T 0080/99 07-03-2001
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Verfahren zur Herstellung von Holzspanplatten u. dgl. und entsprechende Doppelbandpressen
01) G. Siempelkamp GmbH & Co.
02) Maschinenfabrik J. Dieffenbacher GmbH & Co.
Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
I. Auf die internationale Anmeldung PCT/DE88/00602 wurde das europäische Patent Nr. 0 380 527 erteilt.
Anspruch 1 in der erteilten Fassung lautet:
"Doppelbandpresse zur kontinuierlichen Herstellung von Holzspanplatten und ähnlichen, aus durch ein unter Druck und Wärme aushartendes Bindemittel zusammengehaltenen Holzpartikeln bestehenden Plattenwerkstoffen,
mit zwei um Umlenktrommeln endlos umlaufenden, in einer ebenen Preßstrecke übereinander mit gleicher Geschwindigkeit vorlaufenden und sich an einer Stützkonstruktion abstützenden metallischen Formbändern, zwischen die eine aus den Partikeln gebildete Matte an einem senkrecht zur Mattenebene in Laufrichtung der Matte sich verengenden beheizten Einlaufabschnitt der Stutzkonstruktion einläuft und zwischen denen die Matte in der im wesentlichen ebenen Preßstrecke unter der Einwirkung von Druck und Wärme zusammenpreßbar ist,
mit einer Zuführeinrichtung, mittels deren die Matte gebildet und dem Einlaufspalt zwischen den Formbändern zuführbar ist,
dadurch gekennzeichnet, daß die Zuführeinrichtung ein dicht oberhalb des oberen Trums (1') des unteren Formbandes (1) vorgesehenes, bis nahe an die obere Umlenktrommel (4) reichendes Tablett (30) umfaßt, über welches die Matte (10) zwischen die Formbänder (1,2) eingeführt wird,
daß mindestens eine der den Einlaufspalt (13) begrenzenden Stutzplatten (6,7) der Stützkonstruktion (8,9), die das dortige Formband unter Übertragung von Druck und Wärme abstützen, in der vertikalen Längsebene der Doppelbandpresse (400) gegen die Matte (10) konvex vorgewölbt ist,
daß sich das dortige Formband der Vorwölbung anschmiegt, wobei die Vorwölbung und die Wärmeübertragung so ausgelegt sind, daß der Abstand (36) von der Stelle (34,35) der ersten Berührung des Formbandes (1,2) mit der Matte (10) bis zum Übergang (43) in den anschließenden ebenen Abschnitt der Stützplatten in einer Zeit durchlaufen wird, in der die durch das Formband (1,2) übertragene Wärme die innere Zone (10) der Matte (10) noch nicht erreicht ist,
daß sich an den vorgewölbten Einlaufabschnitt (50) der Stützplatten in Laufrichtung der Matte (10) ein im wesentlichen ebener Abschnitt (38) der Stützplatten anschließt und mit dem vorgewölbten Einlaufabschnitt (50) eine separate, der Preßstrecke (5) vorgeschaltete starre Einheit bildet, die um eine am in Laufrichtung der Matte (10) gelegenen Ende im Bereich der Stützplatte liegende Querachse (42) schwenkbar ist, und daß der senkrechte Abstand der Querachse (42) von der gegenüberliegenden Stützplatte (7) einstellbar ist."
II. Mit ihrer am 29. Juli 1998 verkündeten und am 25. November 1998 zur Post gegebenen Zwischenentscheidung hat die Einspruchsabteilung das Patent mit einem geänderten Anspruch 1 und angepaßter Beschreibung in veränderter Form aufrechterhalten.
Die Einspruchsabteilung vertrat die Auffassung, der Gegenstand des Anspruchs 1 des Patents in der geänderten Fassung verletze nicht die Erfordernisse des Artikels 123 (3) EPÜ, weil das Streichen des Merkmals aus diesen Anspruch, nach dem das Tablett "bis nahe an die obere Umlenktrommel" reiche (siehe Punkt VI unten für den Wortlaut des erteilten Anspruchs), keine Erweiterung des Schutzbereiches mit sich bringe. In Vergleich mit dem im Einspruch vorgebrachten Stand der Technik sei der Gegenstand des geänderten Anspruchs als neu und erfinderisch zu betrachten.
III. Folgende Dokumente des Standes der Technik aus dem Einspruchsverfahren sind für das Beschwerdeverfahren von Bedeutung:
D1: CA-A-0 920 934
D4: DE-A-2 205 575
D5: US-A-4 517 148
D6: DK-A-0 044 362
D7: DE-A-2 511 878
D8: DE-B-2 157 746
D11: Erklärung des Herrn Bittner, Bison-Werke Bähre & Greten.
IV. Am 19. Januar 1999 legte die Beschwerdeführerin (Einsprechende 02) unter gleichzeitiger Zahlung der Beschwerdegebühr Beschwerde gegen diese Entscheidung ein, zu der sie am 6. April 1999 eine Begründung einreichte.
In ihrem Schreiben vom 15. Oktober 1999 entgegnete die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) der Beschwerde.
Die Verfahrensbeteiligte (Einsprechende 01) hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
V. In einer der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung nach Artikel 11 (2) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern wies die Kammer darauf hin, daß sie die Meinung der Beschwerdeführerin teile, daß das Streichen des oben genannten Merkmals eine Erweiterung des Schutzbereiches i. S. von Artikel 123 (3) EPÜ mit sich bringe.
VI. Eine mündliche Verhandlung hat am 7. März 2001 stattgefunden. Am Ende dieser Verhandlung beantragte die Beschwerdegegnerin, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten. Die Beschwerdeführerin beantragte daraufhin Entscheidung nach Lage des Verfahrens.
Die Verfahrensbeteiligte (Einsprechende 01) wurde ordnungsgemäß geladen, ist jedoch zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen; es wurde ohne sie verhandelt (Regel 71 (2) EPÜ).
VII. Die Argumente der Beschwerdeführerin zur Stützung ihres Antrags lassen sich im wesentlichen wie folgt zusammenfassen:
Der Gegenstand des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung weise keine erfinderische Tätigkeit auf, denn ausgehend von der Doppelbandpresse nach D1 als nächstliegendem Stand der Technik sei es für einen Fachmann naheliegend, in dieser Presse die Vorwölbung der aus der D4 bekannten Stützplatten vorzunehmen und die Stützplatte nach D5 als starre Einheit auszubilden. Die Auslegung der Vorwölbung und der Wärmeübertragung, so daß die übertragene Wärme die innere Zone des Plattenmaterials noch nicht erreicht hat, wenn die Platte in den ebenen Abschnitt der Stützplatten übergeht, sei fachübliches Verfahren, wie auch durch die Erklärung D11 belegt werde. Das Merkmal der in vertikaler Richtung einstellbaren Querachse, um die der mit dem ebenen Abschnitt zu einer starren Einheit zusammengebaute vorgewölbte Einlaufabschnitt schwenkbar ist, sei dem Fachmann ebenfalls unter Berücksichtigung der D1 geläufig.
VIII. Die Beschwerdegegnerin führte im wesentlichen wie folgt aus:
Der Gegenstand des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung weise bereits eine erfinderische Tätigkeit auf, weil der aufgeführte Stand der Technik weder eine aus einem vorgewölbten Einlaufabschnitt und einem weiteren ebenen Abschnitt zusammengebaute starre Einheit noch eine Schwenkbarkeit dieser Einheit um eine stromaufwärts gelegene Querachse aufweise oder Hinweise enthalte, die eine solche Konstruktion nahelegen.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Verfahrensrechtliche Überlegungen
2.1. Ist der Einsprechende der alleinige Beschwerdeführer gegen eine Zwischenentscheidung über die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang, so ist der Patentinhaber primär darauf beschränkt, das Patent in der Fassung zu verteidigen, die die Einspruchsabteilung ihrer Zwischenentscheidung zugrunde gelegt hat.
Änderungen, die der Patentinhaber als Beteiligter nach Artikel 107, 2. Satz EPÜ vorschlägt, können von der Beschwerdekammer abgelehnt werden, wenn sie weder sachdienlich noch erforderlich sind (siehe Entscheidung G 9/92, ABl. EPA 1994, 875).
2.2. Die Rückkehr zur erteilten Fassung des Anspruchs 1, wobei das gestrichene Merkmal, nach welchem das Tablett bis nahe an die obere Umlenktrommel reicht, wieder in dem Anspruch aufgenommen wird, ist nach Auffassung der Kammer sowohl sachdienlich, weil es eine angemessene Reaktion auf einen in der Beschwerde wiederholten Einspruchsgrund ist, als auch erforderlich, um ein Widerruf des Patents wegen Verletzung des Artikels 123 (3) EPÜ zu vermeiden.
2.3. Die Beschwerdeführerin wird im vorliegendem Fall durch die Rückkehr zum erteilten Anspruch 1 auch nicht schlechter gestellt (reformatio in peius) weil die erteilte Fassung des Anspruchs 1, durch die Wiederaufnahme des oben genannten Merkmals, weiter eingeschränkt ist als die Fassung in der die Einspruchsabteilung das Patent aufrechterhalten hat. Denn der tatsächliche Gegenstand des aufrechterhaltenen Anspruchs 1 hat sich, abgesehen von dem genannten Merkmal, sonst nicht geändert.
2.4. Die Kammer läßt somit diese Änderung im Verfahren zu.
3. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)
Die Neuheit der beanspruchten Doppelbandpresse folgt schon daraus, daß keines der im Verfahren vorhandenen Dokumente eine Doppelbandpresse mit einer um eine höhenverstellbare Querachse schwenkbaren Stützplatte, die mit einem vorgewölbten und einem ebenen Abschnitt versehen ist und eine der Preßstrecke vorgeschaltete starre Einheit bildet, offenbart.
Die Neuheit des Gegenstandes des erteilten Anspruchs 1 wurde übrigens weder im Einspruchsverfahren noch im Beschwerdeverfahren von den Einsprechenden in Frage gestellt.
4. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
4.1. Den nächstliegenden Stand der Technik bildet nach Auffassung der Kammer D1, weil dieses Dokument als einziges eine Doppelbandpresse offenbart, die (mit Ausnahme des Merkmals des beheizten sich verengenden Einlaufabschnittes) alle Merkmale des Oberbegriffes des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung aufweist und die folgenden kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs 1 beinhaltet:
- ein dicht oberhalb des oberen Trums des unteren Formbandes angeordnetes Tablett, über welches die Matte zwischen die Formbänder eingeführt wird,
- ein im wesentlichen ebener Abschnitt der Stützplatten, der sich in Laufrichtung der Matte an den Einlaufabschnitt der Stützplatten anschließt und mit dem Einlaufabschnitt eine separate, der Preßstrecke vorgeschaltete, starre Einheit bildet.
4.2. Ausgehend von dieser bekannten Doppelbandpresse liegt dem Patent die Aufgabe zugrunde, Holzspan- und ähnliche Platten verschiedener Struktur herstellen zu können (siehe Streitpatent, Seite 2, Zeilen 43-45).
4.3. Die Doppelbandpresse des Anspruchs 1 unterscheidet sich von der Presse nach D1 u.a durch folgende Merkmale:
a) der sich verengende Einlaufabschnitt ist beheizt;
b) mindestens eine der den Einlaufspalt begrenzenden Stützplatten ist in der vertikalen Längsebene der Doppelbandpresse gegen die Matte konvex vorgewölbt und das dortige Formband schmiegt sich dieser Vorwölbung unter Übertragung von Druck und Wärme an;
c) die aus dem vorgewölbten Einlaufabschnitt und dem ebenen Abschnitt gebildete starre Stützplatte ist um eine am in Laufrichtung der Matte gelegenen Ende im Bereich der Stützplatte liegende Querachse schwenkbar und
d) der senkrechte Abstand der Querachse von der gegenüberliegenden Stützplatte ist einstellbar.
Diese Merkmale lösen die gestellte Aufgabe insbesondere dadurch, daß ein veränderlicher Einlauf gebildet wird, so daß mit ein und derselben Maschine unterschiedliche Plattenstrukturen hergestellt werden können.
Bei Einstellung des ebenen Teils der Stützplatte parallel zur gegenüberliegenden Stützplatte erfolgt die rasche Kompression des Plattenmaterials bereits in der beheizten vorgewölbten Einlaufspalt. Die innere Zone hat noch nicht die Abbindetemperatur erreicht, so daß sie einen Widerstand bildet für die Plastifizierung der äußeren Schichten, die dadurch eine höhere Verdichtung und eine glattere Oberfläche erreichen. Bei aufgeschwenkter Stützplatte bildet der ebene Teil der einen Stützplatte mit der gegenüberliegenden Stützplatte einen sich nach dem vorgewölbten Teil weiter in Laufrichtung verengenden Einlaufspalt, wodurch eine allmähliche Verdichtung im Zuge des Fortschreitens der Erwärmung der inneren Zone der Matte erfolgt (siehe Seite 2, Zeile 58 bis Seite 3, Zeile 42 des Streitpatents). Mit dem beheizten Einlaufspalt wird die Wärme gleichmäßig den Bändern und somit der Platte zugeführt, was bei einem Einlaufspalt, der im wesentlichen nur von einer oder beiden Umlenkrollen gebildet wird, weniger einfach zu erreichen ist.
4.3. Im nachgewiesenen Stand der Technik ist diese Lösung weder bekannt noch wird sie dadurch nahegelegt. Die bekannten Doppelbandpressen weisen entweder keinen sich in der Laufrichtung der Matte an den gewölbten Abschnitt anschließenden ebenen Abschnitt der Stützplatte und keine Schwenkachse für die Stützplatte auf (D4), weisen keine Schwenkachse auf und benutzen eine Einstellung des Abstandes der Stützplatten, die unbekannt ist (D5), verwenden überhaupt keine Stützplatten (D6 oder die aus dem Prüfungsverfahren bekannte im Streitpatent erwähnte DE-A-2 448 794), verwenden keine konvex vorgewölbte Stützplatte im Einlaufabschnitt (D7) oder verwenden Stützplatten, die nicht vorgewölbt und nicht zu einer starren Einheit zusammengefügt sind und keine Schwenkachse aufweisen (D8). Die sonstigen Dokumente des ermittelten Standes der Technik sind noch weniger relevant.
4.4. Die Beschwerdeführerin hat noch ausgeführt, daß die aus der D1 bekannten Druckelemente 47, 47' im Einlaufabschnitt 22 als unabhängig voneinander bedienbar beschrieben seien und somit eine Schrägeinstellung einer Stützplatte gegenüber der anderen möglich sei.
Dem kann die Kammer nicht beipflichten, weil in der Textstelle in der D1, in der die Hydraulikzylinder 47 für den Einlaufabschnitt 22 besprochen werden (Seite 8), nicht von zwei unabhängig voneinander arbeitenden Hydraulikzylindern die Rede ist, sondern erwähnt wird, daß die hydraulischen Systeme 47 für den Einlaufabschnitt 22 unabhängig von den Systemen 48 der weiter stromabwärts liegenden ebenen Preßstrecke 23 sind. Es ist auch bei den in den Figuren der D1 dargestellten Kolbenstangen 47', die alle eine starre Verbindung mit dem oberen Teil 25A haben, nicht nachvollziehbar, daß diese eine Verschwenkung des oberen Teils 25A zulassen würden.
4.5. Im Lichte des Vorstehenden erübrigt sich eine Diskussion über die weiteren Merkmale, wodurch die Doppelbandpresse nach Anspruch 1 sich noch von der aus der D1 bekannten Doppelbandpresse unterscheidet:
e) das Tablett reicht bis nahe an die obere Umlenktrommel
f) die Vorwölbung und die Wärmeübertragung sind so ausgerichtet, daß der Abstand von der Stelle der ersten Berührung des Formbandes mit der Matte bis zum Übergang in den anschließenden ebenen Abschnitt der Stützplatten in einer Zeit durchlaufen wird, in der die durch das Formband übertragene Wärme die innere Zone der Matte noch nicht erreicht hat.
Die Erklärung D11, die eingereicht wurde um zu beweisen, daß das Merkmal f) eine fachübliche Maßnahme betreffe, braucht daher auch nicht weiter berücksichtigt zu werden.
5. Zusammenfassend kommt die Kammer zum Ergebnis, daß der nachgewiesene Stand der Technik weder für sich noch in irgendeiner Kombination sowie in Verbindung mit dem einem Fachmann zu unterstellenden Wissen dem Gegenstand des Anspruchs 1 im Hinblick auf das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit patenthindernd entgegensteht (Artikel 56 EPÜ). Das Patent hat deshalb auf der Basis des erteilten Anspruchs 1 Bestand.
Bestandsfähig sind auch die abhängigen Ansprüche 2-9, die bevorzugte Ausführungsformen der Doppelbandpresse nach Anspruch 1 betreffen (Regel 29 (3) EPÜ).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird in der erteilten Fassung aufrechterhalten.