T 1000/93 30-09-1997
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Schneidevorrichtung zum Längsschneiden von Folienbahnen
Maschinenfabrik Goebel GmbH
Ledermann GmbH
Dienes Werke für Maschinenteile GmbH & Co KG
Erfinderische Tätigkeit - ja
Rückzahlung der Beschwerdegebühr - nein
Inventive step (yes)
Reimbursement of appeal fee (no)
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende I) hat gegen die am 22. Oktober 1993 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Fassung, in der das Patent Nr. 0 275 909 in geändertem Umfang aufrechterhalten werden kann, Beschwerde erhoben. Die Beschwerde samt der Beschwerdebegründung wurden am 27. November 1993 eingereicht. Die Beschwerdegebühr wurde am 8. Dezember 1993 entrichtet.
II. Am 30. September 1997 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt. Mit Schreiben vom 30. Juli 1997 hat die Beschwerdeführerin mitgeteilt, daß sie an dieser mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde. Auch die beiden weiteren Verfahrensbeteiligten (Einsprechenden II und III) nahmen an dieser mündlichen Verhandlung nicht teil: Mit Schreiben vom 17. Juni 1997 hat die Einsprechende III mitgeteilt, daß sie in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten sein werde, und mit Schreiben vom 16. Dezember 1993 hat die Einsprechende II mitgeteilt, daß sie nur über das Ergebnis des Beschwerdeverfahrens informiert werden möchte. Das Verfahren wurde, gestützt auf Regel 71 (2) EPÜ, ohne diese Parteien fortgesetzt.
III. Während der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) einen geänderten Anspruch, sowie Änderungen der Beschreibung vorgelegt. Der einzige Anspruch hat folgenden Wortlaut:
"Verfahren zum Schneiden von Folienbahnen mit abrasiven Schichten, insbesondere von Magnetbändern, mittels mehrerer auf einer Welle (7) drehbar gelagerter Scheibenmesser (1) und einer entsprechenden Anzahl auf einer Welle (6) drehbar gelagerter zylindrischer Nutmesser (3), die im Bereich der Berührung mit den Scheibenmessern (1) rechteckigen Querschnitt besitzen, wobei die Scheibenmesser mit Tellerfedern (4) an die Schneideschultern (10, 11) der Nutmesser gedrückt werden, die beiden Schneideschultern (10, 11) sowie die zylindrische Mantelfläche (12) der aus Hartmetall bestehenden Nutmesser (3) auf eine Rauhtiefe von kleiner als 0,2 µm geschliffen werden, die aus Hartmetall bestehenden Scheibenmesser zunächst jeweils an der einen Schneideschulter der Nutmesser (3) angelegt werden, nach Abnutzung der Schneidkante (13, 14) dieser Schneideschultern die Scheibenmesser (1) an der anderen Schneideschulter der Nutmesser (3) ohne vorherigen Umbau der auf der Welle (6) sitzenden Nutmesser (3) angelegt werden und nach Abnutzung beider Schneidekanten (13, 14) die Nutmesser (3) durch Nachschleifen ihrer zylindrischen Mantelfläche (12) auf eine Rauhtiefe von kleiner als 0,2 µm wieder einsatzbereit gemacht werden."
IV. Im Beschwerdeverfahren hat die Beschwerdeführerin folgenden Druckschriften genannt:
D1: DE-A-2 405 849
D2: DE-C-1 092 761
D3: DE-C-893 288
D10: Zeitschrift "Papier + Kunststoff-Verarbeiter", 6-82, Seiten 92, 94, 96 und 98
D11: US-A-4 330 092
D12: DE-C-1 253 671
Die Beschwerdeführerin hat im wesentlichen vorgetragen, daß die Druckschrift D10 dem Gegenstand des damals geltenden Patentanspruches am nächsten komme. Sämtliche Merkmale dieses Anspruchs seien entweder explizit oder implizit, d. h. unter Zuhilfenahme fachlichen Könnens, aus dieser Druckschrift D10 bekannt. Die Beschwerdeführerin stützte ihre Argumentation auf die Druckschriften D12 und D11, die das Nachschleifen des Außendurchmessers der Messerscheiben beziehungsweise die Verwendung "auf Umschlag" von solchen Messern zeigen sollen. Im übrigen bezweifelte die Beschwerdeführerin die Klarheit des Anspruches.
V. Im Beschwerdeverfahren trug die Beschwerdegegnerin im wesentlichen folgendes vor:
Die Druckschrift D10 könne keinesfalls als der nächste Stand der Technik in Betracht kommen, da diese Druckschrift keine einheitliche Lehre beinhalte, sondern lediglich ein Übersichtsartikel über Maschinenmesser sei, der eine Vielzahl unterschiedlicher Messertypen und Schneidverfahren schildere. Die auf der Basis der Druckschrift D10 gezogenen Schlußfolgerungen der Beschwerdeführerin seien durch eine unzulässige ex post facto Betrachtungsweise zustande gekommen, wobei einige Aussagen aus ihrem Zusammenhang gelöst und neu zusammengefügt worden seien. Die Abbildungen 12 und 21 der D10 betreffen verschiedene Gegenstände und seien demzufolge nicht beliebig kombinierbar. Die Druckschrift D1 müsse weiterhin als nächstkommender Stand der Technik angesehen werden, so wie dies auch die Einspruchsabteilung getan hat.
VI. Die Beschwerdeführerin beantragte die Zwischenentscheidung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen. Weiter hat die Beschwerdeführerin aufgrund eines angeblichen Verfahrensmangels die Rückzahlung der Beschwerdegebühr beantragt.
Die Beschwerdegegnerin hat die Aufhebung der Zwischenentscheidung und die Aufrechterhaltung des Patentes aufgrund folgender Unterlagen beantragt:
Anspruch:
Der einzige Patentanspruch, wie eingereicht während der mündlichen Verhandlung.
Beschreibung:
Spalten 1 bis 4 mit Beiblatt, wie eingereicht während der mündlichen Verhandlung.
Zeichnungen:
Figuren 1 bis 5, wie erteilt.
Die weiteren Verfahrensbeteiligten stellten keine Anträge im Beschwerdeverfahren.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Änderungen
2.1. Der vorliegende, einzige Anspruch unterscheidet sich im wesentlichen von dem erteilten Anspruch 1 dadurch, daß:
- das überflüssige Merkmal "und wobei bei Verschleiß die Nutmesser (3) nachgeschliffen werden" (vgl. Spalte 4, Zeilen 53 und 54) gestrichen worden ist, da dieses Merkmal bereits im Anspruch in konkreterer Form vorlag (vgl. Spalte 5, Zeilen 4 bis 8). Darüber hinaus ist der Begriff "Abnutzung der Schneideschultern" (vgl. Spalte 5, Zeilen 1, 2 und 5) weiter präzisiert, nämlich "Abnutzung der Schneidkante (13, 14) der Schneideschultern". Diese Änderung findet eine Basis in der ursprünglich eingereichten Patentanmeldung (vgl. Seite 5, Zeile 32 bis Seite 6, Zeile 1; und Seite 6, Zeilen 24 bis 26), sowie in der Patentschrift (Spalte 3, Zeile 56 bis Spalte 4, Zeile 1; und Spalte 4, Zeilen 22 bis 24);
- die Nutmesser durch Aufnahme folgenden Wortlautes "die im Bereich der Berührung mit den Scheibenmessern (1) rechteckigen Querschnitt besitzen" genauer definiert worden sind, vgl. die ursprünglich eingereichte Patentanmeldung Seite 4, Zeilen 27 bis 28 und die Patentschrift, Spalte 3, Zeilen 12 bis 14;
- das Material der Nutmesser und Scheibenmesser angegeben wird, nämlich Hartmetall (vgl. die ursprünglich eingereichte Patentanmeldung: Anspruch 2; Patentschrift: Anspruch 2);
- das Merkmal, daß "die Scheibenmesser (1) an der anderen Schneideschulter der Nutmesser (3) ohne vorherigen Umbau der auf der Welle (6) sitzenden Nutmesser (3) angelegt werden", hinzugefügt worden ist. Dieses Merkmal geht aus der ursprünglichen Patentanmeldung, Seite 5, Zeilen 10 bis 24 und der Patentschrift, Spalte 3, Zeilen 32 bis 48 hervor;
- die einheitliche Verwendung von "Mantelfläche" statt "Außenfläche" bzw. "Rundfläche" eingeführt worden ist (vgl. die ursprünglich eingereichte Patentanmeldung, Seite 5, Zeile 2; Patentschrift, Spalte 3, Zeilen 22 und 23);
- einige zusätzliche Bezugszeichen hinzugefügt worden sind; und
- der Anspruch in die einteilige Form abgeändert worden ist.
Diese Änderungen, die eine Basis in der ursprünglich eingereichten Patentanmeldung haben und die darüber hinaus den Schutzbereich des erteilten Patentanspruch 1 nicht erweitern, verstoßen daher nicht gegen Artikel 123 EPÜ.
2.2. Die Beschreibung ist diesen geänderten Anspruch angepaßt worden.
2.3. Die Änderungen insgesamt verletzen daher nicht die Erfordernisse des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ.
3. Klarheit
Die Beschwerdeführerin ist der Meinung, daß der Anspruch unklar sei, Artikel 84 EPÜ, da obwohl auf ein "Verfahren zum Schneiden" gerichtet, der Anspruch in der Tat ein Verfahren zum Herstellen eines Messers betreffe. Dagegen ist die Kammer der Meinung, daß die Merkmale des Anspruchs klar definiert sind und daß der Leser keine Schwierigkeit hat, den Anspruch und das dadurch definierte Verfahren eindeutig zu verstehen.
Zur Klarheit trägt auch die jetzige einteilige Form des Anspruches bei, weil jetzt in einem klar abgegrenzten ersten Teil des Anspruches die Vorrichtung genau definiert wird, wonach in einem zweiten klar abgegrenzten Teil nur noch die Verfahrensschritte folgen.
4. Neuheit
Bei der Überprüfung der im Beschwerdeverfahren vorgebrachten Entgegenhaltungen kam die Beschwerdekammer zu dem Ergebnis, daß keine davon ein Verfahren mit sämtlichen Merkmalen aufweist, wie sie im vorliegenden Patentanspruch angegeben sind. Die Neuheit wurde im Beschwerdeverfahren auch nicht bestritten.
Der Gegenstand des Anspruchs ist daher neu im Sinne des Artikels 54 EPÜ.
5. Der nächstkommende Stand der Technik
5.1. Die Druckschrift D1 (siehe insbesondere die Abbildungen 2 und 3) offenbart eine Schneidevorrichtung zum Längsschneiden von Folienbahnen. Die Schneidevorrichtung besteht aus kreisförmigen Obermessern (Scheibenmessern) und ebenfalls kreisförmigen Untermessern (Nutmessern). Das Untermesser 2 ist mit einer axial herausragenden Schneideschulter 3 versehen, die im Bereich der Berührung mit dem zügehörigen Scheibenmesser 1 einen rechteckigen Querschnitt besitzt. Dabei ist die Eintauchtiefe des Obermessers geringfügig größer als die Dicke d der Schneideschulter 3. Dadurch wird erreicht, daß die gesamte, axial gerichtete Ringfläche des Untermessers 2 gleichmäßig abgeschliffen wird und stets planparallel an der Innenfläche des Obermessers 1 anliegt, so daß ein Nachschleifen der Schneidekante des Untermessers während der gesamten Betriebsdauer (d. h. bis eine nicht unterschreitbare axiale Breite erreicht ist) sich erübrigt.
5.2. Die Druckschrift D10 ist eine Aufstellung von verschiedenen Maschinenmessern und Beispielen für deren Anwendung. Dabei ist zu bemerken, daß aus dieser Druckschrift keine einheitliche Lehre zu entnehmen ist, sondern die Druckschrift lediglich dazu dient, dem Leser einen Überblick über den derzeitigen Stand der Technik zu verleihen. Als Ausgangspunkt bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit soll grundsätzlich nur ein einziger, spezifischer Stand der Technik in Betracht gezogen werden. Die in der Aufstellung D10 beschriebenen verschiedenen Messeralternativen dürfen nicht miteinander verknüpft werden, um ein neues (nicht offenbartes) Messer imaginär herzustellen, das dann als Ausgangspunkt für die vorliegende Erfindung genommen wird.
Das Bild 21 zeigt zwei Typen von Rollscherenschnitten;
a) mit Folienkreismessern, und
b) mit Rollscherenmessern.
Aus Bild 21 ist weiter zu erkennen, daß Messer mit rechtwinkeligen Schneidkanten vorgesehen sind. Bei dieser Ausführung sind die Ober- und Untermesser jedoch identisch ausgebildet und somit mit Scheibenmessern und Nutmessern im Sinne des vorliegenden Patentes nicht vergleichbar - hierfür dürfte das Bild 16 eher zutreffend sein. Außerdem schneiden die Messer der Abbildung 21b beidseitig und können also nicht einzeln federbelastet im Sinne der Erfindung sein. In der Abbildung 21a ist keine Einzelfederung mittels Tellerfedern zu sehen, und außerdem keine Unterstützungs- und Führungsfläche für das Schneidgut. Die Rollscherenmesser gemäß dieser Abbildung 21 sind nämlich für die Verarbeitung von Blechbändern, d. h. zum Schneiden von relativ dicken, steifen Materialien, ausgelegt, siehe Seite 96, linke Spalte, Zeilen 17 bis 34. Der Fachmann würde daher die Messer gemäß der Abbildung 21 nicht als Ausgangspunkt für seine Überlegegungen über das hochqualitative Schneiden von Magnetbändern nehmen.
5.3. Die übrigen im Beschwerdeverfahren genannten Druckschriften liegen nach Meinung der Kammer alle weiter vom Gegenstand des vorliegenden Anspruchs entfernt.
5.4. Die Beschwerdekammer ist daher der Meinung, daß die Druckschrift D1 den nächstkommenden Stand der Technik offenbart.
6. Aufgabe und Lösung
6.1. Das Verfahren nach der Druckschrift D1 hat den Nachteil, daß die Betriebsdauer, wegen der relativ geringen Materialdicke der Schneideschulter (in der Größenordnung von 1 mm), relativ kurz ist. Die Untermesser sind nicht regenerierbar und müssen nach dem Erreichen des axialen Mindestmaßes deswegen beseitigt werden. Anders ausgedrückt, die Standzeit der Unterwelle ist dementsprechend kurz. Weiterhin wird die Spaltbreite zwischen zwei Nutmessern mit der fortschreitenden Abtragung der Schneideschulter immer größer, so daß die Auflagefläche für das zu schneidende Band immer schmaler wird. Darüber hinaus könnte sich die Spaltbreite, abhängig von einer unterschiedlichen axialen Abtragung der nebeneinanderliegenden Schneideschultern, ändern.
Ausgehend von diesem nächstkommenden Schneideverfahren wird die zu lösende Aufgabe darin gesehen, die Verwendung einer mit Nut- und Schneidemessern ausgestattete Schneidevorrichtung für Folienbahnen mit abrasiven Schichten derart zu verbessern, daß die Standzeit der Messer verlängert wird.
Diese Aufgabe wird durch das Verfahren gemäß dem Anspruch gelöst.
6.2. Der Gegenstand des Anspruchs unterscheidet sich vom nächstkommenden Stand der Technik, dem Verfahren nach der Druckschrift D1, im wesentlichen dadurch,
(a) daß nach Abnutzung der einen Schneidkante der Schneideschultern der Nutmesser, die Scheibenmesser an der anderen Schneideschulter der Nutmesser ohne vorherigen Umbau der auf der Welle sitzenden Nutmesser angelegt werden, und
(b) daß nach Abnutzung beider Schneidekanten die Nutmesser durch Nachschleifen ihrer zylindrischen Mantelfläche auf eine Rauhtiefe von kleiner als 0,2 µm wieder beidseitig einsatzbereit gemacht werden.
6.3. Durch das Merkmal (a) wird effektiv eine Verdoppelung der Standzeit der unteren Nutmesserwelle bewirkt, insofern als sie erst nach Abnutzung von beiden Schneidekanten ausgebaut und überholt werden muß.
6.4. Das Merkmal (b) trägt auch zu einer Verbesserung des Verfahrens bei, und zwar durch die Möglichkeit, alle auf derselben Welle sitzenden Nutmesser gleichzeitig nachzuschleifen, wobei gleichzeitig zwei scharfe Kanten an jedem Messer entstehen, d. h. die Nutmesser müssen nicht einzeln ausgebaut und nachgeschliffen werden. Die Sequenz: Ausbau, Überholung und Wiedereinbau derselben Unterwelle mit den zugehörigen Nutmessern, kann dadurch schneller durchgeführt werden. Dies erhöht die Einsatzzeit der Maschine und ermöglicht dadurch auch ein kostengünstigeres Schneideverfahren. Ein weiterer Beitrag zur Senkung der Betriebskosten wird außerdem durch das ermöglichte mehrmalige Nachschleifen der Nutmesser gemäß des Merkmals (b) geleistet. Im Gegensatz zu den bekannten Stand der Technik gemäß Druckschrift D1 müssen die einzelnen Nutmesser nicht nach nur einmaliger Abnutzung weggeworfen werden, sondern erst nach mehrmaliger Abnutzung und Wiederinstandsetzung.
Die zwischen den benachbarten Schneidekanten der Nutmesser definierten Folienbreiten bleiben während eines radialen Nachschleifens unverändert. Dies folgt aus dem rechteckigen Querschnitt der Nutmesser in diesem Bereich und bedeutet auch, daß die durch die Mantelflächen definierten Unterstützungs- und Führungsflächen, im Gegensatz zum bekannten Stand der Technik nach der Druckschrift D1, immer konstant bleiben. Dies trägt zu einer besseren Schnittqualität der Folienkanten bei.
6.5. Es ist festzustellen, daß das radiale Nachschleifen selbstverständlich so weit durchgeführt werden muß, bis die axialen Verschleißspuren abgeschliffen sind. Danach muß auch der Abstand zwischen den parallelen Wellen neu eingestellt werden, um die korrekte Eintauchtiefe (oder gar Überlappung) zwischen den Scheiben- und Nutmessern zu gewährleisten.
7. Erfinderische Tätigkeit
7.1. In keiner von den im Beschwerdeverfahren genannten Druckschriften D1 bis D3 und D10 bis D12 wird die oben erwähnte zu lösende Aufgabe angesprochen.
7.2. Die Vorteile des vorliegenden Schneideverfahrens über das Schneideverfahren gemäß Druckschrift D1 sind in den Abschnitten 6.1 bis 6.4 oben angeführt.
Der Fachmann findet in dieser Druckschrift D1 keinen Hinweis, der zur vorliegenden Erfindung führen könnte.
7.3. Falls - entgegen der im Abschnitt 5.2 angegebenen Begründung - trotzdem die Druckschrift D10 als Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit genommen würde, könnte der Fachmann nach Auffassung der Kammer nicht ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Anspruches gelangen.
7.4. Mit Bezug auf die Druckschrift D10 vertritt die Beschwerdeführerin offensichtlich die Auffassung, daß ein radiales Nachschleifen der Messer gemäß Bild 21 nur eine rein handwerkliche Maßnahme sei, die innerhalb des Rahmens des fachlichen Könnens jedes Fachmannes liege. Obwohl das Nachschleifen als solches dem Fachmann durchaus bekannt sein dürfte, ist der Druckschrift D10 keine Information zu entnehmen, wonach ein solches Nachschleifen an den zylindrischen Mantelflächen der Messer durchgeführt werden soll, mit dem Zweck eine - geschweige den zwei - axial gerichtete Schneidefläche wieder herzustellen. Zum Thema Nachschleifen wird in der Druckschrift D10 nur gesagt, daß es den Rahmen des Aufsatzes sprengen würde, darüber ausführlich zu Schreiben.
Selbst wenn der Fachmann auf Grund der Druckschrift D10 auf die Idee gekommen wäre, ein Nutmesser mit zwei axial gerichteten Schneideschultern zu benutzen (in welchem Fall dies wohl eigentlich ein Topfmesser wäre, vgl. Bild 19), hätte er keine Anregung dazu gehabt, solche zwei Schultern nach Abnutzung durch radiales Nachschleifen gleichzeitig wieder einsatzbereit zu machen. Ein solches Vorgehen setzt nämlich rechteckige Schneideschultern (d. h. Schneideschultern ohne Freiwinkeln) voraus, weil sonst die Breite des Schneidgutes sich logischerweise entsprechend vermindern würde. Weiter sind in der Druckschrift D10 weder die Möglichkeit von mehreren, nebeneinander angeordneten Topfmessern, noch die Verwendung von Topfmessern ohne Freiwinkeln erwähnt worden. Darüber hinaus sind aus der Druckschrift D10 Nutmessern (im Sinne des Patentes) mit rechteckigen Schneideschultern nicht bekannt, ganz zu schweigen von der zusätzlichen Verwendung der (oberen) Scheibenmesserwelle auf Umschlag, um damit die Standzeit der Nutmesserwelle zu verlängern.
Nach Meinung der Kammer ist der Druckschrift D10 daher keine eindeutige Lehre in Richtung der vorliegenden Erfindung zu entnehmen.
7.5. Die Druckschrift D2 beschreibt die Verwendung von axial verschiebbaren Stahlringscheiben als Schneidwerkzeuge auf einer Unterwelle. Wenn eine Stahlringscheibe stumpf geworden ist, wird sie nach Lösen eines Zwischenringes axial verschoben und die nächstfolgende Ringscheibe nimmt die Stelle der verschobenen Ringscheibe ein. Nach Abnutzung sämtlicher Ringscheiben muß die Unterwelle ausgebaut werden, es sei denn, die Obermesser sind in der Lage sowohl nach links als auch nach rechts zu schneiden, vgl. Spalte 4, Zeile 68 bis Spalte 5, Zeile 18. In diesem Fall können beide Seiten der Ringscheiben benutzt werden bevor ein Ausbau erforderlich ist. Diese Vorgehensweise ist nicht mit der des geltenden Anspruches vergleichbar, wonach die neue Schneidkante ohne vorherigen Umbau der Nutmesser erreicht wird. Außerdem ist in der Druckschrift D2 nichts über Nachschleifen angeführt.
7.6. Die Druckschrift D3 beschreibt einen Nabenkörper mit einer auswechselbaren Stahlringscheibe, die axial an den Nabenkörper angedrückt wird. Nach Abnutzung der einen Seite der Ringscheibe wird sie entweder direkt ausgewechselt oder zuvor umgedreht. Der Kerngedanke dieser Offenbarung liegt im Wegfall des Nachschleifens der Kreismesser der Unterwelle und gibt somit keine Anregung in Richtung der beanspruchten Erfindung.
7.7. In der Druckschrift D11 wird eine Schneidvorrichtung mit zwei identischen Schneidemesserwellen offenbart. Nach Abnutzung der einen Seite der Schneidemesser werden die beiden Schneidemesserwellen gegenseitig ausgetauscht und umgedreht, um dadurch die anderen Seiten sämtlicher Schneidemesser in Betrieb zu nehmen. In der Druckschrift D11 wird auch die Möglichkeit erwähnt, nach Abnutzung von beiden Seiten der Schneidemesser die gesamten Schneidemesserwellen durch radiales Nachschleifen der zylindrischen Mantelflächen zu regenerieren. Ein solches radiales Nachschleifen führt zwangsweise zur gleichzeitigen Wiederherstellung von zwei Schneidekanten auf jedem Schneidemesser.
Obwohl gewisse Ähnlichkeiten zum beanspruchten Verfahren bestehen, kann die Lehre der Druckschrift D11 nach Meinung der Kammer nicht dazu beitragen, die erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Verfahrens in Frage zu stellen.
Erstens sind die bekannten, identischen Wellen nicht Ober- bzw. Unterwellen mit Scheiben- bzw. Nutmessern im Sinne der Erfindung, zweitens kann die gleichzeitige Auswechselung beider Wellen nicht zu einer Verlängerung der Standzeit der Untermesserwelle führen. Die Vorrichtung nach der Druckschrift D11 dient zur Vernichtung von blattartigen Materialien, insbesondere Geldnoten. Ein solcher Vernichtungsprozess unterliegt nicht denselben Qualitätskriterien wie die Herstellung von Magnetbändern, bei der die Qualität der hergestellten Schnitte (Breitentoleranzen und Randqualität) von großer Bedeutung ist. Die Herstellung von hochqualitativen Folienbahnen läßt sich mit der Vorrichtung gemäß Druckschrift D11 auch nicht annäherungsweise durchführen, da zwischen den benachbarten Nutmessern Unterstützungs- bzw. Führungsflächen für das zugeführte Schneidgut fehlen. Eine unmittelbare Übertragung der durch die Druckschrift D11 offenbarten Lehre auf das Verfahren nach der Druckschrift D1 würde auch nicht zur beanspruchten Erfindung führen, da der Druckschrift D11 keine Anregung zu entnehmen ist, daß es vorteilhaft sein könnte, nur die obere (oder eine) Schneidewelle "auf Umschlag" zu verwenden.
7.8. Die Druckschrift D12 beschreibt Zirkularscheren mit zwei Messerwellen mit je zwei Messerscheiben und einem Zwischenring. Obwohl das Nachschleifen von den Messerscheiben erwähnt ist, kann aus dieser Druckschrift D12 die Verwendung von Messerscheiben mit zwei Schneidekanten oder die Verwendung von nur einer der Messerwellen "auf Umschlag" entnommen werden.
7.9. Der Gegenstand des einzigen Anspruches weist daher eine erfinderische Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ auf.
8. Das Patent kann deshalb mit dem einzigen Anspruch sowie der vorliegenden Beschreibung und den erteilten Zeichnungen aufrechterhalten werden.
9. Eine Mitteilung gemäß Regel 58 (4) EPÜ ist in diesem Fall nicht notwendig, weil den Parteien aufgrund der beantragten und stattgefundenen mündlichen Verhandlung die Möglichkeit gegeben worden ist, Einwendungen gegen die vorliegenden Unterlagen zu erheben (vgl. Entscheidungen T 0596/88, Abschnitt 5; T 0561/89, Abschnitt 7).
10. Rückzahlung der Beschwerdegebühr
Die Kammer ist der Meinung, daß die Rückzahlung der Beschwerdegebühr nicht gerechtfertigt ist. Die von der Beschwerdeführerin angeführten drei Schreibfehler und das Fehlen einer Argumentation über die Klarheit des Anspruchs (siehe auch Abschnitt 3 oben) sind nicht mit einem wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne des Regels 67 EPÜ vergleichbar. Verständiges Lesen der drei betroffenen Textstellen räumt nach Auffassung der Kammer die durch die Fehlern verursachten, geringen Unklarheiten aus. Außerdem kann die Rückzahlung der Beschwerdegebühr nur dann angeordnet werden, wenn der Beschwerde stattgegeben wird, vgl. Regel 67 EPÜ. Dies ist hier nicht der Fall.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:
Anspruch:
Der einzige Patentanspruch, wie eingereicht während der mündlichen Verhandlung am 30. September 1997.
Beschreibung:
Spalten 1 bis 4 mit Beiblatt, wie eingereicht während der mündlichen Verhandlung am 30. September 1997.
Zeichnungen: Figuren 1 bis 5, wie erteilt.
3. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.