T 0390/90 (Kristalliner Papierfüllstoff) 15-12-1992
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Zulässigkeit des Beitritts eines vermeintlichen Verletzers im Beschwerdeverfahren
Rechtsstatus der Beschwerdekammern
Keine Gleichsetzung von Beschwerde- und Einspruchsverfahren
Möglicher Verzicht der Kammern auf Befassung der Großen Beschwerdekammer: Verfahrensökonomie
Neuheit (bejaht) - zweites Dokument durch einen Hinweis darauf in das Hauptdokument einbezogen - keine Offenbarung eines kontinuierlichen Verfahrens im Lichte des allgemeinen Wissensstands am maßgeblichen Veröffentlichungstag
Erfinderische Tätigkeit (bejaht) - Beweislast in bezug auf bestrittene Wirkungen
I. Die Erteilung des europäischen Patents Nr. 0 056 200 auf die europäische Patentanmeldung Nr. 81 306 189.2 wurde am 23. September 1987 bekanntgemacht (s. Patentblatt 87/39). ...
II. Am 21. Juni 1988 wurde von Pietro Conte Einspruch gegen dieses Patent eingelegt und sein Widerruf wegen mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit beantragt. ...
III. Mit einer am 20. März 1990 mündlich verkündeten Entscheidung, deren schriftliche Begründung am 25. April 1990 zur Post gegeben wurde, wies die Einspruchsabteilung den Einspruch zurück.
IV. Gegen diese Entscheidung legte der Einsprechende am 12. Mai 1990 unter gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr Beschwerde ein.
Die Beschwerdebegründung wurde am 3. September 1990 eingereicht.
V. Am 25. Oktober 1990 wurde dann von Cartiere Paolo Pigna S.p.A. eine Beitrittserklärung gemäß Artikel 105 EPÜ eingereicht. Die Beitrittswillige stützte ihr Beitrittsbegehren darauf, daß gegen sie am 27. Juli 1990 vor dem Gericht von Bergamo Klage wegen Verletzung des Streitpatents erhoben worden sei, und legte in der Erklärung auch ihre Einspruchsgründe dar. Die vorgeschriebene Einspruchsgebühr sowie die Beschwerdegebühr wurden am selben Tag entrichtet.
VI. Der Beschwerdeführer sprach dem beanspruchten Gegenstand unter Berufung auf die vorstehend unter Nummer II genannten Dokumente, vier weitere im Einspruchsverfahren und 18 im Beschwerdeverfahren angezogene Dokumente die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit ab. Er machte ferner geltend, daß der beanspruchte Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe.
VII. Die Beitrittswillige bestritt ebenfalls die Patentierbarkeit des beanspruchten Verfahrens und stützte sich auch weitgehend auf dieselben Gründe und Beweismittel, reichte aber am 5. Mai 1992 zusätzlich einen Testbericht ein, um das Argument, daß das beanspruchte Verfahren keine unerwarteten Vorteile aufweise, weiter zu untermauern.
VIII. Die Beschwerdegegnerin stellte unter Verweis auf die Regeln 64 und 65 EPÜ die Zulässigkeit der Beschwerde in Abrede und hielt auch den Beitritt nach Artikel 105 EPÜ für unzulässig.
IX. In zwei früheren Mitteilungen vom 14. Januar 1991 und vom 19. Oktober 1992 vertrat die Kammer die vorläufige Auffassung, daß der Beitritt zugelassen werden könne.
Dieser vorläufigen Stellungnahme trat die Beschwerdegegnerin mit im wesentlichen denselben Gründen entgegen, die sie später in der mündlichen Verhandlung vorbrachte. Sie beantragte die Verschiebung der bereits anberaumten mündlichen Verhandlung und begründete ihren Antrag damit, daß der Großen Beschwerdekammer in der Sache T 202/89 ihres Erachtens dieselbe Frage vorgelegt worden sei. Die diesbezügliche Entscheidung der Großen Beschwerdekammer (G 4/91, ABl. EPA 1993, 707) erging am 3. November 1992 und belegte definitiv, was an sich bereits der Vorlage zu entnehmen war, daß nämlich die strittige Frage dort anders gelagert war als in der nun zur Entscheidung anstehenden Sache. Im Fall T 202/89 hatte die erstinstanzliche Entscheidung zu dem Zeitpunkt, zu dem das Beitrittsgesuch gestellt wurde, Rechtskraft erlangt, weil keine Beschwerde eingelegt worden war, obgleich der Beitrittsantrag innerhalb der Beschwerdefrist nach Artikel 108 EPÜ eingereicht wurde.
Nachdem sich die Große Beschwerdekammer in zwei weiteren Entscheidungen vom 5. November 1992, nämlich G 7/91 und G 8/91 (ABl. EPA 1993, 356, 346), mit Rechtsfragen befaßt hatte, die für den vorliegenden Fall noch von weitaus größerer Relevanz waren, unterrichtete die Kammer alle Beteiligten davon, daß die Frage der Zulässigkeit vor dem Hintergrund dieser Entscheidungen noch offen sei.
X. Am 15. Dezember 1992 fand eine mündliche Verhandlung statt.
XI. Im Vorfeld des eigentlichen Beschwerdeverfahrens ging die Kammer zunächst auf die Frage der Zulässigkeit des Beitritts ein und hörte hierzu alle Beteiligten, darunter auch die Beitrittswillige, die einen eigenen Vertreter entsandt, vorsorglich aber auch den Vertreter des Beschwerdeführers ausdrücklich ermächtigt hatte, für sie zu handeln, falls der Beitrittsversuch scheitere.
XII. Die Beitrittswillige und der Beschwerdeführer argumentierten übereinstimmend, daß die Beschwerdekammern nach dem Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) weder als Gerichte konzipiert seien noch richterliche Funktionen wahrnähmen und somit faktisch keine Gerichte seien. Sie seien vielmehr nur Bestandteil der verwaltungsmäßigen Organisation des Europäischen Patentamts, so daß ein Beschwerdeverfahren eine bloße Fortsetzung des erstinstanzlichen (Verwaltungs-) Verfahrens, hier also des Einspruchsverfahrens, darstelle. In Anbetracht dessen könne mit Fug und Recht davon ausgegangen werden, daß unter den in Artikel 105 EPÜ angesprochenen Einspruchsverfahren auch Beschwerdeverfahren subsumiert seien.
Sie machten ferner geltend, daß - von der Frage des Rechtsstatus der Beschwerdekammern einmal abgesehen - Artikel 106 (1) EPÜ durch die Bestimmung, daß die Beschwerde aufschiebende Wirkung habe, insoweit eine verfahrenstechnische Verknüpfung zwischen Einspruch und Beschwerde herstelle, als der Einspruch während der Beschwerdephase in der Schwebe oder "noch im Gange" sei, wenn auch nur für die Zwecke des Beschwerdeverfahrens. Daher sei ein Beitritt nach Artikel 105 EPÜ in der Beschwerdephase eindeutig zulässig. Diese Auslegung des Artikels 106 (1) EPÜ stünde, wie sie meinten, auch im Einklang mit der Absicht des Artikels 105 EPÜ, wonach die Gültigkeit eines europäischen Patents, das Gegenstand eines Verletzungsverfahrens vor einem nationalen Gericht ist, zentral vom Europäischen Patentamt festgestellt werden solle.
Schließlich brachten sie noch vor, daß Artikel 115 EPÜ einem Beitrittswilligen, gegen den eine Verletzungsklage erhoben worden sei, nur in völlig unzureichendem Maße Gelegenheit biete, den Rechtsbestand des Patents anzufechten, da er ihm kein rechtliches Gehör einräume.
XIII. In ihrer Erwiderung erklärte die Beschwerdegegnerin, daß Artikel 106 (1) EPÜ nur die Rechtswirkungen erstinstanzlicher Entscheidungen aufschiebe, das vorausgehende Verfahren, hier das Einspruchsverfahren, aber dadurch nicht verlängert oder in Gang gehalten werde; dieses sei mit der angefochtenen Entscheidung faktisch abgeschlossen. Die Behauptung des Beschwerdeführers, das Beschwerdeverfahren sei zwar anders ausgestaltet, rechtlich gesehen aber auf gleicher Ebene wie das Einspruchsverfahren angesiedelt, stehe auch im Widerspruch zu der in der Sache G 7/91 ergangenen Entscheidung der Großen Beschwerdekammer, die den grundlegenden Unterschied zwischen erstinstanzlichen (Einspruchs-) Verfahren und Beschwerdeverfahren ausdrücklich herausgestellt und die Auffassung vertreten habe, daß das Einspruchsverfahren ein reines Verwaltungsverfahren, das Beschwerdeverfahren dagegen ein "verwaltungsgerichtliches Verfahren" sei. Daher dürfe Artikel 105 EPÜ nur wörtlich ausgelegt und nicht auf einen ganz anderen Verfahrenstyp, nämlich Beschwerden, ausgedehnt werden.
Außerdem sei zu bedenken, daß ein Beitritt nach Artikel 105 EPÜ in einer so fortgeschrittenen Phase durchaus zu weiteren Verzögerungen führen könne, insbesondere, wenn dadurch ein völlig neuer, entscheidungserheblicher Aspekt zur Sprache komme und die Sache nach Artikel 111 (1) EPÜ an die erste Instanz zurückverwiesen werden müsse, weil über einen solchen neuen Sachverhalt nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer nicht im Wege der Beschwerde entschieden werden könne.
Schließlich hielt sie dem Beschwerdeführer noch entgegen, daß Artikel 115 EPÜ Beitrittswilligen eine vollauf ausreichende Möglichkeit biete, die Gültigkeit bereits in Frage gestellter Patente im Beschwerdeverfahren, d. h. nach Abschluß des von anderen eingeleiteten Einspruchsverfahrens, anzufechten, auch wenn ihnen dieser Artikel im Gegensatz zu Artikel 105 EPÜ nicht ausdrücklich einen Anspruch auf rechtliches Gehör zubillige.
XIV. Die Beitrittswillige beantragte, dem Beitrittsgesuch nach Artikel 105 EPÜ stattzugeben. Der Beschwerdeführer unterstützte ihr Gesuch.
Die Beschwerdegegnerin beantragte, das Gesuch abzulehnen.
XV. Nach Beratung verkündete die Kammer als Zwischenentscheidung die Ablehnung des Beitrittsgesuchs.
XVI. Anschließend wurde die mündliche Verhandlung zur eigentlichen Beschwerde ohne Beteiligung der Beitrittswilligen fortgesetzt.
XX. Der Beschwerdeführer beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 056 200.
Die Beschwerdegegnerin begehrte die Zurückweisung der Beschwerde.
XXI. Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete die Kammer ihre Entscheidung auf Zurückweisung der Beschwerde.
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 und Regel 64 EPÜ; sie ist somit zulässig. Die Kammer sieht keine Veranlassung, näher auf diese Feststellung einzugehen, da die Beschwerdegegnerin die Zulässigkeit der Beschwerde in der mündlichen Verhandlung nicht mehr in Frage gestellt hat.
2. Zulässigkeit des Beitritts nach Artikel 105 EPÜ während des Beschwerdeverfahrens
2.1 Weder der Beschwerdeführer noch die Beschwerdegegnerin, noch die Beitrittswillige hat einen förmlichen Antrag gestellt, die Große Beschwerdekammer mit dieser Frage zu befassen; die Kammer erkennt aber an, daß diese Rechtsfrage durchaus gewichtig genug für eine Vorlage an die Große Beschwerdekammer erscheinen könnte. Nach Artikel 112 (1) a) EPÜ können die Kammern nach eigenem Ermessen eine Frage der Großen Beschwerdekammer vorlegen, wenn ein Beteiligter dies beantragt oder sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt und die Kammer in beiden Fällen zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung oder zur Klärung der Rechtsfrage eine Entscheidung der Großen Beschwerdekammer für erforderlich hält. Es liegt auf der Hand, daß sich eine Vorlage an die Große Beschwerdekammer erübrigt, wenn der Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung zukommt oder sie trotz grundsätzlicher Bedeutung keine kritische Streitfrage aufwirft. Selbst wenn sich im Zusammenhang mit einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung eine solche kritische Streitfrage ergibt, steht es der Kammer aber immer noch frei, von einer Befassung der Großen Beschwerdekammer abzusehen. Weist die Kammer einen entsprechenden Antrag eines Beteiligten zurück, so ist sie verpflichtet, die Zurückweisung in der Endentscheidung zu begründen. Dies gilt jedoch nicht, wenn kein förmlicher Antrag vorliegt, sondern die Kammer von sich aus auf eine Vorlage an die Große Beschwerdekammer verzichtet.
Nach Auffassung der Kammer kommt der vorliegenden Rechtsfrage zweifellos grundsätzliche Bedeutung zu, so daß prinzipiell die Möglichkeit bestünde, die Sache von Amts wegen der Großen Beschwerdekammer vorzulegen. Aus mehreren, nachstehend dargelegten Gründen hat die Kammer jedoch beschlossen, nicht die Große Beschwerdekammer zu befassen, sondern in dieser Beschwerdesache selbst abschließend über die vorstehende Frage zu entscheiden.
2.2 Nach Einschätzung der Kammer ist die maßgebliche rechtliche Kernfrage nach dem Charakter des Beschwerdeverfahrens bereits behandelt und entschieden worden, so erst jüngst in den Entscheidungen der Großen Beschwerdekammer G 7/91 und G 8/91, aber auch in einigen früheren Fällen, in denen - (im wesentlichen) im Zusammenhang mit verspätet eingereichten Beweismitteln oder anderem Material, durch das sich entweder ein vollkommen neuer oder ein von der Ausgangsbasis der angefochtenen Entscheidung wegführender Sachverhalt ergibt - der Charakter des Beschwerdeverfahrens in Abgrenzung zum erstinstanzlichen Verfahren definiert wurde (s. T 97/90, ABl. EPA 1993, 719; T 26/88, ABl. EPA 1991, 30; T 326/87, ABl. EPA 1992, 522 und T 611/90, ABl. EPA 1993, 50).
Die diesbezügliche Schlüsselaussage in der Entscheidung G 7/91 findet sich unter Nummer 7 der Entscheidungsgründe, wo es heißt:
"Das Einspruchsverfahren ist ein reines Verwaltungsverfahren im Gegensatz zum Beschwerdeverfahren, das als ein verwaltungsgerichtliches Verfahren anzusehen ist, wo eine Ausnahme von allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätzen, wie z. B. dem Verfügungsgrundsatz, viel stärker begründet werden müßte als im Verwaltungsverfahren."
Mit dieser Feststellung, die in der jüngst ergangenen Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 10/91 unter Nummer 18 der Entscheidungsgründe wiederum ausdrücklich bestätigt wurde (...ist das Beschwerdeverfahren.... als verwaltungsgerichtliches Verfahren anzusehen....), wurde die frühere Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 1/86 (ABl. EPA 1987, 447) aufgegriffen, der zufolge die Beschwerdekammern (nach dem amtlichen deutschen Wortlaut und der französischen Übersetzung) Gerichte sind bzw. (nach der englischen Übersetzung) als Gerichte fungieren. Die eigentliche Frage lautet jedoch nicht, ob die Beschwerdekammern Gerichte sind, sondern vielmehr, ob Beschwerdeverfahren Einspruchsverfahren gleichzusetzen sind oder sich beide zumindest als weitgehend analoge Verfahren darstellen. Diesbezüglich bestätigen die Entscheidungen G 7/91 und G 8/91 klar und deutlich die langjährige Rechtsprechung, in der diese Frage verneint wurde. Damit ist die Behauptung der Beitrittswilligen, die sich auch der Beschwerdeführer zu eigen gemacht hat, widerlegt, daß Beschwerdeverfahren nichts anderes als Einspruchsverfahren in anderer Gestalt seien.
2.3 In G 7/91 und G 8/91 wurde ausdrücklich über die Rechtsfrage entschieden, inwieweit die der Ausführung des Artikels 111 (1) EPÜ dienende Regel 66 (1) EPÜ die Auslegung des eindeutig auf Einspruchsverfahren beschränkten letzten Satzes in Regel 60 (2) EPÜ beeinflussen könnte. Bei jeder Entscheidung über diese Frage muß geklärt werden, wo die Ermittlungsbefugnisse enden, die den Beschwerdekammern durch Artikel 114 (1) EPÜ übertragen werden, der - zumindest in der englischen Fassung mit der Wortwahl "shall" recht kategorisch - folgendes bestimmt: "In den Verfahren vor dem Europäischen Patentamt ermittelt das Europäische Patentamt den Sachverhalt von Amts wegen; es ist dabei weder auf das Vorbringen noch auf die Anträge der Beteiligten beschränkt." Die Rechtsfrage im Rahmen der Regel 60 (2) EPÜ ergibt sich direkt aus dieser vermeintlich unbegrenzten Befugnis, deren Fortbestehen auch dort geltend gemacht werden könnte, wo ein Einspruch oder - wie aus dem Begriff "entsprechend" in Regel 66 (1) EPÜ geschlossen werden könnte - eine Beschwerde zurückgenommen worden ist. Die Große Beschwerdekammer hat keinen Zweifel daran gelassen, daß zwischen Beschwerde- und Einspruchsverfahren ein so großer Unterschied besteht, daß diese Ermittlungsbefugnis mit der Zurücknahme der Beschwerde untergeht, Regel 60 (2) EPÜ, deren Wortlaut sich auf Einsprüche beschränkt, also auch wörtlich ausgelegt werden muß.
Eine ganz ähnliche Rechtsfrage stellt sich nun im vorliegenden Fall, da auch in Artikel 105 EPÜ ausdrücklich nur vom Einspruchsverfahren die Rede ist: Besteht zwischen Beschwerde- und Einspruchsverfahren eine so weitgehende Ähnlichkeit oder Identität, daß dieser Artikel im Analogieschluß auch auf Verfahren angewandt werden kann, die in ihm wörtlich nicht erwähnt sind? Eingedenk der vorstehend umrissenen Rechtsprechung und insbesondere der zwei neueren Entscheidungen der Großen Beschwerdekammer G 7/91 und G 8/91 (die nun in der vorstehend bereits angesprochenen Entscheidung G 10/91 bestätigt wurden) ist diese Frage eindeutig zu verneinen, so daß auch in diesem Zusammenhang der Begriff "entsprechend" in Regel 66 (1) EPÜ angesichts der wesentlichen und grundlegenden Unterschiede zwischen den beiden Verfahren - dem administrativen Einspruchs- und dem verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren - sehr eng ausgelegt werden muß. Demgemäß ist die Kammer der Ansicht, daß die grundsätzliche Rechtsfrage (der verfahrenstechnische Anwendungsbereich des Artikels 105 EPÜ) implizit bereits umfassend und unmißverständlich geklärt worden ist, sich also eine Rechtsfrage, deren Vorlage an die Große Beschwerdekammer in ihrem Ermessen stünde, gar nicht stellen kann.
Selbst wenn die Kammer mit dieser Einschätzung irrte, stünde es ihr, wie eingangs dargelegt, frei, ad hoc selbst über die Frage zu entscheiden, ohne daß sie, wie ebenfalls schon angesprochen, nach Artikel 112 EPÜ verpflichtet wäre, ihr Vorgehen zu begründen. Die Kammer legt Wert auf die Feststellung, daß dem vorrangigen Gebot der Verfahrensökonomie, nämlich der raschen, effizienten und kostengünstigen Lösung aller vor dem EPA einschließlich der Beschwerdekammern strittigen Fragen, so große Bedeutung zukommt, daß eine Ermessensentscheidung der Kammer, von einer Befassung der Großen Beschwerdekammer (Art. 112 (1) EPÜ) abzusehen, ohne weiteres hierauf gestützt werden kann.
Vor diesem Hintergrund könnte ein Beitritt in einer so späten Phase, wie die Beschwerdegegnerin zu Recht geltend gemacht hat, in einigen Fällen und insbesondere dann, wenn der Beitretende einen vollkommen neuen oder in wesentlichen Punkten anderen Sachverhalt vorbrächte, eine Zurückverweisung an die erste Instanz (Art. 111 (1) EPÜ) nach sich ziehen; selbst wenn über einen solchen "neuen" Sachverhalt direkt im Zuge der Beschwerde entschieden werden könnte, wäre die späte Behandlung der Sache aber zwangsläufig der Verfahrensökonomie abträglich.
Schließlich bietet Artikel 115 EPÜ Nichtbeteiligten nach Auffassung der Kammer ausreichend Gelegenheit, Patente, die bereits von anderen angegriffen wurden, im Einspruchsverfahren, das in seiner Wirkung einem zentralen Nichtigkeitsverfahren nahekommt (wie in der Entscheidung G 10/91 unter Nummer 2 der Entscheidungsgründe bestätigt wurde), sowie mit der Beschwerde gegen die in solchen Verfahren getroffenen Entscheidungen anzufechten, da Artikel 115 EPÜ Dritten, die etwas gegen die Patentierbarkeit der in Patentanmeldungen/Patenten beanspruchten Erfindungen vorzubringen haben, für dieses Vorbringen keine Frist setzt.
Durch eine Entscheidung der Kammer über die hier strittige Verfahrensfrage wird die Verfahrensökonomie in vollem Umfang gewahrt, ohne daß der beitrittswilligen Partei eine Gelegenheit verwehrt würde, ihr Anliegen vorzubringen. Die Kammer weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß der Vertreter des Beschwerdeführers entsprechend der ihm erteilten Ermächtigung auch für die Beitrittswillige tätig geworden ist, der somit durchaus rechtliches Gehör in der von ihr ursprünglich im Wege des Beitritts vorgetragenen Frage zuteil geworden ist.
Nicht zuletzt stimmt die Kammer auch den Ausführungen der Beschwerdegegnerin zu Artikel 106 (1) EPÜ (aufschiebende Wirkung) uneingeschränkt zu.
2.4 Aufgrund dessen gelangt die Kammer zu dem Schluß, daß ein Beitritt nach Artikel 105 EPÜ nicht zulässig ist. Die Beitrittswillige wurde daher vom weiteren Verfahren ausgeschlossen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.