseinrichtung in Frage kommt. Aus diesen Gründen und entgegen der Einschätzung der Einspruchsabteilung offenbart D2 auch Merkmal 1.f des Anspruchs 1 und ist somit neuheitsschädlich für den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.