T 0825/96 27-07-1999
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Verfahren zur Zuordnung von Datensätzen zu Zeitwerten einer zeitlichen Reihenfolge
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Befugnis einer Beschwerdekammer zur Prüfung von Änderungen des Patents (ja)
Änderungen - Erweiterung (Hauptantrag und Hilfsantrag 1: ja)
Deutlichkeit der Ansprüche (Hilfsantrag 2: verneint)
Amendments
Clarity of claims (no) - auxiliary request 2
Competence of board of appeal to examine amendments to patent (yes)
Reformatio in peius
I. Die Beschwerde betrifft das europäische Patent Nummer 0 484 362, das auf die europäische Patentanmeldung 90 910 734.4 (internationale Anmeldung Veröffentlichungsnummer WO 91/02316) mit Prioritätstag 28. Juli 1989 erteilt wurde.
II. Gegen das Patent wurden in vollem Umfang Einsprüche eingelegt. Die Einsprechenden, sowohl die Beschwerdeführerin (Einsprechende I) wie auch eine weitere Einsprechende, stützten hierbei ihren Einspruch auf die Einspruchsgründe des Artikels 100a EPÜ. Der Beschwerdegegner (Patentinhaber) beantragte, das Patent in geändertem Umfang auf der Grundlage des folgenden (geänderten) Patentanspruchs 1 aufrechtzuerhalten:
"1. Verfahren zur Verwaltung von zeitbezogenen Aktivitäten wie Reservierung von Plätzen, Räumen, Maschinen, Transportgeräten, Einsatz von Personen mit einem Digitalrechner durch Zuordnung von Datensätzen zu Zeitwerten einer zeitlichen Reihenfolge, dadurch gekennzeichnet, daß die Zeitwerte jeweils als Datenstring in einem Feld des Speichers des Digitalrechners abgespeichert werden, daß jeder Datenstring aus Zeitwerten entsprechenden Bitgruppen aufgebaut ist, daß die Auslesung eines Zeitwerts mit dem Anfang des Datenstrings beginnt und bis zum ausgewählten Zeitwert erfolgt und daß der Zeit der Auslesung vom Anfang des Datenstrings bis zum ausgewählten Zeitwert eine Speicheradresse zugeordnet ist, die mindestens einen Datensatz adressiert , daß die Bitgruppe ein vereinbartes Muster für 'frei' oder 'belegt' in Bezug auf die Aktivitäten enthält, und daß die Zeitwerte als Balkendiagramm interaktiv auf einem Bildschirm des Digitalrechners dargestellt werden".
Die Einsprechende II beanstandete gegenüber der Einspruchsabteilung, daß das in diesen Patentanspruch eingefügte Merkmal der gemeinsamen Abspeicherung von Zeitwerten und Mustern für "frei" und "belegt" in Bitgruppen von Datenstrings nicht klar offenbart sei. Die Einspruchsabteilung sah eine ausreichende Offenbarung des beanstandeten Anspruchsmerkmals in Spalte 6, Zeilen 25 bis 47 in Verbindung mit Spalte 4, Zeilen 24 bis 36 der Patentschrift und stellte in ihrer auf den 12. Juli 1996 datierten Zwischenentscheidung fest, daß das Patent in der geänderten Fassung die Erfordernisse des Europäischen Patentübereinkommens erfülle.
III. Die Beschwerde richtet sich gegen diese Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung und wurde schriftlich mit einer Begründung am 10. September 1996 unter Bezahlung der Beschwerdegebühr (maßgeblicher Zahlungstag: 11. September 1996) beim Europäischen Patentamt eingereicht. Die mit der Beschwerdeschrift eingereichte Begründung stützt sich, abgesehen von verfahrensrechtlichen Fragen, auf die Ausschlußbestimmungen des Artikels 52 (2) c) und d) EPÜ, auf mangelnde Neuheit und fehlende erfinderische Tätigkeit.
IV. Die Beschwerdekammer teilte den Beteiligten am Beschwerdeverfahren mit, daß das Anspruchsmerkmal, "ein vereinbartes Muster für 'frei' oder 'belegt' in Bezug auf die Aktivitäten" in den den Zeitwerten entsprechenden Bitgruppen der Datenstrings zu speichern, nicht Gegenstand der Anmeldung in der ursprünglichen eingereichten Fassung sei und daher nicht den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ entspreche. Diese Beanstandung war auch Gegenstand einer mündlichen Verhandlung, an deren Ende die Beschwerdekammer den Beteiligten eine Frist für die Einreichung weiterer schriftlicher Stellungnahmen setzte.
Der Beschwerdegegner hat der Kammer, während der mündlichen Verhandlung beziehungsweise innerhalb der für die Einreichung weiterer schriftlicher Stellungnahmen gesetzten Frist, folgende weitere Fassungen des Patentanspruchs 1 in Form von Hilfsanträgen vorgelegt.
Hilfsantrag 1 "1. Verfahren zur Verwaltung von zeitbezogenen Aktivitäten wie Reservierung von Plätzen, Räumen, Maschinen, Transportgeräten, Einsatz von Personen mit einem Digitalrechner durch Zuordnung von Datensätzen zu Zeitwerten einer zeitlichen Reihenfolge, dadurch gekennzeichnet, daß die Zeitwerte jeweils als Datenstring in einem Feld des Speichers des Digitalrechners abgespeichert werden, daß jeder Datenstring aus Zeitwerten entsprechenden Bitgruppen aufgebaut ist, daß die Auslesung eines Zeitwerts mit dem Anfang des Datenstrings beginnt und bis zum ausgewählten Zeitwert erfolgt und daß der Zeit der Auslesung vom Anfang des Datenstrings bis zum ausgewählten Zeitwert eine Speicheradresse zugeordnet ist, die mindestens einen Datensatz adressiert , und daß die Zeitwerte als Balkendiagramm interaktiv auf einem Bildschirm des Digitalrechners dargestellt werden, wobei die in ihrer Wertigkeit veränderbaren, den Zeitwerten entsprechenden Bitgruppen mittels Eingabemitteln als 'belegt' kennzeichenbar sind."
Hilfsantrag 2 "1. Verfahren zur Verwaltung von zeitbezogenen Aktivitäten wie Reservierung von Plätzen, Räumen, Maschinen, Transportgeräten, Einsatz von Personen mit einem Digitalrechner durch Zuordnung von Datensätzen zu Zeitwerten einer zeitlichen Reihenfolge, dadurch gekennzeichnet, daß die Zeitwerte jeweils als Datenstrings in einem Feld gespeichert werden, daß die Auslesung eines Zeitwerts mit dem Anfang des Datenstrings beginnt und bis zum ausgewählten Zeitwert erfolgt und daß der Zeit der Auslesung vom Anfang des Datenstrings bis zum ausgewählten Zeitwert jeweils eine Speicheradresse zugeordnet ist, die mindestens einen Datensatz adressiert, daß im Datenstring jeweils eine Gruppe von Bits zur Unterscheidung der Einheiten der Zeitfolge vorgesehen ist, daß die Zeitwerte als Balkendiagramm interaktiv auf einem Bildschirm eines Digitalrechners dargestellt werden und daß die Bitgruppen mittels Eingabemitteln in der Wertigkeit verändert werden."
V. Die Beschwerdeführerin hat gegen diese Hilfsanträge den Einwand erhoben, daß sie verspätet eingereicht worden seien. Ferner hat sie eingewendet, daß nur von ihrer Seite Beschwerde eingelegt worden sei und daher die Zulassung von Anträgen, die den Schutzbereich des aufrechterhaltenen Patents erweitern, gegen das Verbot einer reformatio in peius verstoßen würde. Im übrigen erfülle, unter anderem aus dem Grund, daß einige der Anspruchsmerkmale nicht in der ursprünglichen Anmeldung offenbart seien, keine der Anträge die Vorschriften des Übereinkommens. Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 sei überdies im Hinblick auf die Definition der Datenstrings und Bitgruppen unklar und stehe im Widerspruch zu der Beschreibung.
Die Beschwerdeführerin nannte ferner Gründe, warum die Kammer keine weiteren Anträge des Beschwerdegegners zur Prüfung annehmen sollte. Eine Zurückverweisung sei bei den gegebenen Umständen ebensowenig angemessen.
VI. Der Beschwerdegegner stellte in Frage, ob die Beschwerdekammer in Hinblick auf die Natur des Einspruchsbeschwerdeverfahrens die Erfüllung der Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ von Amts wegen überhaupt prüfen dürfe.
Der Beschwerdegegner hat eine Offenbarung des von der Beschwerdekammer beanstandeten Merkmals unter anderem in Spalte 6, Zeilen 36 ff. der Patentschrift gesehen, da dort Bitgruppen ausdrücklich als mit einem Muster für 'Zimmer frei' markiert" beschrieben würden. Er hat ferner auf die in den Figuren 3 und 4 zu sehenden Bildmuster für die Belegungsinformation hingewiesen, die in der Beschreibung mit dem Inhalt von Bitgruppen und Datenstrings in Verbindung gebracht würden.
Im Hinblick auf den Begriff der "Bitgruppe" erklärte der Beschwerdegegner, daß dieser Begriff in der Beschreibung zwar uneinheitlich verwendet werde, aber diese Uneinheitlichkeit den Fachmann nicht an einem eindeutigen Verständnis der Erfindung hindere. In der Beschreibung zu Figur 1, Seite 4, erster Absatz würden die Bitgruppen als diejenigen Datenelemente beschrieben, die die Datenstrings aufbauten und den Zeitwerten entsprächen, und die damit eine uniforme Länge aufweisen müßten. Demgegenüber werde in dem darauf folgenden Absatz eine neue Bedeutung des Begriffs "Bitgruppe" definiert, gemäß der die Bitgruppe als ein Bitgruppenbereich anzusehen sei, d. h. als eine Ansammlung von Bitgruppen im Sinne der in Spalte 3, Zeilen 12 bis 15 der Patentschrift beschriebenen Auslesung.
Wenn der Fachmann die durch das erfindungsgemäße Verfahren gegebenen Möglichkeiten durchspiele, eröffneten sich ihm Vorteile, die nur durch die im Patentanspruch definierte Speicherung der Belegungsinformation direkt in den Bitgruppen der Datenstrings erzielt werden könnten und die ihn daher unmittelbar auf den Anspruchsgegenstand hinführten. Zu diesen Vorteilen zähle beispielsweise das möglichst schnelle und insbesondere vollständige Erkennen von Belegungsinformationen innerhalb eines gegebenen Zeitabschnittes im gesamten Datensatz. Mit dem erfindungsgemäßen Verfahren könne das aufwendige Durchsuchen von Datensätzen, das bei der Speicherung absoluter Datumswerte beispielsweise in einer Belegungsplandatei erforderlich sei, vermieden werden. Außerdem verringere die Verwendung von Strings den Programmieraufwand. Es sei für die Offenbarung unerheblich, ob diese Vorteile der Patentschrift direkt entnehmbar seien.
Der Beschwerdegegner hat ferner mit Schreiben vom 29. Januar 1999, also nach der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer, "höchst vorsorglich" eine Anschlußbeschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung eingelegt. Für den Fall, daß der Hauptantrag nicht gewährbar sei, müsse dem Beschwerdegegner nämlich die Möglichkeit eingeräumt werden, eine gewährbare Anspruchsfassung vorzulegen, und zwar entweder im Rahmen dieser Anschlußbeschwerde, oder durch Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung.
VII. Die Beteiligten am Beschwerdeverfahren haben folgende Anträge gestellt:
Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents 0 484 362.
Der Beschwerdegegner beantragt die Zurückweisung der Beschwerde (Hauptantrag), die Aufrechterhaltung des Patents gemäß dem in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer eingereichten Hilfsantrag (Hilfsantrag 1) oder die Aufrechterhaltung des Patents gemäß dem mit Schreiben vom 29. Januar 1999 eingereichten Hilfsantrag (Hilfsantrag 2). Ferner regte der Beschwerdegegner an, die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen (Hilfsantrag 3).
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 EPÜ sowie den Regeln 1 (1) und 64 EPÜ und ist daher zulässig.
2. Die Hilfsanträge wurden erst in einem späten Verfahrensstadium der Beschwerdekammer vorgelegt. In Bezug auf die Hilfsanträge 1 und 2 übt die Beschwerdekammer das ihr gemäß Artikel 114 (2) EPÜ zustehende Ermessen dahingehend aus, die Anträge dennoch zuzulassen, um den Beteiligten am Beschwerdeverfahren die Möglichkeit zu geben, die Ergebnisse zu berücksichtigen, die in der mündlichen Verhandlung bei der Erörterung der im vorliegenden Fall besonders schwierigen Fragen der Interpretation des aufrechterhaltenen Anspruchs 1 und der ursprünglichen Offenbarung der im Einspruchsverfahren vorgenommenen Anspruchsänderungen erzielt worden sind. Der Hilfsantrag 3. ist nur ein verfahrensleitender Antrag, den die Beschwerdekammer jederzeit berücksichtigen kann.
3. Die Beschwerdekammer hat geprüft, ob die im Einspruchs- und Beschwerdeverfahren vorgenommenen Änderungen des Patents, und insbesondere des Patentanspruchs 1, den Anforderungen des Artikels 123 (2) EPÜ genügen, ohne daß diese Vorschrift zuvor von der Beschwerdeführerin als Einspruchs- oder Beschwerdegrund herangezogen worden wäre. Der Beschwerdegegner sieht darin eine Verletzung der durch die Rechtsprechung gesetzten Grenzen bei der Anwendung des Amtsermittlungsgrundsatzes nach Artikel 114 (1) EPÜ.
Artikel 102 (3) EPÜ bestimmt, daß bei Aufrechterhaltung eines Patents in geändertem Umfang die Erfordernisse des Übereinkommens erfüllt sein müssen. Die diesbezügliche Prüfung ist daher weder auf die Einspruchsgründe des Artikels 100 EPÜ beschränkt, noch gelten für sie die von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze für den Umfang der im Einspruchsverfahren vorzunehmenden Prüfung von Einspruchsgründen. Die Prüfung, ob ein geändertes Patent den Erfordernissen des Übereinkommens im Sinne von Artikel 102 (3) EPÜ genügt, ist vielmehr in vollem Umfang durchzuführen. Im Einspruchsbeschwerdeverfahren ist die Beschwerdekammer gemäß Artikel 111 (1) und Regel 66. (1) EPÜ ermächtigt, im Rahmen der Zuständigkeit der Einspruchsabteilung, die die angefochtene Entscheidung erlassen hat, tätig zu werden und damit die Prüfung durchzuführen, ob ein geändertes Patent den Erfordernissen des Übereinkommens im Sinne von Artikel 102 (3) EPÜ genügt, auch wenn die dem Patent zugrunde liegenden Änderungen im Verfahren vor der Einspruchsabteilung vorgenommen worden sind. Eine Bindung an das Vorbringen oder an die Anträge der Beteiligten am Beschwerdeverfahren besteht hierbei nicht (Artikel 114 (1) EPÜ). Auch die Natur des Einspruchsbeschwerdeverfahrens als ein gerichtliches Verfahren steht einer solchen Prüfung nicht entgegen (siehe die Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 9/91, ABl. EPA 1993, 408, die sich jedoch im Wesentlichen auf die Prüfung durch die Einspruchsabteilung und durch die Beschwerdekammer von Patenten beschränkt, die nach der Patenterteilung unverändert geblieben sind).
4. Nach der Vorschrift des Artikels 123 (2) EPÜ darf ein europäisches Patent nicht in der Weise geändert werden, daß sein Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht. Sowohl dem Hauptantrag wie auch den Hilfsanträgen 1 und 2 liegen Änderungen des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung zugrunde, so daß die Einhaltung der Bestimmungen dieser Vorschrift geprüft werden muß.
4.1. Hauptantrag
Der dem Hauptantrag zugrunde liegende Patentanspruch 1 ist gerichtet auf ein "Verfahren zur Verwaltung von zeitbezogenen Aktivitäten ... durch Zuordnung von Datensätzen zu Zeitwerten einer zeitlichen Reihenfolge". Die Zeitwerte sind gemäß Patentanspruch "jeweils als Datenstring in einem Feld des Speichers des Digitalrechners abgespeichert". Durch Auslesen eines Datenstrings vom Anfang des Datenstrings bis zu einem ausgewählten Zeitwert läßt sich eine Speicheradresse ermitteln, unter der der Datensatz gespeichert ist, der dem ausgewählten Zeitwert zugeordnet ist.
Der Patentanspruch gibt keinen Hinweis auf den möglichen Inhalt dieser Datensätzen oder auf ihre Verwendung im Rahmen des beanspruchten Verfahrens oder einer der zeitbezogenen Aktivitäten. Zur Behebung dieser Unklarheit müssen daher die Beschreibung und Zeichnungen herangezogen werden.
Aus der Beschreibungseinleitung ergibt sich, daß es sich bei diesen Datensätzen um "Daten von Aktivitäten" handeln muß, die "auf eine Zeitachse bezogen sind". Diese können sich in verschiedenen "Dateien" befinden. Eine solche Datei ist in Figur 1 schematisch dargestellt (Bezugszeichen 10). Die Beschreibung zu Figur 1 unterscheidet deutlich zwischen einem Datenstring 1, mit dem die Zeitwerte einer zeitlichen Reihenfolge in einem "Feld des Digitalspeichers" abgespeichert werden, und den Datensätzen, die in der Datei 10 abgespeichert werden sollen und mittels des Datenstrings adressierbar und damit abrufbar sind (Seite 4, Zeilen 22 - 25 der internationalen Anmeldung). Auf eine Zusammenfassung oder Verbindung von Datenstrings und Datensätzen zu einer Dateneinheit findet der Fachmann in der Anmeldung hingegen keinen Hinweis, so daß er annehmen muß, daß diese Daten in jeder Beziehung getrennte Objekte sind.
Der Patentanspruch 1 definiert ferner mit dem Merkmal, daß "jeder Datenstring aus Zeitwerten entsprechenden Bitgruppen aufgebaut ist" den Begriff der Bitgruppe.
Die beanspruchte Struktur der Datenstrings findet eine Stütze in der Figur 1 und in der Beschreibung, Seite 4, erster Absatz, wo diese Figur näher erläutert wird. Der Fachmann wird dann aber beim Lesen der weiteren Beschreibung feststellen müssen, daß der Begriff "Bitgruppe" für andere Datenobjekte und -strukturen verwendet wird. In einer bevorzugten Ausführungsform, in der Datenstrings als "Balkendiagramme" angezeigt werden, können Zeitbereiche mit einem Cursor ausgewählt und wiederum als Datenstrings gespeichert werden (siehe beispielsweise Beschreibung, Seite 4, Zeilen 26 ff.). Diese Zeitbereiche, wie auch die entsprechenden Datenstrings, werden in der Anmeldung gleichfalls mit dem Begriff "Bitgruppe" belegt. Bitgruppen in diesem Sinne haben daher einen Anfang und ein Ende, die jeweils einem Zeitwert entsprechen, und weisen eine Länge auf, die von Bitgruppe zu Bitgruppe verschieden sein kann (siehe beispielsweise Beschreibung, Seite 4, Zeilen 15 ff. und Seite 8, Zeilen 25 ff.). Diese Eigenschaften unterscheiden sie von den im Patentanspruch 1 definierten und in Figur 1 dargestellten Bitgruppen, die eine uniforme Länge aufweisen und deren Anfang und Ende durch den Zeitwert, den sie repräsentieren, festgelegt sind und die daher nicht verändert werden können.
Eine weitere Bedeutungsvariante scheint der Beschreibung Seite 10, Zeilen 10 ff. zugrunde zu liegen, wonach "für den ausgewählten Zeitraum ein Datenstring aus der Bitgruppe übernommen und auf dem Bildschirm angezeigt" wird. Diese Datenmanipulation ist offensichtlich nur möglich, wenn die Bitgruppe nicht nur einen Ausschnitt eines einzelnen Datenstrings, sondern ein weit umfassenderes Datenobjekt verkörpert.
Die mehrdeutige Verwendung des Begriffs "Bitgruppe" in der Anmeldung, einerseits zur Bezeichnung der den Zeitwerten entsprechenden Datenelemente der Datenstrings, andererseits im Sinne einer Ansammlung solcher Datenelemente, wird vom Beschwerdegegner nicht bestritten und muß bei der Auslegung des Patentanspruchs und bei der Bestimmung des Inhalts der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung berücksichtigt werden.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag enthält im kennzeichnenden Teil das Merkmal, daß "die Bitgruppe ein vereinbartes Muster für 'frei' oder 'belegt' in Bezug auf die Aktivitäten enthält", wobei nach dem insoweit klaren Wortlaut des Patentanspruchs die Bitgruppen jedoch als diejenigen Datenelemente definiert sind, die die durch die Zeitwerte einer zeitlichen Reihenfolge gebildete Zeitinformation enthalten. Dieses Merkmal beansprucht daher im wesentlichen die unmittelbare Speicherung von Zeitinformation und Belegungsinformation in den den Zeitwerten entsprechenden Bitgruppen, also in denjenigen Datenelementen, aus denen die Datenstrings aufgebaut sind. Diese Speicherung von Zeit- und Belegungsinformation läßt sich jedoch, wie im folgenden näher begründet ist, nicht unmittelbar und eindeutig dem Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten und als internationale Anmeldung veröffentlichten Fassung entnehmen.
Die im Patentanspruch näher bezeichnete Belegungsinformation zählt nämlich im wesentlichen zu den aktivitäts- und zeitbezogenen Daten, die gemäß Beschreibungseinleitung häufig in Datensätzen gespeichert werden, auf eine Zeitachse bezogen sind und sich in verschiedenen Dateien befinden können. Diese Zuordnung ergibt sich unmittelbar aus Seite 1, Zeile 8 der Beschreibung, wo die Belegung von Hotelräumen ausdrücklich als Beispiel für eine zeitbezogene Aktivität im Sinne der Erfindung angegeben wird.
Daraus wird der Fachmann den Schluß ziehen müssen, daß das im Rahmen der Anmeldung als Erfindung beschriebene Verfahren zur Zuordnung von Datensätzen zu Zeitwerten auf die Belegung von Hotelräumen anwendbar sein soll und zwar so, daß die Belegungsinformation als Datensätze in einer Datei gespeichert wird und mit dem anhand der Figur 1 beschriebenen Adressierungsverfahren unter Zuhilfenahme der Datenstrings abrufbar sein soll. Da jedoch auf der Grundlage der Erfindung, wie sie beschrieben ist, Datenstrings und Datensätze als getrennte Datenobjekte anzusehen sind, wird der Fachmann eine gemeinsame Speicherung von Zeit- und Belegungsinformationen in ein und demselben Datenstring nicht in Betracht ziehen.
Das anhand der Figur 1 beschriebene erfindungsgemäße Adressierungsverfahren würde bei einer solchen gemeinsamen Speicherung schließlich keinen Sinn machen, da dann die aus der Position einer Bitgruppe abgeleitete Adresse nur auf die Bitgruppe selbst verweisen würde.
Die Einspruchsabteilung, wie auch der Beschwerdegegner, haben das fragliche Anspruchsmerkmal durch die Beschreibung, Seite 8, letzter Absatz als offenbart angesehen, wonach "die Bitgruppen mit dem vereinbarten Muster für 'Zimmer frei' markiert" sind. In diesem Absatz wird jedoch ausdrücklich auf die Verfahrensschritte 44 bis 49 des beschriebenen Zimmerreservierungssystems Bezug genommen, bei denen "Zeitwerte für Anfang und Ende der Bitgruppe" ermittelt werden müssen. Der Begriff "Bitgruppe" bezieht sich daher in diesem Zusammenhang auf den gesamten Datenstring, der zur Verarbeitung ausgewählt wurde, und darf daher begrifflich nicht mit der Bitgruppe gleichgesetzt werden, auf die sich das Anspruchsmerkmal bezieht. Daher ist die zitierte Textstelle kein geeigneter Beleg für eine gemeinsame Speicherung von Zeit- und Belegungsinformation in den Bitgruppen im Sinne des Patentanspruchs.
Ähnliche Überlegungen gelten für die Angabe auf Seite 9, Zeilen 23 bis 28 der Anmeldung, nach der "die veränderte Bitgruppe als Reservierung/Buchung eingetragen" werden kann. Auch hier läßt die Beschreibung nur den Schluß zu, daß diese "veränderte Bitgruppe" einem mehrere Zeiteinheiten umfassenden Bereich der Zeitachse entspricht.
Der Beschwerdegegner hat ferner eine implizite Offenbarung des fraglichen Anspruchsmerkmals geltend gemacht. Eine solche implizite Offenbarung könnte sich in der Tat aus den in den Figuren 3 und 4 gezeigten Bildmuster für die Belegungsinformationen "frei" und "belegt" ergeben, da diese Muster den Zeitwerten und damit auf den ersten Blick den Bitgruppen der dargestellten Datenstrings zugeordnet sind.
Der Fachmann erwartet jedoch von einer graphische Darstellung von Daten in Form von Balkendiagrammen keine genaue Wiedergabe der in den Daten abgelegten Information, sondern er wird vielmehr davon ausgehen müssen, daß eine solche Graphik eine Bearbeitung der Daten und eine Kombination mit Informationen aus anderen Quellen beinhaltet. Daher ist der unmittelbare Rückschluß von der visuellen Information, die beispielsweise die Balkendiagramme in Figuren 3 und 4 vermitteln, auf den Inhalt und die Struktur der angezeigten Datenobjekte unzulässig, wenn nicht besondere Umstände oder Hinweise vorliegen, die einen solchen Schluß rechtfertigen können.
Im vorliegenden Fall sind der Anmeldung jedoch solche Umstände oder Hinweise nicht zu entnehmen. Die Kombination der Daten mit Informationen aus anderen Quellen wird dem Fachmann in den Figuren 3 und 4 vielmehr durch die Angabe von Gästenamen innerhalb der Balkendiagramme beispielhaft vor Augen geführt. Sie ist schließlich auch mit Hilfe des anhand der Figur 1 beschriebenen Zuordnungs- und Adressierungsverfahrens ohne weiteres realisierbar: denn auch wenn Zeit- und Belegungsinformationen in getrennten Datenobjekten abgespeichert sind, so können sie doch mittels des beschriebenen Adressierungsverfahrens schnell und mit geringem Aufwand abgerufen und dann angezeigt werden. Der Fachmann erhält aus der Anmeldung weder einen ausdrücklichen noch einen impliziten Hinweis, bei der Speicherung der Belegungsinformation von der in Figur 1 gezeigten getrennten Speicherung von Zeitwerten und aktivitätsbezogenen Daten abzugehen.
Der Beschwerdegegner hat weitere Vorteile geltend gemacht, insbesondere daß die Belegungsdaten nicht bei jedem neuen Bildschirmaufbau neu adressiert und abgerufen werden müßten. Ein solcher Vorteil ist in der Anmeldung aber nicht offenbart und kann daher auch nicht Offenbarungsgrundlage für eine Änderung des Patentanspruchs sein.
Der Beschwerdegegner behauptet ferner, daß ohne das fragliche Anspruchsmerkmal die Anzeige und Bearbeitung des Belegungsplans die Bearbeitung absoluter Datumsangaben erfordere, so daß die in der Beschreibung genannten Ziele der Erfindung nicht erreicht werden könnten. Bei Anwendung des anhand der Figur 1 beschriebenen Zuordnungs- und Adressierungsverfahrens für jede ausgelesene Bitgruppe eines Datenstrings steht jedoch sofort die zugeordnete Adresse und damit die Belegungsinformation auch ohne weitere Datumsberechnungen zur Verfügung. Die Trennung von Zeit- und Belegungsdaten steht nicht im Widerspruch zu irgendeinem der Ziele, die in der Beschreibung genannt sind.
Die Beschwerdekammer kommt daher zu dem Ergebnis, daß die Speicherung von Belegungsinformation in Bitgruppen, die Zeitwerten einer zeitlichen Reihenfolge entsprechen und aus denen die Datenstrings aufgebaut sind, nicht zum Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung gehört und damit der Patentanspruch 1 in der Fassung des Hauptantrags gegen die Bestimmungen des Artikels 123 (2) EPÜ verstößt.
4.2. Hilfsantrag 1
Der erste Hilfsantrag ändert das beanstandete Merkmal dahingehend ab, daß nun "die in ihrer Wertigkeit veränderbaren, den Zeitwerten entsprechenden Bitgruppen mittels Eingabemitteln als 'belegt' kennzeichenbar sind". Eine solche Kennzeichnung als 'belegt' ist aber nichts anderes als die Speicherung von Belegungsinformation, so daß auch dieses Merkmal keine Offenbarungsgrundlage in der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung hat.
Daher ist aus den gleichen Gründen wie der Hauptantrag auch der Hilfsantrag 1 nicht gewährbar.
4.3. Hilfsantrag 2
Der Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags 2 enthält keine Definition der Bitgruppen in Bezug auf Zeitwerte und Datenstrings. Ferner wurde das in den anderen Anspruchsfassungen beanstandete Merkmal dahingehend abgeändert, daß "die Bitgruppen mittels Eingabemitteln in der Wertigkeit verändert werden". Daher treffen auf diesen Hilfsantrag die Gründe für die Nichtgewährbarkeit der beiden übergeordneten Anträge nicht mehr zu.
Nun verweist aber der Wortlaut dieses abgeänderten Merkmals auf eine vorhergehende Definition für die Bitgruppen oder unterstellt zumindest einen inhaltlichen Bezug zu anderen im Patentanspruch definierten Datenobjekten. Die für den Patentanspruch maßgebliche Bedeutung dieses Begriffs ist jedoch weder ausdrücklich definiert, noch kann sie durch eine Auslegung des Patentanspruchs ermittelt werden.
Die gewöhnliche Bedeutung dieses Begriffs umfaßt praktisch alle Daten, die in digitaler Form vorliegen und ist daher nicht geeignet, einen Bezug zwischen den Bitgruppen und den anderen im Patentanspruch genannten Daten herzustellen. Der Patentanspruch definiert allerdings "eine Gruppe von Bits zur Unterscheidung der Einheiten der Zeitfolge". Die Ähnlichkeit der Bezeichnungen läßt es möglich erscheinen, daß sich beide Begriffe, "Bitgruppe" und "Gruppe von Bits", auf die gleichen Datenobjekte beziehen. Eine solche Auslegung des Patentanspruchs findet aber keine Stütze in der Beschreibung oder den Zeichnungen: die Veränderung von Datenobjekten, die zur Unterscheidung der Einheiten einer Zeitfolge dienen, ist in der Patentschrift nicht beschrieben. Zwar werden in dem Ausführungsbeispiel für ein Zimmerreservierungssystem Datenstrings "jeweils für Jahre, Monate und Tage" in Zeitwertdateien gespeichert und es besteht die Möglichkeit, im Belegungsplan in bestimmten Zeitintervallen zu blättern. Ferner sind die Bitgruppen eines Datenstrings einer Tageseinheit oder einer anderen Zeiteinheit zugeordnet. Die Datenstrings können auch um solche Zeiteinheiten verlängert oder verkürzt werden. Keine dieser Merkmale und Funktionen erfordert jedoch eine Änderung von Zeiteinheiten oder Datenobjekten, die der Unterscheidung der Einheiten einer Zeitfolge dienen. Daher findet die Gleichsetzung der beiden im Patentanspruch benutzten Begriffe "Bitgruppe" und "Gruppe von Bits" keinen Rückhalt in der Beschreibung oder den Zeichnungen der Patentschrift.
Die weitere Heranziehung der Beschreibung und Zeichnungen führt zu keinem anderen Ergebnis, da eine Vielzahl von Datenobjekten als veränderbar beschrieben sind und jede Auslegung auf dieser Grundlage eine willkürliche Auswahl zwischen verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten erforderlich machen würde.
Die hier festgestellte Unklarheit verstößt gegen die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ, wonach Patentansprüche deutlich sein müssen. Der Hilfsantrag 2 ist aus diesem Grunde nicht gewährbar.
5. Der Beschwerdegegner hat mit seinem Schreiben vom 29. Januar 1999 "höchst vorsorglich" die Anschlußbeschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung auf der Grundlage des Hauptantrags und der beiden Hilfsanträge 1 und 2 eingelegt. Da die Beschwerdekammer beide Hilfsanträge, wenn auch aus anderen Gründen, im Beschwerdeverfahren zugelassen und geprüft hat, erübrigt es sich, den Fragen der Statthaftigkeit und Zulässigkeit einer solchen Beschwerde weiter nachzugehen.
6. Da keine der von dem Beschwerdegegner vorgelegten Anspruchsfassungen den Erfordernissen des Übereinkommens genügt, kann das Patent auf der Grundlage der vorliegenden Anträge nicht aufrechterhalten werden.
Der Beschwerdegegner hat geltend gemacht, daß ihm die Möglichkeit gegeben werden müsse, eine mängelfreie Anspruchsfassung vorzulegen, und hat in Form eines Hilfsantrags angeregt, die Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückzuverweisen, falls die vorgelegten Anspruchsfassungen nicht gewährbar seien. Die Beschwerdeführerin hat sich gegen eine solche Fortsetzung des Verfahrens ausgesprochen.
Die Kammer stellt fest, daß sich das Beschwerdeverfahren in einem zeitlich weit fortgeschrittenen Stadium befindet und daß eine Aufforderung seitens der Beschwerdekammer zur Einreichung weiterer Stellungnahmen oder eine Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung das Verfahren verzögern würde. Der Beschwerdegegner hat im Beschwerdeverfahren ausreichend Gelegenheit gehabt, sein Patent insbesondere durch Vorlage geänderter Ansprüche zu verteidigen.
In Bezug auf den Hilfsantrag 2 ist festzustellen, daß schon die Beschwerdeführerin mangelnde Klarheit im Patentanspruch 1 unter Angabe von Gründen beanstandet hat. Der Beschwerdegegner hat dem Vorbringen der Beschwerdeführerin diesbezüglich weder unter Angabe von Gründen widersprochen noch einen Versuch unternommen, diese Beanstandung durch eine geänderte Anspruchsfassung auszuräumen.
Das Einspruchsverfahren ist keine Fortsetzung des Prüfungsverfahrens, sondern ein der Erteilung nachgeschaltetes mehrseitiges Verfahren, in dem die faire und gleiche Behandlung der Beteiligten und der zügige Abschluß des Verfahrens eine zentrale Bedeutung zukommen. Es ist nicht die Aufgabe der Einspruchsabteilung oder der Beschwerdekammer darauf hinzuwirken, daß der Patentinhaber eine mängelfreie Anspruchsfassung einreicht.
Nach Berücksichtigung dieser Umstände lehnt die Beschwerdekammer eine Fortsetzung des Verfahrens, sei es vor der Beschwerdekammer oder durch Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung, ab.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben. Das Patent wird widerrufen.