T 0518/20 03-03-2022
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Kreislaufsystem für ein Nutzfahrzeug
Ausreichende Offenbarung - Hauptantrag (nein)
Ausreichende Offenbarung - Hilfsantrag 4 (ja)
Neuheit - Hilfsanträge 1 bis 3 (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag 4 (ja)
Klarheit - Hilfsantrag 4 (ja)
Zulassung in das Verfahren - erstmal im Beschwerdeverfahren vorgebrachte Angriffslinie (nein)
I. Die Beschwerden richten sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 2660086 in geändertem Umfang, zur Post gegeben am 20. Dezember 2019.
II. Die Einspruchsabteilung hat im wesentlichen entschieden, dass das erteilte Patent nicht so deutlich und vollständig offenbart ist, dass die in Anspruch 1 definierte Erfindung vom Fachmann ausgeführt werden kann. Des weiteren war sie der Auffassung, dass der Gegenstand des jeweiligen Anspruchs 1 der Hilfsanträge 1 bis 3 nicht neu gegenüber dem Dokument
E3 (EP 1447249 A2)
ist. Den Hilfsantrag 4 hat die Einspruchsabteilung als Grundlage für eine Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang gesehen. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht demnach auf einer erfinderischen Tätigkeit, ausgehend von E3 in Kombination mit den Dokumenten
E8 (EP2437005A1)
E10 (Gabriele Raabe et al.: Untersuchtung eines CO2 Ejektorkreislaufs für Omnibusklimaanlagen)
III. Am 3. März 2022 wurde vor der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts mündlich verhandelt.
Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin 01) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag). Hilfsweise beantragte sie die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang in der Fassung der Hilfsanträge 1,2,3,4,5,5.1,5.2,5.3,5.4, 6, 6.1 bis 6.5, eingereicht mit der Beschwerdebegründung, erstmals vorgelegt im Einspruchsverfahren am 23. August 2019.
Der Hilfsantrag 4 entspricht der Zurückweisung der Beschwerde der Einsprechenden.
Die Einsprechende (Beschwerdeführerin 02) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
IV. Anspruch 1 wie erteilt lautet:
Kreislaufsystem für ein Nutzfahrzeug, umfassend:
- einen ersten Kreislauf (10), der ein erstes Fluid (F1) führt und der vorzugsweise ein Kältekreislauf ist, und
- einen zweiten Kreislauf (20), der ein zweites Fluid (F2) führt und der vorzugsweise ein Heizkreislauf ist,
wobei
- ein Wärmetauscher (WT1) vorgesehen ist,dem in Abhängigkeit der Kreislaufsystem-Modi das erste Fluid (F1) zuführbar ist, um eine Wärmetauschverbindung mit dem zweiten Kreislauf (20) zu realisieren,
und vorzugsweise nicht zuführbar ist, um die Wärmetauschverbindung mit dem zweiten Kreislauf (20) zu verhindern,
und der Wärmetauscher (WT1) in Abhängigkeit des Kreislaufsystem-Modus als Kondensator/Gaskühler wirkt, zumindest im Reheat-Modus;
und/oder
- der erste Kreislauf (10) ein Expansionsorgan(EO) umfasst, dem in Abhängigkeit der Kreislaufsystem-Modi das erste Fluid (F1) zuführbar ist, um das erste Fluid (F1) expansionsorganbeaufschlagt einem weiteren Wärmetauscher (WT2) zuzuführen,
und vorzugsweise nicht zuführbar ist, um das erste Fluid (F1) unter Umgehung des Expansionsorgans (EO) dem weiteren Wärmetauscher (WT2) zuzuführen, und der weitere Wärmetauscher (WT2) in Abhängigkeit des Kreislaufsystem-Modus als Verdampferoder Kondensator/Gaskühler wirkt, nämlich im Reheat-Modus als Verdampfer und im AbtauModus, im Heiz- und Abtau-Modus und/oder im Kühl-Modus als Kondensator/Gaskühler.
V. Der Wortlaut des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 entspricht dem des Hauptantrags wobei die "und/oder" Variante wegfällt. Damit lautet der Anspruch wie folgt:
Kreislaufsystem für ein Nutzfahrzeug, umfassend:
- einen ersten Kreislauf (10), der ein erstes Fluid(F1) führt und der vorzugsweise ein Kältekreislauf ist, und
- einen zweiten Kreislauf (20), der ein zweites Fluid (F2) führt und der vorzugsweise ein Heizkreislauf ist,
wobei
- ein Wärmetauscher (WT1) vorgesehen ist,dem in Abhängigkeit der Kreislaufsystem-Modi das erste Fluid (F1) zuführbar ist, um eine Wärmetauschverbindung mit dem zweiten Kreislauf (20) zu realisieren,
und vorzugsweise nicht zuführbar ist, um die Wärmetauschverbindung mit dem zweiten Kreislauf (20) zu verhindern,
und der Wärmetauscher (WT1) in Abhängigkeit des Kreislaufsystem-Modus als Kondensator/Gaskühler wirkt, zumindest im Reheat-Modus.
VI. Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 weist gegenüber dem des Hilfsantrags 1 noch das folgende Merkmale auf:
... und wobei der erste Kreislauf (10) zumindest einen Verdampfer (V1, V2) umfasst, der als reiner Verdampfer ausgeführt ist.
VII. Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 weist gegenüber dem des Hilfsantrags 1 weiter das folgende Merkmale auf:
... und wobei der zweite Kreislauf (20) mit einem Hybrid- und/oder Elektromotor des Nutzfahrzeugs in Wirkverbindung steht und eine Kondenswärme und/oder eine Wärme des ersten Fluids (F1) für eine Motor-Vorwärmung nutzbar ist.
VIII. Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 weist gegenüber dem des Hilfsantrags 1 noch das folgende Merkmale auf:
... und wobei das Kreislaufsystem mit einer Aufdachanlage und einer Frontbox des Nutzfahrzeugs in Wirkverbindung steht zur Nutzung einer Kondenswärme und/oder einer Wärme des ersten Fluids (F1) aus dem ersten Kreislauf (10) in unterschiedlichen Modi der Aufdachanlage und der Frontbox, nämlich Kühl-Modus / Heiz-Modus,Kühl-Modus / Reheat-Modus und/oder Heiz-Modus / Reheat-Modus.
IX. Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin 01) brachte im Wesentlichen die folgenden Argumente vor:
Die Erfindung sei deutlich und vollständig offenbart. So wisse der Fachmann aus dem Bereich der Klimaanlagen genau, wie die verschiedenen Ventile auszugestalten und zu schalten seien, um den gewünschten Betriebsmodus einzustellen. So sei auch klar, dass - wenn der Wärmetauscher WT2 als Verdampfer arbeiten solle - dies nur geschehen könne, wenn das Expansionsventil EO nicht umgangen werde. Die Verdampferleistung bzw. der Umfang der Verdampfung könne dann durch eine Steuerung des Gebläses erfolgen, wie dies in Paragraph [0055] bzw. [0057] offenbart sei. Ebenfalls sei dem Fachmann bekannt, dass alle Expansionsventile als steuerbare Ventile ausgestaltet sein können. Vor allem aber kenne der Fachmann das Verhalten des Kältemittels in den verschiedenen Modi, ebenso wie dessen thermodynamisches Verhalten, und die Auslegung von Betriebsmodi mit Hilfe von sogenannten p-h-Diagrammen.
Auch sei der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 schon deshalb neu gegenüber E3, weil E3 keinen Reheat-Modus offenbare. So stelle die von der Einsprechenden genannte Passage in Paragraph [0040] die Aufheizung des Motorkühlwassers in den Vordergrund und nicht die Entfeuchtung des Innenraums.
Ebenfalls sei das zusätzliche Merkmal des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 nicht in E3 offenbart. Dort könne das Expansionsventil, welches den Innenraumverdampfern vorgeschaltet sei nämlich umgangen werden, so dass dann diese Verdampfer nicht mehr als Verdampfer arbeiteten. Das aber sei mit dem Merkmal "reine Verdampfer" im Anspruch 1 nicht gemeint.
Das zusätzliche Merkmal des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 sei ebenfalls nicht in E3 offenbart. In E3 sei ein Verbrennungsmotor gezeigt und eben kein Elektro- oder Hybridmotor. So könne nicht davon ausgegangen werden, dass die in Fig. 1 der E3 gezeigte Wasserpumpe bei nicht laufendem Motor angetrieben werde; dies sei auch nicht in der Beschreibung offenbart. Dann aber könne keine Vorheizung des Motors stattfinden.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 4 beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit. Hier werde den Argumenten der Einspruchsabteilung gefolgt.
Es sei nicht erkennbar, warum der Gegenstand nicht klar oder nicht ausreichend offenbart sein solle. So sei bereits aus sich heraus klar, was unter der Nutzung der Kondenswärme zu verstehen sei. Auch sei erklärt, dass das erste Fluid im Wärmetauscher WT1 kondensieren könne und die dabei entstehende Wärme im zweiten Kreislauf genutzt werde.
Keines der Dokumente zeige unterschiedliche Betriebsmodi für eine Frontbox oder eine Aufdachanlage, so dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 4 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Zur Verbesserung der Kreislaufanlage ausgehend von E3 müsste der Fachmann zunächst erkennen, dass eine Verdopplung der Innenraumwärmetauscher (evaporator und heater core) vorzunehmen sei, diese jeweils einer Frontbox bzw. einer Aufdachanlage zuzuordnen und weiterhin, sie mit Einrichtungen zu versehen, die unterschiedliche Betriebsmodi einzustellen erlaube.
Die erstmals mit der Beschwerdebegründung vorgelegte Argumentationslinie zum Mangel an erfinderischer Tätigkeit dürfe nach der geänderten Verfahrensordnung in 2020 nicht in das Verfahren zugelassen werden. Diese Argumente hätte die Einsprechende bereits vor der ersten Instanz vorbringen können.
X. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin 02) erwiderte die Argumente wie folgt:
Der Gegenstand des Anspruchs 1 wie erteilt sei nicht ausführbar auf Grundlage dessen, was das Streitpatent offenbare. Figur 5 und die dazugehörige Beschreibung offenbare einen Reheat-Betriebsmodus. Dort aber sei das Expansionsventil EO nicht in den Kreislauf eingebunden sondern überbrückt, so dass der Wärmetauscher WT2 nicht als Verdampfer arbeiten könne. Dies aber fordere Anspruch 1. Auch die Passage in den Paragraphen [0055] und [0057] beschrieben dies nicht. In der Gesamtschau der Patentschrift fehlten Informationen, wie die Anlage im Reheat-Modus zu betreiben sei, wenn WT2 als Verdampfer arbeite.
Es werde darauf hingewiesen, dass die Informationen, die die Patentinhaberin mit der Beschwerdebegründung gegeben habe, nicht ohne weiteres für den Fachmann aus der Beschreibung des Streitpatents zu entnehmen seien, daher dürften sie nun nicht dazu verwendet werden, die vorhandenen Offenbarungslücken zu schliessen.
Der Gegenstand des jeweiligen Anspruchs 1 der Hilfsanträge 1 sei nicht neu gegenüber dem Dokument E3. Dort sei klar ein "dehumidifying / heating mode" beschrieben, der sich nicht nur auf das Aufheizen des Motorkühlwassers sondern auch explizit auf die Entfeuchtung des Innenraums beziehe.
Alle zusätzlichen Merkmale die dem Anspruch 1 in den Hilfsanträgen 2 und 3 hinzugefügt wurden, seien ebenfalls aus E3 bekannt. So sei nicht erkennbar, worin sich der Innenraum-Verdampfer in E3 von einem "reinen Verdampfer" unterscheide. Wenn gemeint sei, dass dieser immer ein Expansionsventil vorgeschaltet haben müsse, so hätte genau dies definiert werden müssen. Das Streitpatent offenbare auch nicht, worin sich ein "reiner Verdampfer", etwa konstruktiv, von einem dem Fachmann bekannten üblichen Verdampfer für Klimaanlagen unterscheide.
Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, insbesondere wenn die Offenbarung des Dokuments E3 mit der der Dokumente E8 und E10 kombiniert werde. In E10 sei darauf hingewiesen, dass Fahrer- und Fahrgastraum mit unterschiedlichen Druckniveaus und damit auch verschiedenen Verdampfertemperaturen betrieben werden können. Daraus könne der Fachmann schliessen, dass sich unterschiedliche Betriebsmodi vorteilhaft einsetzen ließen. Eine Frontbox und eine Aufdachanlage seien auf einem Foto des Fahrzeugs zu erkennen.
Der E8 könne entnommen werden, dass für jeden der zu klimatisierenden Bereiche ein Wärmetauscher vorzusehen und parallel zu schalten sei. Dabei sei gezeigt, dass jeder Wärmetauscher zu- oder abgeschaltet werden könne, so dass sich damit die unterschiedlichen Betriebsmodi realisieren ließen.
Des weiteren sei Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 nicht klar, da nicht erkennbar sei, wo die Kondenswärme anfalle und in welcher Weise diese genutzt werde. Auch sei der Begriff "Wärme des ersten Fluids" unklar. Die in Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 definierte Erfindung sei des weiteren nicht ausführbar. Der Fachmann könne an keiner Stelle der Beschreibung entnehmen, wie zwei der Kombinationen der Betriebsmodi gleichzeitig ausgeführt werden könnten.
1. Die Kammer bestätigt vollumfänglich die Entscheidung der Einspruchsabteilung hinsichtlich der dort getätigten Feststellungen zum Hauptantrag und zu den Hilfsanträgen 1 bis 4.
Die Feststellungen im Detail:
2. Die im erteilten Anspruch 1 definierte Erfindung ist nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann, Artikel 100 b) EPÜ.
Auf die Begründung in der Entscheidung der Einspruchsabteilung wird ausdrücklich Bezug genommen, siehe dort Punkt 6.1.
Insbesondere steht die Darstellung der Figur 5 des Streitpatents im Widerspruch zu dem Merkmal M4.5 (vgl. Merkmalsgliederung in der Entscheidung der Einspruchsabteilung, Seiten 4 und 5) wonach der Wärmetauscher WT2 im Reheat Modus als Verdampfer wirken soll.
In Figur 5, die gemäß der Beschreibung als Darstellung des Reheat Modus dient, ist dargestellt, dass das Expansionsventil EO überbrückt wird. Damit wird der Wärmetauscher WT2 nicht als Verdampfer betrieben, sondern als (weiterer) Gaskühler. Der einzige Hinweis in der Beschreibung, der vermuten lassen könnte, dass der Wärmetauscher WT2 auch als Verdampfer betrieben werden könnte, ist in Paragraph [0055] bzw. [0057] offenbart, nämlich dass im Reheat Modus optional ein teilweiser Austausch der Verdampfungsenergie durch die Regelung der zugehörigen Gebläse erfolgen kann. Eine weitere Erklärung dazu ist nicht gegeben.
Selbst wenn die Kammer dem Argument der beschwerdeführenden Patentinhaberin folgt, dass der Fachmann auch ohne Erklärung wisse, dass die Nutzung des Wärmetauschers WT2 als Verdampfer unter Einbeziehung des Expansionsventils EO geschehen müsse, ist nicht ausreichend vollständig und deutlich offenbart, wie sichergestellt werden kann, dass die stromabwärts und im Fahrgastraum liegenden Verdampfer V1 und V2 noch entfeuchtend wirken können. Schließlich ist das Fluid F1 bereits im Expansionsventil EO entspannt worden, so dass nicht erkennbar ist, welche Rolle die den Verdampfern V1 und V2 vorgeschalteten Expansionsventile spielen.
Des weiteren ist festzustellen, dass die mit der Beschwerdebegründung und in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erklärungen, insbesondere die p-h-Diagramme zum Betrieb des erfindungsgemäßen Kreislaufsystems, keinen Teil der Offenbarung des Streitpatents darstellen. Die Kammer sieht darin über das allgemeine Fachwissen hinausgehende Informationen, die zur Realisierung der Erfindung erforderlich sind, die aber nicht mit dem Vortrag im Beschwerdeverfahren nachgeliefert werden kann.
3. Der jeweilige Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1, 2 bzw. 3 ist nicht neu gegenüber Dokument E3, Artikel 100 a) und 54 EPÜ.
Auf die Begründung in der Entscheidung der Einspruchsabteilung wird ausdrücklich Bezug genommen, siehe dort Punkt 7.1.
3.1 In Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 ist lediglich das Merkmal M3.5 strittig. Die beschwerdeführende Patentinhaberin behauptet, dass E3 keinen Reheat Modus offenbare. Dem kann nicht gefolgt werden.
Zum einen offenbart E3 in Paragraph [0040] ff. explizit einen "dehumidifying / heating mode", der sich nicht nur auf das Aufheizen des Motorkühlwassers bezieht, wie es die beschwerdeführende Patentinhaberin darlegt, sondern auch auf die Verbesserung der Wärmeabgabe des Heizregisters 8.
Zum anderen ist festzustellen, dass die Einstellungen für den Betriebsmodus "INITIAL (COOLING)" gemäß der Zeile 3 der Tabelle in Figur 2 der E3 die Einstellungen für das Kreislaufsystem angibt, die zu der selben Verschaltung führen, wie sie im Streitpatent in der Figur 5 zu sehen ist, die als Reheat Modus bezeichnet wird.
3.2 Was das zusätzliche Merkmal im Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 betrifft, ist auch hier der Einspruchsabteilung zu folgen, die festgestellt hat, dass das strittige Merkmal einen Verdampfer definiert und eben keine Kombination aus einem Verdampfer und einem vorgelagerten ggf. überbrückbaren Expansionsventil.
Es ist weder für die Kammer erkennbar, noch wurde es vorgetragen, dass der Aufbau - und die damit verbundenen Eigenschaften - der Verdampfer V1 bzw. V2 des Streitpatents ein anderer sei, als der Aufbau des Bauteils 4 (evaporator) in E3. Es ist weiter hinzuzufügen, dass für das Bauteil 4 (evaporator) nichts anderes offenbart ist, als ein Betrieb als Verdampfer (vgl. Entscheidung der Einspruchsabteilung, Punkt 8.1).
3.3 Auch ist die Kammer der Auffassung, dass die Entscheidung der Einspruchsabteilung in Punkt 9.2 korrekt ist. So offenbart Paragraph [0055] der E3 die Vorheizung eines Brennstoffzellenstacks für den Fall, dass die Energieversorgung des Fahrzeugs aus einer Brennstoffzelle geschieht.
Die Kammer ist davon überzeugt, dass in diesem Fall der Motor 12 in Figur 1 der E3 ein Elekromotor sein muss und zur Vorheizung zwangsläufig die Wasserpumpe 13 unabhängig vom Fahrzeugantrieb betreibbar sein muss um den Katalysator der Brennstoffzelle zu aktivieren und damit das Fahrzeug vorab in einen fahrbereiten Zustand zu versetzen ("... In detail, it becomes possible for the stack of fuel cell to reach a temperature zone where a catalyst in the fuel cell is activated, allowing a vehicle to be brought into its travelable condition in early", E3, Spalte 9, Zeilen 48 ff.).
Damit aber besteht die Möglichkeit, die Wärme des ersten Fluids auch für eine Motorvorwärmung zu nutzen. Eine konkrete Nutzung der Wärme schreibt der Anspruchswortlaut nicht vor.
4. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 4 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend von E3, Artikel 56 EPÜ.
Die Kammer bezieht sich auf die Ausführungen in der Entscheidung der Einspruchsabteilung, Punkt 10.3.
Die Kammer ist überzeugt, dass der Gegenstand von Anspruch 1 für den Fachmann, ausgehend von E3 nicht nahegelegt ist.
Zur Verbesserung der Kreislaufanlage ausgehend von E3 müsste der Fachmann zunächst erkennen, dass eine Verdopplung der Innenraumwärmetauscher (evaporator und heater core) vorzunehmen ist, diese jeweils einer Frontbox bzw. einer Aufdachanlage zuzuordnen und weiterhin, sie mit Einrichtungen zu versehen, die unterschiedliche Betriebsmodi einzustellen erlaubt.
Dies ist ohne Kenntnis der strittigen Erfindung nicht ohne eine erfinderische Tätigkeit möglich.
Insbesondere ist festzustellen, dass das Dokument E10 keine unterschiedlichen Betriebsmodi für die Aufdachanlage und die Frontbox offenbart. Dort ist an der von der Einsprechenden genannten Stelle (Seite 14, vorletzter Absatz) lediglich ausgeführt, dass Fahrer- und Fahrgastraum mit unterschiedlichen Druckniveaus und damit auch verschiedenen Verdampfertemperaturen betrieben werden können.
Weiterhin stellt die Kammer fest, dass das Dokument E8 nicht einschlägig ist, da es sich auf eine Gebäudeklimatisierung bezieht.
5. Auch was die Klarheit und die Offenbarung der in Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 definierten Erfindung betrifft, hat die Kammer den Ausführungen der Einspruchsabteilung nichts hinzuzufügen.
So ist insbesondere deutlich und vollständig offenbart, wie unterschiedliche Betriebsmodi in der Frontbox und der Aufdachanlage zu realisieren sind. In den Figuren der Patentschrift sind vor den Verdampfern und Heizwärmetauschern jeweils Magnetventile vorgesehen, die die unterschiedlichen Betriebsmodi einzustellen in der Lage sind.
Auch dem Einwand der Einsprechenden, dass nicht klar sei, was unter einer Nutzung der Kondenswärme oder einer Nutzung der Wärme des ersten Fluids zu verstehen sei kann nicht gefolgt werden. Die grundlegende erfinderische Idee der Nutzung von Abwärme im ersten Fluid durch das zweite Fluid F2 mit Hilfe eines Wärmetauschers WT1 ist in der Einleitung des Streitpatents umfassend beschrieben, siehe z.B. die Paragraphen [0009] und [0010].
6. Die erstmals mit der Beschwerdebegründung vorgebrachte Argumentationslinie der beschwerdeführenden Einsprechenden, der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 4 beruhe nicht einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend von dem im Streitpatent genannten Stand der Technik, wird nicht in das Verfahren zugelassen (Artikel 12 (2) und (4) VOBK 2020).
6.1 Gemäß Artikel 12 (4) VOBK 2020 ist ein Beschwerdevorbringen eines Beteiligten, das nicht auf Anträgen, Tatsachen, Einwänden, Argumenten und Beweismitteln beruht, die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegen als Änderung zu betrachten, sofern der Beteiligte nicht zeigt, dass dieser Teil in dem Verfahren, das zu der angefochtenen Entscheidung geführt hat, in zulässiger Weise vorgebracht und aufrechterhalten wurde. Es steht im Ermessen der Kammer, solche Änderungen zuzulassen. Dabei hat der Beteiligte jede Änderung klar zu kennzeichnen und zu begründen, warum sie im Beschwerdeverfahren erfolgt.
6.2 Die beschwerdeführende Einsprechende hat mit der Beschwerdebegründung erstmals vorgetragen, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 4 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, wenn man vom im Streitpatent genannten Stand der Technik (dort Figur 1) ausgehe und diesen mit der Lehre der E3 oder der E1 kombiniere. Damit richtet sich das Beschwerdevorbringen der Einsprechenden nicht gegen die der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Argumente und Einwände (vgl. Artikel 12 (2) VOBK 2020).
6.3 Die beschwerdeführende Einsprechende hat weder im schriftlichen Verfahren noch in der mündlichen Verhandlung Gründe dargetan, warum dieser Angriff erst mit der Beschwerdebegründung vorgebracht wurde. Schon von daher war die mit der Beschwerdebegründung neu vorgebrachte Angriffslinie nicht in das Verfahren zuzulassen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.