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T 0580/88 25-01-1990
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Verfahren zur Korrektur von Winkelfehlern bei einem elektronischen Kompass in Fahrzeugen
disclosure - enabling - unreasonable effort
Offenbarung der Erfindung, unzumutbarer Aufwand
I. Die europäische Patentanmeldung 85 901 974.7 (internationale Veröffentlichungsnummer WO 86/00 129) wurde von der Prüfungsabteilung zurückgewiesen.
II. Die Zurückweisung wurde damit begründet, daß einerseits der Gegenstand des Anspruchs 1, insofern er den Fall der Nicht-Identität zwischen Eichgröße und Inklinationswinkel miterfasse, in der Patentanmeldung nicht so deutlich und vollständig offenbart sei, daß ein Fachmann ihn ausführen könne (Art. 83 EPÜ), und daß er andererseits im Falle der Übereinstimmung zwischen Eichgröße und Inklinationswinkel im Hinblick insbesondere auf die Druckschriften US-A-3 621 584 (D1) und JP-A-588 210 (D2) (Zusammenfassung) auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruhe (Art. 56 EPÜ).
III. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin Beschwerde eingelegt.
IV. In ihrer Erwiderung auf eine Mitteilung gemäß Artikel 11 (2) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern, in welcher die Kammer insbesondere Bedenken hinsichtlich der Deutlichkeit und Vollständigkeit der Offenbarung des Anspruchsgegenstandes äußerte, verwies die Beschwerdeführerin noch auf den Stand der Technik nach der Druckschrift GB-A-2 130 729 (D3).
V. Im Rahmen einer mündlichen Verhandlung beantragte die Beschwerdeführerin schließlich, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent entweder aufgrund des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Anspruchs 1 und der Ansprüche 2 bis 5, eingegangen am 15. Januar 1990 (Hauptantrag) oder aufgrund des ebenfalls in der mündlichen Verhandlung eingereichten Anspruchs 1 und der Ansprüche 2 und 3, eingegangen am 15. Januar 1990 (Hilfsantrag) zu erteilen.
Anspruch 1, der einzige unabhängige Anspruch gemäß Hauptantrag lautet:
"1. Verfahren zur Korrektur von Winkelfehlern bei der Ermittlung der Fahrrichtung von Fahrzeugen mit einem elektronischen Kompaß, der ein am Fahrzeug (19) fest angeordnetes Magnetometer (10) mit mindestens einer auf einer vorbestimmten Achse ausgerichteten Sonde zur Messung des Erdmagnetfeldes und eine damit verbundene Auswerteschaltung (11, 12, 13) hat, in welche die von dem an der Sonde gemessenen Magnetfeld (h) abhängigen elektrischen Signale zur Errechnung der Fahrrichtung ( ') erfaßt werden, wobei zur Kompensation eines von der Neigung ( ) des Fahrzeugs (19) in der Fahrrichtungslängsachse (x) abhängigen Winkelfehlers ( ) der Fahrrichtung ( ) mindestens ein vom Erdmagnetfeld abhängiger Wert als Eichgröße (e) in die Auswertschaltung eingegeben und gespeichert wird, sodann mit einer Neigungsmeßeinrichtung (12) der Neigungswinkel ( ) des Fahrzeugs ermittelt wird und aus den vom Magnetometer (10) an die Auswerteschaltung (11) abgegebenen elektrischen Signalen sowie aus der Eichgröße (e) und dem jeweiligen Neigungswinkel ( ) eine korrigierte Fahrrichtung ( ) ermittelt wird, dadurch gekennzeichnet, a) daß zur Bildung der Eichgröße (e) der Inklinationswinkel (alpha) des Erdmagnetfeldes (He) eingegeben wird, b) daß in an sich bekannter Weise von zwei parallel zur Fahrzeugebene im Fahrzeug angeordneten Sonden des Magnetometers (10) mit rechtwinklig zueinander liegenden Achsen der dort wirksame Magnetfeldvektor (h) zyklisch gemessen und daraus mittels in einem Speicher (14) der Auswertschaltung (11) abgelegten Magnetfeld-Ortskurvenwerten (0) der nicht neigungskorrigierte Richtungswinkel ( ') ermittelt wird, c) daß mit Hilfe der Neigungsmeßeinrichtung (12) die gesamte in Fahrrichtung wirksame Beschleunigung (a') sowie die in Fahrrichtung wirksame Eigenbeschleunigung (c) des Fahrzeugs (19) ermittelt und daraus mit der Erdbeschleunigung (g) der Neigungswinkel ( ) des Fahrzeugs (19) zyklisch berechnet wird und d) daß anschließend mit dem nicht neigungskorrigierten Richtungswinkel ( '), dem Neigungswinkel ( ) und der Eichgröße (e) nach einer Funktionsgleichung = f( , ', E) die korrigierte Fahrrichtung ( ) zyklisch ermittelt wird."
Der einzige unabhängige Patentanspruch gemäß Hilfsantrag, Anspruch 1, unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag im wesentlichen durch die Einfügung in dessen Absatz c) der Merkmale der Unteransprüche 3 und 4 des Hauptantrags, wonach zum einen die in Fahrrichtung wirkende Eigenbeschleunigung des Fahrzeuges aus der Meßwertveränderung (dv/dt) eines Fahrgeschwindigkeitsgebers (25) errechnet wird und zum anderen die Neigungsmeßeinrichtung (12) mit einem in der Fahrzeuglängsachse beidseitig durch Drucksensoren (23, 24) gehaltenen Körper (21) eines Lagesensors (20) versehen ist.
VI. Im Hinblick auf den von der Kammer in ihrer Mitteilung erhobenen Einwand der unzureichenden Deutlichkeit und Vollständigkeit der Offenbarung des beanspruchten Gegenstandes (Art. 83 EPÜ) trug die Beschwerdeführerin im wesentlichen folgende Argumente vor:
Bereits aus der ursprünglich eingereichten Figur 3 nebst dazugehörigem Beschreibungsteil sei für den Fachmann zumindest erkennbar gewesen, daß der an einem im Fahrzeug angeordneten Magnetometer wirksame Magnetfeldvektor H bei Drehung des Fahrzeuges eine Magnetfeld-Ortskurve beschreibe und sich aus der Summe eines bekannten Störfeldvektors Hs und des zu ermittelnden Erdfeldvektors He zusammensetze. Detaillierte Angaben über die tatsächliche Ermittlung des nicht neigungskorrigierten Richtungswinkels anhand der bekannten Ortskurve und des gemessenen wirksamen Magnetfeldes seien aus der Druckschrift D3, die zum Stand der Technik gehöre, entnehmbar. Zwei weitere US-Patentschriften, die auf Verlangen der Kammer benannt werden könnten, beträfen zwar keine Zwei-Achsen-Magnetometervorrichtungen, offenbarten aber ebenfalls derartige Verfahren zur Ermittlung nicht neigungskorrigierter Richtungswinkel. Anhand dieser Druckschriften sei der Verfahrensschritt gemäß Absatz b) des kennzeichnenden Teils der Ansprüche 1 nach Haupt- und Hilfsantrag vom Fachmann ohne weiteres durchführbar.
Das Gleiche gelte für die Ermittlung der korrigierten Fahrrichtung gemäß kennzeichnendem Absatz d), weil die erforderliche Funktionsgleichung anhand der in der Druckschrift D1 offenbarten Gleichungen und den Rahmen der Fähigkeiten eines Abiturienten nicht überschreitender trigonometrischer Rechnungen bestimmt werden könne. Aus diesen Rechnungen gehe auch eindeutig hervor, daß als in der Funktionsgleichung sinnvoll einzusetzende Eichgröße eigentlich nur die Werte tgalpha oder cotgalpha in Frage kämen.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Beide Patentansprüche 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag weisen insbesondere folgende kennzeichnende Merkmale auf:
a) zur Bildung der Eichgröße (e) wird der Inklinationswinkel (alpha) des Erdmagnetfeldes (He) eingegeben; b) aus dem von zwei parallel zur Fahrzeugebene im Fahrzeug angeordneten Sonden des Magnetometers mit rechtwinklig zueinander liegenden Achsen gemessenen, dort wirksamen Magnetfeldvektor wird mittels in einem Speicher der Auswertschaltung abgelegten Magnetfeld- Ortskurvenwerten der nicht neigungskorrigierte Richtungswinkel ( ) ermittelt; und d) mit dem nicht neigungskorrigierten Richtungswinkel ( ), dem Neigungswinkel ( ) und der Eichgröße (e) wird die korrigierte Fahrrichtung ( ) nach einer Funktionsgleichung =f( ,E) ermittelt.
Nach Auffassung der Kammer sind diese Verfahrensschritte in der Patentanmeldung nicht so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann sie ausführen kann.
2.1. Zunächst ist nämlich festzustellen, daß die Anmeldungsunterlagen selbst keine für die Durchführung des beanspruchten Verfahrens an sich ausreichenden Ausführungsbeispiele oder Erläuterungen beinhalten.
Aus den Anmeldungsunterlagen ist insbesondere weder ein Hinweis auf die Art der Bildung der Eichgröße (e) anhand des angegebenen Inklinationswinkels (alpha) gemäß Merkmal a), noch auf den von dieser Eichgröße tatsächlich eingenommenen Wert zu entnehmen. Ferner ist in den Anmeldungsunterlagen weder ein Verfahren zur Ermittlung des nicht neigungskorrigierten Richtungswinkels anhand von in der Auswertschaltung abgelegten Magnetfeld- Ortskurvenwerten gemäß Merkmal b) im einzelnen beschrieben, noch ist darin die Funktionsgleichung zur Ermittlung der korrigierten Fahrrichtung gemäß Merkmal d) explizit angegeben. Dies wurde übrigens von der Beschwerdeführerin nicht bestritten.
2.2. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, daß eine an sich mangel- oder lückenhafte Offenbarung durch den Fachmann aufgrund seines allgemeinen Fachwissens ergänzt bzw. berichtigt werden kann und ihm danach die Ausführung der beanspruchten Erfindung möglich ist. Die dazu notwendigen Nachforschungen oder Versuche dürfen jedoch vom Fachmann keinen ihm unzumutbaren Aufwand verlangen (vgl. Entscheidung T 171/84; ABl. EPA 1986, 95; Punkt 12 der Entscheidungsgründe). Diese Bedingungen sind jedoch nach Auffassung der Kammer im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
Im Prinzip könnte zwar der Fachmann ausgehend von der aus der Figur 3 nebst dazugehöriger Beschreibung gewonnenen Kenntnis, daß sich der am Magnetometer wirksame Magnetfeldvektor, der sich aus einem meßbaren Störfeld und dem zu ermittelnden Erdmagnetfeld zusammensetzt, bei Drehung des Fahrzeugs eine Ortskurve beschreibt, auf den Gedanken kommen, diese Ortskurve empirisch zu ermitteln, und die gemessenen Magnetfeldwerte anhand dieser Ortskurve so auszuwerten, daß die Richtung des Erdmagnetfeldes bestimmt werden kann. Unter Umständen könnte der Fachmann sogar aufgrund der Kurvenschar der Figur 4, die den Verlauf des Winkelfehlers in Abhängigkeit von der Fahrrichtung für verschiedene Neigungswinkel (aber offensichtlich für einen bestimmten, dort nicht angegebenen Inklinationswinkel) darstellen, die Möglichkeit ins Auge fassen, eine Vielzahl solcher Kurvenscharen für verschiedene Inklinationswinkel z. B. anhand von empirischen Messungen zu erstellen, und sie danach mathematisch zur Bestimmung der Funktionsgleichung gemäß Merkmal d) auszuwerten.
Diese, für die tatsächliche Ermittlung der korrigierten Fahrrichtung erforderlichen theoretischen Untersuchungen und experimentellen Handlungen, sowie auch die Bereitstellung der zur Auswertung der gemessenen Magnetfeld-bzw. Neigungswerte sowie auch des jeweiligen Inklinationswertes notwendigen technischen Mittel setzen jedoch einen Zeit- und Arbeitsaufwand sowie auch die Überwindung von Schwierigkeiten voraus, die nach Auffassung der Kammer einem mit der Ausführung einer in einer Patentanmeldung beschriebenen Erfindung beschäftigten Fachmann nicht mehr zumutbar sind.
2.3. Die Beschwerdeführerin hat ihre gegenteilige Auffassung im wesentlichen darauf gestützt, daß der Fachmann die Erfindung aufgrund der in der Anmeldung selbst angegebenen Lösungsansätze in Verbindung mit dem Inhalt der vorveröffentlichten Druckschriften D1 und D3 hätte ausführen können.
Abgesehen davon, daß die in Absatz d) der Ansprüche 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag erwähnte Funktionsgleichung in keinem dieser Dokumente explizit angegeben ist, sondern ihre Festlegung auch ausgehend von der Druckschrift D1 noch weiterer theoretischer Überlegungen, insbesondere trigonometrischer Art, bedürfte, ist festzustellen, daß in den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen nicht genannte Druckschriften in der Regel nicht als zum allgemeinen Fachwissen gehörend zu betrachten sind, und daß sie daher zur Deutlichkeit und Vollständigkeit der Offenbarung nicht beitragen können. Lediglich allgemeine Fachliteratur oder gängige Nachlagewerke gehören zum allgemeinen Fachwissen und bedürfen daher keiner Erwähnung in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen, um dem Fachmann die Ausführung einer Erfindung zu ermöglichen (vgl. die oben erwähnte Entscheidung T 171/84, Punkt 5 der Entscheidungsgründe).
Folglich konnte die sich auf die in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht genannten Druckschriften D1 und D3 stützende Argumentation der Beschwerdeführerin die Kammer von der Ausführbarkeit der beanspruchten Erfindung für einen Durchschnittsfachmann nicht überzeugen.
Die Kammer sieht daher auch keine Veranlassung, der Beschwerdeführerin Gelegenheit zu geben, die zwei von ihr während der mündlichen Verhandlung erwähnten, aber nicht näher bezeichneten, US-Druckschriften zur Ergänzung des Offenbarungsgehalts der Patentanmeldung nachzureichen.
2.4. Da die vorliegende Patentanmeldung insgesamt nicht den Erfordernissen des Artikel 83 EPÜ genügt, ist eine Patenterteilung, unabhängig von der Fasssung der Patentansprüche laut Haupt- oder Hilfsantrag, nicht möglich.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.