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T 1821/20 (Rühreinrichtung/Uts Biogastechnik) 19-12-2022
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RÜHREINRICHTUNG FÜR EINEN FERMENTER EINER BIOGASANLAGE UND VERFAHREN ZUR HERSTELLUNG EINER RÜHREINRICHTUNG
Spät eingereichter Antrag - zugelassen (ja)
Änderungen - unzulässige Erweiterung (nein)
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
I. Die Beschwerde der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) betrifft die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent EP 3 066 188 B1 zu widerrufen. Die folgenden in der Entscheidung benutzen Dokumente sind hier von Relevanz.
D10: KR 10-0970137 B1
D10a: KR 10-0970137 B1, Korean Patent Abstracts
D10b: KR 10-0970137 B1, maschinelle Übersetzung ins
Englische durch "Patent Translate"
D11: Effektive Abwasserbehandlung, LJM Industrie,
Prospekt vom 22. Februar 2012
II. Mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin einen neuen Hauptantrag und fünf neue Hilfsanträge ein.
III. In der Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK 2020 vom 12.Juli 2022 war die Kammer der vorläufigen Meinung, dass der Hilfsantrag 4 wahrscheinlich gewährbar sei.
IV. Daraufhin nahm die Beschwerdeführerin am 10. August 2022 ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurück und machte den Hilfsantrag 4 zum Hauptantrag unter der Bedingung, dass die Kammer bei ihrer vorläufigen Meinung bliebe.
Anspruch 1 dieses Antrags lautet wie folgt:
"1. Rühreinrichtung (10) für einen Fermenter (1) einer
Biogasanlage (100) mit einer Mehrzahl von Rührflügeln (11-13), wobei ein Rührflügel (11-13) jeweils eine Vielzahl (14) von zueinander gewinkelten Flügelabschnitten (21-29) umfasst,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Flügelabschnitte (21-29) des Rührflügels (11-13) an den Trennlinien (37) zwischen den Flügelabschnitten (21-29) umgebogen und so zueinander gewinkelt sind, dass die Steigung des Rührflügels (11-13) mit steigendem Abstand (30) von einer zentralen Drehachse (19) abnimmt, um den Rührflügel (11-13) dreidimensional strömungsgünstig auszubilden, sodass der Vortrieb über der gesamten Querschnittsfläche sich nur wenig ändert, wobei die Biegekanten (37) in ihrer Ausrichtung neben einer Radialkomponente quer zu einer Drehachse (19) auch eine Axialkomponente parallel zu der Drehachse (19) aufweisen, wobei mit steigendem radialen Abstand einer Biegekante (37) von der Drehachse (19) die Axialkomponente der Biegekante (37) kleiner wird, wobei die Winkelbereiche zwischen zwei benachbarten Biegekanten (37) zwischen 0,5° und 3° liegen und wobei wenigstens fünf Flügelabschnitte (21-29) an dem Rührflügel (11-13) vorgesehen sind, wobei sich die Trennlinien (37) auf der Flügelfläche des Rührflügels nicht schneiden."
Die Ansprüche 2 bis 15 beziehen sich direkt oder indirekt auf Anspruch 1.
V. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) nahm ihren Antrag auf mündliche Verhandlung am 5. September 2022 ebenfalls zurück.
VI. Da die Kammer keinen Anlass sah, ihre vorläufige Meinung zu ändern, konnte die mündliche Verhandlung abgesagt werden und die Entscheidung kann schriftlich ergehen.
VII. Die Argumente der Beschwerdeführerin spiegeln sich in den unten angegebenen Entscheidungsgründen wieder.
VIII. Die Beschwerdegegnerin bemängelte Neuheit und erfinderische Tätigkeit gegenüber D10 sowie D11.
IX. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter Fassung basierend auf dem Hauptantrag, eingereicht als Hilfsantrag 4, alternativ basierend auf dem Hilfsantrag, eingereicht als Hilfsantrag 5, beide Anträge eingereicht mit der Beschwerdebegründung, aufrecht zu erhalten.
Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragt die Beschwerde zurückzuweisen.
Hauptantrag
1. Artikel 12(4) und (6) VOBK 2020
Der Antrag wurde erstmalig mit der Beschwerdebegründung eingereicht. Artikel 12(4) und (6) VOBK 2020 sind somit anzuwenden.
Gemäß Artikel 12(4) VOBK 2020 steht die Zulassung des Antrags im Ermessen der Kammer. Die Kammer sieht keinen Grund den Antrag nicht zuzulassen, da er eine Weiterentwicklung des Hilfsantrags 5, der der Entscheidung zu Grunde lag, darstellt und zusätzliche Einschränkungen enthält, die als Reaktion auf die angefochtene Entscheidung angesehen werden. Die Änderung ist nicht komplex und zielt auf die Behebung der Fragestellungen ab, die zur angefochtenen Entscheidung führten. Der Antrag dient auch der Verfahrensökonomie, da er ohne weiteres letztendlich gewährbar ist.
Gemäß Artikel 12(6) VOBK 2020 sind Anträge, die in dem Verfahren, das zu der angefochtenen Entscheidung geführt hat, vorzubringen gewesen wären, nicht zuzulassen, es sei denn, die Umstände der Beschwerdesache rechtfertigen eine Zulassung. Im vorliegenden Fall ist die Kammer der Meinung, dass dieser Antrag nicht zwingend hätte vorgebracht werden müssen, da die Beschwerdeführerin sogar noch in der mündlichen Verhandlung einen neuen Antrag stellte, der jedoch nicht erfolgreich war. Der jetzige Antrag ist somit eine angemessene und vor allem erfolgreiche Reaktion auf das gesamte Verfahren und insbesondere die angefochtene Entscheidung, sodass es auch unter Artikel 12(6) VOBK 2020 keinen Grund gibt, ihn nicht in das Verfahren zuzulassen.
2. Artikel 123(2) EPÜ
Die gegenüber dem nicht unter Artikel 100(c) EPÜ beanstandeten Anspruch 1 des Streitpatents zugefügten Merkmale gehen unmittelbar und eindeutig aus der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hervor:
dass der Vortrieb über der gesamten Querschnittsfläche sich nur wenig ändert: Seite 4, Zeilen 16-17,
wobei die Biegekanten (37) in ihrer Ausrichtung neben einer Radialkomponente quer zu einer Drehachse (19) auch eine Axialkomponente parallel zu der Drehachse (19) aufweisen, wobei mit steigendem radialen Abstand einer Biegekante (37) von der Drehachse (19) die Axialkomponente der Biegekante (37) kleiner wird: Anspruch 4,
wobei die Winkelbereiche zwischen zwei benachbarten Biegekanten (37) zwischen 0,5° und 3° liegen: Seite 18, Zeilen 10 und 11,
wobei wenigstens fünf Flügelabschnitte (21-29) an dem Rührflügel (11-13) vorgesehen sind: Seite 6, Zeile 32,
wobei sich die Trennlinien (37) auf der Flügelfläche des Rührflügels nicht schneiden: Figuren, insbesondere Figuren 5 und 6.
Die einzelnen Merkmale betreffen bevorzugte Ausführungsformen, die für die Fachperson unmittelbar und eindeutig erkennbar sind und nicht zu einer neuen Kombination von Merkmalen führen. Auch ist aus den Figuren sofort ersichtlich, dass unabhängig von der Anzahl der Flügel, die Flügel so zu gestalten sind, dass sich sich die Trennlinien (37) auf der Flügelfläche des Rührflügels nicht schneiden.
Somit sind die Bedingungen des Artikels 123(2) EPÜ erfüllt.
3. Artikel 54 EPÜ
3.1 D10 offenbart weder fünf Flügelabschnitte, noch Winkelbereiche zwischen zwei benachbarten Biegekanten zwischen 0,5° und 3°. Auch schneiden sich in Figur 1 die Trennlinien am Rand der Flügelfläche des Rührflügels.
3.2 D11 offenbart weder, dass mit steigendem radialen Abstand einer Biegekante von der Drehachse die Axialkomponente der Biegekante kleiner wird, noch dass die Winkelbereiche zwischen zwei benachbarten Biegekanten (37) zwischen 0,5° und 3° liegen.
Neuheit ist somit gegeben.
4. Artikel 56 EPÜ
4.1 Die Erfindung betrifft eine Rühreinrichtung für einen Fermenter einer Biogasanlage.
4.2 D11 ist nächstliegender Stand der Technik, da D11 auch ein Rührwerk für Biogasanlagen betrifft (Seite 7, letzter Absatz).
D10 ist weniger geeignet als nächstliegender Stand der Technik, da die Rühreinrichtung für einen anderen Zweck, nämlich die Wasserbehandlung, vorgesehen ist (Absatz [0001] des Dokumentes D10b).
4.3 Die zu lösende Aufgabe besteht darin, eine Rühreinrichtung bereit zu stellen, die eine wirtschaftlichere Produktion von Biogas ermöglicht (Absatz [0009] des Streitpatents).
4.4 Es wird vorgeschlagen die Aufgabe dadurch zu lösen, dass eine Rühreinrichtung gemäß Anspruch 1 bereitgestellt wird, dadurch gekennzeichnet, dass mit steigendem radialen Abstand der Biegekanten von der Drehachse die Axialkomponente der Biegekante kleiner wird, wobei die Winkelbereiche zwischen zwei benachbarten Biegekanten (37) zwischen 0,5° und 3° liegen.
4.5 Es gibt keinen Grund daran zu zweifeln, dass eine solche Rühreinrichtung zu einer strömungsgünstigen Form führt, die nicht zwingend in D11 vorhanden ist. Die Aufgabe wird deshalb als gelöst angesehen.
4.6 Die vorgeschlagene Lösung ist nicht naheliegend, da es für die Behauptungen der Beschwerdegegnerin, dass die Fachperson die Unterscheidungsmerkmale durch einfaches Experimentieren erreichen würde, keine Belege gibt. Eine solche Argumentation beruht wohl eher auf einer rückschauenden Betrachtungsweise.
4.7 Selbst wenn von D10 ausgegangen würde, so gibt es keinen Hinweis, die Winkelbereiche zwischen zwei benachbarten Biegekanten (37) zwischen 0,5° und 3° einzustellen und wenigstens fünf Flügelabschnitte an dem Rührflügel vorzusehen und zudem die Trennlinien so zu gestalten, dass sie sich nicht auf der Flügelfläche des Rührflügels schneiden.
4.8 Demzufolge beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit. Da sich die Ansprüche 2 bis 15 direkt oder indirekt auf Anspruch 1 beziehen, gilt entsprechendes für diese Ansprüche.
5. Regel 103(4)c) EPÜ
Der Antrag auf mündliche Verhandlung wurde innerhalb eines Monats ab Zustellung der Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK 2020 zurückgenommen und keine mündliche Verhandlung fand statt, sodass die Bedingungen gemäß Regel 103(4)c) EPÜ zur Erstattung von 25% der Beschwerdegebühr erfüllt sind.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geändertem Umfang auf Basis des jetzigen Hauptantrags, eingereicht als Hilfsantrag 4 mit der Beschwerdebegründung, und einer noch anzupassenden Beschreibung, aufrecht zu erhalten.
3. 25% der Beschwerdegebühr werden an die Beschwerdeführerin zurückerstattet.