T 0862/91 17-03-1993
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Verbrennungsmotor mit Wasserkühlung
Vorurteil der Fachwelt (nein), Erfinderische Tätigkeit (nein)
Inventive step (no) - prejuding in the art (no)
I. Die am 20. Januar 1988 eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 88 100 758.7, die am 3. August 1988 unter der Nummer 0 276 739 veröffentlicht wurde, ist durch die Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 20. Juni 1991 zurückgewiesen worden.
II. Dieser Entscheidung lag der mit Schreiben vom 26. Februar 1991 eingereichte unabhängige Anspruch 1 zugrunde. Die Zurückweisung wurde mit mangelnder erfinderischen Tätigkeit u. a. gegenüber dem sich aus den Druckschriften
(D1) US-A-2 019 476;
(D2) H. SCHULZ, Die Pumpen, 1977, Springer Verlag Berlin, Seiten 253, 254, 316 und 317;
(D3) A. T. TROSKOLANSKI u. S. LAZARKIEWICZ, Kreiselpumpen, 1976, Birkhäuser Verlag, Basel und Stuttgart, Seiten 577 bis 579;
(D4) DE-A-2 607 343; und
(D5) DE-A-1 476 110
ergebenden Stand der Technik begründet.
III. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 4. Juli 1991 unter gleichzeitiger Entrichtung der Gebühr Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 16. Oktober 1991 eingegangen.
IV. Die Beschwerdeführerin hat im schriftlichen Verfahren und während der mündlichen Verhandlung am 17. März 1993 vorgetragen, daß sowohl zum Zeitpunkt der Anmeldung als auch noch heute erhebliche Vorurteile bestünden, eine Spaltrohrmotorpumpe bei Verbrennungsmotoren einzusetzen. Kein Fachmann habe ernsthafte Überlegungen oder Versuche in Richtung des durch die Erfinder vorgeschlagenen Einsatzes von Spaltrohrmotorpumpen angestellt. Das Gutachten von Professor Hohenberg sei so zu verstehen, daß es aus der Sicht der Fachwelt, aufgrund der bekannten Nachteile von Spaltrohrmotorpumpen, unsinnig erschien, diese bei Verbrennungsmotoren einzusetzen. Diese Nachteile hätten ein entsprechendes Vorurteil begründet. Erst der Erfinder habe erkannt, daß der Einsatz von Spaltrohrmotorpumpen am Verbrennungsmotor eine Vielzahl technischer Vorteile, z. B. hinsichtlich Kühlung nach Bedarf und Betriebssicherheit, mit sich bringe, welche diese Nachteile aufwiegen.
V. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patents auf der Basis der Ansprüche 1 bis 5, eingereicht mit Schreiben vom 9. Dezember 1992.
VI. Der Patentanspruch 1 lautet wie folgt:
"Verbrennungsmotor mit Wasserkühlung, dessen Kühlwasser durch eine Kreiselpumpe umgewälzt wird, die durch einen Elektromotor angetrieben ist, dadurch gekennzeichnet, daß der Elektromotor und die Kreiselpumpe von einer Spaltrohrmotorpumpe gebildet werden."
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Neuheit
Nach Prüfung der vorliegenden Druckschriften kommt die Kammer zu dem Ergebnis, daß in keiner von ihnen ein Verbrennungsmotor mit einer Spaltrohrmotorpumpe offenbart wurde. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher neu im Sinne des Artikels 54 EPÜ.
3. Nächstkommender Stand der Technik, Aufgabe und Lösung
3.1. Die aus dem Stand der Technik bekannten Kühlwasserpumpen für Brennkraftmaschinen werden entweder durch einen Keilriemen von der Brennkraftmaschine selbst oder durch einen Elektro- oder Hydraulikmotor (siehe Druckschriften D1, D4 und D5) angetrieben.
3.2. Es ist aus der Druckschrift D1 bekannt, daß bei einer elektrisch angetriebenen Kühlwasserpumpe die Pumpendrehzahl von der Motorendrehzahl unabhängig sein kann, so daß optimale Kühlleistungen erbracht werden können (siehe Seite 1, linke Spalte, Zeilen 6 bis 20 und 27 bis 36).
Die Brennkraftmaschine mit einer elektrisch angetriebenen Kühlwasserpumpe gemäß Druckschrift D1 ist als nächstkommender Stand der Technik zu betrachten. Die Beschwerdeführerin hat dem nicht widersprochen, bzw. zugestimmt.
3.3. Diese Kühlwasserpumpe ist mit dem Nachteil behaftet, daß die Dichtung für die den Pumpenläufer tragende, nach außen geführte Welle zu Undichtigkeiten, auslaufendem Kühlwasser und somit zu verringerter Betriebssicherheit führen kann.
3.4. Die objektive Aufgabe der Erfindung wird deshalb darin gesehen, unter Beibehaltung der optimalen Kühlleistungen einer elektrisch angetriebenen Kühlwasserpumpe, die Betriebssicherheit der Kühlwasserpumpe zu verbessern.
3.5. Diese Aufgabe wird durch die Kombination der Merkmale des Anspruchs 1 gelöst.
Dadurch, daß die Funktion des Elektromotors und der Kühlwasserpumpe von einer Spaltrohrmotorpumpe übernommen werden, wird die Betriebssicherheit wesentlich erhöht, weil die Dichtigkeit der Pumpe nicht mehr von einer mit einer rotierenden Welle zusammenarbeitenden Dichtung abhängt.
4. Erfinderische Tätigkeit
4.1. Wenn in einer Pumpeneinheit (Pumpe/elektrischer Motor) gemäß Druckschrift D1 Schwierigkeiten auftreten, wie z. B. Undichtigkeiten, wird der Fachmann, der versucht, diese Schwierigkeiten zu beheben, in dem technischen Gebiet suchen, in das die Einheit gehört, d. h. hier im Fachgebiet der Pumpen. Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit sind also die Kenntnisse des Fachmanns aus diesem Fachgebiet wesentlich und ausschlaggebend.
4.2. Selbst wenn dieser Fachmann nur auf dem Gebiet der Pumpen, die im Fahrzeugbau eingesetzt werden, tätig wäre, ist davon auszugehen, daß er auch die bekannten Vor- und Nachteile aller Pumpen-Typen auf dem allgemeinen technischen Gebiet der Förderung von Flüssigkeiten, seien es nun Kühl-, Heiz- oder andere Flüssigkeiten, kennt (vgl. T 176/84, ABl. 1986, 50). Deshalb ist bei einem solchen Fachmann vorliegendenfalls auch die Kenntnis der grundlegenden Vorteile von Spaltrohrmotorpumpen gerade hinsichtlich der Dichtigkeit und der eventuellen Nachteile hinsichtlich Energiebedarf, Kosten, Gewicht usw. vorauszusetzen (siehe das eingangs zitierte Lehrbuch (D2), Seite 253, Zeilen 16 bis 24 und die letzte Zeile sowie Seite 254, Zeilen 1 bis 3). Die Auswahl dieses Pumpentyps entsprechend der gegebenen konstruktiven Prioritäten ist für ihn daher naheliegend. Dies gilt vorliegendenfalls deshalb umsomehr, weil die besondere Eignung der Spaltrohrmotorpumpe als Umwälzpumpe unbestrittenermaßen bekannt ist. Wenn die Dichtigkeit und die damit verbundene hohe Betriebssicherheit höchste konstruktive Priorität hat, so wird sich der Fachmann ohne weiteres für einen derartigen Pumpentyp entscheiden und die damit verbundenen Nachteile akzeptieren.
In dieser Auswahl einer allgemein bekannten, nicht näher spezifizierten oder besonders angepaßten Spaltrohrmotorpumpe kann daher keine erfinderische Tätigkeit gesehen werden, da die zu erwartenden Auswirkungen - Vorteile/ Nachteile und dabei insbesondere der Vorteil der Dichtigkeit - vorab bereits allgemein bekannt waren.
4.3. Vorurteil der Fachwelt gegen den Einsatz von Spaltrohrmotorpumpen bei Verbrennungsmotoren
4.3.1. Die Beschwerdeführerin, die ein Vorurteil geltend macht, das den Fachmann von der angeblichen Erfindung abgehalten hätte, trägt die Beweislast für das Bestehen eines solchen (vgl. auch T 119/82, ABl. EPA 1984, 217).
4.3.2. Aus dem Stand der Technik kann die Kammer weder ein Zitat einer allgemein verbreiteten, ablehnenden Beurteilungdes Einsatzes einer Spaltrohrmotorpumpe in einer Brennkraftmaschine noch Gründe dafür finden.
Im Hinblick auf das von der Beschwerdeführerin vorgelegte Gutachten von Professor Hohenberg, das die Vor- und Nachteile von Kühlwasserpumpen, die durch Elektromotoren angetrieben werden, anspricht, ist zu bemerken, daß diese Vor- und Nachteile (keine oder reduzierte Kühlleistung bei Kaltstart und Warmlauf, Fortführung des Kühlwasserumlaufs beim Abstellen des heißen Motors, Energiebedarf, Kosten, Gewicht) bereits bei der Pumpe-Elektromotor-Einheit gemäß Druckschrift D1 vorliegen. Es können aber nur diejenige Nachteile, die spezifisch Spaltrohrmotorpumpen betreffen, den Einwand einer ablehnenden Haltung der Fachwelt gegen das Einsetzen dieser Spaltrohrmotorpumpen in Brennkraftmaschinen stützen. Die Frage, ob ein Vorurteil der Fachwelt im Sinne eines Beweisanzeichens für das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit vorgelegen hat, ist angesichts des im Hinblick auf den nächstkommenden Stand der Technik objektiv zu lösenden Problems, d. h. hier der Vermeidung von Undichtigkeiten bei Kühlwasserpumpen in Brennkraftmaschinen zu beantworten.
Professor Hohenberg erläutert zwar auch einige Vor- und Nachteile speziell von Spaltrohrmotorpumpen (thermische Belastung des Motors, Verschmutzungsgefahr der Motorlagerung, Wirkungsgrad, Widerstand des drehenden Rotors, Dichtigkeit). Aus seinem Gutachten geht jedoch nicht hervor, daß dadurch der Einsatz einer Spaltrohrmotorpumpe bei Brennkraftmaschinen nicht durchführbar sei. Es ist für die Kammer in diesem Fall nicht ersichtlich, wieso ein Stand der Technik, der bereits zur prinzipiellen Lösung der gleichen Problematik allgemein bekannt war, nicht zum Erreichen des gleichen Resultats im Zusammenbau mit einem Verbrennungsmotor verwendet werden könnte und dies umsomehr, als keine neuen, überraschenden technischen Effekte oder Erfolge erreicht werden. Ein Fachmann würde einen solchen Zusammenbau durchaus durchführen können, ohne sich dabei über ein technisches Hindernis hinwegsetzen zu müssen.
Auch das Gutachten von Professor Hohenburg kann daher die Kammer vom Vorliegen eines Vorurteils gegen das Einsetzten einer Spaltrohrmotorpumpe bei einer Brennkraftmaschine nicht überzeugen.
4.3.3. Weiterhin ist zu bemerken, daß es nicht erfinderisch ist, tatsächlich existierende Nachteile bloß zu ignorieren, anstatt sie zu überwinden. Darüberhinaus sind der allgemeinen Formulierung der verwendeten Pumpe keine speziellen, der Verwendung angepaßten Merkmale zu entnehmen, die dazu beitragen könnten, diese Nachteile zu verringern.
4.3.4. Die Beschwerdeführerin hat weiter vorgetragen, daß kein Fachmann auf die Idee gekommen sei, eine Spaltrohrmotorpumpe zur Lösung des Problems der Dichtigkeit von Kühlwasserpumpen an Brennkraftmaschinen einzusetzten, obwohl das Problem seit langem existierte. Sie macht damit sinngemäß geltend, es hätte vorliegendenfalls ein lange bestehendes Bedürfnis vorgelegen und sie hätte dieses mit dem Anmeldungsgegenstand, bzw. der darin vorgeschlagenen technischen Lösung befriedigt. Dies trifft schon aufgrund der vorstehenden Erwägungen nicht zu. Der Fachmann wußte um die Vorteile der Spaltrohrmotorpumpe auch in einem Zusammenhang wie dem Vorliegenden. Wenn er sie dafür nicht verwandte, so kann das jedenfalls keine technischen-, allenfalls jedoch rein wirtschaftliche Gründe haben. Überdies löst die Anmeldung das Problem der Betriebssicherheit im Zusammenhang mit der Dichtigkeit von Kühlwasserpumpen nicht in neuer Weise, sondern verwendet dafür lediglich das vorbekannte Prinzip der Spaltrohrmotorpumpe.
5. Aufgrund obengenannten Erwägungen ist die Kammer der Auffassung, daß der Gegenstand nach Anspruch 1 sich in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt (Artikel 56 EPÜ). Demzufolge beruht er nicht auf erfinderischer Tätigkeit (Artikel 52 (1) EPÜ).
Nach Fortfall des unabhängigen Anspruchs 1 können die abhängige Ansprüche 2 bis 5 keinen Bestand haben.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.