T 0827/24 18-07-2024
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VERFAHREN UND VORRICHTUNG ZUM EXAKTEN LEGEN VON BÖGEN
Berichtigung von Fehlern keine Abhilfe
Rückzahlung der Beschwerdegebühr - Abhilfe (nein)
Rückzahlung der Beschwerdegebühr - Rücknahme der Beschwerde vor Einreichung der Beschwerdebegründung (ja)
I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtete sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, welche in der mündlichen Verhandlung vom 13. März 2024 entschieden hat, das europäische Patent Nr. 3702157 zu widerrufen.
II. Mit Datum vom 5. April 2024 wurde die schriftliche Entscheidung der Einspruchsabteilung abgesetzt. Auf dem Deckblatt (EPA-Formular 2330) wurde als Tenor der Entscheidung fälschlicherweise wiedergegeben, dass die Einspruchsabteilung den Einspruch gegen das Streitpatent zurückgewiesen habe.
III. Mit Schreiben vom 4. Juni 2024 hat die Einsprechende Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung eingelegt und am selben Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdeschrift enthält folgenden Absatz:
"Begründung:
Die Entscheidung ist offensichtlich fehlerhaft gefertigt. Die Einspruchsabteilung dem [sic] Einspruch in der mündlichen Verhandlung vom 13. März 2024 statt gegeben hat und hat das Patent widerrufen, da der Gegenstand von Anspruch 1 bzw. Anspruch 9 als nicht erfinderisch gegenüber dem Stand der Technik bewertet wurde.
Diese Tatsache findet sich in den Entscheidungsgründen (Form 2916) unter 2.5.7 sowie in der Abschrift der Niederschrift der mündlichen Verhandlung nach Regel 124 (4) EPÜ Blatt 2 oben sowie im zugehörigen Formular Form 2309"
IV. Die Einsprechende hat in der Beschwerdeschrift beantragt, die Entscheidung vom 5. April 2024 aufzuheben und gemäß der Entscheidung der Einspruchsabteilung das Streitpatent zu widerrufen. Ferner beantragte sie, "nach Abhilfe der Beschwerde die Beschwerdegebühr an den [Vertreter der Einsprechenden] zurückzuzahlen".
V. Mit Entscheidung vom 1. Juli 2024 hat die Einspruchsabteilung EPA-Formular 2330 von Amts wegen gemäß Regel 140 EPÜ berichtigt, da es eine offenbare Unrichtigkeit enthalten habe. Statt dem fehlerhaften Formular fügte die Einspruchsabteilung der Berichtigungsentscheidung EPA-Formular 2331 bei, welches mit Datum vom 5. April 2024 den korrekten Tenor der Entscheidung, also den Widerruf des Streitpatents, wiedergibt.
VI. Die Kammer hat mit Mitteilung vom 2. Juli 2024 ihre vorläufige Einschätzung kundgetan, wonach die Beschwerde mangels Beschwer der Einsprechenden unzulässig sei und die Berichtigung durch die Einspruchsabteilung nicht als Abhilfe im Sinne von Artikel 109 (1) Satz 1 und 2 EPÜ angesehen werden könne. In der Konsequenz komme die von der Beschwerdeführerin beantragte Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach Abhilfe gemäß Regel 103 (1) a) Alternative 1 EPÜ nicht in Betracht, wohl aber gemäß Regel 103 (1) b) EPÜ, sofern die Einsprechende die Beschwerde vor Ablauf der viermonatigen Frist im Sinne von Artikel 108 Satz 3 EPÜ zurücknehme.
VII. Mit Schriftsatz vom 18. Juli 2024 hat die Einsprechende die Beschwerde zurückgenommen.
1. Nachdem die beschwerdeführende Einsprechende ihre (rechtzeitig im Sinne von Artikel 108 Satz 1 EPÜ eingelegte) Beschwerde zurückgenommen hat, hat die Kammer nur noch über die Rückzahlung der (rechtzeitig im Sinne von Artikel 108 Satz 2 EPÜ gezahlten) Beschwerdegebühr zu entscheiden.
2. Eine Entscheidung über die Rückzahlung der Beschwerdegebühr erfolgt unabhängig von einem etwaigen Antrag der beschwerdeführenden Partei von Amts wegen, da Regel 103 EPÜ die Rückzahlung der Beschwerdegebühr nicht von einem solchen Antrag und einer entsprechenden Begründung abhängig macht.
3. Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß Regel 103 (1) a) Alternative 1 EPÜ
3.1 Die Beschwerdegebühr wird gemäß Regel 103 (1) a) Alternative 1 EPÜ in voller Höhe zurückgezahlt, wenn der Beschwerde abgeholfen wird.
3.2 Die Berichtigung durch die Einspruchsabteilung gemäß Regel 140 EPÜ kann jedoch nicht zugleich als Abhilfe im Sinne von Artikel 109 (1) Satz 1 und 2 EPÜ angesehen werden.
3.2.1 Hiergegen spricht bereits, dass die Einspruchsabteilung ihre Entscheidung nicht als Abhilfeentscheidung bezeichnet hat, sondern ausschließlich die Voraussetzungen einer Berichtigung im Sinne von Regel 140 EPÜ geprüft und bejaht hat.
3.2.2 Unabhängig hiervon ist aber auch eine Abhilfe im Sinne von Artikel 109 (1) EPÜ mangels Erfüllung der darin genannten Voraussetzungen vorliegend nicht möglich:
a) Gemäß Artikel 109 (1) Satz 1 EPÜ hat das Organ, dessen Entscheidung angefochten wird, der Beschwerde abzuhelfen, wenn es die Beschwerde für zulässig und begründet hält. Die Beschwerde der Einsprechenden war aber mangels Beschwer im Sinne von Artikel 107 EPÜ unzulässig, da die angefochtene Entscheidung dem erstinstanzlichen Antrag der Einsprechenden entsprochen und das Patent widerrufen hat.
b) Gemäß Artikel 109 (1) Satz 2 EPÜ gilt die Abhilfepflicht gemäß Satz 1 außerdem nicht, wenn "dem Beschwerdeführer ein anderer an dem Verfahren Beteiligter gegenübersteht". Vorliegend stand aber der Einsprechenden als Beschwerdeführerin die Patentinhaberin als Beteiligte gegenüber.
3.3 In der Konsequenz kommt die von der Einsprechenden in der Beschwerdeschrift beantragte Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach Abhilfe gemäß Regel 103 (1) a) Alternative 1 EPÜ nicht in Betracht.
4. Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß Regel 103 (1) b) EPÜ
4.1 Die Beschwerdegebühr wird ferner gemäß Regel 103 (1) b) EPÜ in voller Höhe zurückgezahlt, wenn die Beschwerde vor Einreichung der Beschwerdebegründung und vor Ablauf der Frist für deren Einreichung zurückgenommen wird.
4.1.1 Die Einsprechende hat die Beschwerde am XX. Juli 2024 und somit vor Ablauf der viermonatigen Frist gemäß Artikel 108 Satz 3 EPÜ für die Einreichung der Beschwerdebegründung zurückgenommen.
4.1.2 Eine Rückzahlung käme jedoch dann nicht in Betracht, wenn die Ausführungen der Einsprechenden in ihrer Beschwerdeschrift vom 4. Juni 2024 (siehe oben Ziffer III.) als Beschwerdebegründung auszulegen wären und daher ihre Rücknahme der Beschwerde nicht mehr "vor Einreichung der Beschwerdebegründung" im Sinne von Regel 103 (1) b) EPÜ erfolgt ist.
4.1.3 Die Ausführungen der Einsprechenden in der Beschwerdeschrift entsprechen in der Sache einem Antrag auf Berichtigung gemäß Regel 140 EPÜ. Die Kammer legt daher diese Ausführungen nicht als eigentliche Beschwerdebegründung aus, sondern lediglich als in der Beschwerdeschrift enthaltenen Berichtigungsantrag. Nach dem ersichtlichen Willen der Einsprechenden sollten ihre Ausführungen nur und erst dann als eigentliche Beschwerdebegründung gelten, wenn die Einspruchsabteilung tatsächlich dem Begehren der Einsprechenden nicht (rechtzeitig vor Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist) nachgekommen wäre und den Tenor der angefochtenen Entscheidung nicht berichtigt hätte. Da die Einspruchsabteilung den Tenor ihrer Entscheidung aber rechtzeitig vor Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist berichtigt hat, trat die Bedingung, die Ausführungen in der Beschwerdeschrift (auch) als Beschwerdebegründung auszulegen, nicht ein.
4.2 Im Ergebnis ist daher die Beschwerde vor Einreichung der Beschwerdebegründung und vor Ablauf der Frist gemäß Artikel 108 Satz 3 EPÜ zurückgenommen worden, so dass die Beschwerdegebühr gemäß Regel 103 (1) b) EPÜ in voller Höhe zurückzuzahlen ist.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerdegebühr wird in voller Höhe zurückgezahlt.