T 0817/95 (Schichtsilicate / HENKEL) 20-10-1998
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Verfahren zur Aufarbeitung wäßriger, Elektrolyte enthaltender Suspensionen hochquellfähige Schichtsilicate
I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 89 107 088.0 wurde das europäische Patent Nr. 0 340 544 mit 12 Ansprüchen erteilt. Anspruch 1 lautet wie folgt:
"Verfahren zur Aufarbeitung wäßriger, Elektrolyte enthaltender Suspensionen hochquellfähiger Schichtsilicate, dadurch gekennzeichnet, daß die Schichtsilicate durch mehrstufige Membranfiltration als Konzentrat aus der Suspension abgetrennt werden, und daß vor der zweiten und jeder folgenden Membranstufe das Konzentrat z. B. mit vollentsalztem Wasser zur Aufrechterhaltung der Pumpfähigkeit verdünnt wird."
II. Gegen die Patenterteilung legte die Beschwerdeführerin (Einsprechende) Einspruch ein. Der Einspruch wurde unter anderem darauf gestützt, daß der Patentgegenstand nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (Artikel 100 (a) in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ).
Im Einspruchsverfahren wurden, unter anderem , folgende Entgegenhaltungen genannt:
D1: Clays and Clay Minerals, Band 28, No. 1, Seiten 67 bis 69 (1980),
D3: Chemie Anlagen und Verfahren (CAV), Dezember 1982, Seiten 72 bis 92,
D5: EP-A-0 235 081.
III. Die Einspruchsabteilung hat den Einspruch zurückgewiesen.
In der Entscheidung wurde ausgeführt, daß gemäß D1, das den nächstliegenden Stand der Technik darstelle, eine Montmorillonit-Suspension durch eine Kombination aus Ultrafiltration und Dialyse entsalzen werde, während das Verfahren gemäß Streitpatent hierfür eine mehrstufige Membranfiltration vorschlage. Eine solche Maßnahme werde jedoch weder durch D1 noch durch die übrigen Dokumente nahegelegt.
IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende) Beschwerde eingelegt. In der Beschwerdebegründung hat sie die erfinderische Tätigkeit weiterhin auf der Grundlage der bereits in der Einspruchsschrift genannten Dokumente bestritten. Sie hat die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Streitpatents beantragt.
V. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat zu den Ausführungen in der Beschwerdebegründung keine Stellungnahme eingereicht. In Erwiderung auf einen Bescheid der Beschwerdekammer hat sie beantragt, nach Aktenlage zu entscheiden.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Erfinderische Tätigkeit
2.1. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Aufarbeitung wäßriger, Elektrolyte enthaltender Suspensionen hochquellfähiger Schichtsilicate. Das Streitpatent geht davon aus, daß Aufarbeitungsverfahren für hochquellfähige Schichtsilicate, wie Hectorite, bekannt sind, wobei die Schichtsilicate elektrolytfrei aus der Ausgangssuspension isoliert und abgetrennt werden. Dazu wird die Mutterlauge zunächst durch Filtration in Filterpressen, insbesondere Membranfilterpressen, abgetrennt. Die Schichtsilicate verbleiben als gelige Masse zusammen mit einem Teil der adhärierenden, stark elektrolythaltigen Mutterlauge im Filterkuchen. Um die Schichtsilicate aus dem Filterkuchen elektrolytfrei zu isolieren, ist es üblich, den Filterkuchen mit Wasser auszuspülen. Aufgrund der noch vorhandenen Elektrolyte beginnen die Schichtsilicate jedoch stark zu quellen, so daß die Poren des Filtermediums verstopfen und die Filtration stark erschwert, bzw. unmöglich gemacht wird. Aufgrund dieser Schwierigkeiten ist die Aufarbeitung der Schichtsilicate nur durch einen sehr langwierigen, aufwendigen Filtrations- und Auswaschungsprozeß möglich.
Keine der genannten Entgegenhaltungen offenbart ein industrielles Verfahren, das dem Verfahren gemäß Streitpatent näher kommt als der im Streitpatent genannte Stand der Technik, der auch von der Beschwerdeführerin als dem Gegenstand des Streipatents am nächsten kommend angesehen wird. Die Kammer geht daher bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit von diesem Stand der Technik aus.
Gemäß Streitpatent bestand demgegenüber die Aufgabe, ein Verfahren zu finden, mit welchem hochquellfähige Schichtsilicate nahezu elektrolytfrei mit vertretbarem Zeitaufwand aus einer wäßrigen, Elektrolyte enthaltenden Suspension isoliert werden können.
Diese Aufgabe wird gemäß Streitpatent dadurch gelöst, daß die Schichtsilicate durch mehrstufige Membranfiltration als Konzentrat aus der Suspension abgetrennt werden, und daß vor der zweiten und jeder folgenden Membranstufe das Konzentrat z.B. mit vollentsalztem Wasser zur Aufrechterhaltung der Pumpfähigkeit verdünnt wird.
Die Kammer hält es für glaubhaft, daß mit dem Verfahren gemäß Anspruch 1 diese Aufgabe tatsächlich gelöst wird. Die Beschwerdeführerin hat dies nicht bestritten.
2.2. Es bleibt zu untersuchen, ob die zur Lösung der Aufgabe beanspruchten Maßnahmen durch den Stand der Technik nahegelegt werden. Probleme, die mit der Membranabscheidung von Ton-Suspensionen zusammenhängen, insbesondere die Filterkuchenbildung und die Verstopfung der Membranporien, werden in D1 angesprochen. D1 ist ein Zeitschriftartikel betreffend die Verwendung von Ultrafiltration und Dialyse für die Herstellung von Tonsuspensionen. Er offenbart ein Verfahren für die Entsalzung von Ton-Suspensionen durch Membranfiltration (Ultrafiltration durch Hohlfasern) bei gleichzeitiger Dialyse. Mit diesem Verfahren soll erreicht werden, daß sich auf den Membranen kein Ton ansammelt, der Ton sich nicht verdichtet und die Ton-Konzentration konstant bleibt. Mit minimalem Aufwand können dabei große Mengen an Ton-Suspension über einen breiten Konzentrationsbereich entsalzt werden (Einleitung, letzter Absatz). Bei den im Labormaßstab durchgeführten Untersuchungen wird eine wäßrige Montmorillonit-Dispersion in einem Kreislauf unter Druck durch die Hohlfaser in einer Hohlfaserzelle (hollow-fibre cell) geführt und gleichzeitig wird, im Gegenstrom, an der Außenseite der Hohlfaser demineralisiertes Wasser durch die Zelle geführt. Bei diesem Verfahren werden der Dispersion sowohl Ionen (Salze) als auch Wasser entzogen. Letzteres wird durch Zugabe von demineralisiertem Wasser kompensiert, damit die Konzentration der Suspension konstant bleibt (Seite 67, rechte Spalte, Kapital "procedure").
Als Lösung für die oben genannten Probleme schlägt D1 also vor, den Verlust des Wassers bei der Membranfiltration durch die Zugabe demineralisierten Wassers auszugleichen, wobei selbstverständlich die Pumpfähigkeit erhalten bleibt, und zusätzlich gleichzeitig eine Dialyse vorzunehmen. Das Verfahren gemäß Streitpatent unterscheidet sich vom Verfahren gemäß D1 im wesentlichen dadurch, daß das verdünnte Konzentrat in eine folgende Membranstufe geführt wird, während gemäß D1 das verdünnte Konzentrat in einer einzigen Membranstufe im Kreislauf geführt wird, denn im Weglassen der Dialyse besteht kein wesentlicher Unterschied gegenüber D1, da der Wortlaut des Anspruchs 1 eine gleichzeitige Dialyse durch im Gegenstrom geführtes Wasser nicht ausschließt.
D1 beschreibt ein Verfahren im Labormaßstab. Bei industriellen Ultrafilrationsverfahren ist es jedoch üblich, mehrere Membranstufen in Serie zu schalten; vgl. D3, Seite 87, Abb. 4 und D5, Seite 9. Obwohl D3 und D5 sich nicht auf die Entsalzung von Schichtsilicat-Suspensionen beziehen, sondern auf die Konzentrierung und Reinigung von Suspensionen im allgemeinen (D3) oder die Abscheidung von Farbstoffen aus Abwässern (D5), gehören sie zum technischen Gebiet der Reinigung von Suspensionen durch Membranfiltration. Ein Fachmann, der sich die Aufgabe gestellt hat, Probleme bei der Membranfiltration von Schichtsilikaten zu lösen, wird nicht nur den Stand der Technik auf dem Gebiet der Entsalzung von Schichtsilicat-Suspensionen in Betracht ziehen, sondern den Stand der Technik auf dem ganzen Gebiet der Membranfiltration. Er würde daher auch ein mehrstufiges Verfahren, wie beispielsweise in D3 und D5 offenbart, in Erwägung ziehen. Die Kammer betrachtet daher die Serienschaltung mehrerer Membranfilterstufen mit Verdünnung des Membrankonzentrats zwischen den Stufen als naheliegende Maßnahmen, um bei der industriellen Entfernung von Elektrolyten aus wäßrigen Suspensionen hochquellfähiger Schichtsilikate die Probleme, die mit der bekannten Abscheidung eines Filterkuchens zusammenhängen, zu umgehen und damit die unter Punkt 2.1 genannte Aufgabe zu lösen.
2.3. Das Verfahren gemäß Anspruch 1 beruht also nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, sondern ist das Ergebnis der fachmännischen Weiterentwicklung des Standes der Technik. Das Streitpatent kann daher mit dem erteilten Anspruch 1 nicht bestehen bleiben.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Das Patent wird widerrufen.