D 0028/21 01-03-2022
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I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungskommission vom 21. Juni 2021, in der festgestellt wurde, dass die Prüfungsarbeit des Beschwerdeführers zur Aufgabe B der Europäischen Eignungsprüfung 2021 mit 42 Punkten und damit mit der Note "NICHT BESTANDEN" bewertet wurde.
II. Mit Telefax vom 29. Juli 2021, das am 2. August 2021 als unterzeichnetes Schriftstück beim EPA einging, legte der Beschwerdeführer gegen die Entscheidung der Prüfungskommission vom 21. Juni 2021 Beschwerde ein und begründete diese. Er entrichtete die vorgeschriebene Beschwerdegebühr.
III. Das Prüfungssekretariat legte die Beschwerde der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten (Beschwerdekammer) mit Schreiben vom 10. August 2021 vor und teilte mit, dass die Prüfungskommission beschlossen habe, der Beschwerde nicht abzuhelfen.
IV. Weder der Präsident des Europäischen Patentamtes noch der Präsident des Rats des Instituts der zugelassenen Vertreter, denen nach Artikel 24 (4) Satz 1 VEP in Verbindung mit Artikel 12 VDV Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden war, äußerten sich schriftlich zur Beschwerde.
V. Die mündliche Verhandlung fand am 1. März 2022 statt. In Übereinstimmung mit Artikel 14 VDV nahm eine Person in Vertretung des Präsidenten des Rats des Instituts der beim Europäischen Patentamt zugelassenen Vertreter teil.
VI. Der Beschwerdeführer beantragte,
1. die Entscheidung aufzuheben und diese hinsichtlich der Punktbewertung der Aufgabe B dahingehend abzuändern, dass die Aufgabe B mit mindestens 50 Punkten bewertet wird, damit sie als BESTANDEN gilt und somit die gesamte Europäische Eignungsprüfung (EEP) als bestanden zu bewerten ist;
2. hilfsweise, die Entscheidung aufzuheben und diese hinsichtlich der Punktbewertung der Aufgabe B dahingehend abzuändern, dass die Aufgabe B mit mindestens 45 Punkten bewertet wird, damit sie als NICHTBESTANDEN MIT AUSGLEICHSMÖGLICHKEIT gilt und somit die gesamte Europäische Eignungsprüfung als bestanden zu bewerten ist;
3. hilfsweise, die Entscheidung aufzuheben und die erreichten 42 Punkte (oder mehr) des Beschwerdeführers in der Aufgabe B in Anbetracht der Umstände und der Gesamtleistung über alle Aufgabenteile als NICHT-BESTANDEN MIT AUSGLEICHSMÖGLICHKEIT zu bewerten, so dass die ganze Europäische Eignungsprüfung als BESTANDEN gilt;
4. hilfsweise, die Entscheidung aufzuheben und die ganze EEP des Beschwerdeführers als BESTANDEN zu bewerten;
5. hilfsweise, die Entscheidung aufzuheben und diese hinsichtlich der Punktbewertung der Aufgabe B zur Neubewertung an die Prüfungskommission wegen offensichtlicher Fehler bei der Aufgabenstellung und der Bewertung der Lösungen zurückzuverweisen;
6. hilfsweise für den Fall, dass sich für die Aufgabe B weniger als 45 Punkte ergeben, dass die Aufgabe B nochmals kostenfrei geschrieben werden darf;
7. für den Fall, dass der Beschwerde stattgegeben und die Aufgabe B mit mindestens 45 Punkten bewertet wird, dass etwaige bereits entrichtete Anmelde- und Prüfungsgebühren für die EEP 2022 vollständig zurückgezahlt werden;
8. die Rückerstattung der Beschwerdegebühr.
VII. Für die Einzelheiten der streitigen Prüfungsaufgabe wird auf die veröffentlichte Prüfungsaufgabe und den entsprechenden Prüferbericht verwiesen, die auf der Website des Europäischen Patentamts unter https://documents.epo.org/projects/babylon/eponot.nsf/0/3003815DE4A96079C125868E00487577/$File/B_2021_de.pdf und https://documents.epo.org/projects/babylon/eponot.nsf/0/7043D0BB750F0825C12586F8002C8336/$FILE/Compendium_ExRep_2021_B_DE.pdf abrufbar sind.
1. Keine Überprüfung der Notengebung
1.1 Nach Artikel 24 (1) VEP kann gegen die Entscheidungen der Prüfungskommission nur wegen Verletzung dieser Vorschriften oder einer bei ihrer Durchführung anzuwendenden Bestimmung Beschwerde erhoben werden. Die Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten ist nicht befugt zu prüfen, ob die Benotung der Prüfungsarbeiten eines Bewerbers sachlich angezeigt oder richtig ist, und kann sich nicht mit ihrer sachlichen Einschätzung über diejenige der Prüfungskommission hinwegsetzen. Anders gesagt kann die Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten in Ermessensfragen die angefochtene Entscheidung nur wegen eines Rechtsfehlers aufheben, nicht aber durch ihre eigene Entscheidung ersetzen (grundlegend D 1/86, Punkt 2 der Entscheidungsgründe). Als Rechtsfehler können nur schwerwiegende und eindeutige Fehler bei der Bewertung der Prüfungsarbeit berücksichtigt werden. Derartige Fehler müssen festgestellt werden können, ohne dass sich die Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten dabei wertend mit der Arbeit eines Beschwerdeführers auseinandersetzen muss.
1.2 Im Falle einer Gutheißung einer Beschwerde verweist die Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten die Angelegenheit in aller Regel an die Prüfungskommission zurück und ordnet die Neubewertung der betreffenden Arbeit an. Somit sind Anträge, die auf Zuerkennung zusätzlicher Punkte oder Festlegung einer bestimmten Note gerichtet sind, im Grundsatz unzulässig. Nur ausnahmsweise, bei Vorliegen besonderer Gründe, die gegen eine Zurückverweisung sprechen, könnte sich ein solcher Antrag rechtfertigen. Dies ist etwa denkbar, wenn der Prüfungskommission kein Ermessen bleibt oder wenn die Bindungswirkung einer Zurückverweisungsentscheidung nicht beachtet wäre (D 1/86, Punkt 2 der Entscheidungsgründe; zur ersten Fallgruppe siehe etwa D 3/14 betreffend die Vorprüfung; zur zweiten Fallgruppe siehe D 14/17 und D 20/17). Solche außerordentlichen Gründe waren nach Auffassung der Beschwerdekammer vorliegend nicht gegeben.
1.3 Die nachfolgenden Entscheidungsgründe nehmen zu den möglichen Rechtsfehlern Stellung, die vom Beschwerdeführer geltend gemacht wurden. Beanstandungen, dass die abweichenden Lösungen des Beschwerdeführers gleichwertig zur erwarteten Lösung des Prüferberichts seien, sind demgegenüber nicht ohne wertende Neubetrachtung der Prüfungsarbeit feststellbar und liegen daher außerhalb der Prüfungsbefugnis der Beschwerdekammer nach Artikel 24 (1) VEP. Anhaltspunkte dafür, dass die abweichenden Lösungen des Beschwerdeführers gänzlich unberücksichtigt geblieben sind, fehlen.
2. Ungleichbehandlung
2.1 Der Beschwerdeführer machte geltend, dass in der deutschen (und englischen) Fassung des Anspruchssatzes des Mandanten - anders als in der französischen Fassung - nicht alle Änderungen als solche gekennzeichnet waren. Konkret beanstandete er die fehlende Hervorhebung des optionalen Schritts der Anpassung der Feuchtigkeit (Schritt b im Anspruch 5 der vom Anmelder geänderten Ansprüche), der durch das Merkmal "durch Besprühen des Abfalls mit Wasser" näher definiert wird.
2.2 In anderer Besetzung stellte die Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten in dieser Entscheidung fest, dass nicht alle Bewerber die Prüfungsaufgabe B 2021 unter gleichen Bedingungen ablegen konnten. Im Ergebnis liege ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot vor, der sich zum Nachteil eines Teils der Bewerber auf das Prüfungsergebnis ausgewirkt habe und auszugleichen sei. Der Beschwerdeführer machte geltend, dass er gleichermaßen betroffen und die angefochtene Entscheidung aus diesem Grund aufzuheben sei.
2.3 Die Beschwerdekammer schließt sich der Beurteilung der Entscheidung D 8/21 an, dass die Prüfungsbedingungen für die Bewerber ungleich waren (D 8/21, Punkte 10.1 bis 10.4 sowie 12.1; zustimmend auch D 19/21, D 29/21, D 37/21, D 48/21, D 54/21). Dem Anspruch 5 des geänderten Anspruchssatzes des Mandanten wurde in Schritt b das Merkmal "durch Besprühen des Abfalls mit Wasser", das dem ursprünglichen, abhängigen Anspruch 5 entnommen ist, hinzugefügt. In der französischen Fassung ist diese Hinzufügung durch Fettdruck als Änderung des Mandanten hervorgehoben und sogleich erkennbar. In der deutschen (und englischen) Fassung von Anspruch 5 des Anspruchssatzes des Mandanten fehlt eine Hervorhebung. Die Änderung war daher nicht sofort zu erkennen. Erschwerend kam hinzu, dass die Anspruchssätze nicht bei Bedarf ausgedruckt werden konnten und daher am Bildschirm verglichen werden mussten. Selbst wenn die Bewerber die Änderung erkannten, waren sie mit einer unklaren Faktenlage konfrontiert. Sie mussten sich überlegen, ob der fehlende Fettdruck darauf zurückzuführen war, dass die Änderung vom Mandanten nicht beabsichtigt oder lediglich der Kombination der ursprünglichen Ansprüche 4 und 5 geschuldet war, oder ob ein Versehen vorlag. Das Erkennen der Änderung und deren Beurteilung erforderte daher Zeit. Gegenüber einem Bewerber, der die Prüfungsaufgabe B anhand der französischen Unterlagen ablegte, hatte ein Bewerber, der mit der deutschen (oder englischen) Fassung arbeitete, einen Zeitnachteil. Dies unabhängig davon, ob die erwartete Lösung zu Anspruch 5 richtig erkannt wurde oder nicht, da sich der Zeitverlust nicht bloß bei der Bearbeitung des Anspruchs 5 auswirken musste. Da die Bewerber nicht unter gleichen Bedingungen die Prüfungsaufgabe B ablegen konnten, war der Gleichbehandlungsgrundsatz (dazu D 11/19, Punkt 8.2.2) verletzt. Der ungerechtfertigte Nachteil ist im Rahmen des Möglichen auszugleichen.
2.4 Es obliegt prinzipiell nicht der Kammer, sondern der Prüfungskommission zu bestimmen, wie der dem Beschwerdeführer durch die Ungleichbehandlung entstandene Nachteil zu berücksichtigen ist, zum Beispiel durch Vergabe von zusätzlichen Punkten. In der Konsequenz ist es also der Prüfungskommission überlassen, nach Zurückverweisung der Angelegenheit einen nach Art und Ausmaß in der gegebenen Situation angemessenen Ausgleich zu finden und etwa die Benotung gemäß Artikel 6 (5) Satz 2 VEP entsprechend zu korrigieren (zu möglichen Gesichtspunkten, die bei der Findung eines angemessenen Ausgleichs insbesondere für einen Zeitverlust Berücksichtigung finden können siehe D 11/19, Punkt 8.3.5 b) und c), sowie D 37/21, Punkt 23). Für eine Bewertung der Prüfungsarbeit mit 45 Punkten, wie sie der Beschwerdeführer beantragte, sah die Beschwerdekammer unter den gegebenen Umständen keine Handhabe.
2.5 Da die Beschwerde nach dem Vorstehenden Erfolg hat, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und Angelegenheit zur erneuten Entscheidung an die Prüfungskommission zurückzuverweisen.
3. Wassersprühvorrichtung mit Wasserbehälter
3.1 Nach Ansicht des Beschwerdeführers verstößt das laut Prüferbericht im Anspruch 1 aufzunehmende Merkmal der Wassersprühvorrichtung ohne daran angeschlossenen Wasserbehälter gegen Artikel 123 (2) EPÜ. Es liege daher ein Beurteilungsfehler vor, der zu einer Überprüfung der Bewertung führen müsse. Die Beschwerdekammer teilt diese Auffassung nicht.
3.2 Der Beschwerdeführer hat nicht zur Überzeugung der Beschwerdekammer darlegen können, dass der Wasserbehälter als Wasserspeisung mit der Wassersprühvorrichtung untrennbar verknüpft ist. Damit ist auch nicht dargetan, dass die vom Mandanten vorgeschlagene Aufnahme des Anspruchsmerkmals der Wassersprühvorrichtung ohne angeschlossenen Wasserbehälter eine Zwischenverallgemeinerung darstellt. Einen schwerwiegenden Fehler der Bewertungsvorlage ist nicht zu erkennen: Für die Ausführung der Erfindung ist laut den Absätzen [013] und [020] der Beschreibung wesentlich und erforderlich, die Feuchtigkeit im Behälter auch bei Trockenheit anzupassen. Zwischen der hierfür eingesetzten Wassersprühvorrichtung und dem Wasserbehälter besteht kein funktioneller Zusammenhang dahingehend, dass die Art der Wasserspeisung der Wassersprühvorrichtung für die Anpassung der Feuchtigkeit unabdingbar ist. Die Beschwerdekammer teilt auch nicht die Auffassung, dass besonderes Fachwissen erforderlich wäre, um den fehlenden notwendigen Zusammenhang zwischen dem Wasserbehälter und der Wassersprühvorrichtung erkennen zu können.
3.3 Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, dass seine von der Musterlösung abweichenden Definition des Schutzgegenstands von Anspruch 1 durch das Merkmal des an der Wassersprühvorrichtung angeschlossenen Wasserbehälters mehrfach zu Abzügen geführt habe. Es liege insoweit eine unzulässige "Doppelbestrafung" von bloßen Folgefehlern vor.
3.4 Der Umstand, dass die für einen Anspruch zu erreichenden Punkte auf verschiedene Bewertungskategorien aufgeteilt werden, etwa auf die Formulierung der Änderung einerseits und deren Begründung hinsichtlich der Grundlagen für die Änderung, der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit andererseits, ist nicht als Rechts- oder Ermessensfehler zu beanstanden und führt auch zu keiner "Doppelbestrafung" im Sinne der Rechtsprechung (siehe z.B. D 16/17 und D 21/17). Denn die Änderungen eines Anspruchssatzes und die Begründung im Antwortschreiben gegenüber dem EPA, warum die geänderten Ansprüche den Erfordernissen des EPÜ genügen, gehören als komplementäre Gesichtspunkte zusammen und stellen daher keine unterschiedlichen Aufgabenteile dar. Mängel bei der Begründung der unterschiedlichen Erfordernisse des EPÜ rechtfertigen jeweils Punkteabzüge, ohne dass eine Doppelbestrafung vorliegt, selbst wenn die Mängel mit demselben Merkmal im Zusammenhang stehen. Die Begründung der Erfordernisse des EPÜ ist gerade Veranlassung dafür, die vorgeschlagenen Änderungen auf ihre Widerspruchsfreiheit und Rechtskonformität hin zu überprüfen.
3.5 Vorliegend ist nicht ohne Neubewertung der Prüfungsarbeit des Beschwerdeführers feststellbar, ob das von ihm in Anspruch 1 aufgenommene Merkmal (Wassersprühvorrichtung mit daran angeschlossenem Wasserbehälter) unbesehen anderer Mängel in der jeweiligen Begründung der einzelnen Erfordernisse des EPÜ in der Prüfungsarbeit des Beschwerdeführers mehrfach zu Punkteabzügen geführt hat. Anzeichen hierfür finden sich im Prüferbericht keine. Der Prüferbericht weist im Gegenteil darauf hin, dass auch für Änderungen, die vom erwarteten Anspruchssatz abwichen, die volle Punktzahl vergeben werden konnte, was fallweise bewertet wurde. Freilich schließt eine Bewertung vom Schema abweichender Antworten nicht aus, dass diesen im Einzelfall kein Punkt zuerkannt wird, wenn diese nicht vertretbar erscheinen oder eine kompetente Begründung fehlt. Im Ergebnis konnte die Beschwerdekammer daher keinen schwerwiegenden Fehler erkennen.
4. Undurchsichtiger Verschlussdeckel
4.1 In der Erwartung des Prüferberichts, den undurchsichtigen Verschlussdeckel als Merkmal in den Anspruch 1 aufzunehmen, will der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen Regel 22 (3) ABVEP erkennen. "Undurchsichtig" bedeute nicht ausschließlich lichtundurchlässig, sondern sondern auch blickundurchlässig und schließe somit transluzente Materialien, die zwar nicht blickdurchlässig aber lichtdurchlässig seien, mit ein. Daher hätten Bewerber nicht zur erwarteten Lösung gelangen können, ohne faktische Annahmen in Bezug auf die Bedeutung des Merkmals "undurchsichtig" zu treffen.
4.2 Wie der Vertreter des Präsidenten des Rats des Instituts der beim Europäischen Patentamt zugelassenen Vertreter an der mündlichen Verhandlung zutreffend anmerkte, legt der Beschwerdeführer diesem Verständnis des Ausdrucks "undurchsichtig" eigene besondere Kenntnisse im Fachgebiet der Optik zugrunde, was nach Regel 22 (3), Satz 3 ABVEP nicht statthaft ist. Davon abgesehen ist die Interpretation des Beschwerdeführers nach Auffassung der Beschwerdekammer weder mit dem allgemeinen Wortgebrauch noch mit der unzweideutigen Offenbarung in Abschnitt [013] zu vereinbaren. "Undurchsichtig" ist als lichtundurchlässig zu verstehen und in dieser Bedeutung in der Prüfungsaufgabe B auch klar. Daher kann die Beschwerdekammer auch hier keinen schwerwiegenden Fehler in der Beurteilungsgrundlage erkennen.
5. Untere Kammer
5.1 Der Beschwerdeführer rügt, dass das im abhängigen Anspruch 4 erwartete Merkmal der "unteren" Kammer gegen Artikel 84 und 123 (2) EPÜ verstößt und insofern ein weiterer Beurteilungsfehler vorliegt der einen Nachteilsausgleich rechtfertigt.
5.2 Das Vorbringen ist haltlos. Aus dem Prüferbericht geht hervor, dass in Bezug auf die abhängigen Ansprüche lediglich bewertet wurde, ob diese "sinnvoll" bzw. mit korrekter Nummerierung und Rückverweisen versehen sind (Prüferbericht, Seite 12, Punkt 3.4). Die vom Beschwerdeführer gerügten Gesichtspunkte waren für die Bewertung somit gänzlich irrelevant, weshalb sie auch keine falsche Beurteilungsgrundlage bilden können.
5.3 Auch in der Sache vermag der Beschwerdeführer nicht durchzudringen. Die Merkmale "untere" und "obere" Kammer wurden im ursprünglichen Anspruch 1 in der Mitteilung nach Artikel 94 (3) EPÜ nicht als unklar beanstandet. Diese Tatsache durften die Bewerberinnen und Bewerber ihrer Arbeit zugrunde legen. Bei nur zwei Kammern ist sodann nicht ersichtlich, weshalb das Merkmal "untere" deswegen unklar sein soll, weil die "obere" Kammer nicht als solche benannt ist. Eine beliebige Anordnung der beiden Kammern ist dennoch nicht möglich. Die "untere" Kammer dient anspruchsgemäß zum Sammeln von Feuchtigkeit. Die Fließrichtung bestimmt, was "unten" ist. Die zweite Kammer unterhalb der "unteren" Kammer anzuordnen, wie der Beschwerdeführer argumentiert, widerspräche daher dem Anspruchswortlaut. Entsprechendes gilt zum Einwand nach Artikel 123 (2) EPÜ: Dass die "untere" Kammer in Anspruch 4 mangels Bezeichnung der zweiten Kammer als "obere" Kammer in ihrer Anordnung nicht festgelegt ist und daher oberhalb dieser zweiten Kammer angeordnet sein kann, ist - wie dargelegt - konstruiert und daher nicht überzeugend, aber auf jeden Fall irrelevant für die Bewertung. Daher kann die Beschwerdekammer auch hier keinen schwerwiegenden Fehler in der Beurteilungsgrundlage erkennen.
6. Berechnungsverfahren zur Optimierung der Verarbeitung organischen Abfalls
6.1 Der Beschwerdeführer machte schließlich auch geltend, dass die von ihm vorgenommene Änderung am Gegenstand des Anspruchs 6 betreffend das Berechnungsverfahren zur Optimierung der Verarbeitung organischen Abfalls die fehlende Technizität hergestellt habe und der Musterlösung ebenbürtig sei. Die Bewertung mit 0 Punkten verstoße daher gegen das Erfordernis einer gerechten Bewertung von vom Schema abweichenden, aber dennoch zumindest vertretbaren und kompetent begründeten Antworten (D 7/05, ABl. EPA 2007, 378).
6.2 Der vom Beschwerdeführer geänderte Anspruchswortlaut lautet wie folgt:
"Berechnungsverfahren zur Optimierung der Verarbeitung organischen Abfalls (7), das den Schritt der Bereitstellung eines Behälters nach einem der Ansprüche 1 bis 4 und folgende Schritte umfasst:
a. Festlegung eines Zielwerts ZW zu einem Zeitpunkt zp > 0 für die zu diesem Zeitpunkt zp im Abfall (7) vorhandene Menge von Regenwürmern
(8),
b. Empfang von Daten betreffend die Feuchtigkeit des Abfalls (7) und die Menge von Regenwürmern (8) zu einer Vielzahl von Zeitpunkten zp,
c. Ermittlung, ob der Wert für die zum Zeitpunkt zp > 0 im Abfall (7) vorhandene Menge von Regenwürmern (8) dem definierten Zielwert ZW für die Menge von Regenwürmern (8) entspricht, und
d. Empfehlung der Anpassung der Feuchtigkeitsmenge, die zu diesem Zeitpunkt zp dem Abfall (7) zugefügt wird, wenn der Wert für die zum Zeitpunkt zp > 0 im Abfall (7) vorhandene Menge von Regenwürmern (8) dem definierten Zielwert ZW für die Menge von Regenwürmern (8) nicht entspricht."
6.3 Anspruch 6 des Beschwerdeführers ist nach wie vor auf ein "Berechnungsverfahren" gerichtet. Der eingefügte Schritt der Bereitstellung eines Behälters nach einem der Ansprüche 1-4 ist zusammenhanglos. Keiner der Ansprüche 1 bis 4 des Beschwerdeführers sieht irgendwelche Mittel vor, die die Durchführung der Schritte a bis d erlauben würden. Der Anspruchswortlaut stellt auch keinen Konnex zwischen der Bereitstellung des Behälters und den Schritten a bis d etwa dahingehend her, dass der organische Abfall darin verarbeitet und die relevanten Parameter im Behälter erhoben bzw. eingestellt werden. Insgesamt erscheint der Schritt des Bereitstellens eine Behälters nach den Ansprüchen 1 bis 4 als ein willkürlich hinzugefügtes Merkmal, das nichts zum Berechnungsverfahren beiträgt. Dies wirft die Frage auf, ob es überhaupt zu berücksichtigen ist und die fehlende Technizität des beanspruchten Verfahrens herstellen kann. Ohne Mittel der Datenverarbeitung bliebe das "Berechnungsverfahren" ein Verfahren für gedankliche Tätigkeiten, wie es in der Mitteilung nach Artikel 94 (3) EPÜ beanstandet wurde (siehe dort Abschnitt [002]).
6.4 Vor diesem Hintergrund kann der Auffassung des Beschwerdeführers, dass seine Anspruchsformulierung und die erwartete Lösung als gleichwertig zu betrachten sind, nicht gefolgt werden. Die Bewertung mit 0 Punkten ist nicht offensichtlich haltlos und ein schwerwiegender Fehler bei der Bewertung der Arbeit des Beschwerdeführers demzufolge nicht dargetan.
7. Zuerkennung zusätzlicher Punkte oder Festlegung einer bestimmten Note
7.1 Da einzig die Rüge der Verletzung des Gleichbehandlungsgebots Erfolg hat, wobei es der Prüfungskommission überlassen bleibt, nach Zurückverweisung der Angelegenheit einen nach Art und Ausmaß in der gegebenen Situation angemessenen Ausgleich zu finden (oben Punkt 2.4), liegen keine außerordentlichen Gründe vor, die gegen eine Zurückverweisung sprechen. Die Anträge 1 bis 4 sowie 6 und 7 sind daher zurückzuweisen. Auch dem Antrag 5 kann nicht stattgegeben werden, insoweit er einen schwerwiegenden Fehler in der Bewertung unterstellt, ein solcher aber nicht festgestellt werden konnte.
7.2 Im Ergebnis ist die angefochtene Entscheidung dennoch aufzuheben und die Angelegenheit zur erneuten Entscheidung an die Prüfungskommission zurückzuverweisen.
8. Da der vorliegenden Beschwerde stattzugeben ist, entspricht es der Billigkeit, die Rückzahlung der ganzen Beschwerdegebühr gemäß Artikel 24 (4) Satz 3 VEP anzuordnen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung der Prüfungskommission wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird zur erneuten Entscheidung an die Prüfungskommission zurückverwiesen.
3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.