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T 2237/18 (Polystyrolhartschaumstoffe/FROHS) 07-09-2021
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POLYSTYROLHARTSCHAUMSTOFFE
Patentansprüche - Deutlichkeit (nein)
Einwendungen Dritter
I. Die Beschwerde des Anmelders (Beschwerdeführer) richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung Nr. 14 702 860.9 zurückzuweisen.
II. Der angefochtenen Entscheidung lagen zugrunde ein Hauptantrag sowie ein Hilfsantrag. Die Zurückweisung der Anmeldung wurde damit begründet, dass die von Anspruch 1 abhängigen Ansprüche 4 und 13 des Hauptantrags nicht deutlich seien und die abhängigen Ansprüche 4 und 5 nicht ausführbar seien. Die gleichen Gründe wurden gegen die entsprechenden Ansprüche 4, 5 und 14 des Hilfsantrags angeführt.
III. Im Beschwerdeverfahren beantragte der Beschwerdeführer, die Zurückweisung sei aufzuheben und es sei ein Patent zu erteilen auf der Grundlage des Hauptantrags oder eines der Hilfsanträge 1 bis 3, wobei sämtliche Anträge mit der Beschwerdebegründung eingereicht wurden.
Der Hauptantrag im Beschwerdeverfahren ist identisch mit dem von der Prüfungsabteilung zurückgewiesenen Hauptantrag.
IV. Die für die Entscheidung relevante Ansprüche
Anspruch 1 des Hauptantrags lautet:
"1. Polystyrolhartschaumstoff, dadurch gekennzeichnet, dass dieser Hartschaumstoff nicht-graphitische Anthrazitkoksteilchen enthält."
In den abhängigen Ansprüchen 4, 5 und 13 des Hauptantrags wird zudem Folgendes definiert:
Anspruch 4: "... dass die Anthrazitkoksteilchen plättchenförmig sind"
Anspruch 5: "... dass die Anthrazitkokspartikel ein Aspektverhältnis von größer 2 aufweisen"
Anspruch 13: "... dass der Hartschaumstoff ... eine Wärmleitfähigkeit [sic] von 20 mW/mK bis 40 mW/mK aufweist"
Der genaue Wortlaut der Hilfsanträge 1 bis 3 ist nicht relevant. Alle diese Anträge umfassen einen Anspruch, der auf den Gegenstand von Anspruch 13 des Hauptantrags gerichtet ist.
V. Die Kammer erließ eine Mitteilung in Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung. Darin erläuterte sie unter anderem ihre vorläufige Ansicht zur Deutlichkeit der Ansprüche 4, 5 und 13.
VI. Eine mündliche Verhandlung vor der Kammer fand statt. Der Beschwerdeführer blieb bei seinen mit der Beschwerdebegründung gestellten Anträge (siehe oben, Punkt III). Am Ende der Verhandlung wurde die Entscheidung verkündet.
VII. In dieser Entscheidung sind folgende Dokumente erwähnt:
Anlage D: |H. Winterling et al. "Rigid polystyrene foam (EPS, XPS)", Kunststoffe international, 10/2011, Seiten 18 bis 21|
Anlage E: |WO 97/45477 |
Anlage F: |Produktinformation: "FOAMULAR® Extruded Polystyrene (XPS) Insulation" (Printed in U.S.A. September 2011) |
Annex H-1:|N.N., "EPS Silver is aiming to conquer the insulation products market" (6. Juni 2017) |
Annex H-2:|Auszug der technischen Informationen über EPS Silver der Firma Synthos (© 2017) |
Annex H-3:|"Silver FG/F - standard sales specification" (issued: 25. Juli 2018) |
Annex H-4:|"Silver FG/F - technical data sheet" (date of edition: 2. Februar 2018) |
Annex I-1:|Kopie aus der Erklärung von Dr. Kondratowicz vom 12. Januar 2017 mit markierter Figur M |
Anlage K-1:|"Wärmeleitfähigkeit" gefunden auf: https://de.wikipedia.org/wiki/Wärmeleitfähigkeit (30. Oktober 2020)|
Anlagen D bis F wurden im Rahmen von Einwendungen Dritter, datiert 12. Januar 2017, vorgelegt.
Annex H-1 bis H-4 sowie I-1 wurden von dem Beschwerdeführer mit der Beschwerdebegründung vorgelegt.
Anlage K-1 wurde von der Kammer in Anlage zur Mitteilung geschickt.
VIII. Die Argumente des Beschwerdeführers können, soweit für die vorliegende Entscheidung relevant, wie folgt zusammengefasst werden:
Anspruch 4:
Aus der Patentanmeldung gehe hervor, was unter dem Begriff ,,plättchenförmig" zu verstehen sei. Zudem sei der Begriff ,,plättchenförmig" dem Fachmann geläufig. Dies sei ersichtlich aus den Einwendungen Dritter. Vereinfacht gesagt, liege ein Plättchen vor, wenn die Länge des Plättchens größer als dessen Dicke sei.
Anspruch 5:
Das Aspektverhältnis sei eine bekannte Kenngröße und werde durch Analysegeräte bestimmt.
Anspruch 13:
Alle Messmethoden zur Bestimmung der Wärmeleitfähigkeit führten zum gleichen Ergebnis, ohne dass für den Fachmann signifikante Unterschiede festzustellen seien. Dies ergebe sich aus Annex H-1 bis H-4 sowie aus Anlage D und F (Informationsmaterial zu extrudierten Polystyrol-Hartschaum (XPS) oder Polystyrol-Partikelschaum (EPS) aus der Hand von Mitbewerbern), die allesamt keine Messmethode erwähnten. Somit sei im vorliegenden Fall die Angabe der Messmethode für den Fachmann nicht erforderlich.
1. Die Anmeldung betrifft Polystyrolhartschaumstoffe enthaltend nicht-graphitische Anthrazitkoksteilchen. Diese Teilchen absorbieren durch Infrarotstrahlung bedingte Wärme, und setzen die Wärmeleitfähigkeit der Formkörper aus den Polystyrolhartschaumstoffen herab. Anmeldungsgemäß wird nicht-graphitisches Anthrazitkoks aus Anthrazit erhalten, bevorzugt durch Gaskalzinierung bei Temperaturen in einem Bereich von 1200°C bis 1500°C. Dabei findet die Ausbildung von graphitischen Bereichen nicht statt. Die Teilchen werden durch Mahlung erzeugt (Anmeldung, Seite 1, Zeilen 3 bis 29; Seite 7, Zeile 23 bis Seite 8, Zeile 2; Seite 12, Zeilen 23 bis 25).
2. Zum Verständnis der in dieser Entscheidung erörterten Sachverhalte ist es zweckmäßig vorauszuschicken, dass im Verfahren vor der Prüfungsabteilung mehrfach Einwendungen Dritter nach Artikel 115 EPÜ vorgelegt wurden, die teils sehr umfangreich waren. Sie betrafen die Patentierbarkeit im engeren und weiteren Sinne, unter anderem die Deutlichkeit der Ansprüche (einschließlich der abhängigen Ansprüche) und die Ausführbarkeit der Erfindung.
2.1 Unter diesen Einwendungen Dritter wurde mit einem Schreiben, datiert 12. Januar 2017, eine Erklärung von Herrn Filip Kondratowicz eingereicht, der nach eigener Aussage zu dem Zeitpunkt als R&D Team Leader bei der Firma Synthos eingestellt war. In dieser Erklärung werden unter anderem Versuche beschrieben, in welchen anmeldungsgemäße, nicht-graphitische Anthrazitkoksteilchen nachgearbeitet wurden. Die Erklärung umfasst Messergebnisse sowie Raster-Elektronenmikroskop-Aufnahmen der Teilchen, unter anderem Abbildungen L bis N. Es wurden auch weitere Dokumente eingereicht, unter anderem Anlagen D bis F.
2.2 Sowohl im Prüfungs- als auch im Beschwerdeverfahren wurde auf ein Teil der mit diesen Einwendungen Dritter eingereichten Dokumente und Unterlagen Bezug genommen.
3. Deutlichkeit der Patentansprüche
3.1 Artikel 84 EPÜ lautet:
"Die Patentansprüche müssen den Gegenstand angeben, für den Schutz begehrt wird. Sie müssen deutlich und knapp gefasst sein und von der Beschreibung gestützt werden."
3.2 Dieser Artikel fordert nicht lediglich, dass der Fachmann in der Lage sein soll den Anspruch zu verstehen und zu interpretieren. Vielmehr geht es darum, dass die Ansprüche angeben sollen, für welchen Gegenstand Schutz begehrt wird. Der von den Beschwerdekammern allgemein anerkannte Zweck dieses Artikels ist es, dass die Öffentlichkeit nicht im Unklaren gelassen werden soll, was unter dem Anspruch fällt und was nicht. Dies wurde auch wiederholt in Entscheidungen der Beschwerdekammern festgehalten, wie beispielsweise ersichtlich aus der Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 9. Auflage, 2019, Kapitel II.A.1.1, dritter Absatz.
3.3 Vorliegend ist also die Frage zu untersuchen, ob die abhängigen Ansprüche 4, 5 und 13 deutlich sind, d.h. ob diese Ansprüche deutlich darlegen, für welchen Gegenstand Schutz begehrt wird.
4. Mangelnde Deutlichkeit - Hauptantrag, Anspruch 4
4.1 Der abhängige Anspruch 4 definiert unter anderem, dass die Anthrazitkoksteilchen plättchenförmig sind.
4.2 Die Prüfungsabteilung sah dieses Merkmal als nicht deutlich an. Sie begründete dies damit, dass ausweislich des Anspruchs 5 - der nur von Anspruch 4 abhängig ist, und somit eine bevorzugte Ausführungsform des Gegenstandes von Anspruch 4 beschreibt - abgeleitet werden könne, dass selbst Teilchen mit einem Aspektverhältnis von kleiner oder gleich 2 als plättchenförmig anzusehen seien. Diese Interpretation widerspreche dem allgemeinen Sprachgebrauch. Dadurch ergäben sich erhebliche Zweifel hinsichtlich der beabsichtigten Bedeutung des Merkmals "plattchenförmig" in Anspruch 4.
4.3 Der Beschwerdeführer hat folgendermaßen argumentiert:
- Figur 1 der Patentanmeldung zeige das Aspektverhältnis einer Plättchenform auf. Daher gehe aus der Patentanmeldung hervor, was unter dem Begriff ,,plättchenförmig" zu verstehen sei.
- Zudem sei der Begriff ,,plättchenförmig" dem Fachmann geläufig. Dies sei ersichtlich aus der Erklärung von Dr. Kondratowicz: nach dessen Aussage wiesen die gaskalzienierten Anthrazitkoksteilchen, die auf den der Erklärung beigefügten Abbildungen L bis N abgebildet sind, keine Plättchenform auf. Aus dieser Aussage könne gefolgert werden, dass der Begriff "plättchenförmig" dem Fachmann geläufig sei.
- Vereinfacht gesagt, liege also ein Plättchen vor, wenn die Länge des Plättchens größer als dessen Dicke sei.
4.4 Dies ist nicht überzeugend.
4.4.1 Vorausgeschickt sei, dass es hier nicht darum geht, ob der Ausdruck "plättchenförmig" an sich geläufig ist oder im Allgemeinen deutlich ist. Die Frage ist vielmehr, ob dieser Ausdruck in Kontext der nicht-graphitischen Anthrazitkoksteilchen von Anspruch 1 geeignet ist, den Gegenstand zu definieren, für den Schutz begehrt wird. Ferner sind in diesem Zusammenhang die Einwendungen Dritter zu berücksichtigen: Diese zeigen, dass es fraglich ist, ob nicht-graphitischen Anthrazitkoksteilchen, die unbestritten nach anmeldungsgemäßer Vorschrift hergestellt wurden, plättchenförmig sind oder nicht. Der Beschwerdeführer hat keine eigenen Versuche vorgelegt, die die Ausführungen aus dem Einwendungen Dritter hätten entkräften können.
4.4.2 Der Beschwerdeführer hat vorgetragen, dass aus der Patentanmeldung, zumal aus Figur 1 (s. unten), hervorgehe, wie eine Plättchenform aussehe.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Allerdings zeigt diese schematische Figur ein Prisma mit regelmäßiger sechseckiger Grundfläche. Das Aspektverhältnis (hier berechnet aus: Verhältnis von Kreisdurchmesser D zu Höhe T) soll mit dieser Figur bildlich dargestellt werden. Diese Figur ist daher nicht geeignet eine genaue Definition des Ausdrucks "plättchenförmig" zu stützen.
4.4.3 Aus der Erklärung von Dr. Kondratowicz geht hervor, dass die gaskalzinierten (d.h. anmeldungsgemäßen, nicht-graphitischen) Anthrazitkoksteilchen der Abbildungen L bis N eher eine irreguläre als eine längliche oder plättchenartige Form aufwiesen ("... have an irregular rather than an oblate or platelet-like shape", Punkt 37). Daraus kann allerdings nicht eindeutig gefolgert werden, dass Dr. Kondratowicz - den der Beschwerdeführer als Fachmann bezeichnet - eine abschließende Definition für den Begriff "plättchenförmig" kennt. Es ist auch nicht eindeutig, dass eine etwaige von Dr. Kondratowicz herangezogene Definition mit derjenigen des Beschwerdeführers übereinstimmen würde.
4.4.4 Dies wird auch gestützt durch die eigenen Aussagen des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit der von ihm eingereichten Anlage I-1. In diesem Dokument hatte er in der Abbildung M aus der Erklärung von Dr. Kondratowicz diejenigen Teilchen markiert (mit Hilfe von Strichen aus dem Bildrand auf das jeweilige Teilchen), die der Beschwerdeführer als plättchenförmig ansah. Der maßgebliche Ausschnitt aus Anlage I-1 ist der Folgende:
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Es ist jedoch nicht nachzuvollziehen, auf der Basis welcher Kriterien der Beschwerdeführer unter den Teilchen (die laut Dr. Kondratowicz eher eine irreguläre Form aufwiesen) diejenige Population an Teilchen ausgewählt hat, die er als plättchenförmig ansah. Dies bedeutet, dass die Auswahl nur nach subjektiven Kriterien erfolgen kann und dass eine zweifelsfreie Charakterisierung, welche Teilchen plättchenförmig sind, nicht möglich ist.
4.4.5 In der Beschwerdebegründung hat der Beschwerdeführer eine weitere Definition nahegelegt, nämlich dass ein Plättchen vorliege, wenn die Länge des Plättchens größer als dessen Dicke sei.
Genau dieser Auslegung hat die Prüfungsabteilung zurecht nicht zugestimmt. Erstens widerspricht diese Interpretation dem allgemeinen Sprachgebrauch. Zweitens ergibt sich diese spezifische Definition nicht aus dem Wortlaut von Anspruch 4. Und drittens ist diese Definition nicht konsistent mit den Ausführungen des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit Anlage I-1 (siehe Punkt 4.4.4): Der Beschwerdeführer sieht nämlich nicht alle Teilchen mit irregulärer Form, bei welchen die Länge aber zwangsläufig größer als deren Dicke sein muss, als plättchenförmig an.
4.4.6 Aufgrund dieser gegenläufigen und widersprüchlichen Auslegungen ist es für die Kammer augenscheinlich, dass der Begriff "plättchenförmig" nicht geeignet ist, die Morphologie der nicht-graphitischen Anthrazitkoksteilchen näher zu definieren, für die Schutz begehrt wird.
4.5 In der Verhandlung trug der Beschwerdeführer zum ersten Mal vor, dass es sich bereits aus dem Verfahren zur Herstellung von Anthrazitkoks ergebe, dass die nach Mahlung erhaltenen Teilchen unausweichlich plättchenförmig seien. Die thermische Behandlung, insbesondere die Gaskalzinierung, erzeuge eine geordnetere Struktur, die bei Mahlung zu plättchenförmige Strukturen an den Abbruchkanten führe.
Es mag zwar sein, dass eine geordnetere (aber gemäß Anspruch 1 noch immer nicht-graphitische) Struktur dazu neigt, bei Mahlung bestimmte Abbruchkanten auszubilden. Der Erklärungsansatz des Beschwerdeführers kann allerdings nicht eine Definition ersetzen, was ein plättchenförmiges, nicht-graphitisches Anthrazitkoksteilchen ist und was keines ist.
4.6 Daher ist der Gegenstand von Anspruch 4 nicht deutlich (Artikel 84 EPÜ).
5. Mangelnde Deutlichkeit - Hauptantrag, Anspruch 5
5.1 In Anspruch 5 wird unter anderem definiert, dass die Anthrazitkokspartikel ein Aspektverhältnis von größer 2 aufweisen. Anmeldungsgemäß scheinen die Ausdrücke Anthrazitkokspartikel und Anthrazitkoksteilchen keine unterschiedliche Bedeutung zu haben. Sie haben daher in dieser Anmeldung dieselbe Bedeutung.
5.2 Aus Anspruch 5 ist jedoch nicht ersichtlich welche zwei Größen eines Teilchens miteinander in Verhältnis zu setzen sind, um das anspruchsgemäße Aspektverhältnis zu ermitteln. Aus der Beschreibung der Anmeldung (Seite 6, Zeilen 24 bis 26) und Figur 1 geht hervor, dass unter dem Aspektverhältnis der Kreisdurchmesser (D) der Fläche des Plättchens zu der Dicke (T) des Plättchens verstanden wird. Es werden also zwei konkrete Dimensionen genannt, die miteinander in einem bestimmten Verhältnis von Zähler und Nenner zu setzten sind. Diesen Angaben fehlen in Anspruch 5. Bereits aus diesem Grund ist der Anspruch nicht deutlich.
5.3 Darüber hinaus gibt die Anmeldung auch nicht Auskunft darüber, wie eine solche Vermessung bei Teilchen mit irregulärer Form, wie sie z.B. in den vorgenannten Abbildungen L bis N dargestellt sind, durchgeführt werden kann.
5.4 Der Gegenstand von Anspruch 5 ist daher nicht deutlich (Artikel 84 EPÜ).
6. Mangelnde Deutlichkeit - Hauptantrag, Anspruch 13
6.1 In Anspruch 13 wird nicht angegeben, nach welcher Messmethode die dort erwähnte Wärmeleitfähigkeit zu bestimmen ist. Die Prüfungsabteilung hat entschieden, dass dieser Anspruch nicht deutlich im Sinne von Artikel 84 EPÜ sei.
6.2 Die Anmelderin hatte in der Verhandlung vor der Prüfungsabteilung vorgetragen, der Fachmann wisse, dass die Wärmeleitfähigkeit mit der Vorschrift EN 12667 zu bestimmen sei.
Die Kammer stimmt der Prüfungsabteilung darin zu, dass dies nicht überzeugend ist. Zum einen wurden keine Belege eingereicht, dass am Anmeldetag EN 12667 die maßgebliche Norm im relevanten technischen Gebiet war, zum anderen ist in der Erklärung von Dr. Kondratowicz (Punkt 41) eine andere Messmethode zur Bestimmung der Wärmeleitfähigkeit, nämlich ISO 8301, verwendet worden.
6.3 Die Beschwerdeführerin hat argumentiert, dass alle Messmethoden zum gleichen Ergebnis führten, zumindest innerhalb eines tolerablen Bereichs. Daher sei die Angabe der Messmethode im vorliegenden Fall nicht erforderlich. Als Begründung wurde angeführt, dass in Annex H-1 bis H-4 sowie in Anlage D und F zwar eine Wärmeleitfähigkeit aber keine Messmethode offenbart wurde. Diese Dokumente betrafen Informationsmaterial zu extrudierten Polystyrol-Hartschaum (XPS) oder Polystyrol-Partikelschaum (EPS) aus der Hand von Mitbewerbern. Das könne nur bedeuten, dass etwaige Abweichungen zwischen den Messmethoden für den Fachmann nicht signifikant seien.
6.4 Auch dies ist nicht überzeugend.
6.4.1 Aus Anlage K-1 ist offenkundig, dass unterschiedliche Verfahren zur Bestimmung der Wärmeleitfähigkeit existieren. Beispielsweise werden im Bauwesen seit Einführung der Europäischen Bauprodukteverordnung 2013 drei verschiedene Größen parallel zur Kennzeichnung von Wärmedämmstoffen und zur Berechnung verwendet:
- lambdaD, Nennwert der Wärmeleitfähigkeit gemäß CE-Kennzeichnung
- lambdaB, Bemessungswert der Wärmeleitfähigkeit gemäß DIN 4108-4
- lambdagrenz, Grenzwert der Wärmeleitfähigkeit gemäß allgemeiner Bauaufsichtlicher Zulassung (ABZ) eines Bauproduktes
Laut Anlage K-1 unterscheiden sich diese Werte voneinander, je nach der Art der Ermittlung und Verwendung. Zudem hängt die Wärmeleitfähigkeit von extrudierten Polystyrol-Schäumen von der herrschenden Temperatur ab: Die Wärmeleitfähigkeit ist eine Stoffkonstante bei einem definierten Umgebungsklima (Temperatur und Luftfeuchte).
6.4.2 Es ist also aus Anlage K-1 ersichtlich, dass sich die Werte für die Wärmeleitfähigkeit unterscheiden, je nach Art der Ermittlung und Verwendung. Der Beschwerdeführer hat für die Behauptung, dass Abweichungen zwischen den Messmethoden für den Fachmann nicht signifikant seien nichts vorgelegt, außer dem Verweis auf die fehlende Offenbarung einer Messmethode in Annex H-1 bis H-4 sowie in Anlage D und F. Obgleich es an ihm lag zu zeigen, dass alle Methoden gleich(wertig) waren, hat er keine nachprüfbaren Angaben zu den etwaigen Abweichungen vorgelegt. Somit kann sich die Kammer nicht selbst ein Bild machen, ob diese signifikant oder tolerabel sind. Die vom Beschwerdeführer selbst während der mündlichen Verhandlung in Spiel gebrachte mögliche Abweichungen von 10% bis 15% sind jedenfalls nicht geeignet, deutlich anzugeben für welchen Gegenstand Schutz begehrt wird. Es macht einen Unterschied, ob der Fachmann für einen Hartschaumstoff mit Messmethode A eine Wärmeleitfähigkeit von 38 mW/mK ermittelt (dann entspricht er der Maßgabe von Anspruch 13) oder ob er für denselben Hartschaumstoff mit einer anderen Messmethode B eine Wärmeleitfähigkeit von 42 mW/mK ermittelt (dann entspricht er der Maßgabe von Anspruch 13 nicht).
6.4.3 Die Kammer weist auch auf Anlage E der Einwendungen Dritter hin. In dieser Patentanmeldung wird in Anspruch 13, im Zusammenhang mit den Angaben zur Wärmeleitfähigkeit und Wärmeleitklasse, eine Methode ausdrücklich erwähnt.
Dies bestärkt die Kammer darin, dass es bei der Angabe von Wärmeleitfähigkeitswerten erforderlich ist, die Messmethode anzuführen, zumal wenn es darum geht, zweifelsfrei Messwerte zu beschreiben.
6.4.4 Es ist daher unerheblich, weshalb in den von den Beschwerdeführer erwähnten Dokumenten, Annex H-1 bis H-4 und Anlagen D und F, die Messmethode zur Bestimmung der Wärmeleitfähigkeit nicht angegeben ist. Ob das daran liegt, dass es bei diesen Dokumenten, anders als bei Anlage E, überwiegend um Informations- oder Werbematerial handelt, und dabei die Angabe einer Messmethode nicht zwingend erforderlich ist, mag dahinstehen. Für die Kammer ist es auch unerheblich, dass in Annex H-3 und H-4 zwar eine Messmethode für Parameter des Flammschutzes ("Flammability Class", "Reaction to fire") angegeben ist, nicht aber für die Wärmeleitfähigkeit. Das mag daran liegen, dass die Produkte in Annex H-3 und H-4 als "Flame retardant expandable polystyrene" ausgelobt werden, ist letztlich aber nicht relevant.
6.5 Zusammenfassend ist die Kammer daher nicht davon überzeugt, dass die Angabe einer Messmethode im vorliegenden Fall nicht erforderlich ist. Anspruch 13 ist nicht deutlich (Artikel 84 EPÜ).
7. Mangelnde Deutlichkeit - Hilfsanträge
7.1 In allen Hilfsanträgen wird in einem abhängigen Anspruch 12, wie in Anspruch 13 des Hauptantrags, gefordert, dass der Hartschaumstoff eine Wärmeleitfähigkeit von 20 mW/mK bis 40 mW/mK aufweist. Eine Messmethode ist nicht angegeben.
7.2 Wie bereits oben in Punkt 6 dargelegt, ist vorliegend eine anspruchsgemäß geforderte Wärmeleitfähigkeit ohne Angabe der Messmethode nicht deutlich. Anspruch 12 der Hilfsanträge 1 bis 3 ist daher nicht deutlich (Artikel 84 EPÜ).
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.