T 0214/83 (Posteinzahlung) 03-09-1984
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Massgebender Zahlungstag
Zahlungstag/massgebender
Posteinzahlung
Zahlungsnachweis/rechtzeitig
I. Die Beschwerdeführerin hat am 19. Januar 1983 einen Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 0 002 861 unter gleichzeitiger Angabe der Anmeldenummer 78 200 369.3 eingereicht. In der Einspruchsschrift wurde ausgeführt, daß ein "Beleg über die Entrichtung der Einspruchsgebühr" (engl.: voucher of the settlement of the opposition fee) beiliege. Der "Beleg" bestand in einer Ablichtung der Vorder- und Rückseite eines ausgefüllten Formulars der italienischen Post für Einzahlungen auf Postscheckkonten. Das Formular war dahingehend ausgefüllt, daß auf das Postscheckkonto Nr. 10 568 277 der Europäischen Patentorganisation bei der italienischen Postverwaltung der Gegenwert der Einspruchsgebühr eingezahlt wird; als Zahlungszweck war "Einspruchsgebühr" unter Angabe der obengenannten Anmeldenummer und der Patentinhaberin vermerkt. Die Einzahlung war durch einen Stempel des Postamts Nr. 15 in Mailand mit dem Datum vom
18. Januar 1983 quittiert. Die Einspruchsfrist endete am 21. Januar 1983. Die Einzahlung wurde am 22. Januar 1983 auf dem Postscheckkonto der EPO verbucht.
II. Der Formalsachbearbeiter der Einspruchsabteilung teilte der Beschwerdeführerin nach Regel 69 (1) EPÜ mit, daß der Einspruch wegen verspäteter Zahlung der Einspruchsgebühr als nicht erhoben gelte. Die Beschwerdeführerin bezog sich in ihrer Erwiderung auf die Entscheidung der Juristischen Beschwerdekammer J 26/80 vom 13. November 1981 (ABl. EPA 1982, 7) und machte unter Zitierung von Bestimmungen des italienischen Rechts unter anderem geltend, daß eine Einzahlung auf Postscheckkonto für den Einzahler befreiende Wirkung habe.
III. Mit Entscheidung vom 25. Juli 1983 nach Regel 69 (2) EPÜ stellte der Formalsachbearbeiter fest, daß der Einspruch nach Artikel 99 (1) EPÜ wegen verspäteter Zahlung als nicht erhoben gelte. Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt, daß entsprechend der Entscheidung der Juristischen Beschwerdekammer J 07/81 vom 21. Dezember 1982 (ABl. EPA 1983, 89) nach Artikel 8 (1) a) GebO als maßgebender Tag der Tag der Gutschrift und nicht der Tag der Einzahlung gelte. Ein vergleichbarer Sachverhalt zur Entscheidung J 26/80 sei nicht gegeben. Dort sei nämlich ein der Gutschrift entsprechender Tatbestand dadurch geschaffen, daß die Bank am letzten Tag der Zahlungsfrist dem EPA durch Telex mitgeteilt habe, daß sie das Geld empfangen habe und (wenn auch erst nach Ablauf der Frist) gutschreiben werde. Im vorliegenden Fall sei jedoch die dem EPA innerhalb der Frist vorgelegte Ablichtung des Einzahlungsbelegs nicht geeignet, dem EPA die Gewißheit zu geben, daß das Geld zu seiner Verfügung stehe.
IV. Gegen diese Entscheidung hat die Einsprechende unter Zahlung der Gebühr am 21. September 1983 Beschwerde eingelegt und diese am 24. November 1983 begründet. Sie führt im wesentlichen aus, daß ihr Fall dem der Entscheidung J 26/80 gleichkomme. Der in ihrem Fall bei Fristablauf vorliegende Tatbestand entspreche einer Gutschrift i. S. v. Artikel 8 (1) a) GebO. Nach italienischem Recht sowie nach dem für die italienische Post geltenden Bestimmungen sei es unmöglich, eine Vordatierung des Einzahlungsdatums oder einen Rückruf der Einzahlung vorzunehmen. Eine entsprechende Bescheinigung des Direktors des Postscheckamts Mailand vom 14. November 1983 ist vorgelegt worden. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, eine Feststellung, daß der Einspruch zulässig ist, und die Rückzahlung der Beschwerdegebühr.
V. Der Patentinhaberin ist unter Hinweis auf die obengenannten Entscheidungen Gelegenheit gegeben worden, zur Frage der Zulässigkeit des Einspruchs Stellung zu nehmen. Eine Stellungnahme ist nicht erfolgt.
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 und Regel 64 EPÜ; sie ist daher zulässig.
2. Wie durch die Entscheidung J 07/81 bestätigt, gilt als Tag des Eingangs einer Zahlung beim EPA nach Artikel 8 (1) a) GebO der Tag, an dem der Betrag auf einem Konto des Amts gutgeschrieben wird. In der Entscheidung J 26/80 hat die Juristische Beschwerdekammer dargelegt, worin sie die Gründe für diese Regelung sieht. Als erster Grund wurde angeführt, daß vom Tag der Gutschrift an "der Geldbetrag dem Vermögen des EPA in einer vom Einzahler nicht mehr widerrufbaren Weise zugeflossen und das EPA damit verfügungsberechtigt geworden ist". Ein weiterer Grund wurde darin gesehen, daß "jedwede spätere Veränderung, insbesondere Vordatierung, des Zahlungstages nach vollzogener Verbuchung ausgeschlossen ist". Die Entscheidung J 07/81 bezieht sich nicht auf Sachverhalte, die rechtlich gesehen einem Eingang auf dem Konto gleichkommen, sondern bestätigt vielmehr, daß als maßgebender Zahlungstag in der Regel der Tag des Eingangs auf dem Konto anzusehen ist. In der Entscheidung J 26/80 wurde jedoch anerkannt, daß unter besonderen Umständen bereits vor vollzogener Buchung "eine rechtliche Situation geschaffen" werden kann, "die derjenigen nach vollzogener Buchung gleichkommt".
3. Umstände dieser Art liegen auch im vorliegenden Fall vor. Dem EPA wurde nämlich durch die rechtzeitig eingereichte Einspruchsschrift bewiesen, daß die Einspruchsgebühr am 18. Januar 1983 eingezahlt wurde, also vor Ablauf der mit dem 21. Januar 1983 endenden Einspruchsfrist. Dieser Beweis wurde geführt durch eine Erklärung des zugelassenen Vertreters der Einsprechenden in der Einspruchsfrist, verbunden mit einer Ablichtung des von der Post abgestempelten Einzahlungsbelegs. Hinzu kommt die Tatsache, daß nach italienischem Recht ein Rückruf der Zahlung nicht mehr möglich gewesen wäre. Daher war am 18. Januar 1983, also drei Tage vor Ablauf der Einspruchsfrist, eine Situation geschaffen, in der die Verbuchung der Einspruchsgebühr auf dem Postscheckkonto des EPA gesichert war, ob sie nun rechtzeitig oder - wie geschehen - verspätet erfolgen würde. Der Einzahler konnte von der Einzahlung an weder den Buchungstag beeinflussen noch die Einzahlung zurückrufen. Diese Situation war dem EPA auch bewiesen, sofern man die Kenntnis des maßgeblichen italienischen Rechts unterstellt.
4. Es kann dahingestellt bleiben, ob beide Umstände zusammentreffen müssen, um - wie in der Entscheidung J 26/80 - eine Situation zu schaffen, die einer rechtzeitigen Verbuchung gleichkommt. Jedenfalls ist im vorliegenden Fall eine Situation geschaffen, in der die in Artikel 8 (1) a) GebO erkennbare Absicht, grundsätzlich von der Verbuchung auszugehen, erfüllt ist: Bei einem Geldinstitut, bei dem das EPA ein Konto unterhält, war eine rechtzeitige Einzahlung unter Bedingungen erfolgt, die einen Rückruf oder eine Vordatierung der Einzahlung ausschlossen.
Es kann im vorliegenden Fall auch dahingestellt bleiben, ob das Vorliegen einer solchen Situation dem EPA noch - wie hier geschehen - vor Ablauf der Einspruchsfrist bewiesen werden muß oder ob es genügt, wenn diese Situation tatsächlich vorliegt und der Beweis später geführt wird.
5. Eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach Artikel 67 EPÜ kann nicht erfolgen, weil ein Verfahrensfehler nicht vorliegt. Es wurden vielmehr die gegebenen Tatumstände rechtlich anders gewertet, als dies die Beschwerdekammer in der vorliegenden Entscheidung tut.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird wie folgt entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben und die Sache zur Weiterbehandlung an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen.
2. Es wird festgestellt, daß die Einspruchsgebühr rechtzeitig gezahlt worden ist.
3. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird abgelehnt.