European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2022:T068920.20220322 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 22 März 2022 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0689/20 | ||||||||
Anmeldenummer: | 06819808.4 | ||||||||
IPC-Klasse: | A47L 15/42 A47L 15/44 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | GESCHIRRSPÜLMASCHINE MIT VERBESSERTER ANORDNUNG DER ZUGABEEINRICHTUNG IN DER TÜR | ||||||||
Name des Anmelders: | BSH Hausgeräte GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Bock, Dr. Wolfgang | ||||||||
Kammer: | 3.2.04 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Wesentlicher Verfahrensmangel - angefochtene Entscheidung ausreichend begründet (nein) Wesentlicher Verfahrensmangel - Verletzung des rechtlichen Gehörs (ja) Zurückverweisung - (ja) Rückzahlung der Beschwerdegebühr - (ja) |
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Orientierungssatz: |
Gründe 3 |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerden richten sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 1 965 686 in geändertem Umfang nach Artikel 101 (3) (a) und 106 (2) EPÜ aufrechtzuerhalten.
II. Die Einspruchsabteilung hatte unter anderem entschieden, dass der Gegenstand von Anspruch 1 wie erteilt (Hauptantrag) nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe, der Gegenstand von Anspruch 1 des während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags 1 aber erfinderisch sei.
In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung unter anderem die folgenden Entgegenhaltungen berücksichtigt:
D1: EP 1 281 346 A1
D7: DE 10 2005 004 098 A1
III. Die Beschwerdeführerin-Patentinhaberin (nachfolgend: Patentinhaberin) beantragt die Aufhebung der angegriffenen Entscheidung, die Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung und die Rückzahlung der Beschwerdegebühr, da ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliege (Hauptantrag im Beschwerdeverfahren). Hilfsweise beantragt sie die Zurückweisung des Einspruchs, und damit die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung. Weiter hilfsweise beantragt sie die Aufrechterhaltung gemäß einem der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 1-10.
IV. Die Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin-Einsprechenden (nachfolgend: Einsprechende) enthält keinen expliziten Antrag. Die Kammer versteht jedoch die Aussage, dass die Beschwerdeführerin mit dem positiven Befund der Entscheidung zur erfinderischen Tätigkeit des Hilfsantrags 1 nicht übereinstimme, als Antrag auf Aufhebung der Zwischenentscheidung und Widerruf des Patents. Eine mündliche Verhandlung hat die Einsprechende nicht beantragt.
V. Der unabhängige Anspruch 1 des für diese Entscheidung relevanten Hauptantrags (erteilte Fassung; die von den Parteien verwendete Merkmalsgliederung ist in Klammern angegeben) hat den folgenden Wortlaut:
"(a) Geschirrspülmaschine, insbesondere eine Haushalts-Geschirrspülmaschine mit
(b) einem Spülbehälter zur Aufnahme von Spülgut,
(c) Mitteln zur Beaufschlagung des Spülgutes mit Spülflüssigkeit und
(d) einer Tür (1) zum Öffnen und Verschließen des Spülbehälters, umfassend
(e) eine im geschlossenen Zustand der Tür (1) auf den Innenraum des Spülbehälters zuweisende Innentür (2) umfassend
(e1) eine Umrandung mit einem oberen und einem unteren Rand (3a, 3b), welche im geschlossenen Zustand der Tür (1) im Wesentlichen vorzugsweise horizontal verlaufen, sowie
(e2) zwei Seitenrändern (3c, 3d), welche im geschlossenen Zustand der Tür (1) im Wesentlichen vorzugsweise vertikal verlaufen und
(f) eine Zugabeeinrichtung an der Innentür zur Ausgabe von Zugabemitteln,
(g) welche im oberen Drittel des Bereichs zwischen dem oberen und unteren Rand (3a, 3b) angeordnet ist,
(h) wobei die Zugabeeinrichtung (4) im Wesentlichen mittig zwischen den Seitenrändern (3c, 3d) angeordnet ist und
(i) in einer Aufnahme (6) angeordnet ist, welche im geschlossenen Zustand der Tür (1) hin zum Innenraum vorsteht, dadurch gekennzeichnet, dass
(j) die Aufnahme (6) durch eine Prägung in der Innentür (2) gebildet ist."
VI. Die Patentinhaberin hat zu den entscheidungserheblichen Punkten im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Die Zwischenentscheidung sei aufzuheben und die Sache zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen, da die Begründung gegen R. 111 (2) verstoße und somit ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliege. Deswegen entspreche es dem Grundsatz der Billigkeit gemäß Regel 103(1)a), die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.
VII. Die Einsprechende hat zu den entscheidungserheblichen Punkten im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Es sei kein überzeugender Grund dafür zu erkennen, die Sache an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen. Die Kürze der Begründung der Einspruchsabteilung sei nicht mit einem Verfahrensmangel gleichzusetzen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Anwendungsgebiet der Erfindung
Die Erfindung betrifft eine Geschirrspülmaschine mit einem Spülbehälter, der durch eine Tür (1) verschließbar ist. An der Innentür (2) befindet sich eine Zugabeeinrichtung (4), die z.B. zum Zugeben von Reinigungsmittel oder Klarspüler dient. Durch eine Prägung in der Innentür ist eine Aufnahme (6) für die Zugabeeinrichtung (4) gebildet. Im geschlossenen Zustand der Tür (1) steht diese Aufnahme (4) zum Innenraum der Geschirrspülmaschine hin vor, siehe die Figur 1 der Patentschrift.
3. Wesentlicher Verfahrensmangel,
Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung,
Rückzahlung der Beschwerdegebühren
3.1 Die Beschwerdekammer wird gemäß Artikel 111 (1) EPÜ entweder im Rahmen der Zuständigkeit des Organs tätig, das die Entscheidung erlassen hat, oder sie verweist die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an dieses Organ zurück. Nach Artikel 11 VOBK 2020 verweist eine Kammer die Angelegenheit dann zur weiteren Entscheidung an das Organ zurück, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wenn besondere Gründe dafür sprechen. Solche liegen in der Regel vor, wenn das Verfahren vor diesem Organ wesentliche Mängel aufweist.
3.2 Im vorliegenden Fall erhebt die Patentinhaberin den Einwand, dass der Befund der angegriffenen Entscheidung zur erfinderischen Tätigkeit für den Hauptantrag nicht ausreichend begründet sei im Sinne von Regel 111(2) Satz 1 EPÜ, weil dieser nicht auf alle für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachen, Beweismittel und Argumente eingeht. Dadurch sei das rechtliche Gehör, Art 113 EPÜ, verletzt worden.
Zwischen den Parteien habe während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung darin Einigkeit bestanden, dass das Dokument D7 die Merkmale a) bis g) und i) von Anspruch 1 offenbare. Folglich sei streitig gewesen, ob D7 auch die Merkmale h) und j) zeige. Die Entscheidungsgründe setzten sich zwar mit dem Merkmal h) auseinander, nicht aber mit dem Merkmal j). Somit fehle für das Merkmal j) die Begründung, ob es im Dokument D7 offenbart sei, oder wodurch es nahegelegt werde.
Daher muss die Kammer nun die Begründung in der angegriffenen Entscheidung überprüfen.
3.3 Der Punkt 2.3 der Entscheidungsgründe beschäftigt sich mit der erfinderischen Tätigkeit von Anspruch 1 des Hauptantrags. Dort stellt die Einspruchsabteilung fest, dass die Merkmale a) - g) und i) in D7 offenbart sind. Außerdem sieht sie an jener Stelle der Entscheidungs-gründe den Unterschied zur D7 darin, dass die Zugabeeinrichtung im Wesentlichen mittig angeordnet sei. Im Anschluss daran begründet die Abteilung, warum sie eine mittige Anordnung der Zugabeeinrichtung für naheliegend hält. Diese Argumentation betrifft das auf eine mittige Anordnung der Zugabeeinrichtung gerichtete Merkmal h), so dass Punkt 2.3 der Einspruchsgründe auch aus Sicht der Kammer auf die Merkmale a) - i) eingeht.
3.4 Jedoch ist die Einspruchsabteilung Anspruch 1 nicht auf das weitere Merkmal j) der auch in der Entscheidung auf Seite 3 und 4 wiedergegebenen Merkmalsgliederung eingegangen. Dabei ist das Merkmal j) auf die Ausbildung der Aufnahme durch eine Prägung in der Innentür gerichtet. Die Begründung der Einspruchsabteilung zur erfinderischen Tätigkeit unter Punkt 2.3 der Entscheidungsgründe führt nur aus zum Merkmal h) "mittige Anordnung". Dagegen nennt sie das Merkmal j) weder explizit noch geht sie inhaltlich auf eine Prägung der Innentür ein. Daher kann ein Leser dieser Stelle der Entscheidungsbegründung nicht entnehmen, ob die Einspruchsabteilung das Merkmal j) als in D7 offenbart angesehen hat, oder durch welches Kombinationsdokument sie es für nahegelegt hielt. Somit ist die Entscheidung nicht ausreichend begründet, Regel 111(2) EPÜ zuwider.
3.5 Das Merkmal j) wurde auch ausweislich des Protokolls, Punkt 4, in der Diskussion um erfinderischen Tätigkeit erörtert. Dort heißt es (Hervorhebung durch die Kammer): "Es wurde über erfinderischen Tätigkeit des Hauptantrags gesprochen, insbesondere ... über die Auslegung der Merkmale "mittig angeordnet" und "durch eine Prägung gebildet"". Im Lichte dieser Diskussion hätte es der Abteilung klar sein müssen, dass das Merkmal j) und ihre Auslegung entscheidungserheblich seien. Sie hat es aber versäumt, in ihrer Entscheidung auf diesen wesentlichen Vortrag der Parteien einzugehen und dadurch auch das rechtliche Gehör nach Artikel 113 EPÜ verletzt.
3.6 Nach ständiger Rechtsprechung umfasst die Begründungspflicht nach Regel 111(2) EPÜ auch den Grundsatz der ausreichenden Begründung, vgl. RdBK, 9.Auflage, 2019, III.K.3.4.3. Daher ist eine mangelhafte Begründung als wesentlicher Mangel zu betrachten, RdBK, V.A.7.7.2 b). Zudem wurde das rechtliche Gehör unter Art 113 verletzt, weil ein wesentlicher Vortrag der Parteien, nämlich zum Merkmal j) und zu dessen Auslegung, nicht berücksichtigt wurde, vgl. RdBK III.B.2.4.2. Diese Verletzung ist nach geltender Rechtsprechung auch als wesentlicher Verfahrensmangel zu betrachten, vgl. RdBK V.A.7.7.2 a).
Diese Mängel waren ursächlich für die Beschwerde der Patentinhaberin. Da nun die besonderen Gründe des Artikels 11 VOBK 2020, 2. Satz, vorliegen, ist die Sache zurückzuverweisen.
4. Da der Beschwerde der Patentinhaberin stattgegeben wird und die Rückzahlung wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels der Billigkeit entspricht, und die Kammer die Beschwerde der Einsprechenden aufgrund der durch den Verfahrensfehler bedingten Zurückverweisung nicht prüfen wird, sind die beiden Beschwerdegebühren zurückzuzahlen, Regel 103 (1) a) EPÜ.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen.
3. Die Beschwerdegebühren werden zurückgezahlt.