T 0187/90 17-07-1991
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Ladungsdrall- und/oder turbulenzeinrichtung für Verbrennungsmotore
Inventive step (yes)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 86 901 778.0 (Internationale Veröffentlichungsnummer WO-A-86/05237), eingereicht am 4. März 1986, wurde mit Entscheidung der Prüfungsabteilung, zur Post gegeben am 30. November 1989, zurückgewiesen.
II. Die Zurückweisung wurde mit mangelnder erfinderischer Tätigkeit gegenüber dem sich aus den Druckschriften
(D1) WO-A-79/00 707 (D2) DE-A-2 709 519 (D3) DE-A-2 234 642 (D4) DE-A-1 576 012 ergebenden Stand der Technik begründet.
III. Gegen die Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 21. Dezember 1989 unter gleichzeitiger Entrichtung der Gebühr Beschwerde eingelegt. Die schriftliche Begründung ist am 14. März 1990 eingegangen.
IV. Nach einer Mitteilung der Kammer, hat die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 15. Oktober 1990 neue Unterlagen mit geänderten Ansprüchen eingereicht, nämlich Patentansprüche 1 bis 5 sowie Beschreibung Seiten 1 bis 11. Einige Änderungen wurden am 4. Juli 1991 telefonisch vereinbart.
Der geltende Anspruch 1 lautet wie folgt:
"Brennkraftmaschine mit einem Zylinderkopf für direkt einspritzende Dieselmotoren mit zwei Einlaß- und Auslaßventilen je Zylinder, von denen ein erstes Einlaßventil (2) und ein erstes Auslaßventil (17) auf der Längsmittelebene des Motors und ein zweites Einlaßventil (3) und ein zweites Auslaßventil (16) auf einer senkrecht zur Längsmittelebene angeordneten Querebene liegen und den Einlaßventilen (2, 3) jeweils ein Einlaßkanal (4, 5) zugeordnet ist, von denen einer als Drallkanal (5) und der andere als Füllungskanal (4) ausgebildet ist und der Drallkanal (5) dem auf der Querebene und der Füllungskanal (4) dem auf der Längsmittelebene liegenden Einlaßventil (2) zugeordnet ist und der Drallkanal (5) ohne querschnittsbeeinflussendes Strömungsleitorgan ausgebildet ist und im Zentrum aller Ventile eine Einspritzdüse angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, daß im Füllungskanal (4) ein verstellbares Strömungsleitorgan angeordnet ist, welches in Abhängigkeit von Motorparametern derart einstellbar ist, daß das Strömungsleitorgan im Teillastbereich geschlossen und im Vollastbereich geöffnet ist, und daß die Projektionsfläche des Strömungsleitorgans auf die Ebene senkrecht zur Kanalachse im geschlossenen Zustand kleiner ist als der Querschnitt des Füllungskanals (4), so daß dieser bei geschlossenem Strömungsleitorgan nur in einem Teilbereich verschlossen ist und dadurch die Luftströmung so beeinflußt wird, daß im Zylinder eine Verminderung der drallmindernden Ladeluftmenge und eine Erhöhung der die Drall und Verwirbelung verstärkenden Ladeluft verursacht wird."
V. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtene Entscheidung und die Erteilung eines Patents mit folgenden Unterlagen:
- Ansprüche 1 bis 5, eingereicht mit Schreiben vom 15. Oktober 1990, wobei vereinbarungsgemäß:
im Anspruch 1, Zeile 3 der ersten Seite die Bezugszeichen "(2, 3)" gestrichen werden, und im Anspruch 1, Zeilen 2, 3 der zweiten Seite "beeinflußbar" durch "beeinflußt" ersetzt wird;
- Beschreibung, Seiten 1 bis 11, eingereicht mit Schreiben vom 15. Oktober 1990, wobei vereinbarungsgemäß lautet:
Seite 3, Zeile 27: "ist ein Otto-Motor bzw. ein Otto-Motor und ein Diesel-Motor beschrieben, wobei der Zylin-", und Seite 6, Zeile 28: "Fig. 2" wird durch "Fig. 1" ersetzt;
- Zeichnungen, Blatt 1/1 und 1/2, veröffentlichte Fassung.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Der geltende Anspruch 1 geht auf den ursprünglichen Anspruch 1, die Angaben auf Seite 1, Zeilen 19 bis 20, Seite 7, Zeile 35 bis Seite 8, Zeile 11 und Seite 9, Zeile 5 bis 34 der ursprünglichen Beschreibung und die unveränderte Figur 5 zurück.
Die geltenden Ansprüche 2 und 3 gehen auf die Angaben auf die ursprüngliche Seite 9, Zeile 36 bis Seite 10, Zeile 1 bzw. auf die ursprüngliche Seite 6, Zeile 23 zurück. Der geltende Anspruch 4 entspricht Anspruch 9 wie veröffentlicht. Der geltende Anspruch 5 geht auf das Beispiel im Anspruch 1, Zeile 18 zurück.
Die geltenden Ansprüche 1 bis 5 genügen somit den Forderungen des Artikels 123 (2) EPÜ.
Die geltende Beschreibung unterscheidet sich von der veröffentlichten Fassung dadurch, daß sie dem geltenden Anspruch 1 angepaßt ist und die Druckschriften D2 und D4 gewürdigt sind. Gegen diese Fassung der Beschreibung bestehen daher keine Bedenken.
3. Klarheit
3.1. Die Ausdrücke "Drallkanal" und "Füllungskanal" im Anspruch 1 sind für einen Fachmann sich aus dem Gesamtinhalt der Anmeldung ergebende klar definierte Begriffe.
Der Drallkanal bewirkt eine spiralförmige Anströmung des Ventiltellers.
Der Füllungskanal hat eine möglichst geringe Krümmung und deswegen einen geringen Strömungswiderstand. Der Füllungskanal mündet am Einlaß-Ventilteller etwa in einer zur Achse der Zylinder parallelen Richtung. Damit wird das Einlaßventil allseitig etwa gleichmäßig angeströmt, wenn die Strömung im Einlaßkanal nicht durch ein in diesem Einlaßkanal angeordnetes Strömungsleitorgan beeinflußt wird.
3.2. Das im Anspruch 1 präzisierte zu erreichende Ergebnis, daß die Luftströmung so beeinflußt wird, daß im Zylinder eine Verminderung der drallmindernden Ladeluftmenge und eine Erhöhung der die Drall und Verwirbelung verstärkenden Ladeluft verursacht wird, ist aus den Figuren 1 und 2 und dem dazugehörigen Beschreibung für einen Fachmann klar.
4. Neuheit Nach Prüfung der vorliegenden Druckschriften kommt die Kammer zu dem Ergebnis, daß in keiner von ihnen eine Brennkraftmaschine mit allen im geltenden Anspruch 1 aufgeführten Merkmale offenbart ist.
Der Drallkanal 16 gemäß Druckschrift D1 ist dem auf der Längsmittelebene des Motors liegenden Einlaßventil 18 zugeordnet und ist außerdem mit einem querschnittsbeeinflussenden Strömungsleitorgan 32 ausgebildet. Jede der Druckschriften D2 und D4 offenbart je Zylinder nur einen Einlaßkanal. Der Tangentialkanal 5' (Füllungskanal) gemäß Druckschrift D3 hat kein querschnittsbeeinflussendes Strömungsleitorgan.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher neu im Sinne des Artikels 54 EPÜ.
5. Nächstkommender Stand der Technik Übereinstimmend mit der Beschwerdeführerin und mit der Prüfungsabteilung sieht die Kammer als nächstkommenden Stand der Technik die Brennkraftmaschine gemäß Druckschrift D3 an, auf die sich der Oberbegriff des geltenden Anspruchs 1 bezieht.
Aus dieser Druckschrift D3 ist eine Anordnung bekannt, welche zu einer verstärkten Drehung der Verbrennungsluft im Zylinder führt; siehe Seite 2, Zeilen 19 bis 23.
Die Auslaßventile 2', 2 der Brennkraftmaschine gemäß Druckschrift D3 liegen auf der Längsmittelebene des Motors bzw. auf der Querebene I-I (siehe Fig. 2). Der Tangentialkanal (Füllungskanal) 5' ist dem auf der Längsmittelebene liegenden Einlaßventil 1' zugeordnet. Der Spiralkanal 5 (Drallkanal) ist dem auf der Querebene I-I liegenden Einlaßventil 1 zugeordnet und ist ohne querschnittsbeeinflussendes Strömungsleitorgan ausgebildet. Eine Einspritzdüse 12 ist im Zentrum aller Ventile angeordnet.
Auch der Tangentialkanal (Füllungskanal) 5' ist ohne querschnittsbeeinflussendes Strömungsleitorgan ausgebildet.
6. Aufgabe und Lösung Eine solche Brennkraftmaschine weist den Nachteil auf, daß eine bei Motorenhöchstdrehzahl und -leistung abgestimmte Gemischbildung im unteren Drehzahl- und Lastbereich nicht optimal ist; siehe die vorliegende Beschreibung, Seite 2, Zeilen 1 bis 11.
Die Aufgabe, die der Erfindung zugrunde liegt, ist daher - wie in der Beschreibung auf Seite 3, Zeilen 1 bis 8 ausgeführt - darin zu sehen, eine Brennkraftmaschine gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 zu schaffen, mit der mit einfachen Mitteln eine raucharme und schadstoffarme Verbrennung auch im niedrigen Drehzahl- und Lastbereich möglich ist.
Diese Aufgabe wird durch die kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs 1 gelöst. Das Strömungsleitorgan verursacht im Teillastbereich einerseits eine Verminderung der drallmindernden Ladeluftmenge und andererseits einer Erhöhung der die Drall und Verwirbelung verstärkenden Ladeluft (vgl. Figuren 1 bis 3: Pfeilen 10, 10').
7. Erfinderische Tätigkeit
7.1.1. Die Druckschrift D2 offenbart eine Strömungsdrosseleinrichtung 44 im Einlaßkanal 22 zum Drosseln und Ablenken der Strömung der brennbaren Ladung, um sie zu zwingen, in den Zylinder 12 im wesentlichen tangential zur Zylinderwand einzutreten (siehe Seite 11, ersten Absatz).
7.1.2. Die Druckschrift D2 gibt die Lehre, daß die Strömungsgeschwindigkeit so weit zu erhöhen ist, daß auch bei niedriger Drehzahl und unter Betriebsbedingungen mit geringer Last eine völlige Verdampfung des Brennstoffs und eine völlige Mischung des Brennstoffs mit Luft bewirkt wird.
7.1.3. Diese Druckschrift D2 betrifft aber einen Ottomotor mit nur einem Einlaßkanal 22 pro Zylinder 12. Dadurch liegen nicht nur andere Strömungsverhältnisse als bei der Maschine gemäß Druckschrift D3 (zwei Einlässe statt eines einzigen), sondern auch andere Verbrennungsphänomene (Einleitung der Verbrennung durch einen Zündfunken der Zündkerze statt einer Selbstentzündung) vor. Deswegen unterscheiden sich die Anforderungen an den Einlaßtrakt bei einem Dieselmotor gemäß der vorliegenden Anmeldung und an den Einlaßtrakt bei einem Ottomotor gemäß der Druckschrift D2 grundsätzlich voneinander.
7.1.4. Darüber hinaus ist das Merkmal, wonach bei geschlossenem Strömungsleitorgan der Füllungskanal nur in einem Teilbereich verschlossen ist, in der Anordnung nach der Druckschrift D2 anders als in der Anordnung gemäß der vorliegenden Anmeldung zu beurteilen. Der Klappen- Querschnitt in der Maschine gemäß Druckschrift D2 muß kleiner sein als der Kanal-Querschnitt, sonst erfolgt keine Durchströmung, wenn bei Teillast die Klappe geschlossen ist. Dagegen wäre es in der Anmeldung möglich, den Füllungskanal durch das Strömungsleitorgan völlig zu schließen, weil der Drallkanal immer noch offen bleibt. Der Fachmann hat jedoch hier die Möglichkeit gewählt, den Füllungskanal nicht völlig zu schließen.
7.1.5. Die Kammer ist deshalb der Ansicht, daß ein Fachmann durch eine Ansaug-Vorrichtung gemäß Druckschrift D2 nicht angeregt wird, ein Strömungsleitorgan, z. B. eine Klappe, im Füllungskanal 5' der Maschine gemäß Druckschrift D3 anzubringen.
7.1.6. Ferner wird darauf hingewiesen, daß es nach ständiger Rechtssprechung der Kammern für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit der in der vorliegenden Anmeldung vorgeschlagenen Änderungen gegenüber dem bekannten Stand der Technik nicht darauf ankommt, ob der Fachmann diese Änderungen nur hätte vornehmen können, sondern darauf, ob er dies gerade in Erwartung einer Verbesserung oder eines Vorteils auch getan hätte (vgl. Entscheidung T 2/83, Abl. 1984, 265, "could-would approach"). Wie bereits dargelegt, findet der Fachmann in der Druckschrift D2 keine Anregung zur Lösung des Problems, ein Strömungsleitorgan nur im Füllungskanal einer Diesel-Maschine mit zwei Einlaßkanälen so zu verwenden, daß dadurch die Ladeluftströmung beeinflußt wird, derart, daß die drallmindernde Ladeluftmenge reduziert und die den Drall und die Verwirbelung verstärkende Ladeluftmenge erhöht wird. Von einer solchen Beeinflussung einer Ladeluftmenge durch eine andere, ist in der Druckschrift D2 nicht die Rede.
7.2. Dem Inhalt der übrigen Druckschriften ist auch nichts zu entnehmen, was den Gegenstand des Anspruchs 1 nahelegen konnte.
7.2.1. Die Lehre der Druckschrift D4, die einen Diesel- oder Ottomotor beinhaltet, geht über die der Druckschrift D2 zu entnehmenden Lehre nicht hinaus.
7.2.2. Druckschrift D1 betrifft einen direkt einspritzenden Dieselmotor mit einem Drallkanal 16' (Fig. 6) und einem Füllungskanal je Zylinder. Diese beiden Kanäle sind einzeln oder zusammen zu benutzen, und zwar so, daß der Füllungskanal während der Start-, Leerlauf- und Motorhochgeschwindigkeitsperiode geöffnet und während der Motorzwischengeschwindigkeiten völlig geschlossen ist. Andererseits ist der Drallkanal während der erwähnten Start- und Leerlaufperiode geöffnet und während der Motorzwischen-und Hochgeschwindigkeiten geschlossen. Falls ein Fachmann diese Lehre anwenden würde, wäre das Resultat eine Maschine, die nicht vergleichbar wäre mit einer Brennkraftmaschine gemäß Anspruch 1.
7.2.3. Ebenso weist auch eine Zusammenfassung der durch den Stand der Technik vermittelten Lehren dem Fachmann keinen Weg, auf dem er ohne erfinderische Tätigkeit zu einer Brennkraftmaschine gemäß der Lehre des Anspruchs 1 gelangen konnte.
7.3. Die Brennkraftmaschine nach dem geltenden Anspruch 1 beruht mithin auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ. Der Anspruch 1 ist daher gewährbar.
8. Der geltende Anspruch 1 und die davon abhängige Ansprüche 2 bis 5, in Verbindung mit der Beschreibung und den Figuren können deshalb als Grundlage für die Patenterteilung dienen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die erste Instanz mit der Auflage zurückverwiesen, ein europäisches Patent mit den im Abschnitt V genannten Unterlagen zu erteilen.