T 0526/95 13-05-1997
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Verfahren zur individuellen Einstellung der Kennlinie eines Reglers
Landis & Gyr Business Support AG
Joh. Vaillant GmbH & Co.
Änderungen - Erweiterung
Änderungen - Einspruchsverfahren
I. Auf den Gegenstand, der am 20. Dezember 1990 angemeldeten europäischen Patentanmeldung Nr.90 124 888.0 ist am 9. Juni 1993 das europäische Patent Nr. 0 444 296 erteilt worden.
II. Gegen das erteilte Patent wurde von den Beschwerdegegnerinnen 1 und 2 (Einsprechende 1 und 2) Einspruch eingelegt und beantragt, das Patent zu widerrufen. Als Begründung wurde angegeben, daß der Gegenstand des Patents nicht neu sei, nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe und keine technische Erfindung im Sinne von Artikel 52(2) EPÜ darstelle (Artikel 100(a) EPÜ); außerdem wurde geltend gemacht, daß das europäische Patent die Erfindung nicht so deutlich offenbare, daß ein Fachmann sie ausführen könne (Artikel 100(b) EPÜ), und daß der Gegenstand des europäischen Patents über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe (Artikel 100(c) EPÜ).
Das Vorbringen hinsichtlich des Einwandes unter Artikel 100(a) EPÜ wurde durch die Benennung von Druckschriften als Stand der Technik gestützt.
III. Das Patent wurde durch Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 26. April 1995, zur Post gegeben am 10. Mai 1995, gemäß Artikel 100 (c) EPÜ widerrufen.
Hiergegen legte die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) am 23. Juni 1995 Beschwerde ein und entrichtete die Beschwerdegebühr am 27. Juni 1995. Die schriftliche Begründung der Beschwerde ging am 24. August 1995 ein.
IV. In dem Bescheid gemäß Artikel 110(2) EPÜ vom 24. Januar 1997 wies die Kammer darauf hin, daß in der zu entscheidenden Sache der Fall vorliegen dürfte, daß ein nicht offenbartes, dem Schutzbegehren hinzugefügtes Merkmal zwar den Schutzbereich des Patents einschränkt, aber einen technischen Beitrag zum Gegenstand der beanspruchten Erfindung leistet und damit eine unzulässige Erweiterung im Sinne von Artikel 123(2) EPÜ darstellt.
V. In der Eingabe vom 7. März 1997 antwortete die Beschwerdeführerin auf die Ausführungen in dem o. g. Bescheid der Kammer und brachte vor, daß die Beschwerdeführende bei der anzuberaumenden mündlichen Verhandlung ein funktionierendes Regelgerät vorlegen werde. Aufgrund einer Anfrage seitens der Geschäftsstelle der Beschwerdekammer, ob die vorgenannte Aussage als Antrag auf mündliche Verhandlung zu verstehen sei, beantragte die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 11. April 1997, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.
VI. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückweisung des Einspruchs gemäß Hauptantrag; gemäß Hilfsantrag beantragt sie die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage der mit Schriftsatz vom 10. Januar 1995, eingegangen am 12. Januar 1995, eingereichten Ansprüche 1 und 2.
Der unabhängige Patentanspruch 1 nach Hauptantrag hat folgenden Wortlaut:
"Verfahren zur individuellen Einstellung der Kennlinie eines Reglers für Zentralheizungskessel mit einer Anpassung der Vorlauftemperatur an den jeweiligen Wärmebedarf durch Eingabe von für den Verlauf der Kennlinie (K) maßgeblichen, individuellen Daten (x,y,z) anhand welcher der Regler die erforderliche Kennlinie selbsttätig einstellt, dadurch gekennzeichnet, daß die individuellen Daten (x,y,z) vom Betreiber aufgrund vom Regler konkret an ihn gestellter Fragen über den baulichen Zustand, die Bauweise, die Beheizungsart, die örtlichen Klima- bzw. Temperaturwerte und/oder die gebäude-/-raumspezifische Norminnentemperatur festgelegt und dem Regler eingegeben werden."
Der unabhängige Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag hat folgenden Wortlaut:
"Verfahren zur individuellen Einstellung der Kennlinie eines Reglers für Zentralheizungskessel mit einer Anpassung der Vorlauftemperatur an den jeweiligen Wärmebedarf durch Eingabe von für den Verlauf der Kennlinie (K) maßgeblichen, individuellen Daten (x,y,z) anhand welcher der Regler die erforderliche Kennlinie selbsttätig einstellt, dadurch gekennzeichnet, daß die individuellen Daten (x,y,z) vom Betreiber aufgrund vom Regler konkret an ihn gestellter Fragen über den baulichen Zustand, die Bauweise, die Beheizungsart, die örtlichen Klima- bzw. Temperaturwerte und/oder die gebäude-/-raumspezifische Norminnentemperatur festgelegt und dem Regler eingegeben werden, wobei der Regler die Einstellung des Niveaus der Kennlinie (K) anhand der eingegebenen Daten (z) über den baulichen Zustand und die Einstellung der Neigung (Krümmung) und des Fußpunktes der Kennlinie (K) anhand der eingegebenen Daten (x,y) über die Bauweise, die Beheizungsart und die Klima- bzw. Temperaturwerte vornimmt und/oder anhand des an einem Einstellgerät zu verändernden in der Berechnungsformel für die Kennlinie enthaltenen Wertes für die gebäude-/raumspezifische Norminnentemperatur automatisch bei einem Anheben des Wertes die Kennlinie anhebt bzw. steiler stellt und bei einem Absenken des Wertes die Kennlinie absenkt bzw. flacher stellt."
VII. Die Beschwerdeführerin bringt im wesentlichen folgendes vor:
- Das Merkmal "vom Regler gestellte Fragen ..." sei wohl nicht wörtlich in den Anmeldeunterlagen enthalten. Dies entspreche aber offensichtlich dem Sinn der Aussage "Der Betreiber beantwortet im Grunde genommen die an ihn gestellten Fragen". Somit stelle das genannte Merkmal eine Präzisierung in Form einer Einschränkung dar. Aus der Angabe in der Beschreibung, daß der Betreiber Fragen beantworte und die Kennlinie nicht selbst verstellen müsse, folge, daß die Möglichkeit ausscheide, daß ein beauftragter Fachmann die Frage stelle. Da die bisher übliche Veränderung der Kennlinie durch eine Einstellvorschrift oder durch die Eingabe einer neuen Kennlinie über eine Codezahl oder über das Erstellen des Fuß- und Endpunktes der Linie entfallen könne, sollte auch die Möglichkeit, anhand eines Handbuches zu arbeiten, ausscheiden; es bleibe dann als Alternative eigentlich nur noch ein direktes Dialogverfahren mit dem Regler übrig.
- Es sei außerdem zu prüfen, ob das den Schutzbereich einschränkende Merkmal einen technischen Beitrag zum Erfindungsgegenstand leiste und damit eine unzulässige Erweiterung darstelle. Die einschränkend aufgenommene Formulierung könne einen technischen Beitrag leisten, müsse es aber nicht.
- Der vorläufigen Auffassung der Kammer über die Verantwortlichkeit hinsichtlich in die Unterlagen zur Patenterteilung eingebrachter Änderungen könne nicht zugestimmt werden. Es sei zwar die Anmelderin für die Fassung der vorgelegten Unterlagen verantwortlich; laufe sie aber infolge eines ausdrücklichen Vorschlages der Prüfungsabteilung in eine "unentrinnbare Falle", dann könne sie sich auf den anerkannten Grundsatz des "Vertrauensschutzes" berufen.
VIII. Die Beschwerdegegnerinnen beantragen die Zurückweisung der Beschwerde.
Ihr Vorbringen läßt sich wie folgt zusammenfassen:
- Für das betreffende Merkmal nach Anspruch 1 finde sich in den Ursprungsunterlagen weder ausdrücklich noch implizit eine ausreichende Offenbarungsgrundlage. Die Einfügung dieses Merkmals stelle eine unzulässige Änderung selbst dann dar, wenn hierdurch der ursprünglich beanspruchte Gegenstand nicht erweitert, sondern beschränkt werde.
- Die Große Beschwerdekammer habe gemäß der von der Beschwerdeführerin genannten Entscheidung G1/93 nur solche "ursprünglich nicht offenbarte Merkmale" zugelassen, die während der Prüfung hinzugefügt wurden, wenn sie gar keinen technischen Beitrag zum Gegenstand der beanspruchten Erfindung leisteten, sondern lediglich den Schutzbereich des Patents in der erteilten Fassung einschränkten. Das im vorliegenden Fall betroffene Merkmal sei jedoch kein solches, so daß der Ausnahmefall nach G1/93 hier keine Anwendung finden könne.
- Der beauftragte Prüfer habe im Bescheid vom 6. April 1992 zwar den Hinweis gegeben, daß eine Beschränkung auf ein "Dialogverfahren" mit "durch den Regler" gestellten Fragen möglich sein könne. In ihrer Antwort vom 25. Juni 1992 habe die Beschwerdeführerin jedoch ausgeführt, daß als Dialog "nicht nur eine Antwort auf direkte Fragen des Reglers" zu verstehen sei. Die Fragen könnten vielmehr auch indirekt, beispielsweise durch einen dem Regler beigefügten Fragebogen gestellt werden. Entscheidend sei die Tatsache, daß gestellte Fragen durch Eingaben in den Regler beantwortet würden. Hierdurch habe die Beschwerdeführerin bereits im Prüfungsverfahren deutlich gemacht, daß die Seiten 2 und 3 der Beschreibung nicht so ausgelegt werden könnten, als sei damit nur die Fragestellung durch den Regler gemeint.
Die Entscheidung G1/93 der Großen Beschwerdekammer hinsichtlich der Frage der Verantwortung für unzulässige Beschränkungen sei eindeutig. Die Beschwerdeführerin habe ihr schriftliches Einverständnis zu denjenigen Unterlagen, die die Prüfungsabteilung für die Erteilung vorgesehen habe, gegeben. Eventuelle fehlerhafte Vorschläge seitens Bediensteter des EPA könnten nicht zur Entschuldigung fehlender eigener Mitwirkung bei der Überprüfung auf Zulässigkeit und Begründetheit von Patentansprüchen herhalten.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Hauptantrag:
2. Artikel 123 EPÜ
2.1. Gemäß Artikel 123(2) EPÜ dürfen eine europäische Patentanmeldung und ein europäisches Patent nicht in der Weise geändert werden, daß ihr Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht. Das Schutzbegehren darf somit keine Merkmale enthalten, die einer Grundlage in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen entbehren.
2.2. Das Streitpatent wurde von der Einspruchsabteilung mit der Begründung widerrufen, daß das Merkmal nach Anspruch 1, wonach der Regler konkret dem Betreiber die maßgeblichen Fragen über die Gebäude- und Klima- bzw. Temperaturcharakteristiken stellt, ursprünglich nicht offenbart worden sei, so daß der Gegenstand des Patents über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe (Artikel 100(c) EPÜ).
Gemäß der Rechtsprechung der Beschwerdekammern umfaßt der Inhalt einer Anmeldung die gesamte ausdrückliche oder implizite Offenbarung, die unmittelbar und eindeutig aus der Anmeldung hevorgeht, einschließlich etwaiger implizit enthaltener, für den Fachmann bei Durchsicht der Anmeldung sofort und eindeutig ersichtlicher Informationen (siehe z. B. T 0514/88, ABl. EPA, 1992, 570 m. w. Nachw.).
2.3.1. Die Beschwerdeführerin räumt ein, daß das strittige Merkmal in den urpsprünglichen Anmeldeunterlagen nicht enthalten bzw. nicht wörtlich angegeben ist, so daß eine diesbezügliche Offenbarung expressis verbis nicht vorliegt. Es ist daher im folgenden zu prüfen, ob die Anmeldeunterlagen dieses Merkmal implizit offenbaren.
2.3.2. Die Beschwerdeführerin stützt sich hinsichtlich einer impliziten Offenbarung vor allem auf Spalte 1, Absätze 4, 5, 7 und 8, Spalte 2, Zeilen 7 und 8 sowie Zeilen 35 ff und Spalte 3, Zeilen 17 bis 19 der veröffentlichten Anmeldung, entsprechend Seite 2 Absatz 1, 2, 4 und 5 bis Seite 3, Absatz 1, Zeile 8, Seite 4, ab Zeile 1 und Seite 5, Zeilen 6 bis 8 der ursprünglichen Beschreibung.
Aus diesen Stellen geht hervor, daß bisher die werkseitig eingestellte Kennlinie der Heizung vom Installateur angepaßt wurde und daß es für den Betreiber selbst schwierig ist, nachträglich solche Veränderungen der Kennlinie vorzunehmen, weil er die Zusammenhänge nicht kennt. Nach der Erfindung erfolgt die Verstellung der Kennlinie nicht mehr aufgrund von Vorkenntnissen, sondern der Betreiber gibt Daten über den baulichen Zustand seines Gebäudes ein. Der Betreiber beantwortet im Grunde genommen die an ihn gestellten Fragen. Der Regler stellt dann danach die individuelle Kennlinie selbst ein. Der Betreiber muß die Kennlinie nicht selbst verstellen, es reicht vielmehr aus, bestimmte Kenndaten einzugeben. Auf diese Weise soll eine Möglichkeit geschaffen werden, die Kennlinie ohne besondere Kenntnisse bezüglich der technischen Zusammenhänge auf die den jeweiligen Bedürfnissen entsprechende Lage einzustellen. Die bisher übliche Veränderung der Kennlinie durch eine Einstellvorschrift oder durch die Eingabe einer neuen Kennlinie über eine Codezahl oder über das Einstellen des Fuß- und Endpunktes der Linie kann entfallen.
Aus diesen Passagen der ursprünglichen Offenbarung geht zwar hervor, daß an den Betreiber der Heizanlage Fragen gestellt werden, die dieser durch Eingabe spezifischer Kenndaten in den Regler beantwortet. Für das Merkmal, daß der Regler Fragen konkret an den Betreiber der Anlage stellt, weist der Beschreibungsteil jedoch keine Grundlage auf.
Das Argument der Beschwerdeführerin, daß hinsichtlich der Fragestellung eine Mittelsperson ausscheide und auch keine Bedienungsanleitung, wie etwa eine Frageliste, ein Handbuch oder eine Gebrauchsanweisung, in Frage käme, findet ebenfalls in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen keine Stütze. Daß die ursprüngliche Offenbarung nicht auf eine konkrete Fragestellung durch den Regler beschränkt ist, wurde im Rahmen des Prüfungsverfahrens auch von der Beschwerdeführerin bestätigt, die in ihrer Eingabe vom 25. Januar 1992 (erste Seite, letzter Absatz) ausführte, daß gemäß der Erfindung ein direkter Dialog zwischen dem Regler und dem Betreiber oder auch eine indirekte Fragestellung durch einen dem Regler beigefügten Fragebogen erfolgen könne. Daraus ergibt sich, daß auch die Beschwerdeführerin die Auffassung vertrat - dies zu Recht -, daß die ursprüngliche Offenbarung keine Festlegung auf die Fragestellung durch vom Regler konkret an den Betreiber gestellte Fragen enthält.
Hinsichtlich des strittigen Merkmals liegt somit auch implizit keine Offenbarungsgrundlage in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen vor.
2.4. Die Große Beschwerdekammer hat in der Entscheidung G1/93, ABl. EPA 1994, 541 klargestellt, daß die Hinzufügung eines nicht offenbarten Merkmals, das zwar den Schutzbereich des Patents einschränkt, aber einen technischen Beitrag zum Gegenstand der beanspruchten Erfindung leistet, dem Patentinhaber zu einem ungerechtfertigten Vorteil verhelfen und damit eine Erweiterung im Sinne der Bestimmung des Artikels 123(2) EPÜ darstellen würde.
Das in Rede stehende Merkmal schränkt den Schutzbereich des ursprünglichen Anspruchs 1 ein, da dieser nunmehr auf Verfahren zur individuellen Einstellung der Kennlinie eines Heizungsreglers beschränkt ist, bei denen der Regler dem Betreiber die maßgeblichen Fragen stellt. Dieser Umstand wird auch von der Beschwerdeführerin bestätigt, wie aus dem Schriftsatz vom 7. März 1997, "zu 3", "zu 4" und "zu 5" hervorgeht.
Hinsichtlich der noch zu untersuchenden Frage, ob dieses Merkmal einen technischen Beitrag zum Gegenstand der beanspruchten Erfindung leistet, bringt die Beschwerdeführerin vor, die einschränkend aufgenommene Formulierung "aufgrund vom Regler konkret an ihn gestellter Fragen" könne einen technischen Beitrag leisten, müsse es aber nicht.
Hierzu ist zu bemerken, daß ein Regler, der derart ausgebildet ist, daß er selbst dem Betreiber Fragen stellt, über die Mittel zur Durchführung dieser Fragestellung, z. B. auf optischem oder akustischem Weg, verfügen muß. Wie die Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung überzeugend dargelegt hat, stellt sich aber auch das Verfahren für den Betreiber technisch unterschiedlich dar, je nachdem, ob er eine vom Regler gestellte Frage beispielsweise auf dem Bildschirm ablesen oder sich ein Handbuch verschaffen und studieren muß. Daraus folgt, daß das in Rede stehende Merkmal einen technischen Beitrag zum Gegenstand der beanspruchten Erfindung nicht nur leisten kann, sondern einen solchen effektiv leistet.
Es liegt somit der in der o. g. Entscheidung G1/93 beschriebene Fall vor, daß ein ursprünglich nicht offenbartes, dem Schutzbegehren hinzugefügtes Merkmal zwar den Schutzbereich des Patents einschränkt, aber einen technischen Beitrag zum Gegenstand der beanspruchten Erfindung leistet und damit eine unter Artikel 123(2) EPÜ unzulässige Erweiterung darstellt. Dieses Merkmal kann in dem Anspruch 1 nicht gestrichen werden, da dies zu einer unter Artikel 123(3) EPÜ unzulässigen Erweiterung des Schutzbereichs führen würde.
2.5. Zur Frage der Verantwortung für in der Anmeldung vorgenommene Änderungen trägt die Beschwerdeführerin vor, sie könne sich auf den anerkannten Grundsatz des "Vertrauensschutzes" berufen, wenn sie infolge eines ausdrücklichen Vorschlages der Prüfungsabteilung in eine "unentrinnbare Falle" gelaufen sei. Sie legt hierzu Auszüge aus "Rechtsprechungskartei gewerblicher Rechtschutz/Schulte-Kartei", Carl Heymanns Verlag KG München - Köln, EPÜ 106.24, Nr. 11 (Blatt 7105;) EPÜ 300, Nr. 9 und 11 (Blatt 1989), Nr. 19 (Blatt 1991)und Nr 144 (Blatt-Nummer unleserlich) vor.
Die vorgelegten Beispiele aus der o. g. Kartei betreffen sämtlich den Umstand, daß aufgrund von irreführenden Mitteilungen bzw. verfahrensmäßig unkorrektem Vorgehen von Organen des EPA einer Partei Nachteile erwachsen sind und diesbezüglich der jeweiligen Partei Vertrauensschutz gewährt wurde.
Davon unterscheidet sich die vorliegende Situation insofern, als es sich bei der Frage der Vorlage von Sachanträgen ausschließlich um die Zuständigkeit des Anmelders bzw. Patentinhabers handelt. Dies folgt unmittelbar aus Artikel 113(2) EPÜ, wonach bei der Prüfung der europäischen Patentanmeldung oder des europäischen Patents und bei den Entscheidungen darüber sich das Europäische Patentamt an die vom Anmelder oder Patentinhaber vorgelegte oder gebilligte Fassung zu halten hat. Vorschläge zur Abfassung dieser Sachanträge seitens Bediensteter des Europäischen Patentamts sind für den Anmelder bzw. Patentinhaber nicht bindend; andererseits kann er bei Annahme solcher Vorschläge, sollten sie fehlerhaft sein, keine Rechte herleiten, da ihm die alleinige Kompetenz und damit die Verantwortung hinsichtlich der Antragsvorlage von Rechts wegen zusteht (vgl. J12/83, ABl EPA 1985, 6).
Entscheidend ist im vorliegenden Fall, daß die Beschwerdeführerin mit den die unzulässige Änderung enthaltenden Unterlagen ihr Einverständnis erklärt hat (siehe Schriftsatz vom 2. Dezember 1992). Wie die Große Beschwerdekammer in der Entscheidung G 1/93 (Abschnitt 13) hervorgehoben hat, kommt es hinsichtlich der Folgen einer unter Artikel 123(2) EPÜ unzulässigen Änderung grundsätzlich nicht darauf an, ob eine solche Änderung von der Prüfungsabteilung gebilligt worden ist. Wie dort weiter ausgeführt, trägt die Verantwortung für Änderungen an einer Patentanmeldung (oder einem Patent) letztlich immer der Anmelder (bzw. der Patentinhaber).
2.6. Zusammenfassend folgt aus vorstehenden Ausführungen, daß Anspruch 1 gegen Artikel 123(2) EPÜ verstößt. Dieser Anspruch kann daher nicht aufrechterhalten werden.
3. Bei dieser Sachlage ist auf die weiteren Kriterien der Patentfähigkeit des Gegenstandes von Anspsruch 1 nicht mehr einzugehen.
Hilfsantrag:
Aus den vorstehend dargelegten Gründen verstößt auch Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag gegen Artikel 123(2) EPÜ, so daß dieser Anspruch ebenfalls nicht bestandsfähig ist.
4. Mit dem unabhängigen Anspruch 1 nach dem Haupt- bzw. dem Hilfsantrag entfallen auch die davon abhängigen Ansprüche 2 bis 4 gemäß Hauptantrag bzw. Anspruch 2 gemäß Hilfsantrag, da über einen Antrag nur in seiner Gesamtheit entschieden werden kann.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.