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T 0638/88 28-05-1990
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Schmierfettzusammensetzung, ihre Herstellung und Verwendung
inventive step - problem - establishment
remittal - novel factsss - two instances
erfinderische Tätigkeit - Ermittlung der Aufgabe
Zurückverweisung - neue Tatsachen, zweiinstanzliches
Verfahren
I. Auf die am 1. Februar 1984 unter Beanspruchung der Priorität einer Voranmeldung in der Bundesrepublik Deutschland vom 2. Februar 1983 eingereichte europäische Patentanmeldung 84 101 018.4 wurde das europäische Patent 117 454 aufgrund von 16 Patentansprüchen erteilt. Der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 6. August 1986 im Patentblatt 86/32 veröffentlicht. Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"Schmierfettzusammensetzung auf Basis eines größeren Anteils an Mineral-oder Syntheseöl als Grundöl und eines kleineren Anteils einer Polyharnstoffverbindung als Verdickungsmittel sowie üblichen Additiven, dadurch gekennzeichnet, daß sie als Polyharnstoff das Reaktionsprodukt eines Isocyanats mit mindestens 3 Isocyanatgruppen im Molekül mit einem langkettigen, geradkettigen oder verzweigten aliphatischen Monoamin enthält."
II. Gegen die Erteilung dieses Patents wurde am 5. Mai 1987 ein Einspruch eingelegt und der vollständige Widerruf des angegriffenen Patents wegen mangelnder Ausführbarkeit sowie Fehlens der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit beantragt. Der Einspruch stützte sich auf mehrere Dokumente, insbesondere D2: US-A-4 261 845 D4: US-A-3 015 625 D7: DE-A-2 654 661 III. Mit Entscheidung vom 20. Oktober 1988 hat die Einspruchsabteilung den Einspruch zurückgewiesen. Anspruch 1 weise - so wird sinngemäß ausgeführt - den Fachmann eindeutig an, eine Isocyanat-Verbindung mit 3 oder mehr Isocyanatgruppen mit einem aliphatischen Monoamin unter solchen Reaktionsbedingungen umzusetzen, daß eine Polyharnstoffverbindung entsteht. Über die Art der einzusetzenden Isocyanate und Amine, deren Mengenverhältnisse und die Reaktionsbedingungen enthalte die Beschreibung ausführliche Erläuterungen. Mangelnde Ausführbarkeit folge auch nicht schon daraus, daß Anspruch 1 eine Vielzahl von Polyharnstoffverbindungen umfasse, die Beschreibung aber nur 2 Ausführungsbeispiele enthalte. Von den Entgegenhaltungen, in denen Polyharnstoffe erwähnt seien, die sich von Polyisocyanaten mit mehr als zwei Isocyanatresten pro Molekül ableiten, umfasse D4 Schmierfette, die Reaktionsprodukte aus einem Triisocyanat und Abietylaminen enthalten können. Hiervon unterscheide sich der Gegenstand des Streitpatents dadurch, daß die an die Polyharnstoffgruppen gebundenen Reste langkettige verzweigte oder unverzweigte, jedoch nicht cyclische Kohlenwasserstoffreste seien. Druckschrift D2 beschreibe Schmierfette mit einem Gehalt an Polyharnstoffen, die aus einer Polyäthergruppen enthaltenden Aminverbindung hergestellt werden. Solche Aminkomponenten würden vom Gegenstand des Streitpatents nicht umfaßt. Als Isocyanatkomponente kämen zwar auch Polyisocyanate mit einer Funktionalität von 2,7 in Frage, die als Gemische aus verschiedenwertigen Isocyanaten, die Tri- oder höherwertige Isocyanate enthalten, angesehen werden können, jedoch seien immer auch Di-isocyanate anwesend. Der Gegenstand des Streitpatents sei somit neu. Er beruhe auch auf erfinderischer Tätigkeit. Dem Streitpatent liege die Aufgabe zugrunde, die bekannten Schmierfette auf Basis von Polyharnstoffen hinsichtlich der mechanischen Stabilität, insbesondere in Kombination mit öllöslichen Additiven, der Hochdruck eigenschaften, sowie der Lebensdauer und Temperaturfestigkeit zu verbessern. Diese Aufgabe werde auch tatsächlich gelöst. Zwar habe die Einsprechende Bedenken hiergegen vorgetragen; diese seien aber nicht substantiiert worden. Zudem gebe keine der dem Gegenstand des Streitpatents am nächsten kommenden Druckschriften D2 und D4 überhaupt eine Anregung dazu, ein für ein Schmierfett geeignetes Polyharnstoff-Verdickungsmittel aus einem Tri-Isocyanat und einem langkettigen aliphatischen Amin herzustellen, insbesondere deshalb, weil die in Betracht kommenden Eigenschaften der Polyharnstoffe bekanntermaßen sehr stark strukturabhängig seien und eine Voraussage über die Auswirkungen einer strukturellen Abwandlung bekannter Polyharnstoffe nicht möglich sei.
IV. Am 17. Dezember 1988 hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende) gegen diese Entscheidung unter Zahlung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde erhoben und diese am 23. Februar 1989 mittels am 24. Februar 1989 bestätigter Telekopie unter Hinweis auf zwei weitere Druckschriften, darunter D11: Erdöl und Kohle-Erdgas-Petrochemie (vereinigt mit "Brennstoffchemie") (Juni 1974), S. 297 - 300 begründet. Am 28. Mai 1990 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden.
Die Beschwerdeführerin verwies insbesondere darauf, daß es angesichts der Vielzahl der vom Streitpatent umfaßten Schmierfette praktisch auszuschließen sei, daß diese alle die geltend gemachten Verbesserungen gegenüber dem Stand der Technik aufweisen. Der geltende Anspruch 1 umfasse nicht nur, wie von der Einspruchsabteilung unterstellt, Schmierfette mit einem Gehalt an Polyharnstoffen, die aus Tri-Isocyanaten erhältlich seien, bei denen alle drei Isocyanatgruppen an denselben Kohlenwasserstoffrest gebunden seien. Unter einem langkettigen, geradkettigen oder verzweigten aliphatischen Monoamin sei auch ein alkoxyliertes Amin gemäß D2 zu verstehen. Aus den in der Streitpatentschrift enthaltenen Versuchsergebnissen folge auch nicht, daß mit den Schmierfetten gemäß Streitpatent tatsächlich eine Verbesserung gegenüber bekannten Schmierfetten mit einem Gehalt an Polyharnstoffen erzielt werde, da Vergleiche nur mit einem handelsüblichen Lithiumschmierfett durchgeführt worden seien. Selbst wenn man anerkennen wollte, daß gegenüber diesem Stande der Technik eine Verbesserung erzielt werde, so sei diese vorhersehbar gewesen, da in D2 und D7 bereits ausgeführt werde, daß Schmierfette auf Polyharnstoffbasis den bekannten Lithiumfetten überlegen seien. Dies sei gemäß D11 auf das Polyharnstoff-Grundgerüst zurückzuführen, das einer weitgehenden strukturellen Variation zur Anpassung an spezielle Erfordernisse zugänglich sei. Die Schmierfette gemäß Streitpatent hätten daher lediglich die zu erwartenden Eigenschaften und beruhten nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
V. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat demgegenüber geltend gemacht, daß die Ausführbarkeit der Lehre des Streitpatents gegeben sei, da hierfür auch die Angaben in der Beschreibung heranzuziehen seien. Das Vorliegen der erforderlichen erfinderischen Tätigkeit könne auch unter Berücksichtigung von D11 nicht verneint werden, da diese Druckschrift lediglich Schmierstoffe mit einem Gehalt an Polyharnstoffen aus Di-Isocyanaten und Di-Aminen betreffe. Gegenüber diesen weisen die gemäß Streitpatent eingesetzten Polyharnstoffe eine verzweigte Struktur und damit grundlegende Unterschiede auf. Der Inhalt dieser Druckschrift entspreche im übrigen im wesentlichen dem im Streitpatent bereits gewürdigten Stande der Technik. Unter dem Begriff "aliphatisch" im Sinne des Streitpatents seien nur ununterbrochene Kohlenstoffketten zu verstehen (siehe Römpps Chemie-Lexikon, 8. Auflage, Stichwort "Aliphatische Verbindungen"). Dies gelte für die gemäß Streitpatent einzusetzende Amin- und Isocyanatkomponente. Das in der Beschreibung als in Betracht kommendes aliphatisches Tri- isocyanat bezeichnete "Desmodur N" (Spalte 2, Zeile 42) enthalte ein Stickstoffatom in der Kette und sei daher kein aliphatisches Polyisocyanat. Die mit den Schmierfetten gemäß Streitpatent gelöste Aufgabe bestehe in der Verbesserung der Gesamteigenschaften und nicht nur einzelner herausgegriffener Teilaspekte wie der Temperaturfestigkeit.
In der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdegegnerin erklärt, daß die Schmierfette gemäß Streitpatent in erster Linie zur Schmierung homokinetischer Gelenke bestimmt seien, wie sie z. B. bei Kraftfahrzeugen mit Frontantrieb verwendet werden. Hierfür seien bisher in Europa nur Lithiumfette eingesetzt worden. Es sei ihr bekannt, daß ein Schmierfett gemäß Streitpatent das einzige sei, das die strengen Spezifikationen eines großen Kraftfahrzeugherstellers für die Verwendung in den homokinetischen Gelenken windschlüpfiger, stark motorisierter Pkw erfülle. Die entsprechenden Resultate könnten jederzeit vorgelegt werden, falls der Kraftfahrzeughersteller sie zur Verfügung stelle. Gegebenenfalls sei die Beschwerdegegnerin bereit, entsprechende eigene Versuche vorzulegen.
Die Beschwerdeführerin bat für den Fall, daß diese erstmalig vorgetragene Tatsachenbehauptung entscheidungserheblich sein sollte, um Überprüfung dieses Vorbringens in zwei Instanzen.
VI. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.
Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.
1. Die Beschwerde genügt den Erfordernissen der Artikel 106 bis 108 EPÜ sowie der Regel 64; sie ist daher zulässig.
2. Der geltende (erteilte) Anspruch 1 unterscheidet sich von der ursprünglich eingereichten Fassung nur dadurch, daß Schmierfette ausgenommen sind, zu deren Herstellung ein cycloaliphatisches Monoamin verwendet wird. Diese Änderung erfolgte im Hinblick auf D4 und ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden.
3. Das Streitpatent erfüllt auch das Erfordernis der ausreichenden Offenbarung im Sinne von Art. 100 b) EPÜ. Die Beschwerdeführerin hat nämlich weder behauptet noch dargetan, daß Schmierfette mit den Merkmalen des Anspruchs 1 anhand der Angaben im Steitpatent nicht hergestellt werden können. Sie hat lediglich vorgetragen, daß das Streitpatent keine Angaben darüber enthalte, daß die beanspruchten Schmierfette den bekannten Schmierfetten auf Polyharnstoff-Basis überlegen seien. Dieses Vorbringen der Beschwerdeführerin bezieht sich daher in Wahrheit nicht auf das Erfordernis der Ausführbarkeit, sondern auf dasjenige der erfinderischen Tätigkeit.
4. Die Kammer hat sich davon überzeugt, daß in keiner der entgegengehaltenen Druckschriften ein Schmierfett mit allen Merkmalen gemäß Patentanspruch 1 des Streitpatents beschrieben wird. Der Gegenstand des Streitpatents ist daher gegenüber diesen Druckschriften neu. Da die Neuheit im Beschwerdeverfahren zuletzt nicht mehr bestritten worden ist, erübrigen sich nähere Ausführungen hierzu.
5. Die Kammer weist jedoch darauf hin, daß sie die in der angefochtenen Entscheidung geäußerte Auffassung bezüglich des vom geltenden Patentanspruch 1 umfaßten Gegenstands nicht teilt, insbesondere hinsichtlich der Bedeutung der Ausdrücke "Isocyanat mit mindestens 3 Isocyanatgruppen im Molekül" und "langkettiges, geradkettiges oder verzweigtes aliphatisches Monoamin". Die angefochtene Entscheidung ist davon ausgegangen, daß es sich dabei um Isocyanate handelt, bei denen mindestens 3 Isocyanatgruppen an einen zentralen Kohlenwasserstoffrest gebunden sind. Sie hat sich bei dieser Interpretation offenbar auf das beispielhaft genannte Triphenylmethantriisocyanat (Desmodur R) gestützt, dabei aber übersehen, daß in der Beschreibung ebenso das Desmodur N erwähnt wird, dessen Hauptbestandteil die folgende idealisierte Struktur aufweist (Ullmanns Enzyklopädie der technischen Chemie, 4. Auflage, Band 19, Seite 303):
O=C=N-(CH2)6-N-CO-NH-(CH2)6-N=C=O ¦ CO-NH-(CH2)6-N=C=O In diesem Isocyanat enthält der "aliphatische Rest" also auch Stickstoffatome als Kettenglieder. Demgemäß fallen nach Auffassung der Kammer unter die von der ursprünglichen Beschreibung und der Streitpatentschrift gestützte Bedeutung des Ausdrucks "aliphatisch" auch Reste mit Heteroatomen in der Kette. Analog sind auch die in D2 genannten Monoamine mit Sauerstoffatomen in den aliphatischen Resten langkettige aliphatische Monoamine im Sinne des Streitpatents. Die Kammer kann daher auch der im Beschwerdeverfahren von der Beschwerdegegnerin zugrundegelegten Definition des Begriffs "aliphatisch" im vorliegenden Fall nicht folgen. Die in "Römpps Chemie- Lexikon" lediglich beispielhaft genannten Verbindungen enthalten zwar alle aliphatische Kohlenwasserstoffreste, deren Ketten ausschließlich aus Kohlenstoffatomen aufgebaut sind; es ist diesem Lexikon aber nicht zu entnehmen, daß die Bezeichnung "aliphatisch" auf solche Reste beschränkt ist.
6. Im Hinblick auf die Untersuchung der erfinderischen Tätigkeit ist zunächst zu ermitteln, welche technische Aufgabe mit dem Schmierfett gemäß Streitpatent tatsächlich gelöst wird.
6.1. Dem Streitpatent ist zu entnehmen, daß sich die bisher eingesetzten Schmierfette auf Lithiumbasis nur für Dauereinsatztemperaturen bis zu 135 °C eignen, während mit den bekannten polyharnstoffhaltigen Schmierfetten diese Temperaturgrenze auf 150 bis 160 °C gesteigert werden konnte (Spalte 1, Zeilen 28-36). Gemäß Streitpatent soll demgegenüber einerseits die Aufgabe bestanden haben, die Temperaturgrenze für den Dauereinsatz weiter zu erhöhen. Außerdem soll die Haltbarkeit der Polyharnstoff- Verdickungsmittel in Gegenwart von insbesondere öllöslichen Additiven verbessert werden (Spalte 1, Zeilen 37-48).
Aus der Streitpatentsschrift geht jedoch nur hervor, daß sich mit den zur Lösung dieser Aufgabe vorgeschlagenen Schmierfetten Dauereinsatztemperaturen von 150-160° erreichen lassen (Spalte 5, Zeilen 23 bis 40) und daß diese Schmierfette auch hinsichtlich ihrer übrigen Eigenschaften den besten handelsüblichen Lithiumfetten überlegen sind. Den Beispielen und den zugehörigen Figuren, insbesondere Fig. 2 und 3, ist ferner zu entnehmen, daß es zur Erzielung dieses Erfolgs auf die Kombination des Verdickungsmittels mit bestimmten Additiven ankommt.
Die Kammer kann aus diesen Angaben nicht entnehmen, daß die Schmierfette gemäß Anspruch 1, die durch ein sehr allgemein definiertes neues Polyharnstoff- Verdickungsmittel und "übliche Additive" gekennzeichnet sind, den gemäß Spalte 1, Zeilen 6 bis 22 (vgl. auch D11) bekannten Schmierfetten mit Polyharnstoff-Verdickungsmitteln, die ebenfalls "übliche Additive" enthalten, überlegen sind.
Zwar hat die Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, bisher seien - zumindest in Europa -für den gemäß Streitpatent im Vordergrund stehenden Einsatzzweck der beanspruchten Schmierfette in homokinetischen Gelenken (vgl. Anspruch 16) nur Lithiumfette handelsüblich und die Beschwerdeführerin hat diesen Sachverhalt bestätigt. Daraus könne man schließen, daß die bekannten Polyharnstoff-Schmierfette diesen Lithiumfetten allenfalls gleichwertig sind. Eine solche Schlußfolgerung steht allerdings im Widerspruch zu den Angaben im Streitpatent, Spalte 1, Zeilen 28-36 und zu den Ausführungen in D2, Spalte 1, Z. 10-29 sowie D7, 2. Absatz der Beschreibung. Die Beschwerdeführerin hat außerdem zur Überzeugung der Kammer dargelegt, daß unter den hier vorliegenden Umständen eine derartige Schlußfolgerung auch deshalb nicht zwingend ist, weil man gerade in der Kraftfahrzeugindustrie aus Kostengründen die langwierigen und teueren Dauerversuche, die der Einführung eines noch nicht in der Praxis erprobten Schmierfetts vorausgehen müssen, nach Möglichkeit vermeidet und daher am Bewährten festhält, auch wenn schon bessere Produkte existieren.
6.2. Aufgrund dieses Sachverhalts konnte daher nach Überzeugung der Kammer diese in der Streitpatentschrift angegebene Aufgabe bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht zugrunde gelegt werden. Hierbei hat die Kammer auch berücksichtigt, daß Gegenstand des Streitpatents nicht ein Schmierfett mit "öllöslichen" Additiven, sondern lediglich ein solches mit "üblichen" Additiven ist. Bei diesem Schmierfett spielt also die behauptete Eigenschaft der gemäß Streitpatent einzusetzenden Verdickungsmittel, besonders gut mit öllöslichen Additiven verträglich zu sein, keine Rolle. Dies steht im Einklang mit den Ausführungen der Beschwerdegegnerin, wonach für den bevorzugten Einsatz in homokinetischen Gelenken nicht öllösliche Hochdruckzusätze wie Graphit oder Molybdändisulfid erforderlich sind (siehe Anspruch 8 und 9). Gleichwohl ist die Vorinstanz für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit von den strukturell weit entfernten Lithiumfetten als Stand der Technik ausgegangen und hat die in der Streitpatentschrift angegebene Aufgabenstellung kritiklos übernommen, obwohl bei der Lektüre dieser Schrift erkennbar war, daß bereits Schmierfette auf Polyharnstoffbasis bekannt waren, die den Lithiumfetten in ihrer Temperaturfestigkeit überlegen waren. Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammer ist aber vor der eigentlichen Prüfung, ob erfinderische Tätigkeit gegeben ist, der objektiv nächste Stand der Technik und die demgegenüber bestehende, durch die Erfindung gelöste technische Aufgabe objektiv zu ermitteln. Daran fehlt es bei der angefochtenen Entscheidung, so daß diese keinen Bestand haben kann und aufzuheben ist.
6.3. Nun hat die Beschwerdegegnerin den Standpunkt vertreten, für die Beurteilung des Naheliegens komme es im vorliegenden Falle nicht darauf an, ob gegenüber dem nächsten Stand der Technik eine Verbesserung erzielt worden sei. Dem stimmt die Kammer zu. Damit stellt sich aber die Frage, ob ein Fachmann angesichts des umfänglichen in der Streitpatentschrift angegebenen und im Einspruchs- und Beschwerdeverfahren zu Tage gekommenen Standes der Technik auf dem Gebiet der Schmierfette auf Polyharnstoff-Basis zum Beispiel eine Kombination eines aus D4 bekannten Tri-isocyanats mit einem aus D2 bekannten Monoamin in Betracht gezogen hätte, wenn nur die Aufgabe bestanden hätte, ein weiteres (neues) Schmierfett mit einem Polyharnstoff-Verdickungsmittel vorzuschlagen. Die Kammer hätte derzeit jedenfalls Bedenken, diese Frage zugunsten der Beschwerdegegnerin zu entscheiden.
6.4. Indes hat die Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung erstmals, aber mit Nachdruck, vorgetragen, daß sie Kenntnis von Versuchsergebnissen hat, die belegen, daß Schmierfette nach dem Streitpatent handelsüblichen Schmierfetten auf Polyharnstoff-Basis in homokinetischen Gelenken überlegen seien. Diese Ergebnisse seien jedoch derzeit nicht verfügbar, da die Versuche von einem bedeutenden Automobilhersteller durchgeführt worden seien, der sie nur über das positive Resultat unterrichtet habe. Sollte dieser Automobilhersteller seine Versuchsergebnisse nicht zur Verfügung stellen, so sei die Beschwerdegegnerin bereit, eigene Versuchsergebnisse einzureichen.
7. Dieser Sachverhalt ist nach Auffassung der Kammer für die abschließende Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit wesentlich. Wesentliche neue Tatsachen müssen aufgrund des in Artikel 114 (1) EPÜ statuierten Grundsatzes der Amtsermittlung berücksichtigt werden, auch wenn sie in einem späten Verfahrensstadium vorgebracht werden. Um den Beteiligten hinsichtlich dieser neuen Tatsachen das vom EPÜ grundsätzlich vorgesehene zweiinstanzliche Verfahren zu gewährleisten, macht die Kammer von der ihr in Art. 111 (1) EPÜ eingeräumten Möglichkeit Gebrauch, die Sache an die Einspruchsabteilung zur Fortsetzung des Einspruchsverfahrens aufgrund des neuen Tatsachenvorbringens zurückzuverweisen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die Vorinstanz zurückverwiesen mit der Auflage, das Verfahren aufgrund der in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten neuen Tatsachen fortzusetzen.