W 0013/02 04-11-2002
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Vorrichtung mit mindestens einem Ausleger- oder Tragarm für mehrgliedrige kranartige Ausleger, Betonverteilermaste und dgl.
Einheitlichkeit der Erfindung - ja
Zur Frage der Einheitlichkeit, wenn eine Alternative des unabhängigen Anspruchs 1 bekannt ist
I. Die internationale Anmeldung PCT/EP01/15222 wurde am 21. Dezember 2001 mit einem unabhängigen Vorrichtungsanspruch 1 und abhängigen Vorrichtungsansprüchen 2 bis 5 und 8 sowie mit einem auf den Vorrichtungsanspruch 1 bezogenenen Verfahrensanspruch 6 und einem davon abhängigen Verfahrensanspruch 7 eingereicht. Der unabhängige Anspruch 1 und der Verfahrensanspruch 6 lauten wie folgt:
"1. Vorrichtung mit mindestens einem Ausleger- oder Tragarm für mehrgliedrige kranartige Ausleger, Betonverteilermaste, Hubarbeitsbühnen, Manipulatoren und dgl., mit mindestens einem Hydraulik-Differential-Zylinder zur Betätigung des einseitig angelenkten Arms, der mittels des Differential-Zylinders anhebbar, absenkbar und/oder teleskopierbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Hydraulik-Differential-Zylinder eine hohle Kolbenstange (2) aufweist, die ein rohrartiges Segment (4) und zwei an den Enden dieses Segments (4) angeordnete Endstücke (5,6) umfasst, die einstückig ausgebildet oder durch Stoffschluss miteinander verbunden sind, wobei der Wandquerschnitt des rohrartigen Segments (4) über die Länge des rohrartigen Segments (4) und die Übergänge vom rohrartigen Segment (4) zu den Endstücken (5,6) zur Vermeidung von Kerbspannungen im wesentlichen glatt sowie eben oder mit einem die Festigkeit im wesentlichen nicht beeinträchtigenden Krümmungsradius ausgeführt sind, wobei im Falle einer stoffschlüssigen Verbindung mindestens eines der Endstücke an das Segment angeschweißt ist, wobei die Schweißverbindung (7) durch spanabhebende, insbesondere mechanisch spanabhebende Nachbearbeitung im wesentlichen bündig mit dem durch die Schweißverbindung verbundenen Segment (4) und Endstück ist und die Schweißwurzel durch die Nachbearbeitung eliminiert ist, sowie der Schweißnahtbereich insbesondere auf der inneren Mantelfläche des rohrartigen Segments (4) geglättet ist, und dass bei einstückiger Ausbildung und beim Stoffverbund zumindest eines der Endstücke (5,6), vorzugsweise das stangenaugenseitige Endstück (6), einen Durchbruch (8) aufweist, durch den ein werkzeugmäßiger Zugang zum Hohlraum der hohlen Kolbenstange (2) zum Zwecke von dessen Nachbearbeitung möglich ist."
"6. Verfahren zur Herstellung eines Hydraulik-Differential-Zylinders nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass in einem ersten Schritt durch Verschweißung ein Rohling mit einem rohrartigen Segment (4) und mindestens einem an ein Ende dieses Segments (4) angeordneten Endstück (5,6) gebildet wird, dass die Innenseite des Rohlings über einen zumindest in einem Endstück (5,6) vorgesehenen Durchbruch (8) werkzeugmäßig zugänglich gemacht wird, und dass in einem weiteren Schritt zumindest der Bereich der Schweißverbindung Endstück/rohrartiges Segment insbesondere innerhalb des rohrartigen Segments mechanisch spanabhebend bearbeitet und geglättet wird."
II. Mit Bescheid vom 10. Mai 2002 unterrichtete das EPA in seiner Eigenschaft als Internationale Recherchenbehörde (IRB) die Anmelderin von seiner Auffassung, daß die Anmeldung dem Erfordernis der Einheitlichkeit nicht entspricht, da sie zwei Erfindungen enthalte, nämlich einerseits die im Anspruch 1 angegebene erste Alternative einer einstückigen hohlen Kolbenstange eines Krans zusammen mit den abhängigen Ansprüchen 2 und 3 und andererseits die im Anspruch 1 angegebene zweite Alternative einer Kolbenstange eines Krans erzeugt aus mehreren verbundenen Elementen zusammen mit den abhängigen Ansprüchen 3 bis 7, und forderte sie auf, innerhalb von 30 Tagen eine weitere Recherchegebühr zu entrichten.
Zur Begründung führte die IRB aus, daß die erste Alternative bereits aus der GB-A-2 140 362 (im folgenden D1) bekannt sei, sodaß zwischen der zweiten Alternative und dem Gegenstand der abhängigen Ansprüche, insbesondere dem auf die erste Alternative rückbezogenen Anspruch 3, kein technischer Zusammenhang bestehe.
III. Die Anmelderin hat am 6. Juni 2002 die weitere Recherchegebühr unter Widerspruch gezahlt. Der Widerspruch wurde damit begründet, daß Anspruch 1 nicht eine hohle Kolbenstange eines Krans, sondern eine Vorrichtung mit einem Ausleger- oder Tragarm für kranartige Ausleger, die eine Kolbenstange aufweist, betreffe und beide Alternativen wie abhängige Ansprüche aufzufassen seien, die in einem gemeinsamen Hauptanspruch zusammengefasst seien. Damit umfasse die Anmeldung nur eine Erfindung und die Aufforderung zur Zahlung einer zusätzlichen Recherchegebühr sei nicht gerechtfertigt.
IV. In ihrer Mitteilung über die Überprüfung der Aufforderung zur Zahlung zusätzlicher Recherchengebühren auf ihre Berechtigung vom 25. Juli 2002 hat die IRB die Anmelderin unterrichtet, daß die Aufforderung berechtigt war, und sie aufgefordert, für die weitere Überprüfung des Widerspruchs innerhalb eines Monats die Widerspruchsgebühr zu entrichten. Sie hat hierzu im wesentlichen ausgeführt, daß die Prüfung auf Einheitlichkeit gemäß Regel 13.3 PCT ohne Rücksicht darauf zu erfolgen habe, ob die Erfindungen in gesonderten Patentansprüchen oder als Alternativen innerhalb eines einzigen Patentanspruchs beansprucht werden, und daß eine gemeinsame erfinderische Idee schon deshalb nicht vorliegen könne, weil die erste Alternative in der D1 offenbart sei.
V. Die Widerspruchsgebühr wurde am 9. August 2002 bezahlt.
1. Der Widerspruch ist zulässig.
2. Bei einer Gruppe von Erfindungen, die nach Regel 13.3 PCT entweder in gesonderten Patentansprüchen oder als Alternativen innerhalb eines einzigen Patentanspruchs beansprucht werden können, ist gemäß Regel 13.2 PCT das Erfordernis der Einheitlichkeit der Erfindung nach Regel 13.1. nur erfüllt, wenn zwischen diesen Erfindungen ein technischer Zusammenhang besteht, der in einem oder mehreren gleichen oder entsprechenden besonderen technischen Merkmalen zum Ausdruck kommt, wobei darunter diejenigen Merkmale zu verstehen sind, die einen Beitrag jeder beanspruchten Erfindung als Ganzes zum Stand der Technik bestimmen. Die jeweiligen besonderen technischen Merkmale und ihr Zusammenhang können also nur im Hinblick auf den relevanten Stand der Technik bestimmt werden.
3. Im vorliegenden Fall wird der relevante Stand der Technik durch die D1 gebildet, in der ein Mobilkran mit einem Teleskopausleger (12), also einem mehrgliedrigen Ausleger, und einem Hydraulik-Differential-Zylinder (45) zum Anheben und Absenken des Auslegers beschrieben ist. Der Zylinder (45) weist eine Kolbenstange (80) in Form eines hohlen Rohrs mit einer durchgehenden zylindrischen Bohrung auf, die an einer Seite mit einem eingeschweißten Deckel (106) verschlossen ist. Das andere, offene Ende weist ein Innengewinde auf, in das eine Endplatte (104) mit einem Verbindungsstück zur Anlenkung des Kolbens an dem Ausleger eingeschraubt ist. Am geschlossene Ende der Kolbenstange ist ein Außengewinde vorgesehen, auf das ein Kolben (78) aufgeschraubt ist.
Gemäß Anspruch 1 der vorliegenden Anmeldung umfaßt die hohle Kolbenstange ein rohrartiges Segment und zwei jeweils an den Enden dieses Segments angeordnete Endstücke, die einstückig ausgebildet oder durch Stoffschluß miteinander verbunden sind, wobei der Wandquerschnitt des rohrartigen Segments über die Länge des rohrartigen Segments und die Übergänge vom rohrartigen Segment zu den Endstücken zur Vermeidung von Kerbspannungen im wesentlichen glatt sowie eben oder mit einem die Festigkeit im wesentlichen nicht beeinträchtigenden Krümmungsradius ausgeführt sind.
4. Die IRB war nun der Auffassung, daß die mit einem Gewinde versehenen Endbereiche der hohlen Kolbenstange bei der D1 jeweils Endstücke gemäß Anspruch 1 darstellen. Die Kammer kann sich dieser Auffassung allerdings nicht anschließen. Beim der D1 sind die mit Gewinden versehenen Endbereiche ebenso wie der glatte mittlere Bereich Teile desselben rohrförmigen Segments und voneinander nicht abgrenzbar, beispielsweise durch eine unterschiedliche Wandstärke, ein anderes Material oder dgl. Der im Anspruch 1 verwendete Begriff "Endstück" beinhaltet aber eine derartige Abgrenzbarkeit, insbesondere wenn dieser Begriff im Zusammenhang mit "Übergängen" vom rohrartigen Segment zu den Endstücken verwendet wird. Bei den innen und außen nahtlos, mit gleichem Durchmesser und gleicher Wandstärke an den glatten Mittelbereich der Kolbenstange anschließenden Endbereichen des Standes der Technik gibt es nämlich keinen erkennbaren Übergang. Auch das am Ende des Anspruchs 1 aufgeführte Merkmal, daß eines der Endstücke einen Durchbruch zum Einführen eines Werkzeugs aufweist, stützt diese Interpretation des Anspruchs 1, da ein Durchbruch nach dem üblichen Verständnis eine Verbindungsöffnung kleineren Querschnitts und nicht ein offenes Ende eines Rohrs bezeichnet.
Damit können im Anspruch 1 die Endstücke und deren glatter Übergang zum mittleren rohrartigen Segment als ein besonderes technisches Merkmal angesehen werden, das einen Beitrag zum Stand der Technik bestimmt und sowohl bei der einstückigen Ausführungsform als auch bei der verschweißten Ausführungsform vorhanden, also beiden Ausführungsformen gemeinsam ist. Der in Regel 13.2 PCT geforderte technische Zusammenhang zwischen den von den beiden Ausführungsformen gebildeten Erfindungen ist daher in diesem gemeinsamen Merkmal zu sehen, das gemäß Seite 3 der Anmeldung eine Verringerung der Kerbspannungen bewirken und damit eine verringerte Wandstärke der Kolbenstange ermöglichen soll.
5. Die im Anspruch 1 aufgeführten alternativen Ausführungsformen hängen damit so zusammen, daß sie eine einzige allgemeine erfinderische Idee verwirklichen. Dieselbe Idee ist auch im Verfahrensanspruch 6 durch den Bezug auf den Hydraulik-Differential-Zylinder des Anspruchs 1 und dessen Herstellung durch Anschweißen der Endstücke an das rohrartige Segment und Glättung der Innenoberflächen mittels eines durch den Durchbruch eingeführten Werkzeugs verwirklicht.
6. Die Aufforderung zur Zahlung einer zusätzlichen Gebühr war also schon deswegen nicht berechtigt, weil die erste Alternative des Anspruchs 1 aus dem Stand der Technik nicht bekannt war. Aber auch wenn dies der Fall gewesen wäre, hätte es nicht automatisch eine Nicht-Einheitlichkeit zur Folge, wie das die IRB in der Mitteilung über die Überprüfung der Aufforderung festgestellt hatte. In diesem Fall könnten für die erste Erfindung keine "besonderen technischen Merkmale" im Sinne von Regel 13.2 PCT bestimmt werden, da die erste Erfindung vollständig bekannt wäre. Eine Aussage über die Einheitlichkeit wäre damit allein aufgrund des Anspruchs 1 nicht möglich. Vielmehr müßten dann, wie die IRB in der Aufforderung zur Zahlung zusätzlicher Gebühren festgestellt hat, auch die abhängigen Ansprüche mit herangezogen werden, wie das nach Regel 13.4 PCT und Anlage B, Teil 1 (c)(ii) der seit 1. Juli 1998 geltenden PCT-Verwaltungsvorschriften vorgesehen ist. Allerdings ist dies ein Sonderfall, bei dem zur Vermeidung einer unüberschaubaren und ungerechtfertigten Zahl verschiedener Einzelerfindungen der Einwand der Nichteinheitlichkeit auf eindeutige Fälle beschränkt werden sollte, in denen ein Teil der abhängigen Ansprüche eine bestimmte Weiterbildung einzig und allein der bekannten Alternative des unabhängigen Anspruchs betrifft, die keinen technischen Zusammenhang mit der anderen Alternative aufweist, und diese Weiterbildung dem Stand der Technik nicht entnehmbar ist. Beides wäre hier aber nicht der Fall. Die Ansprüche 2 und 3, die von der IRB der im Anspruch 1 enthaltenen ersten Alternative zugerechnet werden, betreffen Weiterbildungen beider Alternativen des Anspruchs 1, und die Kolbenstange des in der D1 beschriebenen Mobilkrans weist innen und außen Gleitflächen auf, die glatt und eben ausgebildet sein müssen und typischerweise durch Drehen mit anschließendem Glätten der Oberfläche durch Schleifen, also spanabhebende Bearbeitung, hergestellt werden, sodaß der Fachmann auch den Gegenstand der Ansprüche 2 und 3 zumindest implizit dem Stand der Technik entnimmt.
7. Die Aufforderung zur Zahlung einer zusätzlichen Gebühr war daher nicht berechtigt, sodaß der Widerspruch im Ergebnis begründet ist. Gemäß Regel 40.2 c) und e) PCT sind daher die zusätzliche Recherchegebühr und die Widerspruchsgebühr zurückzuzahlen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Rückzahlung der zusätzlichen Recherchegebühr und der Widerspruchsgebühr wird angeordnet.