T 0385/98 (Provisorisches Kronen- und Brückenmaterial/MÜHLBAUER) 11-01-2001
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Automatisch anmischbares Mittel zur Anfertigung von Kronen und Brücken
I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 93 104 735.1 betreffend ein "Automatisch anmischbares Mittel zur Anfertigung von Kronen und Brücken" wurde das europäische Patent Nr. 0 563 749 auf der Grundlage von zehn Ansprüchen erteilt.
Anspruch 1 lautet wie folgt:
"Aus zwei Phasen bestehendes röntgenopakes Material zur Anfertigung von provisorischen Kronen und Brücken, dadurch gekennzeichnet, daß
a) die eine Paste aus difunktionellen Acrylaten, Aktivatoren und röntgenopakem Füllstoff besteht,
b) die zweite Paste aus nicht polymerisierbarem (inertem) Weichmacher, Katalysator und Strukturbildner besteht,
c) das Mischungsverhältnis der Pasten gemäß a) und gemäß b) zwischen 20:1 und 5:1 liegt und daß
d) die Acrylate der Paste a) eine Viskosität unter 50. Pa s (500 P) aufweisen und die Viskosität der Weichmacher der Paste b) unter der der Acrylate der Paste a) liegt, wobei beide Pasten ein solches rheologisches Verhalten aufweisen, daß sie in einem statischen Mischapplikationsgerät in einem Gang angemischt und leicht ausgepreßt werden können."
II. Gegen das erteilte Patent hatte die Beschwerdegegnerin unter Hinweis auf Artikel 100 a) EPÜ wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit des Gegenstandes des Streitpatents Einspruch eingelegt und zur Stützung des Einspruches insbesondere auf die Entgegenhaltungen
(1) GB-A-1 446 559
(2) EP-A-0 374 824
(3) EP-A-0 261 466
(4) EP-A-0 232 733
Bezug genommen.
III. Von der Vielzahl der weiteren im Verlaufe des Einspruchs- und Beschwerdeverfahrens von den Parteien genannten Dokumente ist das Folgende von Bedeutung geblieben:
(5) Produktbroschüre von "Dental Products Division 3M Health Care" (Aufdruck "4/89").
Die Veröffentlichung dieser Broschüre vor dem Prioritätstag des Streitpatents 3. April 1992 wurde von der Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer nicht mehr bestritten.
IV. Die Einspruchsabteilung hat mit der am 18. Februar 1998 zur Post gegebenen Entscheidung den Einspruch unter Artikel 102 (2) EPÜ zurückgewiesen.
Die Einspruchsabteilung begründete ihre Entscheidung im wesentlichen damit, daß der nächstkommende Stand der Technik nach der Entgegenhaltung (1), dort insbesondere Beispiel 2, mit der Aufgabe der Zurverfügungstellung von Zahnfüllmaterial mit guter Haftung am Dentin gegenüber dem Streitpatent, das ein röntgenopakes Material zur Herstellung von provisorischen Kronen und Brücken betreffe, bereits von einem andersgearteten technischen Problem ausgehe. Darüber hinaus liege der Unterschied in der Produktzusammensetzung, da gemäß Streitpatent die Acrylatpaste ausschließlich aus difunktionalen Acrylaten bestehe gegenüber mono- und trifunktionalen Acrylaten, wie sie in Beispiel 2 der Entgegenhaltung (1) noch zu finden seien. Ferner offenbare die Entgegenhaltung (1) keine Viskositäten der eingesetzten Pasten und Weichmacher und die Viskositäten der fertigen Paste ließe hierauf keine Rückschlüsse zu. Auch seien gemäß Streitpatent Weichmacher in der Acrylatpaste ausgeschlossen.
Bei dieser Sachlage bestehe gegenüber der Entgegenhaltung (1) die Aufgabe, das dort beschriebene Zahnfüllmaterial so abzuändern, daß es als Material zur Anfertigung von provisorischen Kronen und Brücken geeignet sei. Für den Fachmann sei es dann nicht naheliegend gewesen, trifunktionale Acrylate wegzulassen und zudem die Acrylate und Weichmacher in den im Streitpatent vorgegebenen Viskositäten auszuwählen.
Die Entgegenhaltung (2) erwähne lediglich, daß einerseits Zahnfüllmaterial und andererseits provisorisches Kronen- und Brückenmaterial zu den polymerisierbaren Dentalmassen zählten und erwähnten nur allgemein, daß das Fließverhalten der Massen anzupassen sei.
Allein die Tatsache, daß eine Zusammensetzung, wie im Streitpatent beansprucht, als nicht sprödes, elastisches Material zur Anfertigung von provisorischen Kronen und Brücken geeignet sei, begründe einen erfinderischen Schritt gegenüber der Entgegenhaltung (1).
Für die Beurteilung der Einspruchsabteilung sei es unerheblich gewesen, daß sich die beanspruchte Zusammensetzung in bekannten Mischapplikatoren ohne Blasenbildung anmischen ließe.
V. Die Beschwerdeführerin hat gegen diese Entscheidung Beschwerde erhoben. Am 11. Januar 2001 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden.
VI. Der schriftliche und mündliche Vortrag der Beschwerdeführerin kann wie folgt zusammengefaßt werden:
Da weder in der Beschreibung noch in den Ansprüchen zum Streitpatent angegeben sei, worauf sich das Mischungsverhältnis der beiden Pasten "a)" und "b)" beziehen solle, Massen oder Volumenteile, und die Dichten beider Pasten variieren könnten, erfülle die vermeintliche Erfindung des Streitpatents nicht die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ.
Die Neuheit des Gegenstandes des Streitpatentes jeweils gegenüber den Entgegenhaltungen (1) oder (2) könne zwar anerkannt werden, im Lichte des Offenbarungsgehaltes dieser Entgegenhaltungen sei eine erfinderische Tätigkeit jedoch nicht gegeben. Obwohl beide Entgegenhaltungen Dentalmassen beträfen und nahezu gleich relevant seien, wäre der Entgegenhaltung (2) bedingt durch das Anwendungsgebiet der Dentalmassen auf provisorische Kronen- und Brückenmaterialien als nächstkommender Stand der Technik der Vorzug zu geben. Demzufolge könne gegenüber der Entgegenhaltung (1) die Aufgabe des Streitpatentes darin gesehen werden, die Dentalmassen derart zu optimieren, daß sie zur blasenfreien Herstellung von provisorischen Kronen- und Brückenmaterialien im Tubenmischer geeignet seien, wohingegen gegenüber der Entgegenhaltung (2), dort insbesondere Beispiel 1, bei unverändertem Anwendungsgebiet lediglich die Aufgabe der Herstellung eines gleichen Materials mit Röntgenopazität und Blasenfreiheit verbleibe. Nicht nur seien die Viskositäten der Acrylate und Weichmacher sowie die Volumenverhältnisse der Ausgangspasten gleich wie im Streitpatent, sondern der Entgegenhaltung (2) sei auch bereits ein Hinweis auf den möglichen Zusatz von röntgenopaken Füllstoffen zu entnehmen. Es sei unerheblich, daß in Beispiel 1 der Entgegenhaltung (2) ein Dreipastensystem zum Einsatz gelange, da der allgemeine Beschreibungsteil dieser Entgegenhaltung dem Fachmann für die Dentalmassenherstellung geläufige Redoxinitiatorsysteme für die Katalyse als äquivalent aufzeige, die zwangsläufig zu einem Zweipastensystem führten. Da das Anmischen von Pasten offensichtlich immer von unerwünschter Blasenbildung begleitet sei, müsse die Lösung der dann bei vorbeschriebenem Material gegenüber der Entgegenhaltung (2) verbleibenden Aufgabe der Blasenfreiheit durch die Anwendung eines statischen Mischapparates, wie er in den Entgegenhaltungen (3) und (5) als bekannt vorbeschrieben sei, als Selbstverständlichkeit angesehen werden. Die Entgegenhaltung (5) verweise sogar expressis verbis auf Blasenfreiheit der Mischung bei Anwendung des dort beschriebenen statischen Mischers.
VII. Die Beschwerdegegnerin hat dem widersprochen und unter anderem auf Anfrage der Kammer ausgeführt, daß mit Bezug auf die Entscheidungen der Großen Beschwerdekammer G 9/91 und G 10/91 (ABl. EPA 1993, Seiten 408 bzw. 420) einem verspäteten Einspruchsgrund unter Artikel 83 (100 b)) nicht zugestimmt werde.
Im Hinblick auf die Beschreibung zum Streitpatent, insbesondere auf das einzige und als erfindungsgemäß dargestellte Beispiel, welches in den Pasten Komponenten enthielte, die nicht unter den Anspruch 1 fallen würden, müsse der Wortlaut des Anspruches 1 so ausgelegt werden, daß die Angabe "die ... Paste aus ... besteht" als "die ... Paste ... enthält" zu verstehen sei. Ferner stelle das Mischungsverhältnis der Pasten mit Bezug auf die Verwendung des beanspruchten statischen Mischapplikationsgerätes ein technisch sinnvoll ein Volumenverhältnis dar.
Der weitere schriftliche und mündliche Vortrag der Beschwerdegegnerin kann wie folgt zusammengefaßt werden:
Die Entgegenhaltung (1) betreffe eine zum Streitpatent gegenteilige Aufgabe, da dort eine dauerhafte Festigkeit und Haftfähigkeit der Dentalmassen erzielt werden solle, wohingegen die Provisorien des Streitpatents nach einem gewissen Zeitraum wieder entfernt werden müßten und somit eine Dauerhaftfähigkeit gerade vermieden werden müsse. Die Entgegenhaltung (2) nenne zwar provisorische Kronen- und Brückenmaterialien in der Anwendung der Dentalmassen, aber in Verbindung mit der Aufgabe einer verlängerten Abbindphase der Masse, was nur durch den obligatorischen Einsatz gegenüber dem Streitpatent zusätzlicher bestimmter Vinylverbindungen erreicht werde. Die in der Entgegenhaltung (2) aufgeführten Beispiele beschrieben eindeutig Dreipastensysteme und enthielten weder den Weichmacher ausschließlich in der Katalysatorpaste, noch die gemäß Streitpatent in ihrer Funktion als wesentlich anzusehenden unterschiedlichen Füllstoff- und Strukturbildnerkomponenten jeweils getrennt in den Pasten. Besagte Dreipastensysteme könnten nicht automatisch in einem Applikationsgerät mit zwei verbundenen Tuben angemischt werden, vielmehr müßten gemäß dem Beispiel organisches Peroxid, Malonylsulfamid und die Kombination Kupferverbindung/Halogenid jeweils in drei räumlich getrennten Bestandteilen vorliegen, was durch ein überreichtes Foto der praktischen Ausführung der Entgegenhaltung (2), wie sie von der Beschwerdegegnerin kommerziell vertrieben werde, mit zwei in einer Applikationseinheit integrierten und einer Einzeltube der Basispaste, belegt sei. Insbesondere zeige sich eine Schwierigkeit bei dem von der Beschwerdeführerin als naheliegend behaupteten durch die Änderung des Katalysatorsystems bedingten Übergang von einem Dreipastensystem zu einem Zweipastensystem, da eine Mischbarkeit der Pasten überhaupt nicht vorhersehbar sei.
Ein Übergang zu einem Zweipastensystem gemäß der Entgegenhaltung (1) sei für den Fachmann keinesfalls nahegelegt, da der dort beschriebene Stand der Technik mit dem Einsatz von trifunktionalen Acrylaten von dem erfindungsgemäßen Einsatz von ausschließlich bifunktionalen Acrylaten geradezu wegweise.
Darüber hinaus enthielten in der Anwendung alle als bekannt aufgezeigten statischen Mischapplikationsgeräte sogenannte Siliconsysteme, also gegenüber den beanspruchten Dentalmassen vollkommen unterschiedliche Systeme, wobei insbesondere die Viskosität in beiden Kartuschen (Tuben) nahezu gleich eingestellt sei, also auch vollständig andere rheologische Verhältnisse im Vergleich zum Streitpatent vorlägen. Insbesondere bezöge sich die Angabe "Blasenfrei" in der Entgegenhaltung (5) nur auf besagte Siliconsysteme und sei nicht ohne weiteres auf die in den Entgegenhaltungen (1) und (2) beschriebenen Pastensysteme übertragbar.
Unabhängig von der voranstehenden Argumentation würden die von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Zahlenwerte der Viskositäten zur Entgegenhaltung (2) nicht bestritten.
VIII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Die Beschwerdeführerin hat mit Einlegung des Einspruches zwar formal darauf verwiesen, daß der Gegenstand des Streitpatents nach den Artikeln 52 bis 57 EPÜ nicht patentfähig sei. Wie voranstehend aus den Punkten II und IV des Sachverhaltes zu entnehmen ist, hat die Beschwerdeführerin unter Artikel 100 a) EPÜ aber lediglich mit Bezug auf mangelnde erfinderische Tätigkeit des Gegenstandes des Streitpatents innerhalb der Einspruchsfrist Gründe vorgetragen. Die Einspruchsabteilung hat demzufolge die Zurückweisung des Einspruchs auf Gründe unter Artikel 56 EPÜ gestützt.
Die Beschwerdegegnerin hat einer weiteren Prüfung der Beanstandungen der Beschwerdeführerin unter Artikel 83 EPÜ nicht zugestimmt, so daß die Kammer die entsprechenden Einwände mit Bezug auf die genannten Entscheidungen G 9/91 und G 10/91 auch nicht aufgreifen kann. Da die beanspruchte Erfindung für die vorzunehmende Überprüfung der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes des Anspruchs 1 des Streitpatents aber verstanden werden muß, folgt die Kammer den Ausführungen der Beschwerdegegnerin dahingehend, daß sinngemäß der Anspruchswortlaut "die ... Paste aus ... besteht" so zu verstehen ist, daß die Pasten "a)" und "b)" die vor dem Wort "besteht" aufgelisteten Komponenten ohne Einschränkung lediglich zu enthalten haben.
Unter diesen Umständen sind die jeweiligen Listen somit nicht als ausschließende Aufzählung anzusehen. Dies bedeutet unter anderem und zum Beispiel, daß "Füllstoff" und "Strukturbildner" sowie "Weichmacher" wechselseitig in den Pasten "a)" und "b)" enthalten sein können und somit auch nicht getrennt für die rheologischen Eigenschaften gewertet werden können.
3. Den dem Gegenstand des Streitpatents nächstkommenden Stand der Technik repräsentiert die Entgegenhaltung (2), welche ebenfalls polymerisierbare Dentalmassen für provisorische Kronen- und Brückenmaterialien betrifft, deren Fließverhalten wahlweise mit organischen oder anorganischen Füllstoffen unterschiedlicher Korngrößen an den jeweiligen Verwendungszweck angepaßt werden kann (vgl. Seite 2, Zeilen 1 bis 19, sowie Anspruch 1).
Gemäß Anspruch 1 enthalten derartige Materialien als obligatorische Komponenten (a) einen mindestens bifunktionellen Acrylsäure- und/oder Methacrylsäureester; (b) ein Initiatorsystem, welches die radikalische Polymerisation auslösen kann; (c) Füllstoffe, Thixotropie-Hilfsmittel und andere Hilfsstoffe sowie (d) eine durch eine generische Formel definierte Vinylverbindung.
Das konkrete Ausführungsbeispiel 1 auf Seite 5, Zeile 54 bis Seite 6, Zeile 16, beschreibt eine polymerisierbare Dentalmasse, welche hergestellt ist aus einer homogenen Mischung:
(i) einer Paste enthaltend: - Diacryl-121 der Firma Akzo, - ein Organo-Kupfer(II)/Organo-ammoniumchloridsystem, - besagte im Anspruch 1 definierte Vinylverbindung, welche entweder abwesend sein kann oder in unterschiedlichen Pastenansätzen als 2,5-Dimethylstyrol, Trans-Stilben oder 1,2-Dihydro-4-phenylnaphthalin vorliegt, - sowie zahnähnlich eingefärbte silanisierte, mikrofei ne Kieselsäure,
(ii) einer Lauroylperoxidpaste (25%ig in Dioctylphthalat) und
(iii) einer Paste enthaltend 25 Gew.-% 2,6-Dibutyl-4-isobutylmalonylsulfamid in Dioctylphthalat.
Den allgemeinen Ausführungen zur Erfindung ist auf Seite 5, Zeilen 3 bis 7, zu entnehmen, daß die separat hergestellten Pasten neben den übrigen Komponenten jeweils aus "Füllstoffen oder insbesondere Thixotropie-Hilfsmitteln, wie silanisierter Kieselsäure und einem Weichmacher, beispielsweise einem Phthalat" hergestellt sein können. Als anorganische Füllstoffe sind u. a. Quarz, gemahlene Gläser, schwer lösliche Fluoride, Kieselgele sowie insbesondere pyrogene Kieselsäure genannt (vgl. Seite 5, Zeilen 15/16). Darüber hinaus wird zum besseren Einbau in die Polymermatrix als vorteilhaft angesehen, "die Füllstoffe sowie gegebenenfalls röntgenopake Zusatzstoffe, wie Yttriumfluorid, zu hydrophobieren" (vgl. Seite 5, Zeilen 18 bis 20).
Als geeignete Redoxinitiatorsysteme wird allgemein auf organische Peroxidverbindungen zusammen mit sogenannten Aktivatoren verwiesen, wobei als bevorzugt neben Lauroylperoxid u. a. auch Benzoylperoxid genannt ist und als Aktivatoren u. a. auf tertiäre aromatische Amine verwiesen wird (vgl. Seite 4, Zeilen 37 bis 43). Folgend wird auf Seite 4, Zeilen 55 bis 58, erläutert, daß "wenn die erfindungsgemäßen Dentalmassen als (b) ein Redoxinitiatorsystem aus organischem Peroxid und Aktivator enthalten, so sind vorzugsweise Peroxid und Aktivator in räumlich voneinander getrennten Teilen der erfindungsgemäßen Dentalmasse vorhanden, die erst unmittelbar vor der Anwendung der erfindungsgemäßen Dentalmasse homogen miteinander vermischt werden".
Die Beschwerdegegnerin hat den Vortrag der Beschwerdeführerin dahingehend nicht bestritten, daß das in der Entgegenhaltung (2) in Beispiel 1 aufgeführte Acrylat Diacryl-121 und die als Weichmacher fungierende Komponente Dioctylphthalat bezüglich der Viskositäten den im Streitpatent in Anspruch 1 unter Absatz "d)" geforderten Viskositäten der Acrylate und der Weichmacher entsprechen, sowie daß das Mischungsverhältnis der Basispaste (voranstehend als (i) bezeichnet) zur Summe der beiden Katalysatorpasten (voranstehend als (ii) und (iii) bezeichnet) besagten Beispiels 1 der Entgegenhaltung (2) unter die in Absatz c) des Anspruches 1 des Streitpatents geforderten Mischungsverhältnisse fällt. In Abwesenheit entgegenstehender Meßdaten vermag auch die Kammer diese Parameter dem Beispiel 1 der Entgegenhaltung (2) zuzuordnen.
4. Bei dieser Sachlage kann, ausgehend von Beispiel 1 der Entgegenhaltung (2), die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabe lediglich in der Bereitstellung eines röntgenopaken Materials, welches blasenfrei automatisch anmischbar ist, gesehen werden.
5. Diese Aufgabe soll gemäß Anspruch 1 des Streitpatents durch ein aus zwei Pasten bestehendes Material mit den die Polymerisation auslösenden Aktivatoren und dem Katalysator in jeweils getrennten Pasten vorliegend unter Einsatz eines röntgenopakem Füllstoffs gelöst werden, wobei beide Pasten in einem statischen Mischapplikationsgerät in einem Gang anmischbar sein sollen.
Mit Bezug auf die im einzigen Ausführungsbeispiel des Streitpatents beschriebene Dichlordibenzoylperoxid enthaltende Katalysatorpaste und die Dimethyl-p-toluidin sowie Strontiumglas enthaltende Basispaste, welche, wie auch von der Beschwerdeführerin nicht bestritten, getrennt in die Kammern einer Doppelkartusche gefüllt nach Austrag durch eine Mischkanüle direkt als Dentalmasse applizierbar sind, kann die bestehende Aufgabe auch als tatsächlich gelöst angesehen werden.
6. Einzig in der Verwendung eines statischen Mischapplikationsgerätes zur automatischen Mischung von Dentalmassen kann als solches nichts Erfinderisches gesehen werden, da für den Fachmann der Einsatz eines solchen Gerätes im Lichte der Entgegenhaltungen (3) (vgl. Spalte 1, Zeilen 1 bis 16) oder (5) (vgl. insbesondere erste Textseite), am Anmeldetag des Streitpatents die erste Wahl darstellen würde. Diese Systeme bestehen jedoch üblicherweise aus einer Doppelaustragskartusche für Zweikomponentenmassen bzw. Zweipastensysteme und sind somit nicht unmittelbar in der Anwendung auf das Dreipastensystem des Beispiels 1 der Entgegenhaltung (2) übertragbar, da dann nicht in einem Gang angemischt werden kann, was die Beschwerdegegnerin auch überzeugend anhand einer überreichten Photographie des Verkaufsproduktes der Inhaberin des Patentes nach der Entgegenhaltung (2) aufgezeigt hat. Und zwar umfaßt besagtes Verkaufsprodukt eine Doppelkartusche als Einheit und eine Einzelkartusche.
Aufgrund des Gesamtoffenbarungsgehaltes der Entgegenhaltung (2), insbesondere der dort bestehenden Aufgabe der verlängerten Abbindphase und der auf Seite 6 aufgeführten Meßergebnisse zu den Ausführungsbeispielen wird der mit der voranstehend unter Punkt 4 definierten Aufgabe konfrontierte Fachmann unmittelbar erkennen, daß das für die Lehre der Entgegenhaltung (2) bezüglich der Abbindphase als wesentlich angegebene Katalysatorsystem für sein weiteres Vorgehen nicht relevant ist und wird somit für die bestehende Aufgabe das in der Entgegenhaltung (2) noch vorgeschlagene Peroxid/Amin Katalysator-/Aktivatorsystem als gleichwertig zu dem in Beispiel 1 dieser Entgegenhaltung verwendeten sogenannten Bredereksystem mit drei getrennt zu lagernden Katalysator-/Aktivatorkomponenten ansehen.
Dem Vortrag der Beschwerdegegnerin, daß der Fachmann aufgrund mangelnder Vorhersage der Mischbarkeit beim Übergang von einem Dreiphasensystem zu einem Zweiphasensystem davon abgehalten sei, das Katalysatorsystem besagten Ausführungsbeispiels abzuändern, kann die Kammer nicht zustimmen, da dem Fachmann nicht nur aus der Entgegenhaltung (2) bekannt ist sondern auch allgemein geläufig ist, daß solche Zweiphasensysteme unabhängig von der Abbindzeit auf dem Gebiet der Dentalmassen übliche Anwendung finden. Dies zeigt u. a. die Entgegenhaltung (1) mit Beispiel II auf den Seiten 6/7, gemäß dem ein Zweipastensystem mit getrennt vorliegendem Aktivator N,N-dimethyl-p-toluidin (ein Aktivator wie er in der Entgegenhaltung (2) allgemein als tertiäre aromatische Amine vorgeschlagen wird und im Streitpatent in der Basispaste des Ausführungsbeispiels Anwendung findet) und Dibenzoylperoxid als Katalysator wie auch allgemein in der Entgegenhaltung (2) vorgeschlagen und als Chlorderivat im Streitpatent zum Einsatz kommt. Besagte Pasten der Entgegenhaltung (1) enthalten gleichfalls einen Weichmacher (Uniflex 330) und Glaspulver als Füllstoff. Die Beschwerdegegnerin hat nichts vorgetragen, was daran zweifeln läßt, daß die in der Entgegenhaltung (1) beschriebenen getrennten Pasten aufgrund des dort verwendeten Katalysatorsystems mischbar seien. Vielmehr ist auf Seite 7, Zeilen 15/16, ausdrücklich beschrieben, daß beide Pasten gemischt werden und diese Mischung in eine Zahnkavität gefüllt wird, wo sie weiterverarbeitet wird. Im übrigen wird auch gemäß der Beschreibung der Streitpatentschrift, vgl. Seite 2, Zeilen 15 bis 21, ein solches Zweipastensystem als eine übliche Dentalmasse und Ausgangspunkt für die Erfindung angesehen.
Wenn nun einmal dem Fachmann die Anwendung des bekannten statischen Mischapplikationsgerätes auf die Lehre der Entgegenhaltung (2) an die Hand gegeben ist, so verbleibt die Anpassung der Viskositäten durch Füllstoffe bzw. Strukturbildner. Unabhängig davon, daß die Acrylate und Weichmacher der Entgegenhaltung (2) bereits Einzelviskositäten zeigen, wie sie in Anspruch 1 des Streitpatents gefordert werden, muß auch die optimale Einstellung der Viskositäten der Pasten auf das vorgegebene Mischungsverhältnis, welches beim Streitpatent nicht von den üblichen in der Entgegenhaltung (2) aufgezeigten Mischungsverhältnissen abweicht, als im Rahmen der vom Fachmann zu erwartenden Routinearbeiten zur Entwicklung des Fortschritts gesehen werden. Die Beschwerdegegnerin hat jedenfalls im Lichte des bekannten Standes der Technik nicht aufzeigen können, welcher spezielle Schritt bei der Anpassung der Viskositäten der Pasten auf die aus den Entgegenhaltungen (3) und (5) bekannten Doppelkartuschenmischer dem Fachmann unerwartete Schwierigkeiten bereiten würde. Bei dieser Sachlage ist es dann unerheblich, daß die bekannten Zweipastensysteme auf Siliconbasis mit gleichen Viskositäten in den jeweiligen Kartuschen basieren. Im übrigen verweist die Entgegenhaltung (3) in Spalte 4, Zeilen 19 bis 25, bereits auf die Ausführungsform von Doppelkartuschen mit ungleichen Zylindern. Es ist ferner aus einfachen Plausibilitätsbetrachtungen nicht erkennbar, warum die Viskositäten der Pasten in den durch das Mischungsverhältnis vorgegebenen ungleichen Zylindern mit ungleichen Kolbenflächen zwangsläufig gleich eingestellt sein sollen.
Die in den Entgegenhaltungen (3) und (5) beschriebenen statischen Mischapplikationsgeräte in der konstruktiven Ausgestaltung als Doppelkartusche mit aus der Entgegenhaltung (4) (vgl. Spalte 1, Zeilen 1 bis 11, sowie erläuternde Figuren) bekannter Mischkanüle und Austragseinrichtung mischen zweifelsohne bei angepaßten Viskositäten der Pasten blasenfrei und erzielen somit als eine Art Gratiseffekt zwangsläufig eine Vermeidung der Sprödigkeit des Materials. Blasenfreies Mischen, wenn auch in Verbindung mit siloxanhaltigen Systemen, ist ebenfalls in der Entgegenhaltung (5), linke Spalte, unter der Überschrift "The Express Impression System Is Easy To Use", hervorgehoben. Im übrigen verweist zur praktischen Ausführung des statischen Mischapplikationsgerätes die Streitpatentschrift ebenfalls auf die Entgegenhaltungen (3) und (4).
Schließlich muß die Einarbeitung eines röntgenopaken Füllstoffs in ein Material zur Anfertigung von provisorischen Kronen und Brücken, wenn in der Zahnarztpraxis übliche Röntgenuntersuchungen anstehen, im Hinblick auf den konkreten Hinweis eines solchen Zusatzstoffes in der Entgegenhaltung (2) als Routine, wenn nicht Selbstverständlichkeit angesehen werden.
7. Bei dieser Sachlage kann die Entscheidung der Einspruchsabteilung, die den Gegenstand des Streitpatents im Lichte eines unterschiedlichen Startpunkts zur Diskussion der erfinderischen Tätigkeit beurteilt hat, nicht bestätigt werden, und das Patent ist wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit des Gegenstandes des Anspruchs 1 insgesamt zu widerrufen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.