T 1232/23 24-06-2025
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VORRICHTUNG, INSBESONDERE ZUM VERSCHLIESSEN EINES KOPFBEREICHS EINES NAHRUNGSMITTELBEHAELTERS, AUS EINEM LAMINAT MIT GESCHAELTEM UND UMGESCHLAGENEN RANDBEREICH
(1) Tetra Laval Holdings & Finance SA
(2) Elopak AS
Rechtliches Gehör - Fernbleiben von der mündlichen Verhandlung
Wesentlicher Verfahrensmangel - (nein)
Rückzahlung der Beschwerdegebühr - (nein)
Neuheit - Hauptantrag (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (ja)
Spät eingereichter Einwand - zugelassen (nein)
Spät eingereichtes Dokument - zugelassen (ja)
Spät eingereichtes Dokument - zugelassen (nein)
I. Die Beschwerden der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin 1) und der Einsprechenden 2 (Beschwerdeführerin 2) richten sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der festgestellt wurde, dass unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen (damals Hilfsantrag 16) das Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des Übereinkommens genügen.
Nachdem beide der oben genannten Verfahrensbeteiligten jeweils sowohl Beschwerdeführerin als auch Beschwerdegegnerin sind, werden sie zur besseren Lesbarkeit im Folgenden als Patentinhaberin und Einsprechende 2 bezeichnet.
II. Der Einspruch der Einsprechenden 1 richtete sich gegen das Patent im gesamten Umfang auf Basis des Einspruchsgrunds der mangelnden erfinderischen Tätigkeit nach Artikel 100 a) und 56 EPÜ. Der Einspruch der Einsprechenden 2 richtete sich gegen das Patent im gesamten Umfang auf Basis der Einspruchsgründe der mangelnden Neuheit nach Artikel 100 a) und 54 EPÜ sowie der mangelnden erfinderische Tätigkeit nach Artikel 100 a) und 56 EPÜ.
III. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK vom 14. Februar 2025 teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung zu den Erfolgsaussichten mit, wonach die angefochtene Entscheidung aufzuheben sei und das Patent in geändertem Umfang auf Basis des Hilfsantrags 2 aufrechtzuerhalten sein dürfte.
IV. Die Einsprechende 2 reagierte mit Schriftsatz vom 11. April 2025 und die Patentinhaberin mit Schriftsatz vom 16. Mai 2025 inhaltlich auf diese Mitteilung. Die Einsprechende 1 nahm mit Schriftsatz vom 22. Mai 2025 ihren hilfsweise gestellten Antrag auf mündliche Verhandlung zurück und kündigte an, nicht an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen.
V. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 24. Juni 2025 ohne Teilnahme der Einsprechenden 1 statt. Wegen der Einzelheiten des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll verwiesen. Die Entscheidung wurde am Schluss der Verhandlung verkündet.
VI. Die Patentinhaberin beantragte zuletzt und soweit für die vorliegende Entscheidung relevant:
die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung,
die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung und
die Rückerstattung der von ihr gezahlten Beschwerdegebühr,
sowie hilfsweise bei Aufhebung der angefochtenen Entscheidung
die Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt (Hauptantrag),
sowie weiter hilfsweise
die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf Basis eines der Hilfsanträge 1 oder 2, jeweils eingereicht mit Schreiben vom 7. Februar 2022.
Darüber hinaus beantragte sie, soweit für die vorliegende Entscheidung relevant, die folgenden Dokumente nicht im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen:
- D22 und D23, eingereicht während des Einspruchsverfahrens,
- D37 und D38, eingereicht während des Einspruchsverfahrens,sowie
- D52 bis D56, eingereicht mit Schriftsatz vom 11. April 2025.
Auch beantragte sie, dass die unter Artikel 123 (2), 83 und 84 EPÜ und Regel 80 EPÜ gegen Hilfsantrag 2 erhobenen Einwände nicht in das Verfahren zugelassen werden (siehe Schriftsatz vom 16. Mai 2025, Seite 2).
VII. Die Einsprechende 2 beantragte, soweit für die vorliegende Entscheidung relevant
die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Sie beantragte darüber hinaus, dass die folgenden Dokumente nicht in das Verfahren zugelassen werden:
- D45 sowie D49 bis D51, eingereicht mit Schriftsatz vom 4. April 2025.
VIII. Die Einsprechende 1 als Verfahrensbeteiligte beantragte im schriftlichen Verfahren
die Zurückweisung der Beschwerde der Patentinhaberin.
IX. Hinsichtlich der weiteren, für diese Entscheidung nicht weiter relevanten Anträge der Beteiligten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
X. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt (Merkmalsanalyse gemäß Punkt II.1.1 der Entscheidungsgründe):
"1.1 Eine Vorrichtung (100) beinhaltend ein erstes Fixierelement (103), ein weiteres Fixierelement (104) und einen gefalteten flächenförmigen Verbund (101);
1.2 wobei das erste Fixierelement (103) eine erste Fixieroberfläche (105) beinhaltet und das weitere Fixierelement (104) eine weitere Fixieroberfläche (106) beinhaltet;
1.3 wobei der gefaltete flächenförmige Verbund (101) zwischen der ersten Fixieroberfläche (105) und der weiteren Fixieroberfläche (106) mindestens teilweise fixiert ist;
1.4 wobei der gefaltete flächenförmige Verbund (101) einen ersten Verbundbereich (107) und
1.5 einen weiteren Verbundbereich (108) beinhaltet;
1.6 wobei der erste Verbundbereiche (107) eine erste Schichtfolge, beinhaltend als einander überlagernde Schichten in Richtung von der weiteren Fixieroberfläche (106) zu der ersten Fixieroberfläche (105) eine erste Verbundschicht (201), eine zweite Verbundschicht (202), eine dritte Verbundschicht (203) und eine vierte Verbundschicht (204) beinhaltet;
1.7 wobei in dem ersten Verbundbereich (107) die dritte Verbundschicht (203) mit der vierten Verbundschicht (204) verbunden ist;
1.8 wobei der weitere Verbundbereich (108) eine weitere Schichtfolge, beinhaltend als einander überlagernde Schichten in Richtung von der weiteren Fixieroberfläche (106) zu der ersten Fixieroberfläche (105) die erste Verbundschicht (201), die zweite Verbundschicht (202) und die vierte Verbundschicht (204), beinhaltet,
1.9 wobei in dem weiteren Verbundbereich (108) die zweite Verbundschicht (202) mit der vierten Verbundschicht (204) verbunden ist;
1.10 wobei der weitere Verbundbereich (108) an den ersten Verbundbereich (107) angrenzt;
1.11 wobei die erste Verbundschicht (201) eine erste Trägerschicht (205) beinhaltet;
1.12 wobei die zweite Verbundschicht (202) eine zweite Trägerschicht (208) beinhaltet;
1.13 wobei die dritte Verbundschicht (203) eine dritte Trägerschicht (209) beinhaltet;
1.14 wobei die vierte Verbundschicht (204) eine vierte Trägerschicht (212) beinhaltet;
1.15 wobei in dem ersten Verbundbereich (107) die erste Trägerschicht (205) oder die vierte Trägerschicht (212) oder jeweils beide gekennzeichnet ist durch eine größere Schichtdicke als die zweite Trägerschicht (208) oder die dritte Trägerschicht (209) oder jeweils beide;
1.16 wobei in dem weiteren Verbundbereich (108) die zweite Trägerschicht (208) gekennzeichnet ist durch eine größere Schichtdicke als in dem ersten Verbundbereich (107);
1.17 wobei die weitere Fixieroberfläche (106) eine Aussparung (213) beinhaltet;
1.18 wobei sich der erste Verbundbereich (107) und der weitere Verbundbereich (108) jeweils mindestens teilweise zwischen der Aussparung (213) und der ersten Fixieroberfläche (105) befinden."
XI. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 entspricht dem unabhängigen Anspruch 1 gemäß Hauptantrag.
XII. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom unabhängigen Anspruch 1 gemäß Hauptantrag durch die hinzugefügten Merkmale
a) "wobei eine ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus der ersten Trägerschicht (205), der zweiten Trägerschicht (208), der dritten Trägerschicht (208) und der vierten Trägerschicht (212), oder eine Kombination aus mindestens zwei davon Karton beinhaltet;" und
b) "wobei der Karton eine Restfeuchtigkeit von 4 bis 10 Gew-%, bezogen auf das Gesamtgewicht des Kartons, hat."
XIII. Eine Wiedergabe der weiteren Hilfsanträge erübrigt sich angesichts der folgenden Entscheidung der Kammer.
XIV. In der vorliegenden Entscheidung wird auf die folgenden bereits im Einspruchverfahren vorgelegten Dokumente bzw. Beweismittel Bezug genommen:
A2: Versuchsbericht - Durchführung der
Vergleichsversuche, eingereicht mit dem auf
7. Februar 2022 datierten Schriftsatz der
Patentinhaberin,
D2: DE 10 2006 045 338 A1;
D22: NATURA product specification (12.2012);
D23: EMC5003 ELOPAK Carton Inventory Management;
revision date 1999.05.20;
D37: DE 10 2011 108 402 A1;
D38: WO 2013/013801 A1;
sowie auf die folgenden, erstmalig im Beschwerdeverfahren vorgelegten Dokumente bzw. Beweismittel:
D45: Versuchsbericht der Patentinhaberin vom
19. März 2024, 3 Seiten;
D49: Schriftliche Erklärung von Herrn Mike Duisken vom 4. April 2024, 2 Seiten;
D50: Schriftliche Erklärung von Herrn Alexander Pauling vom 27. März 2024, 2 Seiten;
D51: Schriftliche Erklärung von Herrn Michael Forster vom 4. April 2024, 2 Seiten;
D52: Pulp and Paper Chemistry and Technology,
Vol. 4, Paper Products Physics and Technology,
Editoren Monica Ek, Göran Gellerstedt, Gunnar
Henriksson,
Stockholm 2009, Seite 115,
ISBN 978-3-11-021345-4
D53: WO 2013/013802 A1;
D54: "Investigation of Mechanical Tearing", Henrik
Skanse, Masterthesis, Lunds Tekniska Högskola,
2009;
D55: https://www.storaenso.com/en/products/
paperboard-materials/liquid-packaging;
D56: Stora Enso Natura Board technical
specification, 03.2014, 1 Seite.
XV. Das entscheidungserhebliche Vorbringen der Beteiligten wird im Detail in den Entscheidungsgründen diskutiert.
1. Rechtliches Gehör
Obwohl die ordnungsgemäß geladene Einsprechende 1 nicht an der mündlichen Verhandlung teilnahm, wurde das Prinzip des rechtlichen Gehörs gemäß Artikel 113 (1) EPÜ nicht verletzt, da es ausreichte, dass sie die Gelegenheit dazu hatte, gehört zu werden. Durch das von ihr angekündigte Fernbleiben von der mündlichen Verhandlung verzichtete die fernbleibende Beteiligte auf diese Möglichkeit (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA [RdB], 10. Auflage 2022, Abschnitt V.A.5.5.4).
Das Verfahren konnte daher gemäß Regel 115 (2) EPÜ und Artikel 15 (3) VOBK ohne die Einsprechende 1 fortgesetzt werden.
2. Wesentliche Verfahrensmängel
2.1 Die Patentinhaberin rügte, dass die angefochtene Entscheidung auf drei wesentlichen Verfahrensmängeln beruhe und daher bereits deshalb aufzuheben und das Verfahren an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen sei. Zudem rechtfertigten die wesentlichen Verfahrensmängel eine Rückerstattung der Beschwerdegebühr.
2.2 Die Patentinhaberin sah einen ersten angeblichen wesentlichen Verfahrensmangel in einem vermeintlichen Verstoß gegen die Erfordernisse des Artikels 106 (1) EPÜ i.V.m. Regel 111 (2) EPÜ, weil die angefochtene Entscheidung nicht auf Tatsachen, sondern lediglich auf Meinungen der Einspruchsabteilung beruhe. Eine Meinung könne jedoch keine rechtliche Grundlage für eine Entscheidung im Sinne des Artikels 106 (1) EPÜ bieten. Es stehe nicht im Ermessen der Einspruchsabteilung auf Grundlage einer Meinung eine Entscheidung darüber zu treffen, ob ein Antrag den Erfordernissen der Deutlichkeit, Neuheit, erfinderischen Tätigkeit oder den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ genüge. Vielmehr müsse die Entscheidung auf einer umfassenden Tatsachenermittlung beruhen.
2.3 Die Kammer schließt sich der Meinung der Patentinhaberin nicht an. Die Einspruchsabteilung hat hinsichtlich der mit der angefochtenen Entscheidung nicht gewährten Anträge (Hauptantrag, Hilfsanträge 1, 2, 13, 18, 14 und 15) konkrete Tatsachenfeststellungen getroffen, denn sie begründete ihre Entscheidung jeweils materiell deutlich erkennbar in Bezug auf die Lehren der Dokumente D2 und D37 und den ursprünglich eingereichten Unterlagen.
Dass die Einspruchsabteilung anschließend auf Grundlage der vorgebrachten Beweismittel ihrerseits Tatsachenfeststellungen traf und anschließend auf Grundlage dieser Tatsachenfeststellungen zu einer Überzeugung über die Begründetheit eines Einspruchsgrunds gelangte, welche sie zwar nicht als "Überzeugung" sondern als "Meinung" bezeichnete, stellt keinen Verfahrensmangel dar. Dieses Vorgehen entspricht unabhängig davon, welchen ausschließlichen Sinngehalt die Patentinhaberin dem Begriff "Meinung" zugestehen möchte, gerade dem Kern des in den Verfahren vor dem Europäischen Patentamt geltenden Grundsatzes der freien Beweiswürdigung. Dieser Grundsatz gilt insbesondere auch im administrativen Verfahren vor dem Europäischen Patentamt, also auch vor der Einspruchsabteilung (vgl. RdB, supra, III.G.4.1).
2.4 Die Patentinhaberin sieht einen zweiten angeblichen wesentlichen Verfahrensmangel in einem vermeintlichen Verstoß gegen allgemein anerkannte Grundsätze des Verfahrensrechts nach Artikel 125 EPÜ; insbesondere sei ihr Recht auf ein faires Verfahren verletzt worden.
Sie trug dazu im Ergebnis vor, dass ihr die Einspruchsabteilung bei der Erörterung der Zulassung der Dokumente D37 und D38 verweigert habe, Versuchsergebnisse vorzulegen, mit denen dargelegt würde, dass ein bestimmtes für den Hilfsantrag 2 relevantes Merkmal diesen Dokumenten nicht zu entnehmen sei.
Dazu legte sie zuletzt mit ihrem Schriftsatz vom 4. April 2024 die Dokumente D49 bis D51 vor, die jeweils eine schriftliche Erklärung darüber enthalten, dass die Erklärenden bei der mündlichen Verhandlung anwesend waren und jeweils bestätigen könnten, dass die Patentinhaberin um die Gelegenheit bat, durch das Vorlegen von Versuchsergebnissen ihre Argumente zu der Offenbarung eines Merkmals in den Dokumenten D37 und D38 zu stützen.
2.5 Die Kammer schließt sich der Meinung der Patentinhaberin nicht an. Die vorgelegten Erklärungen D49 bis D51 sind für die Beurteilung der Frage, ob ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens vorlag, jedoch nicht erheblich.
2.5.1 Damit die Einspruchsabteilung einen wirksamen Antrag auf Vorlage weiterer Beweismittel, wie der von der Patentinhaberin gestellte Antrag auf Vorlage von Versuchsergebnissen, als solchen angemessen würdigen und über ihn entscheiden kann, ist es nämlich nicht nur erheblich, was die Patentinhaberin subjektiv verlangt zu haben glaubt, sondern auch, ob ihr Vorbringen objektiv als Antrag bzw. Verlangen verstanden werden konnte. Es mag im Ergebnis nicht auf die Formulierung des Verlangens als formellen Antrag ankommen, sondern vielmehr auf dessen substanziellen Inhalt. Das Risiko dafür, dass ihr Verlangen als solches verstanden wird, trägt aber im Zweifel die Begehrende.
2.5.2 Die Kammer ist in der Tat nicht davon überzeugt, dass die Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung mit der Bitte zur Gelegenheit zum Erstellen eines Versuchsberichts für die anderen Beteiligten bzw. die Einspruchsabteilung erkennbar einen konkreten, verfahrensrelevanten Antrag beabsichtigte bzw. dass die von ihr angeblich geäußerte Bitte unter objektiver Auslegung durch die Einspruchsabteilung nur als ein solcher Antrag verstanden werden konnte.
Weder der Niederschrift der mündlichen Verhandlung noch der angefochtenen Entscheidung ist zu entnehmen, dass die Patentinhaberin verlangte oder auch nur darum bat, Versuchsberichte hinsichtlich der Offenbarung der Dokumente D37 und D38 vorlegen zu können. Dies allein spricht bereits dafür, dass die Einspruchsabteilung das möglicherweise von der Patentinhaberin vorgebrachte Verlangen nicht als solches erkannte oder eine dahingehende Bitte wahrnahm.
Das Vorbringen der Patentinhaberin und die in den Dokumenten D49 bis D51 vorgelegten, im Wesentlichen den identischen Tatsachenvortrag enthaltenen, schriftlichen Erklärungen blieben dazu bestenfalls vage. Im Kern beruft sich die Patentinhaberin nämlich allein darauf, dass eine von ihr angeblich geäußerte Bitte von der Einspruchsabteilung objektiv betrachtet nur als Antrag hätte verstanden werden können, ohne jedoch die genauen Umstände, unter denen sie diese Bitte angeblich für die Einspruchsabteilung wahrnehmbar formulierte, genauer darzulegen.
Gegen die Darstellung der Patentinhaberin spricht auch, dass obwohl die Patentinhaberin mit Schriftsatz vom 16. Mai 2023 eine Korrektur der Niederschrift der mündlichen Verhandlung beantragte und diese mögliche Korrektur gerade auch den Punkt der Zulassung der Dokumente D37 und D38 betraf, sie dort gerade nicht das angeblich erfolgte, für sie aber vorgeblich bedeutsame Verlangen auf Gelegenheit zum Erstellen eines Versuchsberichts im Rahmen der Frage der Zulässigkeit der Dokumente D37 und D38 erörterte.
2.5.3 Die Kammer ist folglich nicht davon überzeugt, dass die möglicherweise erfolgte Bitte um eine Gelegenheit zum Erstellen eines Versuchsberichts für die Einspruchsabteilung objektiv als verfahrensrelevantes Begehren im Sinne eines entscheidungsbedürftigen Antrags ersichtlich werden konnte.
Im Ergebnis wurde daher von der Patentinhaberin nicht hinreichend dargelegt, dass das Recht auf faires Verfahren oder auch das Recht auf rechtliches Gehör verletzt worden wären, weil die Einspruchsabteilung sich nicht mit einem von der Patentinhaberin vorgebrachten Begehren befasste.
Somit ist eine Befassung mit der zwischen den Beteiligten strittigen Frage, ob die Dokumente D49 bis D51 vor dem Hintergrund des Artikels 13 (1) VOBK ins Beschwerdeverfahren zuzulassen wären, für die vorliegende Entscheidung nicht erheblich.
2.6 Die Patentinhaberin sieht einen dritten und letzten angeblichen wesentlichen Verfahrensmangel in einem vermeintlichen Verstoß gegen das Recht auf rechtliches Gehör nach Artikel 113 (1) EPÜ.
Soweit die Patentinhaberin sich dabei auf das unberücksichtigt gebliebene, angebliche geltend gemachte Begehren auf das Erhalten einer Gelegenheit zum Erstellen eines Versuchsberichts im Rahmen der Erörterung der Zulassung der Dokumente D37 und D38 bezieht, verweist die Kammer auf ihre Schlussfolgerung in Punkt 2.5 dieser Entscheidung.
Die Patentinhaberin machte ferner geltend, dass ihre Argumente, die zeigten, dass die Dokumente D37 bzw. D38 die beanspruchte Restfeuchtigkeit (Anspruch 1 der Hilfsanfrage 2) nicht offenbarten, entweder von der Einspruchsabteilung nicht berücksichtigt worden seien, oder diese in der Entscheidung nicht klar gemacht habe, dass die dahingehenden Argumente der Patentinhaberin berücksichtigt wurden.
2.7 Die Kammer vermag indes nicht zu erkennen, dass dies der Fall ist.
2.7.1 Aus der angefochtenen Entscheidung geht in Punkt II.3.4 der Entscheidungsgründe klar hervor, dass die Einspruchsabteilung ihre Entscheidung vor dem Hintergrund des Bestreitens der Offenbarung der beanspruchten Restfeuchtigkeit getroffen hat. So heißt es explizit:
"Der Patentinhaber hat argumentiert, dass D37-D38 nicht relevant sind, weil sie zwar zum Teil die gleiche technische Aufgabe, allerdings eine vom Unterscheidungsmerkmal (b) abweichende Lösung (s. Anspruch 1) zeigen."
Das Unterscheidungsmerkmal (b) bezeichnet das die Restfeuchtigkeit betreffende, hinzugefügte Merkmal in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2
" wobei der Karton eine Restfeuchtigkeit von 4 bis 10 Gew.-%, bezogen auf das Gesamtgewicht des Kartons, hat".
Die Einspruchsabteilung hat sich folglich offenkundig mit dem Argument der Patentinhaberin zum Offenbarungsgehalt des Dokuments D37 bzw. D38 auseinandergesetzt, auch wenn sie im Weiteren nicht ausführlich wiedergibt, wie dieses Argument im Detail formuliert war. Die Kammer weist darauf hin, dass die Dokumente D37 und D38 als Patentdokumente aus derselben Patentfamilie den gleichen Offenbarungsgehalt enthalten, Dokument D37 in der deutschen und Dokument D38 in der englischen Sprache, was auch die Beteiligten nicht bestritten.
Es bleibt somit offen, weshalb davon auszugehen wäre, dass die Einspruchsabteilung das Vorbringen der Patentinhaberin zur in den Dokumenten D37 und D38 offenbarten Restfeuchtigkeit außer Acht gelassen haben sollte. Aus der Entscheidung ist vielmehr eindeutig erkennbar, dass die Einspruchsabteilung zu der Überzeugung gelangte, dass der Lehre von Dokument D37 bzw. D38 das strittige Merkmal zu entnehmen ist. Zu dieser Überzeugung gelangte die Einspruchsabteilung nämlich durch die Offenbarungsstellen in Absatz [0021] des Dokuments D37 und verweist zusätzlich auf Anspruch 3 des Dokuments D37.
2.7.2 Soweit die Patentinhaberin nunmehr geltend macht, dass der Anspruch 3 des Dokuments D37 in der mündlichen Verhandlung nicht diskutiert wurde, so ist dieser Umstand nicht erheblich.
Nach gefestigter Rechtsprechung muss nämlich ein geltend gemachter Verfahrensmangel wesentlich und für die mit der Beschwerde angefochtene Entscheidung ausschlaggebend gewesen sein, um als wesentlicher Verfahrensmangel zu gelten. Dies setzt einen Kausalzusammenhang zwischen der angeblichen Verletzung und der abschließenden Entscheidung voraus. Ein solcher Kausalzusammenhang besteht nicht, wenn ungeachtet eines nachweislichen Verfahrensmangels die gleiche Entscheidung aus anderen Gründen getroffen worden wäre (siehe RdB, supra., V.A.11.6.2, V.B.4.3.2).
In der angefochtenen Entscheidung stützt die Einspruchsabteilung ihre Überzeugung zur Offenbarung des Merkmals (b) aber gerade nicht nur auf Anspruch 3 des Dokuments D37, sondern ebenfalls auf Absatz [0021]. Es wird von der Patentinhaberin nicht bestritten, dass diese Offenbarungsstelle kein Gegenstand der Diskussion war und sie sich dazu äußern konnte. Ferner wird angemerkt, dass die Entscheidung in Bezug auf D38, die die englische Übersetzung von D37 darstellt, lediglich auf die Textstelle auf Seite 6, ab Zeile 21 verweist, was dem Absatz [0021] des Dokuments D37 entspricht.
Im Ergebnis wäre die Einspruchsabteilung daher auch ohne Berücksichtigung des Anspruchs 3 des Dokuments D37 zu dem gleichen Ergebnis hinsichtlich der Offenbarung des Merkmals (b) und folglich auch zu der gleichen Entscheidung hinsichtlich der Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ gelangt.
2.8 Im Ergebnis liegt in keinem der von der Patentinhaberin vorgebrachten Umstände ein wesentlicher Verfahrensmangel vor.
Somit sind die Voraussetzungen für eine unmittelbare Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung und eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr nicht gegeben. Die entsprechenden Anträge der Patentinhaberin werden somit zurückgewiesen.
Hauptantrag - Anspruch 1 - Neuheit gegenüber Dokument D2
2.9 Die Patentinhaberin bemängelte die Feststellung in Punkt II.1 der Entscheidungsgründe, dass der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag nicht neu gegenüber der Lehre des Dokuments D2 ist. Die Einspruchsabteilung gelangte zu dem Ergebnis, dass die Fachperson dem Dokument D2 im Wesentlichen mit Hinblick auf die Figur 3B sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag 1 entnommen habe.
2.10 Gemäß dem Vorbringen der Patentinhaberin entnimmt die Fachperson der Lehre des Dokuments D2 nicht das Merkmal 1.7, die Merkmale 1.11 bis 1.14 sowie die Kombination der Merkmale 1.6, 1.7, 1.9, 1.10 und 1.16.
2.10.1 Merkmal 1.7
Die Kammer schließt sich der Feststellung der Einspruchsabteilung an, dass das Merkmal 1.7 der Offenbarung des Dokuments D2 unmittelbar und eindeutig zu entnehmen ist.
In der angefochtenen Entscheidung wurde auf die Offenbarung zur Figur 3B des Dokuments D2 Bezug genommen. Die Patentinhaberin verwies ihrerseits auf die Prüfungsrichtlinien des Europäischen Patentamts G.VI.1 und die dazugehörige Rechtsprechung der Beschwerdekammern (RdB, supra, I.C.5.1), derzufolge es für die Neuheitsprüfung von Bedeutung ist, dass der Vergleich zwischen dem beanspruchten Gegenstand nur mit einem einzigen Stück des Stands der Technik als Ganzes vorgenommen wird. Es gelte, so die Patentinhaberin, ein strenger, fotografischer Ansatz bei der Neuheitsprüfung.
Dieses Argument setzt jedoch voraus, dass dem Dokument D2 verschiedene, nicht zusammenhängende technische Lehren zu entnehmen wären.
Solcherart getrennte Lehren zwischen Absatz [0001] und der Ausführungsform der Figur 3B sind jedoch nicht zu erkennen. Die Lehre des Dokuments D2 ist vielmehr für die Fachperson in sich kohärent. Die Ausführungsform der Figur 3B unterscheidet sich allenfalls in den zwei möglichen Alternativen ihrer Ausgestaltung (vgl. Absätze [0031] und [0032] des Dokuments D2), sowie gegenüber der Ausgestaltung der Figur 3A. Diese Variationen sind für die Entscheidungsgründe der Einspruchsabteilung jedoch nicht weiter relevant.
Die Einheitlichkeit der Lehre des Dokuments D2 gilt nämlich insbesondere für die Vorrichtung und die Mehrschichtverbundpackung, die nur in Zusammenschau den Kerngedanken der Lehre des Dokuments D2 erkennbar werden lassen, nämlich eine Lehre zur Herstellung der offenbarten Mehrschichtverbundpackung mittels der offenbarten Vorrichtung. Diese beiden von der Patentinhaberin unzutreffend als Ausführungsformen bezeichneten Aspekte einer einheitlichen technischen Lehre werden von der Fachperson unter keinen denkbaren Umständen gedanklich getrennt betrachtet. Die Offenbarung des Dokuments D2 ist vielmehr grundsätzlich als Ganzes zu verstehen und die von der Patentinhaberin angeführten Grundsätze der Rechtsprechung hinsichtlich der gesonderten Betrachtung unterschiedlicher Offenbarungsstellen ist für den gegebenen Fall nicht relevant.
Das Streitpatent gibt seinerseits ein breites Verständnis des Begriffs "Verbinden" wieder (vgl. Absatz [0050] des Streitpatents), das unter anderem ein Verpressen von Schichten beinhalten kann, auf das sich ebenfalls der Absatz [0001] des Dokuments D2 bezieht. Deshalb schließt sich die Kammer der Feststellung der Einspruchsabteilung an, dass in dem Dokument D2 zumindest implizit offenbart ist, dass dort die dritte Verbundschicht und die vierte Verbundschicht miteinander verbunden sind.
2.10.2 Merkmale 1.11 bis 1.14
Die Kammer schließt sich weiter der Feststellung in den Entscheidungsgründen an (siehe Punkt II.1.1, insbesondere Überbrückungsabsatz zwischen den Seiten 9 und 10), dass der Lehre des Dokuments D2 auch die Merkmale 1.11 bis 1.14 unmittelbar und eindeutig zu entnehmen sind.
Auch hier geht die Kammer wie hinsichtlich der Argumentation der Patentinhaberin zu Merkmal 1.7 davon aus, dass die Offenbarung des Dokuments D2 einheitlich zu betrachten ist, so dass das Argument, dass die Merkmale 1.11 bis 1.14 nicht in Kombination mit der Figur 3B des Dokuments D2 gezeigt seien, nicht überzeugt.
2.10.3 Merkmale 1.6, 1.7, 1.9, 1.10 und 1.16
Die Kammer teilt schließlich die Feststellung in der angefochtenen Entscheidung, dass die Merkmale 1.6, 1.7, 1.9, 1.10 und 1.16 der Lehre des Dokuments D2 zu entnehmen sind.
Die Patentinhaberin verweist darauf, dass in der Figur 3B des Dokuments D2 die Dicke der Schicht L2 (siehe für die in Dokument D2 nicht angegebenen Referenzzeichen, auch im Folgenden, die unten wiedergegebene Figur auf Seite 8 der angefochtenen Entscheidung, die der von der Einsprechenden 2 modifizierten Figur 3B von Dokument D2 entspricht) einen Gradienten aufweise, und somit in dem Verbundbereich eine Lücke bilde, wie es auch die Einspruchsabteilung auf Seite 8, letzter Absatz, der Entscheidungsgründe wiedergab.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Abb.: Von der Einsprechenden 2 modifizierte
Figur 3B von D2
Die Formulierung des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag schließe aber das Vorhandensein einer solchen Lücke aus, denn die Merkmale 1.9 bis 1.16 müssten über die volle Breite des weiteren Verbundbereichs erfüllt sein. Dies ergebe sich sowohl aus sämtlichen Ausführungsbeispielen des Streitpatents, insbesondere mit Bezug auf die Figuren 5 und 6f, die gerade keine solche Lücke zeigten. Auch sei dies im Einklang mit der in Absatz [0008] des Streitpatents gestellten weiteren Aufgabe der Erfindung, einen Behälter bereitzustellen, der eine Naht mit hoher Dichtigkeit aufweist, woraus sich ein Siegeln über die gesamte (Längs-)naht ergebe, was ein Vorhandensein der geforderten Merkmale über die gesamte (Längs-)naht erfordere. Das gelte analog für den gesamten Verbundbereich. Schließlich ergebe der Begriff "Angrenzen", der in Absatz [0049] des Streitpatents genauer definiert sei, dass zwei Schichten unmittelbar und somit ohne Zwischenschicht aneinander grenzen. Es sei daher deutlich, dass auch die beiden Verbundbereiche anspruchsgemäß unmittelbar aneinander anschließen.
Die Kammer ist von dieser Argumentation der Patentinhaberin nicht überzeugt.
Für das von der Patentinhaberin vorgebrachte Argument, dass die Merkmale 1.9 und 1.16 über die volle Breite des weiteren Verbundbereichs erfüllt sein müssen, bietet weder der Anspruchswortlaut noch die Beschreibung, die von der Patentinhaberin nur pauschal oder durch einen nicht weiter präzisierten Bezug auf ihr Vorbringen im Einspruchsverfahren herangezogen wird, eine Grundlage.
Der Anspruchswortlaut ist in seinem Inhalt klar und eindeutig und beschreibt lediglich welche Schichtfolgen der erste Verbundbereich (R1) bzw. der weitere Verbundbereich (R2) beinhalten, jedoch nicht, dass sich die derart formulierten Schichtfolgen notwendigerweise jeweils über den gesamten ersten bzw. weiteren Verbundbereich erstrecken müssten (siehe Abbildung oben). Dies gilt insbesondere auch für die Merkmale 1.9 und 1.16. Letztlich lässt der Anspruch im Ergebnis die Grenzen der Erstreckung einzelner Bereiche, also die Bereichsgrenzen des ersten und weiteren Verbundbereiche, offen. Der Anspruch definiert nur durch Merkmal 1.10 ein Aneinandergrenzen des ersten an den weiteren Verbundbereich.
Die Beschreibung, insbesondere auch in Hinsicht auf die Figur 5 oder Figur 6f, zusammen mit der Offenbarung der Absätze [0124], [0125] und [0131] sowie Absatz [0008], lässt ebenfalls offen, ob eine Verbindung über den gesamten weiteren Bereich oder in diesem nur abschnittsweise erfolgen muss. Vielmehr wird auch in der Beschreibung der Begriff "Verbundbereich" nicht weiter definiert - zu diesem Aspekt enthält die gesamte Offenbarung des Streitpatents keine ausdrückliche Lehre. Soweit sich die Patentinhaberin weiter darauf berief, dass sämtliche Ausführungsbeispiele, insbesondere die Figuren 5 oder 6f, nur eine Auslegung in ihrem Sinne zuließen, berücksichtigt die Kammer, dass bei der Auslegung von Ansprüchen und damit von Anspruchsmerkmalen immer die Beschreibung heranzuziehen ist (siehe G 1/24), dass aber nach gefestigter Rechtsprechung einschränkende Merkmale, die allein in der Beschreibung aber nicht in den Ansprüchen enthalten sind, nicht in den Anspruch hineingelesen werden können. Die Entscheidung G 1/24 verweist hierzu in Punkt 11. der Entscheidungsgründe ausdrücklich zustimmend auf die Punkte 3.16. bis 3.16.2 der Entscheidung T 1473/19. Insofern ist es unerheblich, ob die Beschreibung bei dem Verständnis der Merkmale heranzuziehen wäre oder nicht. Vielmehr ist das durch die Einspruchsabteilung zugrunde gelegte Verständnis der Merkmale 1.9 und 1.16 nicht zu beanstanden (siehe angefochtene Entscheidung, Seite 11, letzter Absatz).
Vor diesem Hintergrund überzeugen auch nicht die Argumentationslinien der Patentinhaberin zu den Merkmalen 1.6 und 1.7.
Lediglich ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass auch der Begriff "angrenzen" nicht notwendigerweise einen unmittelbaren Übergang zwischen dem ersten und dem weiteren Verbundbereich erfordert, sondern auch ein Grenz- bzw. Übergangsbereich zwischen diesen vorgesehen sein kann.
Der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag steht einem solchen Verständnis jedenfalls nicht entgegen. Aus Sicht der Kammer steht auch die Beschreibung einem solchen Verständnis nicht entgegen.
Die Patentinhaberin verwies insbesondere auf Absatz [0049] der Beschreibung des Streitpatents, in dem die Formulierung "angrenzen" angegeben ist. Diese dort angegebene Definition erfolgt jedoch ausdrücklich nur in Bezug auf die vertikale Struktur der Schichtfolge und dahingehend, dass keine weitere Zwischenschicht vorgesehen ist. In Bezug auf eine laterale Erstreckung von möglichen Bereichen ist die Definition des Begriffs "angrenzen" aus Absatz [0049] daher nicht notwendigerweise anwendbar. Die Verbundbereiche in Anspruch 1 werden nämlich in lateraler Richtung zur Schichtabfolge durch die gesamte Schichtenfolge vorgegeben, so dass sich keine Abgrenzung durch Zwischenschichten ergeben könnte. Der Begriff "angrenzen" kann daher in diesem, anders gelagerten Zusammenhang allenfalls so verstanden werden, dass keine weitere Zwischenstruktur zwischen den Bereichen vorgesehen ist, zu dem aber aus Sicht der Kammer ein Grenz- bzw. Übergangsbereich nicht zuzurechnen ist. Das Merkmal 1.10 kann somit auch so verstanden werden, dass der erste und der weitere Verbundbereich (zumindest in einem engen räumlichen Bezug zueinander) benachbart sind und einen Übergangsbereich aufweisen.
2.11 Die Einspruchsabteilung stellte somit in richtiger Weise fest, dass der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag nicht neu gegenüber der Lehre des Dokuments D2 ist.
3. Hilfsantrag 1 - Anspruch 1
Die obigen Feststellungen gelten in gleichem Maße auch für Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1, der sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag nicht unterscheidet.
4. Hilfsantrag 2 - Anspruch 1
4.1 Erhobene Einwände
Die Einsprechende 2 erhob zuletzt gegen Hilfsantrag 2 Einwände basierend auf Regel 80 EPÜ sowie auf den Artikeln 83, 84 und 123 (2) EPÜ. Ferner machte sie Einwände aus Artikel 56 EPÜ aus den folgenden Kombinationen geltend:
- Dokument D2 in Kombination mit Dokument D37 bzw. D38,
- Dokument D2 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen,
- Dokument D2 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen, welches durch die Dokumente D52 bis D56 gestützt wird,
- Dokument D2 in Kombination mit einem der Dokumente D22 oder D23 und
- Dokument D2 in Kombination mit einem der Dokumente D52 bis D56.
4.2 Einwände basierend auf der Regel 80 EPÜ sowie auf den Artikeln 83, 84 und 123 (2) EPÜ
4.2.1 Die auf der Regel 80 EPÜ sowie aus den Artikeln 83, 84 gestützten Einwände gegen Hilfsantrag 2 wurden von den Einsprechenden nicht im Einspruchsverfahren erhoben und von der Einspruchsabteilung nicht ex officio als relevant angesehen, so dass sie nicht zum Gegenstand der angefochtenen Entscheidung wurden.
4.2.2 Die Einsprechende 2 trug vor, dass die Prüfung der Erfordernisse nach Artikel 123 (2) EPÜ in Punkt II.3.1 Teil der angefochtenen Entscheidung sei und folglich nach Artikel 12 (2) VOBK zweifelsfrei Teil des Beschwerdeverfahrens. Sie gestand zu, dass die übrigen Einwände nach Regel 80 EPÜ sowie nach Artikel 83 und 84 EPÜ nicht Teil der angefochtenen Entscheidung sind; insbesondere der Einwand nach Artikel 83 EPÜ sei jedoch durch die Vorlage des Dokuments D45 veranlasst und zumindest dann zuzulassen, wenn das Dokument D45 ins Verfahren zugelassen werde.
4.2.3 Die Kammer erkennt in dem Vorbringen der Einsprechenden 2 keine rechtfertigenden Gründe für eine Zulassung der betroffenen Einwände.
In der angefochtenen Entscheidung wurde kein Einwand aus Artikel 123 (2) EPÜ diskutiert. Vielmehr enthalten die Entscheidungsgründe in Punkt II.3.1 lediglich die Feststellungen, dass die Einspruchsabteilung dem damaligen Vorbringen der Patentinhaberin zustimmt und das entsprechende Erfordernis erfüllt ist. Dass die gegenüber dem Hauptantrag vorgenommen Änderungen in Hilfsantrag 2 zwischen den Beteiligten oder auch aus Sicht der Einspruchsabteilung strittig gewesen wären, ist weder der Entscheidung noch der Niederschrift der mündlichen Verhandlung zu entnehmen.
Letzteres gilt gleichfalls für die Einwände nach Regel 80 EPÜ und Artikel 84 EPÜ, die zudem ausdrücklich kein Teil der angefochtenen Entscheidung sind.
4.2.4 Die Einsprechende 2 hat sich nicht dazu erklärt, dass sie die zuletzt genannten Einwände nicht bereits im Einspruchsverfahren vorgebracht hat.
4.2.5 Der Einwand nach Artikel 83 EPÜ war ebenfalls nicht Teil der angefochtenen Entscheidung. Vielmehr wurde der Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ nicht erhoben. Eine Beurteilung des Erfordernisses aus Artikels 83 EPÜ erfolgt jedoch grundsätzlich auf Grundlage des Patents als Ganzes und nicht allein auf Grundlage der Ansprüche (vgl. RdB, supra, II.C.3.1), so dass sich aus Sicht der Kammer nicht erschließt, weshalb die Änderungen des Anspruchs 1 in Hilfsantrags 2 nunmehr - auch bei Berücksichtigung der Lehre des Dokuments D45 (siehe Punkt 4.4 unten für die Zulassung ins Verfahren des Dokuments D45) - erstmalig Bedenken hinsichtlich der Ausführbarkeit der Erfindung aufwerfen sollten, die nicht bereits vorher in Bezug auf den Hauptantrag hätten vorgebracht werden können und müssen.
4.2.6 Im Ergebnis sieht die Kammer in den Einwänden nach Regel 80 EPÜ sowie aus den Artikeln 83, 84 und 123 (2) EPÜ gegen Hilfsantrag 2 Änderungen in Sinne des Artikels 12 (6), zweiter Satz VOBK, die sie mangels Rechtfertigung nicht ins Beschwerdeverfahren zulässt.
4.3 Dokumente D37 und D38
Die Patentinhaberin wendete sich gegen die Zulassung der erst wenige Tage vor der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vorgelegten Dokumente D37 und D38 ins Verfahren. Die Zulassung der Dokumente D37 und D38 stand nach Artikel 114 (1) EPÜ im Ermessen der Einspruchsabteilung. Die Einspruchsabteilung ließ beide Dokumente D37 und D38 ins Verfahren zu, weil sie diese für den Gegenstand von Hilfsantrag 2 prima facie relevant hielt (vgl. Punkt II.3.4 der Entscheidungsgründe).
Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist es nicht Aufgabe der Kammer, die gesamte Sachlage des Falls nochmals wie ein erstinstanzliches Organ zu prüfen, um zu entscheiden, ob sie das Ermessen in derselben Weise ausgeübt hätte. Eine Beschwerdekammer sollte sich nur dann über die Art und Weise, in der die Abteilung, die die angefochtene Entscheidung erließ, ihr Ermessen ausgeübt hat, hinwegsetzen, wenn sie zu dem Schluss gelangt, dass diese Abteilung ihr Ermessen nach Maßgabe der falschen Kriterien, unter Nichtbeachtung der richtigen Kriterien oder in willkürlicher Weise ausgeübt hat (siehe RdB, supra, IV.C.4.5.2).
Die Einspruchsabteilung ließ die Dokumente D37 und D38 unstrittig unter Berücksichtigung der korrekten Kriterien ins Verfahren zu. Die Zulassung des Dokuments D37 und D38 beruhte zudem nicht auf einem wesentlichen Verfahrensmangel, sondern erfolgte vielmehr weder willkürlich noch mit erkennbaren Fehlern der Ermessensausübung (siehe dazu auch oben, Punkt 2.4 dieser Entscheidung).
Die Dokumente D37 und D38 wurden folglich in zutreffender Weise Teil der angefochtenen Entscheidung und sind somit gemäß Artikel 12 (1) a) und 12 (2) VOBK auch Teil des Beschwerdeverfahrens. Es besteht keine Grundlage dafür, dass die Dokumente D37 und D38 im Beschwerdeverfahren unberücksichtigt bleiben sollten.
4.4 Dokument D45
4.4.1 Dokument D45 enthält einen Versuchsbericht zur Änderung des Feuchtigkeitsgehalts in einem Verbundmaterial gemäß der Angaben zu den Beispielen 1 und 2, wie sie in den Dokumenten D37 und D38 angegeben sind, um den Einfluss einer weiteren Prozessierung auf den Feuchtigkeitsgehalt darzulegen.
Die Patentinhaberin legte das Dokument D45 erstmalig im Beschwerdeverfahren mit ihrem auf den 4. April 2024 datierten Schriftsatz vor, d. h. nach Einreichung der jeweiligen Beschwerdebegründungen und der darauf folgenden Erwiderungen. Sie rechtfertigte die Vorlage des Dokuments D45 in Erwiderung auf die jeweiligen Beschwerdeerwiderungen der Einsprechenden damit, dass sie insbesondere auf die Argumentation der Einsprechenden 2 in deren Beschwerdeerwiderung auf Seite 4, Zeilen 28 bis 31 sowie Seite 5, Zeilen 5 bis 7 reagiere. Die Einsprechende 2 hat dort vorgebracht, dass es nicht möglich sei zu zeigen, dass die Dokumente D37 und D38 etwas anderes als das betroffene Merkmal des Anspruchs offenbarten. Diese Argumentation, die bis zur Beschwerdebegründung weder Teil der angefochtenen Entscheidung noch Teil des Vorbringens der Einsprechenden gewesen sei, habe die Vorlage des Testberichts veranlasst.
4.4.2 Die Einsprechende 2 wendete sich gegen eine Zulassung des Dokuments D45 ins Verfahren. Sie trug vor, dass die Patentinhaberin das Dokument D45 bereits mit ihrer Beschwerdeerwiderung hätte vorlegen müssen. Auch nachfolgend habe es keine Veranlassung im Verfahren gegeben, die eine Vorlage des Versuchsberichts rechtfertigte. Zudem sei das Dokument D45 nicht entscheidungsrelevant und würde die Verfahrenseffizienz gefährden.
4.4.3 Dokument D45 wurde vorrangig in Zusammenhang mit dem geltend gemachten Verfahrensmangel, wie oben in Punkt 2.6 der vorliegenden Entscheidung dargestellt, vorgebracht, und zwar als Reaktion auf die Zulassung der Dokumente D37 und D38 in das Einspruchsverfahren. Die Kammer stimmt der Patentinhaberin zu, dass das Dokument D45 wegen der späten Vorlage der Dokumente D37 und D38, nämlich erst fünf Tage vor der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung, nicht bereits im Einspruchsverfahren vorgelegt werden konnte. Bei Dokument D45 handelt es sich um einen Bericht zu Versuchen, den die Patentinhaberin erst in Reaktion auf die Kenntnis der Dokumente D37 und D38 erstellen konnte, wozu ihr jedoch billigerweise nicht nur ein Zeitraum von lediglich fünf Tagen eingeräumt werden kann. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung berücksichtigt die Ergebnisse des Versuchsberichts D45 mangels Kenntnis ihres Inhalts nicht. Die erstmalige Vorlage des Dokuments D45 im Beschwerdeverfahren war somit gerechtfertigt. Die Präklusionsvorschriften des Artikels 12 VOBK stehen der Zulassung des Dokuments D45 nicht entgegen.
4.4.4 Die Vorlage des Dokuments D45 stellt jedoch eine Änderung des Beschwerdevorbringens im Sinne des Artikels 13 (1) VOBK dar.
4.4.5 Die Einsprechende 2 brachte vor, dass die Patentinhaberin das Dokument D45 bereits früher hätte vorlegen müssen. Es wäre der Patentinhaberin zuzumuten gewesen, den Versuchsbericht des Dokuments D45 spätestens mit ihrer Beschwerdebegründung vorzulegen.
4.4.6 Die Kammer berücksichtigt bei der ihr aus Artikel 13 (1) VOBK zustehenden Ermessensausübung über die Zulassung des Dokuments D45 die besonderen Umstände des vorliegenden Verfahrens bei der Beurteilung der in Artikel 13 (1) VOBK genannten Ermessenskriterien.
4.4.7 Das Dokument D45 steht neben der von den Beteiligten zunächst vordringlich behandelten Frage eines möglichen Verfahrensmangels gerade auch in Zusammenhang mit der Frage der erfinderischen Tätigkeit des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2, da es die unmittelbare und eindeutige Offenbarung von Merkmalen des Anspruchs 1 in den Dokumenten D37 und D38 betrifft. Die Bedeutung dieses Aspekts wurde in der Beschwerdebegründung der Patentinhaberin in den Absätzen [0032] bis [0037] in allgemeiner Weise adressiert, wurde aber erst im Verlauf des weiteren Verfahrens deutlicher, insbesondere im Lichte der Beschwerdeerwiderung der Einsprechenden 2, siehe Punkt 5.2 auf Seiten 15 und 16 und Seite 4, Zeilen 28 bis 31 sowie Seite 5, Zeilen 5 bis 7, wobei die Ausführungen der Patentinhaberin bestritten wurden. Es ist damit nicht ersichtlich, dass die Patentinhaberin den Versuchsbericht, zumindest in Zusammenhang mit der Erörterung der erfinderischen Tätigkeit, notwendigerweise früher hätte einreichen müssen.
4.4.8 Die Vorlage von Dokument D45 geschah zwar erst in Reaktion auf die Beschwerdeerwiderungen der Einsprechenden 2, zweifelsfrei aber zu einem derart frühen Verfahrensstand, dass sich sämtliche Beteiligten mit dem Inhalt des Dokuments D45, insbesondere auch in Hinblick auf die Bedeutung für den jeweiligen Offenbarungsgehalt der Dokument D37 und D38, hinreichend auseinandersetzen konnten und dies auch taten, bevor die Kammer ihre vorläufige Meinung nach Artikel 15 (1) VOBK erstellte.
4.4.9 Ferner ist der Versuchsbericht D45 aus Sicht der Kammer inhaltlich auch nicht derart komplex, dass eine Berücksichtigung der Verfahrensökonomie abträglich wäre, wie es die Einsprechende 2 vortrug. Er ist weder umfangreich, noch wurden die dort dargestellten Ergebnisse von den Einsprechenden inhaltlich beanstandet, obwohl sie dazu Zeit und Gelegenheit hatten. Die Kammer und auch die Beteiligten waren nicht daran gehindert, dass vollständige Vorbringen aller Beteiligten zu diesem Verfahrensaspekt angemessen zu prüfen und ggf. darauf zu reagieren. D45 führt zu keiner neuen Diskussion, die nach wie vor der Offenbarungsgehalt von D37 und D38 bleibt.
4.4.10 Wie sich aus der nachfolgenden Entscheidung ergibt (siehe folgenden Punkt 4.8 der vorliegenden Entscheidung), hält die Kammer das Dokument D45 aber schließlich für die Beantwortung der Frage, welcher Offenbarungsgehalt den Dokumenten D37 und D38 hinsichtlich der Restfeuchte des Verbundmaterials zu entnehmen ist, nicht nur für geeignet, sondern insbesondere auch für derart relevant, dass ihr nach Abwägung der in Artikel 13 (1) VOBK erwähnten Ermessenskriterien eine Berücksichtigung des Inhalts von Dokument D45 geboten erscheint.
4.4.11 Die Kammer lässt in Abwägung der Gesamtheit der vorstehenden Erwägungen das Dokument D45 daher in Ausübung ihres Ermessens aus Artikel 13 (1) VOBK ins Verfahren zu.
4.5 Dokumente D22 und D23
Die Patentinhaberin wendete sich gegen eine Zulassung der Dokumente D22 und D23 ins Beschwerdeverfahren. Die beiden Dokumente, sowie der darauf basierende Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit gegenüber Hilfsantrag 2 seien erst eineinhalb Jahre nach Ablauf der Einspruchsfrist vorgelegt worden, seien nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung und seien zudem nicht prima facie relevant für das Verfahren.
Die Einsprechende 2 legte die Dokumente D22 und D23 und den darauf beruhenden Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit gegenüber Hilfsantrag 2 als Reaktion auf Hilfsantrag 2 am 27. Januar 2023 vor, d. h. innerhalb der von der Einspruchsabteilung gesetzten Frist nach Regel 116 EPÜ (siehe Bescheid der Einspruchsabteilung vom 18. Mai 2022). Die Vorlage erfolgte somit in zulässiger Weise im Einspruchsverfahren und wurde zweifellos von der Einsprechende 2 aufrechterhalten. Allein angesichts des Umstandes, dass die Einspruchsabteilung bereits aus anderen Gründen zu dem Ergebnis gelangte, dass Hilfsantrag 2 nicht den Erfordernissen des Übereinkommens genüge, traf sie in der Entscheidung keine besonderen Feststellungen zu einer Zulassung der Dokumente D22 und D23 sowie den darauf basierenden Einwänden gegen Hilfsantrag 2.
Die Dokumente D22 und D23 und der darauf basierenden Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit sind daher Teil des Beschwerdeverfahrens (Artikel 12 (4) VOBK).
4.6 Dokumente D52 bis D56
Die Einsprechende 2 legte mit Schriftsatz vom 11. April 2025, also nach Erhalt der Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 15 (1) VOBK, die Dokumente D52 bis D56 vor.
Gemäß Artikel 13 (2) VOBK bleiben Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.
Die Einsprechende 2 trug vor, dass sie mit der Vorlage der Dokumente D52 bis D56 auf die in der Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK wiedergegebene vorläufige Meinung der Kammer reagierte. Dies kann jedoch keinen rechtfertigenden Grund dafür darstellen, dass die Einsprechende 2 die Dokumente D52 bis D56 nicht zu einem früheren Zeitpunkt im Verfahren vorgelegt hatte. Vielmehr wartete sie zunächst die vorläufige Meinung der Kammer ab.
Die Kammer bezog sich in ihrer vorläufigen Meinung jedoch in Hinblick auf die Frage der erfinderischen Tätigkeit des Hilfsantrags 2 allein auf das zu diesem Zeitpunkt bereits aus dem vorangegangen schriftlichen Verfahren bekannte Vorbringen der Beteiligten. Bei einer sorgfältigen Verfahrensführung hätte die Einsprechende 2 die Dokumente D52 bis D56 und die darauf gestützten Einwände daher bereits zu einem früheren Verfahrenszeitpunkt vorlegen müssen.
Die Dokumente D52 bis D56 und folglich auch alle darauf gestützten Einwände der Einsprechenden 2 bleiben in Anwendung des Artikels 13 (2) VOBK unberücksichtigt.
4.7 Dokument D2 als Ausgangspunkt
Die Beteiligten waren sich über die Feststellung der Einspruchsabteilung einig, dass das Dokument D2 einen geeigneten Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit darstellt. Die Kammer teilt diese Meinung.
Weiterhin waren sich die Beteiligten einig, dass sich der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 zumindest durch das nunmehr hinzugefügte Merkmal b) (siehe Punkt XII. oben) unterscheidet. Die Kammer teilt auch diese Meinung.
Hinsichtlich des mit diesem Unterscheidungsmerkmal verbundenen technischen Effekts und der damit zusammenhängenden Aufgabe besteht zwischen den Beteiligten keine Einigkeit.
Die Einspruchsabteilung traf in der angefochtenen Entscheidung keine Feststellungen zu der Formulierung der Aufgabe.
Die Kammer ist nicht von dem Vorbringen der Einsprechenden 2 überzeugt, dass die mit dem Unterscheidungsmerkmal verbundene Aufgabe lediglich in der Suche nach einer geeigneten Restfeuchtigkeit des Kartons zu sehen ist. Diese Formulierung beruht nämlich auf einer rückschauenden Betrachtungsweise, da sie bereits wesentliche Elemente der durch das Unterscheidungsmerkmal b) angegebenen Lösung enthält, und zwar die Restfeuchtigkeit des Kartons. Gemäß ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist die technische Aufgabe jedoch so zu formulieren, dass sie keine Lösungsansätze enthält oder teilweise die Lösung vorwegnimmt (vgl. RdB, supra, I.D.4.2.1).
Die Kammer geht somit in Hinblick auf das Unterscheidungsmerkmal b) von der Patentinhaberin formulierten, objektiven Aufgabe aus, zumindest insoweit, als dass diese verlangt einen Behälter aus einem Verbund bereitzustellen, der beim Verschließen eine hohe Dichtigkeit aufweist. Wie die Patentinhaberin zutreffend anmerkte, ist die Restfeuchte im Streitpatent als Teil der erfindungsgemäßen Lösung präsentiert. Diese Lösung steht unter anderem insbesondere auch in Zusammenhang mit der Aufgabe einer möglichst flüssigkeits- und gasdichten Siegelung, wie es in Absatz [0009] des Streitpatents dargestellt ist. Sie wird daher für die Fachperson als Teil der technischen Lehre verstanden. Zudem hatte die Patentinhaberin diese Wirkung mit der im Einspruchsverfahren durch Dokument A2 vorgelegten Versuchsreihe nachgewiesen. Sie kann sich daher bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit auf den mit dem Zusammenhang mit der Aufgabe einer möglichst flüssigkeits- und gasdichten Siegelung verknüpften technischen Effektberufen (vgl. G 2/21, Leitsätze).
4.8 D2 in Zusammenschau mit Dokuments D37 bzw. D38
Die Kammer teilt angesichts des Versuchsberichts D45 bereits die Zweifel der Patentinhaberin, dass aus der Lehre der Dokumente D37 bis D38 das Unterscheidungsmerkmal b) bekannt ist. Auch die Einsprechende 2 hat dem Gehalt des Dokuments D45 insofern nicht widersprochen, dass sich der Feuchtigkeitsgehalt eines Kartons in einem Verbund im Laufe einer Prozessierung, bspw. bei Faltung eines vorher flächenmäßigen Verbunds, verändern kann (vgl. z. B. die Werte in Tabellen 3 und 4 in Dokument D45). Aus Sicht der Kammer bestehen damit bereits derart große Zweifel, ob die Fachperson den Dokumenten D37 und D38 das Unterscheidungsmerkmal b), das weiterhin im Kontext des gesamten Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 zu verstehen ist, unmittelbar und eindeutig entnimmt, dass sie zu der Überzeugung gelangt, dass das Unterscheidungsmerkmal b) im Sinne des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 nicht unmittelbar und eindeutig in den Dokumente D37 und D38 offenbart ist. In der Tat betrifft Merkmal b) des Anspruchs 1 die Restfeuchtigkeit des Kartons, nämlich einer Vorrichtung, die bereits Verarbeitungsschritte durchlaufen hat, insbesondere um einen Behältervorläufer ("cup-like container" wie in D45) zu erhalten (siehe z. B. Absatz [0001] des Streitpatents). Es ist für die Fachperson den Offenbarungen der Dokumente D37 und D38 nicht eindeutig und unmittelbar zu entnehmen, dass die dortige Feuchtigkeit des Kartons so eine nach Verarbeitungsschritten gebildete Vorrichtung betrifft (siehe hierzu z. B. Dokument D37, Absatz [0021] und [0117]; Dokument D38, Seite 7, Zeilen 1 bis 3 und Seite 37, Zeile 3). Aus diesem Grund ist eine erfinderische Tätigkeit ausgehend von Dokument D2 in Kombination mit der Lehre von Dokument D37 bzw. D38 anzuerkennen, weil das Unterscheidungsmerkmal b) in keinem dieser Dokumente offenbart ist, so dass die Fachperson aus einer Kombination dieser Lehren nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 gelangen kann, ohne weitere Überlegungen anzustellen, d. h. erfinderisch tätig zu werden.
4.9 Zudem bestehen aus Sicht der Kammer auch Zweifel, dass aus der Lehre der Dokumente D37 oder D38 für die Fachperson ein unmittelbarer und eindeutiger Zusammenhang zwischen der objektiven technischen Aufgabe und dem Merkmal b) als Lösung dieser Aufgabe erkennbar wäre.
Bei der Beurteilung der Frage, ob der beanspruchte Gegenstand eine naheliegende Lösung für eine objektive technische Aufgabe darstellt, wenden die Beschwerdekammern nach gefestigter Rechtsprechung den "could would approach" an. Danach ist es nicht ausschlaggebend, ob eine Fachperson den Gegenstand des Streitpatents hätte ausführen können, sondern vielmehr, ob sie in der Erwartung, die Aufgabe zu lösen, die Lehre des nächstliegenden Standes der Technik so abgewandelt hätte, dass sie zu der beanspruchten Erfindung gelangt wäre, weil dem Stand der Technik Anregungen für die Erfindung zu entnehmen waren (siehe RdB, supra, I.D.5).
Es trifft zwar zu, dass Dokument D37 in Absatz [0007] ein ähnlich geartete Aufgabe für die dort offenbarte Erfindung formuliert. Dokument D37 nennt zur Lösung dieser Aufgabe aber erkennbar in Absatz [0013] und in Anspruch 1 vorrangig andere Mittel, unter anderem einen zwei thermoplastische Kunststoffschichten mit unterschiedlichen Vicat-Erweichungstemperaturen aufweisenden Verbund. Dieser Verbund und die Ausgestaltungen der Kunststoffschichten werden als erfindungsgemäße Lösung präsentiert. Im Ergebnis wird damit nicht deutlich, dass die Fachperson auch andere in Zusammenhang mit dem bevorzugten Ausführungsbeispiel oder in den abhängigen Ansprüchen genannte Aspekte jeweils für sich genommen als geeigneten Beitrag zur Lösung der in Absatz [0007] genannten Aufgabe herangezogen hätte, oder diese in Hinblick auf die Aufgabe nur in Zusammenhang mit den als erfindungsgemäßen bezeichneten Merkmalen betrachtet hätte.
Es ist folglich kein zwingender Grund ersichtlich, warum die Fachperson gerade die durch das Unterscheidungsmerkmal b) definierte Lösung gewählt hätte. Auch aus diesem Grund ist eine erfinderische Tätigkeit ausgehend von Dokument D2 in Kombination mit Dokument D37 anzuerkennen.
Die obigen Erwägungen gelten gleichermaßen für Dokument D37 wie auch für Dokument D38.
4.10 D2 in Zusammenschau mit dem allgemeinen Fachwissen oder den Dokumente D22 und D23.
Dokument D22 ist ein Datenblatt eines Karton enthaltenden Verbundmaterials. Dokument D23 betrifft die Lagerhaltung von Kartonen. Beide Dokumente geben einen Feuchtigkeitswert der jeweiligen Materialien an, der im Fall von D22 zwischen 6,2% und 6,5% und im Fall von D23 zwischen 5% und 5,5% liegt. In beiden Fällen handelt es sich aber jeweils um Vormaterialien, die noch keine weiteren Verarbeitungsschritte durchlaufen haben, insbesondere um einen Behältervorläufer zu bilden.
Angesichts des in obigem Punkt 4.8 der vorliegenden Entscheidung wiedergegebenen Verständnisses des Unterscheidungsmerkmals b) gelangt die Kammer zu der Überzeugung, dass dieses den jeweiligen Lehren der Dokumente D22 und D23 nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen ist. Entsprechend folgt daraus ebenfalls, dass die Fachperson aus einer Kombination der Lehre von D2 mit einer der Lehren von Dokument D22 oder D23 nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 gelangen kann, ohne erfinderisch tätig zu werden.
4.11 Auch die oben in obigem Punkt 4.9 dargelegten Erwägungen zum could-would approach gelten in analoger Weise für die Lehre des Dokuments D2 in Zusammenschau mit dem von der Einsprechenden 2 geltend gemachten allgemeinen Fachwissen oder den Dokumenten D22 und D23. Die Einsprechende 2 machte nicht geltend, dass aus dem allgemeinen Fachwissen oder den Dokumente D22 und D23 ein Bezug zwischen dem Unterscheidungsmerkmal b) und der zu lösenden technischen Aufgabe bekannt wäre, so dass auch hier nicht erkennbar ist, weshalb die Fachperson diese Lehren zur Lösung der objektiven technischen Aufgabe herangezogen hätte.
4.12 Im Ergebnis beruht der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 ausgehend von der Lehre des Dokuments D2 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen oder einer der Lehren der Dokumente D37, D38, D22 oder D23 auf einer erfinderischen Tätigkeit.
4.13 Weitere Einwände gegen Hilfsantrag 2 wurden von den beiden Einsprechenden nicht in zulässiger Weise geltend gemacht (siehe insbesondere Punkt 4.6 oben für die Nicht-Zulassung von Dokumenten D52 bis D56).
5. Die angefochtene Entscheidung ist folglich aufzuheben und es sind keine Hindernisse erkennbar, die einer Aufrechterhaltung des Patents aus Basis des Hilfsantrags 2 entgegenstünden.
6. Anpassung der Beschreibung
Die Patentinhaberin beantragte erstmalig gegen Ende der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, der beschränkten Aufrechterhaltung des Patents die von ihr im Einspruchsverfahren im Zusammenhang mit Hilfsantrag 2 eingereichte Beschreibung zugrundezulegen. Es seien dagegen keine Einwände der übrigen Beteiligten formuliert worden, so dass keine Notwendigkeit einer weiteren Prüfung bestünde.
Die Einsprechende 2 erklärte ihrerseits, dass sie Einwände gegen die Beschreibung habe und beantragte, dass die Angelegenheit zur Anpassung der Beschreibung an die Einspruchsabteilung zurückverweisen werden solle.
Die Kammer berücksichtigt, dass aufgrund der Aufrechterhaltung des Patents im geänderten Umfang gemäß Hilfsantrag 2 eine Überprüfung der Beschreibung von Amts wegen geboten erscheint. Die gemäß der Patentinhaberin zugrundezulegende, angepasste Beschreibung war zudem bis Ende der mündlichen Verhandlung vor der Kammer nicht Teil des Beschwerdeverfahrens und es wäre der Kammer somit lediglich eine kursorische Prüfung der Änderungen möglich.
Es erscheint der Kammer somit angemessen, die Angelegenheit in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 111 (1) EPÜ bzw. Artikel 11 VOBK zur Anpassung der Beschreibung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben. 2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent in geänderter Fassung auf Basis des Hilfsantrags 2, eingereicht mit Schreiben vom 7. Februar 2022, und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten. 3. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.