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T 0450/97 (Shampoozusammensetzung) 05-02-1998
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Shampoozusammenstellungen
01/Beschwerdeführer: Henkel KGaA
03/Beschwerdeführer: L'Oréal
02/weiterer Verfahrensbeteiligter: Unilever PLC
1. Die bloße Aufnahme eines Hinweises auf den Stand der Technik verstößt nicht gegen Artikel 123 (2) EPÜ (im Anschluß an T 11/82, T 51/87).
2. Nach einer Beschränkung der Ansprüche ist - auch noch im Einspruchsstadium -ein Dokument, das sich im nachhinein nicht nur als nächstliegender Stand der Technik, sondern auch im Sinne der Regel 27 (1) b) EPÜ als für das Verständnis der Erfindung wesentlich erweist, in die geänderte Beschreibung aufzunehmen (siehe Nr. 4 der Entscheidungsgründe).
Anpassung der Beschreibung nach Zurückverweisung - Würdigung des nächstliegenden Stands der Technik
Regel 27(1)(b) (bejaht) - Artikel 123(2) (bejaht)
I. Mit der Entscheidung T 692/93 (25. April 1996, nicht im ABl. EPA veröffentlicht) betreffend das europäische Patent Nr. 0 181 773, das auf die europäische Patentanmeldung Nr. 85 308 142.0 erteilt wurde, hat die zuständige Beschwerdekammer die Sache an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent auf der Grundlage des am 25. März 1996 vorgelegten ersten Hilfsantrags der Patentinhaberin und einer entsprechend angepaßten Beschreibung aufrechtzuerhalten.
II. Der unabhängige Anspruch gemäß dem aufrechterhaltenen Antrag lautet wie folgt:
"Shampoozusammensetzung, umfassend:
(a) 5 bis 70 % eines synthetischen Tensids;
(b) 0,01 bis 10 % eines dispergierten, unlöslichen, nichtflüchtigen Silikons;
(c) 0,5 bis 5 % eines Suspendiermittels, gewählt aus langkettigen Acylderivaten und Mischungen hiervon, wobei die Acylderivate in der Shampoozusammensetzung in Form von Kristallen vorliegen; und
(d) Wasser, wobei das Acylderivat eine durchschnittliche Teilchengröße in der Shampoozusammensetzung von etwa 10 µm oder weniger aufweist."
III. Am 20. August 1996 reichte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) eine angepaßte Beschreibung ein.
Im Verfahren vor der Einspruchsabteilung focht die Beschwerdeführerin I (Einsprechende I) die Entscheidung T 692/93 an und beantragte, sie entweder klarzustellen oder eine Erklärung in die Patentbeschreibung aufzunehmen, die eine restriktive Auslegung des Schutzumfangs des rechtsgültigen Anspruchs 1 bewirke.
IV. Die Einspruchsabteilung stellte in ihrer Zwischenentscheidung fest, daß das Patent nach der erfolgten Anpassung der Beschreibung den Erfordernissen des Übereinkommens entspreche.
Darüber hinaus erklärte die Einspruchsabteilung, sie sei nicht befugt, die von der Beschwerdekammer aufrechterhaltenen Ansprüche zu ändern oder anzupassen oder Erklärungen in die Patentbeschreibung aufzunehmen, die zu einer anderen Auslegung der Ansprüche führen würden, als sie von der Beschwerdekammer gegeben worden sei.
V. Gegen diese Entscheidung wurde von der Beschwerdeführerin I (Einsprechende I) und der Beschwerdeführerin II (Einsprechende III) Beschwerde eingelegt. Am 5. Februar 1998 fand eine mündliche Verhandlung statt.
In der Beschwerdebegründung machte die Beschwerdeführerin I geltend, daß den Argumenten zufolge, die die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) in der mündlichen Verhandlung zur Sache T 692/93 vorgebracht habe, die Verfahrensschritte des Erwärmens und nachfolgenden Abkühlens des langkettigen Acylderivats wesentlich seien, um Kristallteilchen in der beanspruchten Größe von 10 µm oder weniger zu gewinnen. In Anbetracht dessen kritisierte sie die Tatsache, daß diese Argumente im Protokoll der mündlichen Verhandlung nicht wiedergegeben seien, und beantragte, eine Erklärung in die Patentbeschreibung oder zumindest in die Entscheidungsgründe der Entscheidung T 692/93 aufzunehmen, um klarzustellen, daß Zusammensetzungen, bei denen das langkettige Acylderivat als Perlglanzkonzentrat hinzugefügt werde, ohne daß über den Schmelzpunkt dieses Acylderivats hinaus erwärmt werde, vom Schutzumfang der Ansprüche ausgenommen seien. Diesbezüglich betonte die Beschwerdeführerin, daß es Fälle gegeben habe, in denen die zuständige Beschwerdekammer damit einverstanden gewesen sei, Fehler in den Entscheidungsgründen einer bereits erlassenen Entscheidung zu berichtigen.
In einem weiteren Schreiben beantragte die Beschwerdeführerin I, die Große Beschwerdekammer gemäß Artikel 112 EPÜ mit zwei Fragen zu befassen.
Die Beschwerdeführerin II erhob Einwände gegen die von der Beschwerdegegnerin vorgelegte angepaßte Beschreibung mit der Begründung, daß sich die Änderungen in der Festlegung der Teilchengröße der Kristalle des langkettigen Acylderivats, nämlich 10 µm oder weniger, erschöpften und die Verfahrensschritte, die eigentlich notwendig seien, um die gewünschte Kristallgröße zu erzielen, d. h. Erwärmen und Abkühlen, nicht genannt würden. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin, indem sie die Teilchengröße, nicht aber das Herstellungsverfahren angab, einen neuen Gegenstand eingeführt, der über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht. Aus diesem Grund sei das Patent zu widerrufen, da es nicht den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ entspreche.
Ferner brachte sie vor, daß die Anpassung der Beschreibung, wie sie von der Beschwerdegegnerin vorgeschlagen worden sei, nicht den Erfordernissen der Regel 27 (1) b) und c) EPÜ entspreche, da die in der Entscheidung T 692/93 als nächstliegender Stand der Technik genannte Druckschrift US-A-4 337 166 in der Patentbeschreibung nicht angegeben sei.
Auf die Argumente der Beschwerdeführerin und einen Zwischenbescheid der Kammer hin reichte die Beschwerdegegnerin am 23. Dezember 1997 eine weitere geänderte Beschreibung ein, in der das oben genannte Dokument mit dem nächstliegenden Stand der Technik angegeben war.
VI. In der mündlichen Verhandlung reichte die Beschwerdegegnerin hilfsweise noch eine weitere geänderte Beschreibung ein, die den Inhalt des Stands der Technik ausführlicher würdigte.
VII. Anträge
Die Beschwerdeführerin I beantragte, die Entscheidungsgründe in der Sache T 692/93 um eine Klarstellung zu ergänzen, wonach laut Erklärung der Patentinhaberin Zusammensetzungen, in denen das Acylderivat als kaltes Perlglanzkonzentrat zugegeben werde und die nicht über den Schmelzpunkt dieser Acylderivate hinaus erwärmt würden, vom Schutzumfang des Anspruchs ausgeschlossen seien.
Hilfsweise beantragte sie, die Große Beschwerdekammer mit den beiden folgenden Fragen zu befassen, die mit Schreiben vom 19. Dezember 1997 vorgelegt wurden:
" 1. Ist eine Technische Beschwerdekammer im Einspruchsverfahren von Amts wegen verpflichtet, in den Entscheidungsgründen ausdrücklich auf allgemeine Bemerkungen des Patentinhabers einzugehen, die er in der mündlichen Verhandlung gemacht hat, um den Schutzumfang gegenüber dem im Verfahren angezogenen Stand der Technik zu beschränken, wenn diese Bemerkungen in den Ansprüchen oder der Beschreibung nicht zum Ausdruck kommen?
2. Wenn nein, ist die Kammer verpflichtet, so zu verfahren, wenn einer der Beteiligten es beantragt?" Die Beschwerdeführerin II beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das europäische Patent Nr. 0 181 773 zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent in der Fassung aufrechtzuerhalten, die der Entscheidung der Einspruchsabteilung entspricht, wobei Seite 2 der Beschreibung durch die am 23. Dezember 1997 vorgelegte geänderte Seite 2 (Hauptantrag) oder hilfsweise durch die in der mündlichen Verhandlung vorgelegte geänderte Seite 2 ersetzt wird (Hilfsantrag).
1. Zulässigkeit
Im Einspruchsverfahren hatte die Beschwerdeführerin I unter anderem beantragt, eine Klarstellung in die angepaßte Beschreibung aufzunehmen. Da diesem Antrag nicht stattgegeben wurde, war die Verfahrensbeteiligte durch die Entscheidung der Einspruchsabteilung beschwert.
Die Beschwerdeführerin II hatte beantragt, das Patent zu widerrufen, weil die geänderte Beschreibung nicht mit Regel 27 und Artikel 123 (2) EPÜ in Einklang stehe. Da das Patent aufrechterhalten wurde, war die Verfahrensbeteiligte durch die Entscheidung der Einspruchsabteilung beschwert.
Nach Auffassung der Kammer sind damit die Erfordernisse des Artikels 107 EPÜ erfüllt. Da es in der vorliegenden Sache unerheblich ist, daß die Erfordernisse des Artikels 108 und der Regel 64 b) EPÜ erfüllt sind, haben die beiden Beschwerden als zulässig zu gelten.
Die Zulässigkeit wurde von der Beschwerdegegnerin bestritten, die in der Begründung beider Beschwerden einen Versuch sah, die Tatsachenfeststellungen, die den rechtsverbindlichen Teilen der Entscheidung T 692/93 zugrunde lagen, nochmals zu prüfen (res judicata, T 843/91, ABl. EPA 1994, 832).
In der Sache T 692/93 hat die zuständige Kammer den Fall aber zur Anpassung der Beschreibung an die erste Instanz zurückverwiesen. Die Kammer hat sich nicht selbst mit dem Inhalt dieser Anpassung befaßt, sondern es der Einspruchsabteilung überlassen, zu prüfen, ob die Beschreibung mit den rechtsgültigen Ansprüchen in Einklang steht. Dabei wurde die Einspruchsabteilung innerhalb ihres Zuständigkeitsrahmens tätig. Demgemäß hat sie ihre Entscheidung unabhängig getroffen, und diese ist mit der Beschwerde anfechtbar.
2. Schutzumfang des Anspruchs 1
Nach einer Untersuchung der Erfindung, wie sie in der ursprünglich eingereichten Anmeldung offenbart ist, hatte die in der Sache T 692/93 zuständige Kammer einen unabhängigen Erzeugnisanspruch aufrechterhalten.
Dieser Anspruch ist klar und deutlich. Erstens besteht kein Zweifel an der Kategorie, denn es handelt sich unbestreitbar um einen Erzeugnisanspruch, und als solcher wird er ausschließlich durch die in seinem Wortlaut genannten Merkmale des Erzeugnisses beschränkt; es gibt keine inhärente Bezugnahme auf das Herstellungsverfahren, die eine zusätzliche beschränkende Wirkung hätte. Zweitens ist der Wortlaut dieses Anspruchs insofern deutlich, als er keine andere oder entgegengesetzte Auslegung zuläßt. Schließlich wird der Anspruch durch die ursprüngliche Beschreibung gestützt, wie in der Entscheidung T 692/93 unter Nr. 2.1 auf Seite 10 festgestellt wurde.
Aus der deutlichen Formulierung dieses Erzeugnisanspruchs kann gefolgert werden, daß die Kammer nicht die Absicht hatte, seinen Schutzumfang durch eine zusätzliche inhärente Bezugnahme auf ein bestimmtes Herstellungsverfahren zu beschränken. Der Anspruch wäre so nicht aufrechterhalten worden, wenn die Kammer folgende Passage in der ursprünglichen Beschreibung - "Beim Abkühlen wird das Acylderivat vorzugsweise zu Teilchen mit einer durchschnittlichen Teilchengröße von etwa 10 µm oder weniger kristallisiert" (Seite 11, Zeilen 11 bis 13) - als eine die Erfindung beschränkende Bedingung aufgefaßt hätte. Dergleichen ist in den Entscheidungsgründen tatsächlich nicht zu finden.
3. Artikel 123 (2) EPÜ
Die Beschreibung des Patents in der mit Entscheidung T 692/93 aufrechterhaltenen Fassung wurde insofern geändert, als auf Seite 2 zweimal der Satz "wobei das Acylderivat eine durchschnittliche Teilchengröße in der Shampoozusammensetzung von etwa 10 µm oder weniger aufweist" hinzugefügt wurde (in den Zeilen 30 und 45). Wie schon erwähnt, war die Passage "Beim Abkühlen wird das Acylderivat vorzugsweise zu Teilchen mit einer durchschnittlichen Teilchengröße von etwa 10 µm oder weniger kristallisiert" in der ursprünglichen Beschreibung bereits enthalten (Seite 11, Zeilen 11 bis 13).
3.1 Die Beschwerdeführerin II behauptet, aufgrund der Änderungen gehe der Offenbarungsgehalt des Patents über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus, denn sie implizierten eine Verallgemeinerung der Information, d. h. der Teilchengröße von "10 µm oder weniger", die in der eingereichten Anmeldung nur im Zusammenhang mit einem bestimmten, durch die Verfahrensschritte des Erwärmens und Abkühlens gekennzeichneten Herstellungsverfahren offenbart werde.
3.2 Die Kammer kann jedoch in der Beschreibung in der ursprünglich eingereichten Fassung keinen zwangsläufigen oder als Beschränkung zu betrachtenden Zusammenhang zwischen Teilchengröße und Herstellungsverfahren erkennen, wie er von der Beschwerdeführerin geltend gemacht wird.
Dem Fachmann ist nämlich bekannt, daß bei einem Kristallisationsverfahren das Merkmal der Kristallgröße von mehreren Faktoren beeinflußt werden kann: einmal von der Kristallisationsmethode und darüber hinaus in hohem Maße auch von den Arbeitsbedingungen. So lassen sich Kristalle in der gewünschten Größe - beispielsweise 10 µm oder weniger - auch mit anderen geeigneten Methoden gewinnen, wenn man geeignete Arbeitsbedingungen auswählt, wobei es sich nicht unbedingt um Erwärmen und Abkühlen handeln muß.
Nach Auffassung der Kammer ist das wesentliche Merkmal der Erfindung, nämlich die Kristallgröße von 10 µm oder weniger, ein nicht an bestimmte Vorraussetzungen geknüpftes Merkmal, das weder durch ein spezielles Herstellungsverfahren noch durch irgendeine Bedingung beschränkt wird. Für die Kammer stellt daher die Passage auf Seite 11, Zeilen 11 bis 13, der ursprünglichen Beschreibung die notwendige Stützung des Merkmals dar, ohne die Erfindung hinsichtlich des Verfahrens in irgendeiner Weise zu beschränken. In Wirklichkeit ist der darin genannte Schritt des Abkühlens nur ein Beispiel für die vielen verschiedenen Verfahren, mit denen die gewünschte Kristallgröße erzielt werden kann.
Unter diesen Umständen entsprechen die von der Beschwerdegegnerin vorgeschlagenen Änderungen nach Ansicht der Kammer den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ.
4. Regel 27 EPÜ
4.1 Nach der Zurückverweisung der Sache an die erste Instanz schlug die Beschwerdegegnerin eine erste angepaßte Beschreibung vor, die die Einspruchsabteilung für zulässig befand, weil sie der Auffassung war, daß das geänderte Patent den Erfordernissen des EPÜ entsprach.
Die Beschwerdeführerin II behauptete in ihrer Beschwerdebegründung, die mit der angefochtenen Entscheidung aufrechterhaltene geänderte Beschreibung entspreche nicht den Erfordernissen der Regel 27 EPÜ, weil das Dokument, das im Beschwerdeverfahren als nächstliegender Stand der Technik bezeichnet wurde, darin nicht gewürdigt werde.
Die Kammer teilt diese Auffassung, wie aus der Anlage ersichtlich, die der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügt war.
Regel 27 EPÜ enthält zwar nicht wörtlich die Formulierung "nächstliegender Stand der Technik", sie schreibt aber u. a. zwingend vor, daß "der bisherige Stand der Technik ..., soweit er ... für das Verständnis der Erfindung ... als nützlich angesehen werden kann" in der Beschreibung anzugeben ist. Da der neue und erfinderische Charakter einer Erfindung anhand des nächstliegenden Stands der Technik definiert wird, ist der bisherige Stand der Technik, der für das Verständnis der Erfindung nicht nur nützlich, sondern auch wesentlich ist, eben dasjenige Dokument, das diesen nächstliegenden Stand der Technik darstellt. Die in Regel 27 (1) b) eingeräumte Ermessensfreiheit bei der Angabe von Dokumenten, aus denen sich dieser Stand der Technik ergibt, besteht nach Auffassung der Kammer darin, daß der Patentinhaber nicht alle Dokumente, die den bisherigen Stand der Technik illustrieren, und in Ausnahmefällen sogar überhaupt kein Dokument angeben muß, z. B. wenn der bisherige Stand der Technik zum allgemeinen Wissensstand gehört. Diese Ermessensfreiheit rechtfertigt aber nicht, daß der Anmelder oder Patentinhaber mit Stillschweigen über Dokumente hinweggeht, die entweder von Anfang an für das Verständnis der Erfindung wesentlich waren oder sich im nachhinein als wesentlich herausgestellt haben (T 11/82, ABl. EPA 1983, 479; T 51/87, ABl. EPA 1991, 177). In der vorliegenden Sache wurde der Schutzumfang des rechtsgültigen Anspruchs 1 im Einspruchsverfahren erst beschränkt und später im Beschwerdeverfahren auf der Grundlage von US-A-4 337 166 (21) aufrechterhalten. Die Angabe dieses Dokuments ist deshalb keine reine Geschmacks- oder Ermessensache, sondern nach Auffassung der Kammer zwingend.
4.2 Vor der mündlichen Verhandlung wurde Seite 2 der Beschreibung nochmals geändert, und zwar durch Hinzufügung folgender Passage, die den nächstliegenden Stand der Technik angibt: "US-A-4 337 166 beschreibt Zusammensetzungen, die bestimmte cyclische Siloxane enthalten, und führt ein Beispiel an, bei dem Empicol 0627 als Perlglanzmittel enthalten ist".
Die Beschwerdeführerin II macht geltend, daß die neuen Änderungen für sich genommen den Inhalt der Beschreibung nicht mit den Erfordernissen der Regel 27 (1) b) und c) in Einklang brächten, da in diesem Fall eine bloße Angabe des nächstliegenden Stands der Technik für das richtige Verständnis der Erfindung nicht ausreiche. Vielmehr hätten in der Beschreibung alle Unterschiede hervorgehoben werden müssen, die zwischen der dem nächstliegenden Stand der Technik entsprechenden Zusammensetzung und den erfindungsgemäßen Zusammensetzungen bestünden und die in der früheren Entscheidung von der Kammer ermittelt und behandelt worden seien. Eine eingehende Erörterung des nächstliegenden Stands der Technik sei zum Verständnis der technischen Aufgabe und ihrer Lösung sowie zur Würdigung aller vorteilhaften Wirkungen der Erfindung unter Bezugnahme auf den bisherigen Stand der Technik ebenfalls erforderlich.
4.3 Die Kammer vertritt jedoch den Standpunkt, daß mit der Angabe des nächstliegenden Stands der Technik, der Druckschrift (21), und dem Hinweis auf den relevanten Teil dieses Dokuments, nämlich auf ein Beispiel, das eine Empicol 0627 enthaltende Zusammensetzung offenbart, die Erfordernisse der Regel 27 (1) b) und c) EPÜ voll und ganz erfüllt wurden.
Die Bezugnahme auf das konkrete Beispiel in der Entgegenhaltung ist sinnvoll und ausreichend, um der Öffentlichkeit das Verständnis der Erfindung zu erleichtern. Die technische Lehre eines Patents richtet sich an den Fachmann, der ohne weiteres erkennen würde, daß die Zusammensetzung des im nächstliegenden Stand der Technik genannten Beispiels sämtliche Bestandteile a bis d der beanspruchten Erfindung umfaßt und zwar in denselben Mengen. Ihm wäre auch bekannt, daß Empicol 0627 ein langkettiges Acylderivat in kristalliner Form umfaßt, was im vorangegangenen Beschwerdeverfahren von allen Beteiligten akzeptiert wurde. Da die Zusammensetzung gemäß dem rechtsgültigen Anspruch 1 durch die durchschnittliche Teilchengröße des Acylderivats von etwa 10 µm oder weniger gekennzeichnet ist, würde der fachkundige Leser sofort verstehen, daß die Erfindung in der beanspruchten Größe der Acylderivatkristalle liegt.
Was die Erfordernisse der Regel 27 (1) c) betrifft, wonach in der Beschreibung gegebenenfalls vorteilhafte Wirkungen der Erfindung unter Bezugnahme auf den bisherigen Stand der Technik anzugeben sind, so stellt die Kammer fest, daß in der Beschreibung auf Seite 2, Zeilen 26 bis 36, die Vorteile der Erfindung unter Bezugnahme auf mehrere Veröffentlichungen, die den bisherigen Stand der Technik bilden, deutlich dargestellt werden: Die Erfindung sorgt für "die Stabilisierung [des dispergierten Silikons], ohne die Ablagerung des Silikons auf dem Haar unnötig zu beeinträchtigen". Als noch wichtiger erweist sich, daß sich diese Vorteile auch gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik bestätigen, was sich darin zeigt, daß die in der Beschreibung genannten Vorteile genau die sind, auf deren Basis in der Entscheidung T 692/93 die zugrundeliegende technische Aufgabe formuliert wurde. Somit entspricht die Beschreibung den Erfordernissen der Regel 27 (1) c) EPÜ.
5. Die Beschwerdeführerin I beantragt in ihrem Hauptantrag, die Entscheidungsgründe in der Sache T 692/93 nach Regel 89 EPÜ um die Klarstellung zu ergänzen, wonach die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) in der mündlichen Verhandlung der Sache T 692/93 erklärt hat, daß Zusammensetzungen, bei denen das Acylderivat als kaltes Perlglanzkonzentrat hinzugefügt werde und die nicht über den Schmelzpunkt dieses Acylderivats hinaus erwärmt würden, vom Schutzumfang des Anspruchs ausgenommen seien. Mit dieser "Klarstellung" wird bezweckt, daß der Schutzumfang des rechtsgültigen Anspruchs 1 restriktiv ausgelegt werden kann.
5.1 Die Beschwerdegegnerin hat die Erklärung, auf die die Beschwerdeführerin anspielt, in der mündlichen Verhandlung der früheren Sache T 692/93 abgegeben, bestritt aber, daß sie so formuliert gewesen sei, wie die Beschwerdeführerin behauptet. Auch wenn diese Erklärung im Protokoll der mündlichen Verhandlung nicht festgehalten wurde, hat die hier entscheidende Kammer keinen Grund zu der Annahme, daß die seinerzeit zuständige Kammer sie in ihrem faktischen Kontext nicht gebührend berücksichtigt hätte, bevor sie ihre Entscheidung erließ. Die Kammer hielt es offenbar nicht für notwendig, in den Entscheidungsgründen zu T 692/93 auf diese Erklärung einzugehen. Somit gibt es, ohne überhaupt die Frage der Zuständigkeit der hier entscheidenden Kammer aufzuwerfen, keinen erkennbaren Grund dafür, die besagte Entscheidung anhand von Tatsachen klarzustellen, denen die zuständige Kammer während des Verfahrens bereits Rechnung getragen hat.
5.2 Ohnehin wäre die beantragte Klarstellung gemäß Regel 89 EPÜ nur dann zulässig, wenn damit ein sprachlicher Fehler, ein Schreibfehler oder offenbare Unrichtigkeiten in der Entscheidung ausgeräumt würden. Gibt der Text der Entscheidung - oder ein Teil davon - nicht die tatsächliche Absicht der entscheidenden Instanz wieder, so liegt eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne der Regel 89 EPÜ vor.
Wie jedoch oben dargelegt, wollte die Kammer in der Sache T 692/93 offenkundig einen Erzeugnisanspruch aufrechterhalten, der nur durch die in seinem Wortlaut ausdrücklich genannten Merkmale beschränkt wird. Diese Anspruchskategorie, die breitesten und auch vorbehaltlosen Schutz gewährt, wäre nicht aufrechterhalten worden, wenn die Kammer dem Herstellungsverfahren eine beschränkende Wirkung auf den Schutzumfang des betreffenden Anspruchs hätte verleihen wollen. Deshalb ist zwischen der Begründung der älteren Entscheidung und der tatsächlichen Absicht der zuständigen Kammer kein Widerspruch erkennbar, der eine Berichtigung der Entscheidung gemäß Regel 89 EPÜ rechtfertigen würde.
6. Hilfsweise beantragte die Beschwerdeführerin I, die Große Beschwerdekammer mit den beiden oben genannten Rechtsfragen zu befassen.
Bei den Fragen geht es allgemein ausgedrückt darum, ob eine Technische Beschwerdekammer verpflichtet ist, in den Entscheidungsgründen von Amts wegen (Frage 1) oder auf Antrag eines Beteiligten (Frage 2) auf allgemeine Bemerkungen einzugehen, die der Patentinhaber in der mündlichen Verhandlung gemacht hat und die den Schutzumfang des Anspruchs gegenüber dem angezogenen Stand der Technik beschränken könnten, die im Wortlaut der rechtsgültigen Ansprüche oder in der Patentbeschreibung aber nicht zum Ausdruck kommen.
Offensichtlicher Anlaß für die beiden Fragen war die oben genannte Erklärung, die die Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung der Sache T 692/93 abgegeben hat und die nach Ansicht der Beschwerdeführerin von der Kammer nicht gebührend berücksichtigt wurde. Da jedoch in der vorliegenden Sache nicht dieselbe Situation gegeben war, hätte eine wie auch immer geartete Antwort auf diese Fragen keinerlei Auswirkung auf das Ergebnis dieses Beschwerdeverfahrens. Angesichts der Sachlage des vorliegenden Falls erübrigt es sich daher, die Große Beschwerdekammer mit den zwei Fragen zu befassen.
Die Kammer ist daher zu dem Ergebnis gelangt, daß das Patent in der Form des von der Beschwerdegegnerin gestellten Hauptantrags den Erfordernissen des EPÜ entspricht.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent im wie folgt geänderten Umfang aufrechtzuerhalten:
Ansprüche 1 bis 9 und die Seiten 3 bis 8 der Beschreibung in der in Form 2339.4 angegebenen und in der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Fassung;
Seite 2 der Beschreibung in der am 23. Dezember 1997 vorgelegten Fassung.