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T 0211/93 (Haarfärbemittel/WELLA) 11-07-1995
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Mittel und Verfahren zur oxidativen Färbung von Haaren
Neuheit - ja - Auswahl
Erfinderische Tätigkeit - ja - nicht naheliegende Farbtonnuancen
Novelty (yes) - selection
Inventive step (yes)
I. Auf die europäische Patentanmeldung 87 103 628.1, die am 12. März 1987 unter Inanspruchnahme der Priorität aus der Voranmeldung vom 27. März 1986 in Deutschland (DE 3 610 396) eingereicht wurde, ist am 29. August 1990 das europäische Patent Nr. 0 241 716 auf der Grundlage von neun Ansprüchen erteilt worden.
Anspruch 1 lautet, wie folgt:
"1. Mittel zur oxidativen Färbung von Haaren auf der Basis einer Kupplersubstanz/Entwicklersubstanz- Kombination, dadurch gekennzeichnet, daß es als Kupplersubstanz
(A) 5-Amino-2-methyl-phenol
und als Entwicklersubstanzen
(B) 4-Amino-3-methyl-phenol und
(C) 1,4-Diamino-benzol und/oder 2,5-Diamino-toluol, auch in Form der physiologisch verträglichen Salze, enthält."
II. Gegen die Patenterteilung legte die Beschwerdeführerin (Einsprechende) am 29. Mai 1991 Einspruch ein und bezog sich auf eine Reihe von Dokumenten, von denen lediglich folgende für das weitere Verfahren von Bedeutung geblieben sind:
(5) EP-A-0 043 436
(9) US-A-3 210 252.
III. Mit Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 10. November 1992, zur Post gegangen am 29. Dezember 1992, wurde der Einspruch gemäß Artikel 102 (2) EPÜ zurückgewiesen.
Die Einspruchsabteilung begründete ihre Entscheidung im wesentlichen damit, daß der Einwand der Einsprechenden unter Artikel 100 b) nicht greifen könne, da zum einen unbestritten sei, daß die Ausführungsbeispiele gemäß Streitpatent nacharbeitbar seien und zum anderen durch Heranziehen der Beispiele 1 bis 3 und einfaches Ausprobieren weitere geeignete Einsatzmengen der beanspruchten Einzelkomponenten herausfindbar seien, um gewünschte Farbtöne zu erreichen.
Zur vorgetragenen Neuheitsschädlichkeit der Beispiele IV und V aus Dokument (9) bei Austausch vorgegebener Komponenten aus bestehenden Listen sei zu bemerken, daß sich dort weder eine unmittelbare Offenbarung der beanspruchten Komponenten (A), (B) und (C) in ein und derselben Zusammensetzung finde, noch selbst die Lehre, zumindest eine Dreierkombination aus den erwähnten Substanzen zu bilden. Dem Streitpatent liege eindeutig eine gezielte, neuheitsbegründende Auswahl von Komponenten für einen bestimmten Zweck, nämlich neutrale Rottöne zu erreichen, zugrunde.
Ausgehend von Dokument (9) als nächstkommendem Stand der Technik liege dem Streitpatent die Aufgabe zugrunde, neutrale Rottöne, die frei sind von Gelbanteilen und die nahezu frei sind von Blauanteilen, zu erreichen. Diese Aufgabe sei durch den Austausch einer Entwicklerkomponente (D) gegen (B) gelöst worden. Es sei unerheblich, daß nicht beliebige Anteile der beanspruchten Komponenten diese Aufgabe lösten.
Da Dokument (9) die Komponente (B) lediglich als einen aus einer Mehrzahl von Entwicklern nenne, komme es nicht darauf an, ob der Fachmann (D) durch (B) hätte ersetzen können, sondern ob es eine Anregung dafür gegeben habe, dies auch tatsächlich zu tun, was im Hinblick auf die gestellte Aufgabe zu verneinen sei. Demzufolge sei das Vorliegen von erfinderischer Tätigkeit zu bejahen.
IV. Die Beschwerdeführerin hat gegen diese Entscheidung unter Bezahlung der vorgeschriebenen Gebühr am 23. Februar 1993 Beschwerde erhoben. In ihrer am 29. April 1993 eingereichten Beschwerdebegründung hat sie vorgetragen, daß sie weiterhin sowohl das Vorliegen von Neuheit als auch von erfinderischer Tätigkeit bestreite. Zur Beurteilung der Neuheit sei in jedem Falle vorab das allgemeine Fachwissen zu analysieren, das zeige, daß alle jetzt beanspruchten Komponenten des Haarfärbemittels bekannt gewesen seien und der Fachmann alle Maßnahmen gekannt habe, gewünschte Farbnuancen einzustellen.
Zur Neuheitsfrage ergebe sich dann, daß im Rahmen des allgemeinen Fachwissens die ternären Mischungen der Beispiele IV und V von Dokument (9) dahingehend zu variieren seien, daß das beispielhaft genannte p- Aminophenol (D) durch das nachgewiesenermaßen übliche (B), welches zudem auch in der Beschreibung von Dokument (5) expressis verbis vorgeschlagen sei, ersetzt werde und daß daher keinesfalls eine neuheitsbegründende Auswahl vorliege.
Zur erfinderischen Tätigkeit müsse berücksichtigt werden, daß in Dokument (9) die gleiche Aufgabe wie im Streitpatent angegeben sei, und da Vergleichsversuche zeigten, daß gemäß diesem Stand der Technik gleiche Rottöne wie beim Streitpatent erreicht werden könnten, liege dem Streitpatent als Aufgabe lediglich das Auffinden einer bloßen Alternative zugrunde, die unmittelbar aus einer Liste zu entnehmen sei und somit als prima facie naheliegend angesehen werden müsse. Darüber hinaus habe die Beschwerdegegnerin zum Nachweis eines Farbeffektes keine echten Vergleichsversuche vorgelegt, die im Sinne der "Spiro-Entscheidung" gegenüber (9) bei gleicher Mengenzusammensetzung nur auf das einzig unterschiedliche Merkmal, nämlich die Komponente (B), abzustellen seien. Insbesondere basierten alle Vergleichsversuche der Beschwerdegegnerin auf der Färbung von Büffelhaaren und der Angabe der Farbtöne im L*a*b*-System, wohingegen die Beschwerdeführerin korrekterweise Menschenhaare zum Nachweis gleicher Farbtönung im Yxyz-System eingesetzt habe. Eindeutig zeige sich das Naheliegen des beanspruchten Gegenstandes auch im Lichte einer Kombination der Lehren der Dokumente (5) und (9), da auch Dokument (5) alle beanspruchten Komponenten als Alternativen vorschlage.
Die in den abhängigen Ansprüchen genannten speziellen Ausgestaltungen der Zusammensetzung nach Anspruch 1 ließen auch nichts Erfinderisches erkennen.
V. Die Beschwerdegegnerin hat dem Vortrag der Beschwerdeführerin widersprochen und im wesentlichen dargelegt, daß die Allgemeinkenntnisse des Fachmannes eine Vielzahl von Oxidationsfarbstoffen umfaßten und auch keinesfalls auf p-Aminophenol (D) und 4-Amino-3-methyl- phenol (B) als mögliche Entwicklersubstanzen beschränkt seien.
Die beanspruchte Kombination von drei Komponenten müsse daher im Hinblick auf die in Dokument (9) enthaltenen Listen möglicher Komponenten eindeutig als neue Auswahl anerkannt werden.
Nur durch die beanspruchte Kombination von Komponenten sei ein reiner Rotton ohne Gelbanteile erzielbar, für den am Anmeldetag des Streitpatentes ein allgemeines Bedürfnis bestanden habe.
Es habe gegenüber der Lehre von Dokument (9) nicht nahegelegen, daß mit einer Kombination (A)+(B)+(C) Vorteile in Gestalt einer Farbnuancierung zu erzielen seien. In dieser Kombination könne somit keine der Komponenten durch einen anderen Stoff ersetzt werden, und es gebe auch keine färberische Äquivalenz zu anderen Mengenverhältnissen von (A)+(D)+(C) aus (9). Dies werde durch die vorgelegten Vergleichsversuche der verschiedenen Komponentenkombinationen und deren Auftragung im Farbmeßsystem L*a*b* belegt, welches zur Erkennung von Gelbanteilen besonders geeignet sei. Damit seien auch die Vergleichsversuche der Beschwerdeführerin widerlegt, die keine Unterdrückung der Gelbanteile zeigten. Im Ergebnis würden die Vergleichsversuche auch nicht durch die Verwendung standardisierter Büffelhaare anstatt Menschenhaaren beeinflußt.
Dokument (5) liege dem Gegenstand des Streitpatentes ferner, da es Blaukuppler betreffe und somit auch kein Grund bestehe, es mit Dokument (9) zu kombinieren.
VI. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie Regel 64 EPÜ; sie ist zulässig.
2. Den Einwand mangelnder Offenbarung im Sinne von Artikel 100 b) EPÜ hat die Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren nicht mehr weiterverfolgt. Mit Bezug auf die Ausführungen der Einspruchsabteilung hierzu sieht die Kammer auch keinen Grund, diese Frage erneut aufzugreifen.
3. Der Einwand mangelnder Neuheit stützt sich ausschließlich auf Dokument (9). Dieses Dokument beschreibt in Übereinstimmung mit dem Streitpatent Mittel zur oxidativen Färbung von Haaren auf der Basis von Kupplersubstanz/Entwicklersubstanz-Kombinationen. Als diesem Stand der Technik zugrundeliegende Aufgabe wird u. a. angeführt, Haare in brillanten Farbschattierungen, wie Gold, Rot, Mahagony und Bordeaux, auf einfache und effektive Weise zu färben. Dies soll in allgemeinster Form dadurch erreicht werden, daß zur Färbung eine Mischung eines oder mehrerer aromatischer p-Diamine und/oder eines oder mehrerer p-Aminophenole zusammen mit 1-Methyl-2-hydroxy-4-aminobenzol als wesentliche Komponente [Komponente (A)] verwendet wird. Besonders klare und reine Farbschattierungen sollen durch den Einsatz äquimolarer Mengen eines p-Aminophenols oder aromatischen p-Diamines und der Komponente A zu erreichen sein (vgl. Spalte 1, Zeilen 11 bis 13 und 54 bis 57 sowie Spalte 2, Zeilen 4 bis 14 und 26 bis 28).
Zur Erzielung guter Ergebnisse wird dann eine Liste von 11. Farbkomponenten, darunter vier p-Aminophenolen, vorgeschlagen, wobei 1-Amino-2-methyl-4-hydroxybenzol [Komponente B] expressis verbis genannt ist. Die Liste erwähnt ebenfalls expressis verbis 1-Methyl-2,5- diaminobenzol [Komponente C] (vgl. Spalte 2, Zeilen 30 bis 44, insbesondere die Zeilen 40 und 35). Dokument (9) enthält darüber hinaus zehn Ausführungsbeispiele, von denen sich acht auf binäre und zwei, nämlich die Beispiele IV und V, auf ternäre Farbkomponentensysteme beziehen. Als Ergebnis der Beispiele werden jeweils die erzielten Farbtöne (Farbschattierungen) angegeben. Die Beispiele IV und V repräsentieren in variierender Mengenzusammensetzung ein ternäres Farbkomponentensystem unter Einsatz der Komponenten (A), (C) und als sogenannte dritte Komponente (D) 1-Amino-4-hydroxybenzol. Gemäß Beispiel IV soll ein tiefrotvioletter Farbton erreicht werden und gemäß Beispiel V ein Rubinrot (vgl. insbes. Spalte 3, Zeilen 35 bis 61).
Diese Informationen reichen nach Überzeugung der Kammer nicht aus, um dem Fachmann die ternäre Zusammensetzung (A)+(B)+(C) in Form einer konkreten Lehre zum technischen Handeln zu offenbaren. Die Komponenten (B) und (C) sind aus einer Aufzählung unterschiedlicher p-Diamine und p- Aminophenole auszuwählen, stellen also eine Auswahl aus zwei Listen dar, vergleichbar mit der in der Entscheidung T 7/86, ABl. EPA 1988, 381, aufgezeigten Situation. Die Beschwerdeführerin übersieht ferner bei ihrer Betrachtungsweise, daß bei von Kenntnis der Erfindung unbeeinflußter Würdigung des Inhaltes von Dokument (9) ein weiterer Auswahlschritt in der Wahl der Beispiele IV und V als Ausgangspunkt besteht. Eine Lehre, gerade diese ternären Kompositionen zu modifizieren, also dort (D) gegen (B) auszutauschen, ist in Dokument (9) ebenfalls nicht enthalten.
Anspruch 1 erfüllt somit die Erfordernisse des Artikels 54 EPÜ.
4. Dokument (9), dort insbesondere die Beispiele IV und V, ist unstreitig als nächstkommender Stand der Technik der geeignetste Ausgangspunkt zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit.
4.1. Gegenüber diesem Stand der Technik kann die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabe darin gesehen werden, bei zumindest gleichbleibenden übrigen Produkteigenschaften, ein Mittel zur Färbung von Haaren bereitzustellen, das geeignet ist, neutrale rote Farbtöne, die zumindest praktisch frei von Gelbanteilen sind, zu erzeugen (vgl. auch Streitpatent, Seite 2, Zeilen 22/23 und 61/62). Aus den Schilderungen der Beschwerdegegnerin geht nach Auffassung der Kammer auch überzeugend hervor, daß am Anmeldetag des Streitpatentes ein Mangel und Bedarf an Färbemitteln mit besagten Eigenschaften bestand, so daß auch in einer an sich Modeschwankungen unterliegenden Eigenschaftskombination eine technisch sinnvolle Aufgabe gesehen werden kann.
Diese Aufgabe soll gemäß Kennzeichen des geltenden Anspruches 1 durch den Einsatz der Komponenten (A)+(B)+(C) in einem Mittel zur oxidativen Färbung von Haaren gelöst werden.
4.2. Die Beschwerdeführerin hat unter Verweis auf eigene Versuchsergebnisse bestritten, daß die voranstehend definierte Aufgabe bestand, da auch durch Variation der Mengenanteile der Beispiele IV und V von Dokument (9) gleiche Farbtöne wie im Streitpatent zu erzielen seien und somit lediglich ein gleichwertiges alternatives Haarfärbemittel zur Verfügung gestellt worden sei.
Die Kammer stellt fest, daß die von der Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 29. April 1993, als Vergleichsversuche vorgelegten Ausführungsbeispiele aus Dokument (9) in der gewählten graphischen Auftragung der Farbmeßergebnisse im Y,x,y,z-System, Koordinatenpunkte zeigt, die sehr dicht bei denen der nachgearbeiteten Beispiele des Streitpatentes liegen, wobei jedoch die vorgenommenen Änderungen der Mengenanteile der Komponenten nicht Bestandteil der Lehre von (9) sind. (Die Beschwerdeführerin hat selbst bestätigt, daß die quantitativen Zusammensetzungen der Vergleichsversuche nicht denen der Beispiele IV und V von Dokument (9) entsprechen.)
Abgesehen davon, daß besagte Modifikation der Beispiele die bestehende Aufgabe "ein Mittel.... bereitzustellen, das geeignet ist..." nicht berührt, konnte die Beschwerdegegnerin schon anhand von Plausibilitätsbetrachtungen zur Überzeugung der Kammer darlegen, daß bei obligatorischer Anwesenheit der Komponente (D) gemäß den Beispielen IV und V aus physikalischen Gegebenheiten der allgemeinen Farblehre die Substanzkombination (A)+(D)+(C) nicht zu einem identischen Farbergebnis wie die Kombination (A)+(B)+(C) führen kann. Dies wird durch ihre mit Schriftsatz vom 4. Oktober 1993 vorgelegten Farbmessungen im L*a*b*- System voll bestätigt; diese zeigen bei Eintragung der Meßergebnisse in die symmetrisch aufgebaute Farbtafel L*a*b*, daß bei Nacharbeitung der Lehre des Streitpatentes gegenüber der von Dokument (9) keine Farbgleichheit besteht. Selbst wenn jedoch entgegen dem oben Gesagten seitens der Kammer noch Zweifel am zugrundeliegenden Sachverhalt bestünden, so vermöchte das EPA diesen von Amts wegen jedenfalls nicht zu ermitteln, ein Nachteil, der - Relevanz der Vergleichsversuche vorausgesetzt - zu Lasten der Einsprechenden ginge (vgl. T 0219/83, ABl. EPA 7/1986, Seiten 211 bis 266, insbes. Punkt 12 der Entscheidungsgründe).
4.3. Schließlich hat die Beschwerdeführerin auch keine Beweise dafür vorgelegt, daß bei systematischer Anwendung von Büffelhaaren innerhalb einer definierten Testserie die aus Messungen resultierenden relativen Farbunterschiede nicht repräsentativ wären bzw. die relativen Farbunterschiede nicht im Vergleich zu relativen Farbunterschieden innerhalb einer Testserie an Humanhaaren gesehen werden könnten.
4.4. Aus all den vorstehend dargelegten Gründen sowie unter Berücksichtigung der mit Schriftsatz vom 9. Dezember 1991 im Einspruchsverfahren vorgelegten Nacharbeitung der Beispiele des Streitpatentes gegenüber den Beispielen IV und V aus Dokument (9) ist die Kammer überzeugt, daß die bestehende Aufgabe durch die vorgeschlagene Komponentenkombination auch tatsächlich gelöst wird. Hierbei ist davon auszugehen, daß der Fachmann nur technisch sinnvolle Konzentrationen der Farbkomponenten in Betracht ziehen wird, also z. B. die in den Beispielen des Streitpatentes genannten Einsatzmengen als Anhaltspunkt wählen wird.
5. Es verbleibt somit zu untersuchen, ob die beanspruchte Lösung auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
5.1. Dokument (9) befaßt sich zweifelsohne, wie voranstehend unter Punkt 3 ausgeführt, mit der Problematik, unterschiedlichste Farbschattierungen durch Variation der eingesetzten Kupplersubstanzen und Entwicklersubstanzen zu erreichen. Abgesehen von den in den Ausführungsbeispielen aufgezeigten konkreten Möglichkeiten der Farbgestaltung - wobei die Beispiele IV und V unstreitig Rottöne betreffen - und der allgemeinen Lehre, äquimolare Mengen der zu verwendenden Substanzen einzusetzen, um besonders klare und reine Farben zu erreichen, findet sich in Dokument (9) weder ein Hinweis, durch welche Maßnahmen Spektralanteile der Farbschattierungen gezielt beeinflußbar sein könnten, noch gar eine Lehre, daß ternäre Zusammensetzungen in irgendeiner Form zu bevorzugen wären, um zu anderen als den konkret genannten Farbtönen zu gelangen. Aus diesen Gründen ist es im vorliegenden Fall für die Beurteilung des Naheliegens auch unerheblich, ob alle Komponenten des beanspruchten Mittels zur Färbung von Haaren an unterschiedlichen Stellen des Dokumentes aufgelistet oder einzeln genannt sind; es war vielmehr die Frage zu beantworten, ob der Fachmann besagte Komponenten im Hinblick auf die bestehende Aufgabe für eine Kupplersubstanz/Entwicklersubstanz-Kombination ernsthaft in Betracht gezogen hätte.
Diesbezüglich konnte der Vortrag der Beschwerdeführerin nicht überzeugen, daß der Fachmann gemäß Dokument (9) in jedem Falle Rottöne variieren würde; denn dieser Vortrag enthält nichts darüber, aus welchen Aussagen in Dokument (9) eine solche Lehre ohne Rückschau in Kenntnis der Erfindung hervorgehen soll. Insbesondere ist nicht ersichtlich, womit dieses Dokument die Lehre vermitteln soll, gerade Komponente (D) von Beispiel IV oder V auszutauschen. Die Beschwerdeführerin hat ihre Argumentation zuletzt nur noch auf eine angeblich nicht erfinderische Alternative gegenüber Dokument (9) abgestellt und in diesem Zusammenhang auf eine naheliegende Kombination der Lehre von Dokument (9) mit Dokument (5) verwiesen.
5.2. Dokument (5) beschreibt in der Tat auf Seite 1, Zeilen 29 bis 31, die in Frage stehenden Komponenten (B), (C) und (D) als Entwicklersubstanzen nebeneinander. Im Zusammenhang mit den im Anschluß daran genannten, bevorzugt zu verwendenden Kupplersubstanzen, wie - Naphthol, Resorcin und entsprechende Derivate sowie m- Aminophenol, 5-Amino-o-kresol und m-Phenylendiamin- derivaten, wird deren Bedeutung als Blaukuppler bei der oxidativen Kupplung mit 1,4-Diaminobenzolderivaten erwähnt, vgl. Seite 1, Zeile 32 bis Seite 2, Zeile 8. Als zugrundeliegende Aufgabe wird dann angeführt, verschiedene Nachteile der bekannten Blaukuppler, u. a. mangelnde chemische Beständigkeit, zu vermeiden, vgl. Seite 2, Zeilen 10 bis 36. Zur Lösung wird der Einsatz bestimmter mit einem Hydroxyalkylrest substituierter Phenole, wie z. B. 2-Hydroxymethyl-6-methyl-phenol, in Kombination mit bekannten Entwickler- und Kupplersubstanzen vorgeschlagen, vgl. Seite 3, Zeilen 5 bis 27, sowie Seite 4 insgesamt. Als bekannte Kupplersubstanz werden auf Seite 4, Zeile 25, u. a. auch die Komponente A des Streitpatentes (andere Nomenklatur!) sowie auf den folgenden Zeilen die Komponenten B und C neben einer größeren Anzahl von bekannten Entwicklersubstanzen genannt. Die Beschwerdegegnerin hat zu Recht argumentiert, daß nicht nachvollziehbar ist, unter welchen Umständen der Fachmann, der mit der Aufgabe konfrontiert ist, Gelbanteile in einem Rotfarbton zu vermeiden, für die Lösung seiner Aufgabe einen Stand der Technik mit heranziehen würde, der reine Blauanteile zum Gegenstand hat. Es ist daher nicht ersichtlich, wieso der Fachmann eine Kombination der Lehren der Dokumente (5) und (9) zur Lösung der bestehenden Aufgabe überhaupt hätte in Betracht ziehen können.
5.3. Die sonst noch entgegengehaltenen Dokumente wurden zuletzt von der Beschwerdeführerin nicht mehr herangezogen. Die Kammer ist der Auffassung, daß sie der Lehre des Streitpatentes in jedem Falle fernerstehen als die voranstehend diskutierten.
5.4. Aus alledem folgt, daß der Gegenstand des Anspruches 1 gemäß Streitpatent in der erteilten Fassung auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ beruht. Das gleiche gilt für die abhängigen Ansprüche 2 bis 8 sowie für Anspruch 9, der auf ein Verfahren zur oxidativen Färbung von Haaren unter Anwendung des neuen und erfinderischen Mittels gemäß Anspruch 1 gerichtet ist.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.