T 0854/90 (Kartenleser) 19-03-1992
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1. Die richtige Auslegung des Wortes "Erfindungen" in Artikel 52 (1) EPÜ verlangt, daß beanspruchte Gegenstände oder Tätigkeiten, die patentfähig sein sollen, technischen Charakter aufweisen und damit grundsätzlich gewerblich anwendbar sind - im Anschluß an die Entscheidungen T 208/84 (ABl. EPA 1987, 4) und T 22/85 (ABl. EPA 1990, 12).
2. Ein Anspruch, der - als Ganzes betrachtet - im wesentlichen eine geschäftliche Transaktion betrifft, weist keinen technischen Charakter auf und ist nicht auf eine patentfähige Erfindung im Sinne des Artikels 52 (1) EPÜ gerichtet, auch wenn das beanspruchte Verfahren Schritte mit einer technischen Komponente enthält. Die wahre Natur des beanspruchten Gegenstands bleibt dieselbe, auch wenn zur Ausführung technische Mittel benutzt werden.
Verfahren zum Lesen und Genehmigen von Karten unter Verwendung einer Maschine
Verfahren für geschäftliche Tätigkeiten
Keine Erfindung
Gegenstand nicht patentierbar
Erfinderische Tätigkeit (nein)
I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 84 114 432.2 (Veröffentlichungsnr. 0 146 812) wurde auf der Grundlage der am 7. Juli 1989 eingereichten unabhängigen Ansprüche 1 und 2 von der Prüfungsabteilung zurückgewiesen.
Gegenstand der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung ist eine automatische Selbstbedienungsvorrichtung, die durch Einführen einer mit Kenndaten versehenen Karte genutzt werden kann, und ein Verfahren zum Betrieb einer solchen Maschine.
In der Anmeldung heißt es, ein Benutzer müsse gemäß der Erfindung nicht mehr mit einer Spezialkarte ausgestattet werden, die ihn berechtige, Transaktionen an der Maschine vorzunehmen, weil er als Kennkarte oder sozusagen als "Schlüssel" für den Zugang zu der Maschine und die Vornahme der Transaktion eine beliebige maschinenlesbare Karte verwenden könne, die er bereits besitze.
Wenn die Maschine die Kenndaten auf einer ihr vorgelegten Karte nicht als die eines berechtigten Benutzers identifiziere, würden diese Daten sowie weitere, vom potentiellen Benutzer gemachte Bonitätsangaben nämlich registriert. Der Eigentümer der Maschine könne dann darüber befinden, ob der Benutzer für künftige Transaktionen eine Berechtigung erhalten solle; dann würden die Daten des Benutzers in der Maschine gespeichert. Bei diesem System erübrige es sich also, daß berechtigte Benutzer mit Spezialkarten ausgestattet werden müßten, und es ermögliche es einem nicht berechtigten Benutzer, eine bereits in seinem Besitz befindliche Karte von der Maschine genehmigen zu lassen und sie dann zu verwenden.
II. Die Zurückweisung wurde damit begründet, daß die Ansprüche 1 und 2 nach Artikel 52 (1) und 56 EPÜ wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit gegenüber der Entgegenhaltung
D1: GB-A-1 458 646
nicht gewährbar seien.
III. Die Prüfungsabteilung begründete ihre Entscheidung im wesentlichen wie folgt:
Die Entgegenhaltung D1 offenbare eine automatische Selbstbedienungsvorrichtung, die folgendes umfasse: Speichervorrichtungen zum Speichern von Daten, die berechtigte Benutzer dieser Maschine identifizierten, einen Kartenleser zum Lesen verschlüsselter Kenndaten, die auf einer vom Benutzer in die Maschine eingeführten Karte aufgezeichnet seien, Vergleichsvorrichtungen zum Vergleichen der auf der Karte aufgezeichneten Daten mit gespeicherten Daten, die berechtigte Benutzer identifizierten, um zu ermitteln, ob der Benutzer berechtigt sei, sowie Vorrichtungen, die es einem berechtigten Benutzer erlaubten, Transaktionen an der Maschine vorzunehmen, sofern er als berechtigt identifiziert werde. Der Kartenleser lese sämtliche dem Benutzer allein zugeordneten Daten. Ferner umfasse die Maschine eine Tastatur, über die der Benutzer eine Geheimnummer eingebe, die von den Vergleichsvorrichtungen mit den gespeicherten Kenndaten der berechtigten Benutzer verglichen werde.
Ausgehend von diesem Stand der Technik könne dem beanspruchten Gegenstand keine erfinderische Tätigkeit zuerkannt werden, auch wenn durch die Erfindung die mit der Ausstellung einer Berechtigungskarte zwangsläufig verbundene Wartezeit entfalle. Die Zahl der Berechtigungskarten nehme deshalb so stark zu, weil sich die Banken voneinander abheben wollten; daher könne der Wegfall von Wartezeiten bis zur Kartenausgabe nicht als überraschende Wirkung gelten. Außerdem sei zur Lösung dieser Aufgabe - wenn sie erst einmal gestellt sei - keine erfinderische Begabung erforderlich.
IV. Die Beschwerdeführerin legte gegen diese Entscheidung der Prüfungsabteilung Beschwerde ein.
V. In einer Mitteilung gemäß Artikel 11 (2) der VOBK vertrat auch die Kammer die vorläufige Auffassung, daß keine erfinderische Tätigkeit erforderlich sei, um ausgehend vom nächsten Stand der Technik in Entgegenhaltung D1 zu der beanspruchten Erfindung zu gelangen.
VI. Am 19. März 1992 fand eine mündliche Verhandlung statt.
Zu Beginn der Verhandlung erklärte die Beschwerdeführerin, man habe einige Tage zuvor festgestellt, daß die Beschreibung und die Ansprüche geändert werden sollten, und lege daher als Vorschlag Änderungsseiten mit zwei Ansprüchen vor, wobei in Anspruch 1 eine Maschine und in Anspruch 2 ein Verfahren zur Bedienung einer Maschine definiert würden. In bezug auf Anspruch 1 ging es in der Verhandlung um die Frage, ob das Erfordernis der Neuheit - Artikel 54 (1) EPÜ - erfüllt sei. Bei Anspruch 2 ging es darum, ob der beanspruchte Gegenstand als Erfindung im Sinne des Artikels 52 (1) EPÜ gelten könne oder ob er nicht vielmehr eine geschäftliche Tätigkeit im Sinne des Artikels 52 (2) c) EPÜ sei; außerdem wurde erörtert, ob der beanspruchte Gegenstand eine erfinderische Tätigkeit aufweise.
Im weiteren Verlauf zog die Beschwerdeführerin Anspruch 1 zurück und legte als einzigen Antrag Anspruch 2 vor, der wie folgt lautet:
Ein Verfahren zur Bedienung einer automatischen Selbstbedienungsvorrichtung durch einen Benutzer, das folgendes umfaßt:
a) das Einführen (41) einer Karte in die Maschine, wobei auf der Karte kodierte maschinenlesbare Kenndaten zur Identifizierung des Benutzers aufgezeichnet sind,
b) das Vergleichen (44) der gelesenen Kenndaten mit gespeicherten Daten, die berechtigte Benutzer kennzeichnen, um zu ermitteln, ob die gelesenen Daten einen berechtigten Benutzer kennzeichnen,
c) und die Genehmigung (45), daß der Benutzer Transaktionen an dieser Maschine vornimmt, sofern er als berechtigter Benutzer identifiziert wird,
gekennzeichnet durch folgende Schritte:
d) Auffordern (31) eines potentiellen Benutzers der Maschine, eine bereits in seinem Besitz befindliche Karte mit magnetisch kodierten und ihm allein zugeordneten Daten in den Kartenleser einzuführen;
e) Lesen (32) der kodierten Daten von der eingeführten Karte des potentiellen Benutzers und Speichern (35) dieser Daten in einer in der Maschine enthaltenen Speichervorrichtung (20b);
f) Auffordern (34) des potentiellen Benutzers zur Eingabe von Bonitätsangaben, anhand deren festgestellt wird, ob er die Berechtigung zur Benutzung der Maschine erhält;
g) Speichern (35) der Bonitätsangaben und der von der Karte des potentiellen Benutzers gelesenen kodierten Daten in der Speichervorrichtung (20b);
h) Lesen (37) der gespeicherten kodierten Daten und der vom potentiellen Benutzer gemachten Bonitätsangaben von der Speichervorrichtung, um zu ermitteln, welcher dieser Benutzer die Berechtigung zur Benutzung der Maschine erhalten soll, und
i) Speichern (39) der Kenndaten derjenigen Benutzer in der Speichervorrichtung (20b), die die Berechtigung zur Benutzung der Maschine erhalten sollen, so daß die neu berechtigten Benutzer danach ihre Kennkarten benutzen können, um Zugang zu der Maschine zu erhalten;
wobei
j) es sich bei den kodierten Daten um irgendwelche diesem Benutzer allein zugeordnete Daten auf irgendeiner bereits in seinem Besitz befindlichen Karte handeln kann."
Die Buchstaben wurden den Absätzen vorangestellt, um eine Bezugnahme zu erleichtern.
VII. Zur Stützung ihres Antrags machte die Beschwerdeführerin im wesentlichen folgendes geltend:
Um vorhandene Maschinen bedienen zu können, brauche der Benutzer jeweils eine vom Eigentümer der Maschine ausgestellte Berechtigungskarte. Der Benutzer benötige also für jede Maschine, zu der er Zugang haben wolle, eine andere Berechtigungskarte. Dies sei unter dem Aspekt der Aufbewahrung der Karten und ihrer Sicherheit problematisch, insbesondere wegen der Diebstahlsgefahr. Müßten darüber hinaus bei jeder Karte andere persönliche Daten benutzt werden, so sei jedesmal größte Aufmerksamkeit erforderlich, wenn eine aus einer Vielzahl von Karten verwendet werde.
Es treffe vielleicht zu, daß die Banken in der starken Vermehrung der Berechtigungskarten kein Problem sähen und daß die Beibehaltung der derzeitigen Regelung für sie von Vorteil sei. Mit dem Erwerb einer neuen Karte gingen aber stets das Ausfüllen eines Antragsformulars und seine Bearbeitung durch die betreffende Organisation einher. Deshalb werde der scheinbare Vorteil der Verwendung einer Karte, die die Organisation von anderen unterscheide, möglicherweise durch höhere Kosten wieder zunichte gemacht.
Mit Hilfe der Erfindung ließe sich die Zahl der Karten, die ein Benutzer besitzen müsse, und damit auch die Belastung, die sie für ihn bedeuteten, erheblich vermindern. Die Notwendigkeit dieser Erfindung sei zwar Benutzern bewußt geworden, die die Lösung dieses Problems nicht kennen würden; sie sei aber von den Bankorganisationen, die sie wohl nicht für vorteilhaft hielten, keinesfalls bekanntgemacht worden. Da es keine Anregungen von seiten solcher oder anderer Organisationen gebe, komme der fachkundige Konstrukteur von Selbstbedienungsvorrichtungen nicht auf die Idee, daß es sinnvoll sein könnte, eine Maschine auf den Betrieb mit unterschiedlichen Berechtigungskarten einzustellen.
VIII. Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete der Vorsitzende, daß die Beschwerde zurückgewiesen werde.
1. Auslegung des Anspruchs
In Absatz b setzt das Vergleichen der "gelesenen Kenndaten" mit gespeicherten Daten voraus, daß zuvor ein Schritt "Lesen dieser Kenndaten" ausgeführt wurde. Insofern müßte der Schritt "Lesen (32) der kodierten Daten von der eingeführten Karte des (potentiellen) Benutzers" in Absatz e als zweiter Verfahrensschritt im Oberbegriff des Anspruchs stehen, nämlich zwischen dem Einführen der Karte und dem Vergleichen der gelesenen Kenndaten mit den gespeicherten Daten. Dies hat wiederum zur Folge, daß im kennzeichnenden Teil des Anspruchs der Schritt in Absatz e verkürzt wird auf "Speichern dieser Daten in einer in der Maschine enthaltenen Speichervorrichtung", und ferner ist davon auszugehen, daß dieser Schritt nicht ausgeführt wird, wenn der Benutzer bereits als berechtigt identifiziert wurde. Unter einem "potentiellen Benutzer" in Absatz d ist folglich ein zuvor nicht berechtigter Benutzer zu verstehen.
Die Aufforderung an einen potentiellen Benutzer einer Selbstbedienungsvorrichtung, eine Karte in den Kartenleser der Maschine einzuführen (Absatz d), ist bestenfalls eine Bedienungsanleitung, aber kein Verfahrensschritt. Dasselbe gilt für die an potentielle Benutzer gerichtete Aufforderung, Bonitätsangaben zu machen (Absatz f). Das Einführen einer Karte in die Maschine ist aber bereits im Oberbegriff des Anspruchs erwähnt. Im übrigen befindet sich jede von einem (potentiellen) Benutzer in die Maschine eingeführte Karte "bereits in seinem Besitz". In Anbetracht dessen reduziert sich Absatz d im kennzeichnenden Teil des Anspruchs auf die Lehre, daß die auf der Karte enthaltenen Daten "magnetisch" kodiert sind, und Absatz f besteht aus der "Eingabe von Bonitätsangaben, anhand deren festgestellt wird, ob der potentielle Benutzer die Berechtigung zur Benutzung der Maschine erhält".
Durch Schritt h im kennzeichnenden Teil des Anspruchs soll nicht festgestellt werden, welche Benutzer zur Benutzung der Maschine berechtigt werden sollen, sondern vielmehr, ob der Benutzer, dessen Karte eingeführt worden ist, zur Benutzung der Maschine berechtigt werden soll. Bei der Definition dieses Schrittes ist also unter "welcher dieser Benutzer" "ob dieser Benutzer" zu verstehen.
Außerdem müssen natürlich nicht sämtliche Daten, die einem Benutzer einer Selbstbedienungsvorrichtung allein zugeordnet sind, auf der Karte verzeichnet sein, die ihm Zugang zu diesem Automaten gewährt. Es kann also sein, daß bestimmte einen Benutzer kennzeichnende Daten nicht auf jeder Karte verzeichnet sind, die er besitzt. Folglich ist das Pronomen "irgendwelche" in Absatz j in der Bedeutung von "die" zu verstehen.
2. Patentierbarer Gegenstand
2.1 Das erste Patentierbarkeitserfordernis nach den Artikeln 52 bis 57 EPÜ lautet, daß der beanspruchte Gegenstand "eine Erfindung" sein muß. Was nicht als Erfindung im Sinne des Artikels 52 (1) EPÜ angesehen wird, ist in Artikel 52 (2) a) bis d) EPÜ aufgeführt, darunter in Artikel 52 (2) c) EPÜ "Verfahren ... für geschäftliche Tätigkeiten". In Artikel 52 (3) EPÜ heißt es, Artikel 52 (2) EPÜ stehe der Patentfähigkeit von Gegenständen und Tätigkeiten "nur insoweit entgegen, als sich ... die Anmeldung ... auf die genannten Gegenstände oder Tätigkeiten als solche bezieht" (Hervorhebung durch die Kammer).
In früheren Entscheidungen haben die Beschwerdekammern betont, daß beanspruchte Gegenstände oder Tätigkeiten technischen Charakter aufweisen müssen, wenn sie als Erfindung im Sinne des Artikels 52 (1) EPÜ gelten sollen. So stellte insbesondere in der Entscheidung T 22/85 (ABl. EPA 1990, 12) die Kammer mit Bezug auf die in Artikel 52 (2) c) EPÜ ausgeschlossenen Gegenstände und Tätigkeiten fest: "Diese von der Patentierbarkeit ausgeschlossenen Gegenstände haben eines gemeinsam: Sie beziehen sich auf Tätigkeiten, die nicht auf ein unmittelbares technisches Ergebnis abzielen, sondern vielmehr abstrakter und geistiger Natur sind". Über das Erfordernis des Artikels 52 (3) EPÜ hieß es ferner in der Entscheidung T 208/84 (ABl. EPA 1987, 14): "Entscheidend ist vielmehr, welchen technischen Beitrag die im Anspruch definierte Erfindung als Ganzes zum Stand der Technik leistet."
Auch wenn das Wort "technisch" in Artikel 52 EPÜ nicht vorkommt, verlangt die richtige Auslegung des in Artikel 52 (1) EPÜ im Plural verwendeten Wortes "Erfindung" nach Ansicht der Kammer aus den in der Entscheidung T 22/85 zusammengefaßten Gründen, daß beanspruchte Gegenstände oder Tätigkeiten technischen Charakter aufweisen und damit grundsätzlich gewerblich anwendbar sind - siehe Entscheidung T 208/84.
Schwierigkeiten bereitet manchmal die Frage, welche einschlägigen Kriterien zu berücksichtigen sind, um festzustellen, ob bestimmte Gegenstände oder Tätigkeiten technischen Charakter aufweisen und folglich als Erfindung im Sinne des Artikels 52 (1) EPÜ gelten, insbesondere wenn der beanspruchte Gegenstand sowohl technische als auch nichttechnische Merkmale umfaßt.
2.2 In der vorliegenden Sache beruht das "Verfahren zur Bedienung einer Selbstbedienungsvorrichtung durch einen Benutzer" - der Gegenstand des einzigen Anspruchs der Anmeldung - auf der Idee, daß jemand, der an einer solchen Maschine Transaktionen vornehmen will, keine vom Eigentümer der Maschine ausgestellte Spezialkarte mit Kenndaten benötigt, aus denen hervorgeht, daß er bereits zur Benutzung der Maschine berechtigt ist. Stattdessen soll er eine Karte, die er bereits besitzt und die ihn zur Benutzung von Maschinen einer anderen Organisation berechtigt, zunächst einmal dazu verwenden können, beim Eigentümer der Maschine, der die Karte vorgelegt wird, eine Benutzungserlaubnis zu beantragen (Absatz d des Anspruchs). Durch die Schritte in den Absätzen e bis h wird ermittelt, ob die Karte danach als Berechtigungskarte für die Benutzung der Maschine anerkannt wird.
Eine Karte, die der Maschine zum ersten Mal vorgelegt wird, entspricht also einem Antragsformular; die darauf verzeichneten Daten entsprechen den Eintragungen in einem solchen Formular. Die Beschwerdeführerin macht geltend, ein Vorteil des beanspruchten Verfahrens sei die Ersparnis der Kosten, die normalerweise durch das Ausfüllen und Bearbeiten eines Antrags entstehen.
2.3 Nach Ansicht der Kammer ist das beanspruchte Verfahren als Ganzes deshalb im wesentlichen ein Verfahren zur Entscheidung darüber, ob eine einer Maschine erstmals vorgelegte Karte anschließend von ihr als Berechtigungsausweis anerkannt werden soll. Ein solches Verfahren gehört zu einer geschäftlichen Tätigkeit. Zwar enthält das beanspruchte Verfahren auch Schritte mit einer technischen Komponente (z. B. Verwendung der Maschine zum Speichern und Lesen von Daten). Das Vorhandensein solcher technischer Komponenten ändert jedoch nichts daran, daß das beanspruchte Verfahren eine geschäftliche Tätigkeit als solche und kein technisches Verfahren ist (ebensowenig wie eine geschäftliche Tätigkeit durch die Verwendung einer Schreibmaschine zu einem technischen Verfahren wird).
So heißt es in der Entscheidung T 22/85: "Der Beitrag zum Stand der Technik und die erzielten Wirkungen liegen ausschließlich auf dem Gebiet der vom Patentschutz ausgeschlossenen Tätigkeiten; die wahre Natur der Erfindung ändert sich auch dadurch nicht, daß zu ihrer Darstellung eine technische Terminologie verwendet wird". In der vorliegenden Sache bleibt die wahre Natur des beanspruchten Gegenstands dieselbe, auch wenn zur Ausführung technische Mittel erforderlich sind.
In der Entscheidung T 26/86 stellte die Kammer fest: "Das EPÜ verbietet nicht die Patentierung von Erfindungen, die aus einer Mischung technischer und nichttechnischer Merkmale bestehen". Daß beim Ausführen einer geschäftlichen Tätigkeit technische Mittel eine Rolle spielen, bedeutet aber nicht, daß diese geschäftliche Tätigkeit auch technischen Charakter aufweist und daher nach Artikel 52 (1) EPÜ als Erfindung gilt. Wie in der Entscheidung T 603/89 (ABl. EPA 1992, 230) festgestellt wurde, "ist der Gegenstand als Ganzes ... von der Patentierbarkeit ausgeschlossen, wenn die Mischung keine technischen Mittel zur Lösung einer technischen Aufgabe einsetzt".
2.4 Die Kammer ist daher zu der Auffassung gelangt, daß der beanspruchte Gegenstand keine Erfindung im Sinne des Artikels 52 (1) EPÜ definiert.
3. Erfinderische Tätigkeit
3.1 Die Kammer ist im übrigen der Auffassung, daß dieser Gegenstand aus den nachstehenden Gründen nicht erfinderisch ist.
3.2 In der Entgegenhaltung D1 geht es um die Benutzung automatischer Selbstbedienungsvorrichtungen - siehe Figuren 2 und Seite 4, Zeilen 6 und 7. Einer der Verfahrensschritte zur Bedienung einer Maschine, wie sie in D1 offenbart ist, ist das Einführen einer Karte in die Maschine, auf der kodierte Kenndaten des Benutzers gespeichert sind - siehe Seite 4, Zeilen 8 bis 14. Ein weiterer Verfahrensschritt ist das Lesen der kodierten Informationen von der Karte des Benutzers und das Speichern der Informationen in einer in der Maschine enthaltenen Speichervorrichtung (31) - siehe Figur 2 und Seite 4, Zeilen 8 bis 14. Zu diesen Informationen gehören die Bankleitzahl, die Kontonummer, der Kontostand des Benutzers und ein Hilfscode, die vor der Aushändigung an den Benutzer mittels eines Schreibkopfes (22) auf der Karte aufgezeichnet werden - siehe Seite 3, Zeilen 102 bis 108. Die Aussage, daß die Bankleitzahl magnetisch kodiert sei - siehe Seite 2, Zeilen 70 bis 76 -, läßt darauf schließen, daß auch die Benutzerkenndaten magnetisch kodiert sind. Außerdem ist zumindest ein Teil dieser Daten, nämlich die Kontonummer, dem Benutzer allein zugeordnet.
Der Entgegenhaltung D1 zufolge dienen die in der Speichervorrichtung (31) gespeicherten Kenndaten zur Berechnung einer Geheimzahl, die dann in einem Register (35) gespeichert wird - siehe Seite 4, Zeilen 23 bis 30. Somit handelt es sich bei dieser Geheimzahl um eine Benutzerkennung, die - indirekt - auf der Karte magnetisch kodiert und vom Kartenleser gelesen wird, bevor sie im Register (35) gespeichert wird. Die im Register (35) gespeicherte Geheimzahl wird anschließend mit einer in einem Register (P1) gespeicherten Geheimzahl verglichen, um festzustellen, ob der Benutzer zugangsberechtigt ist; ist dies der Fall, so darf dieser Benutzer Transaktionen an der Maschine vornehmen - siehe Seite 5, Zeilen 8 bis 24.
3.3 Geht man von der Auslegung des Anspruchs unter Nr. 1 aus, so unterscheidet sich das beanspruchte Verfahren zur Bedienung einer automatischen Selbstbedienungsvorrichtung dadurch vom Stand der Technik nach D1, daß es folgende weitere Schritte umfaßt:
i) Eingeben von Bonitätsangaben, anhand deren festgestellt wird, ob der potentielle Benutzer zur Benutzung der Maschine berechtigt werden soll - Absatz f;
ii) Speichern der Bonitätsangaben und der von der Karte des potentiellen Benutzers gelesenen kodierten Daten in der Speichervorrichtung - Absatz g;
iii) Lesen der gespeicherten kodierten Daten und der vom potentiellen Benutzer gemachten Bonitätsangaben von der Speichervorrichtung, um festzustellen, ob dieser Benutzer zur Benutzung der Maschine berechtigt werden soll - Absatz h -, und
iv) Speichern der Kenndaten derjenigen Benutzer in der Speichervorrichtung, die die Berechtigung zur Benutzung der Maschine erhalten sollen, so daß die neu berechtigten Benutzer danach ihre Kennkarten benutzen können, um Zugang zu der Maschine zu erhalten - Absatz i.
3.4 Die der beanspruchten Erfindung zugrunde liegende Aufgabe besteht darin, den Zugang zu einer automatischen Selbstbedienungsvorrichtung anhand einer bereits im Besitz des potentiellen Benutzers befindlichen maschinenlesbaren Karte freizugeben. Die Beschwerdeführerin behauptet, der Bedarf an Maschinen, die mit einer beliebigen Karte benutzt werden können, würde nur den Benutzern bewußt, die es lästig fänden, viele solcher Karten besitzen zu müssen.
Die Kammer kann jedoch nicht nachvollziehen, warum ein Fachmann - in diesem Fall ein Ingenieur, der Selbstbedienungsvorrichtungen für Banken und andere Organisationen konstruiert und sie unter Umständen auch selbst benutzt - sich der Bedürfnisse der Benutzer solcher Maschinen und Karten nicht bewußt sein soll. Sofern vor dem Prioritätstag der Anmeldung ein Vorurteil den Fachmann davon abgehalten hat, die beanspruchte Maschine zu bauen, so war dieses nach Ansicht der Kammer mehr "kommerzieller" als technischer Natur. Im übrigen hat dieses Vorurteil allenfalls bei den Eigentümern solcher Maschinen, nicht aber beim Fachmann bestanden.
Da kein technisches Vorurteil zu überwinden war, kann nach Auffassung der Kammer der Idee einer alle Arten von Berechtigungskarten annehmenden Maschine keine erfinderische Tätigkeit zuerkannt werden.
3.5 Wenn es gewünscht wird, eine bestehende Selbstbedienungsvorrichtung so einzurichten, daß sie standardisierte Berechtigungskarten akzeptiert, so stellt es für den Fachmann kein großes Problem dar, die Schaltkreise dieser Maschine entsprechend anzupassen.
Wenn der Benutzer noch keine Berechtigung hat, muß natürlich sichergestellt werden, daß ihm die Karte, die er in die Maschine einführt, auch gehört. Deshalb müssen Informationen, die von der Karte gelesen werden, mit Bonitätsangaben verglichen werden, die der potentielle Benutzer eingibt - z. B. eine Geheimzahl. Nun liegt ferner auf der Hand, daß die Schaltkreisanpassungen weniger aufwendig sind, wenn die von der Karte gelesenen Informationen und die vom potentiellen Benutzer gemachten Bonitätsangaben von den Vorrichtungen verglichen werden, die bereits dazu dienen, die Benutzerberechtigung im normalen Betrieb zu prüfen, d. h. nachdem dieser Benutzer die Berechtigung erhalten hat. Ausgehend vom Stand der Technik nach D1 ist daher keine erfinderische Tätigkeit erforderlich, um die unter Nr. 3.3 der vorliegenden Entscheidung genannten zusätzlichen Schritte (i, ii, iii) vorzusehen. Ist schließlich einmal entschieden worden, daß der potentielle Benutzer Zugang zu der Maschine erhält, so müssen seine Kenndaten zwangsläufig in der entsprechenden Speichervorrichtung gespeichert werden, damit die Berechtigung auch künftig verifiziert werden kann - siehe zusätzlicher Schritt iv unter Nr. 3.3.
3.6 Die Kammer hält den in der mündlichen Verhandlung am 19. März 1992 eingereichten einzigen Anspruch daher für nicht erfinderisch.
4. Infolgedessen wird auch das Verfahren gemäß dem einzigen Anspruch im Hinblick auf die Artikel 52 (1) und 56 EPÜ als nicht patentfähig erachtet.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.