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T 0007/21 30-06-2022
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KAUTSCHUKMISCHUNG UND FAHRZEUGREIFEN
1. Evonik Operations GmbH
3. Cray Valley S.A.
Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus (nein)
Ausreichende Offenbarung - unzumutbarer Aufwand (nein)
Neuheit - Hauptantrag (ja)
Neuheit - mehrfache Auswahl
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - nicht naheliegende Kombination bekannter Merkmale
I. Die Einsprechenden 1 und 3 (Beschwerdeführerinnen) legten Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein, das europäische Patent Nr. 3 103 655 in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten.
II. In der angefochtenen Entscheidung wird unter anderem von folgenden Entgegenhaltungen ausgegangen, die auch der vorliegenden Entscheidung zugrunde liegen:
D4: US 2014/0121316 A1
D11: US2002/0082333 A1
D20: JP 2015 083649 A
D21: WO 2016/180649 A1
D23: US 2014/0243448 A1
D28: EP 0 738 613
D30: Römpp Lexikon Chemie, 10. Auflage 1998, Seiten 3251 bis 3253
Tabelle 2: Versuchsdaten der Patentinhaberin, in Ergänzung zu Tabelle 1 des Streitpatents, eingereicht am 4. November 2019
III. Die Einspruchsabteilung hatte entschieden, dass der am 4. November 2019 eingereichte Hauptantrag die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ, des Artikels 83 EPÜ sowie der Artikel 54 und 56 EPÜ erfüllt.
IV. Mit ihrer Beschwerdebegründung reichte die Einsprechende 3 die folgenden Dokumente ein:
Anlage 1: Versuchsdaten der Einsprechenden 3
Anlage 2: Marketingdokument Koresin (EN), Firma BASF, November 2000
Anlage 3: Marketingdokument Koresin (DE), Firma BASF, November 2000
V. Am 30. Juni 2022 fand eine als Videokonferenz durchgeführte mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts statt.
VI. Die Beschwerdeführerinnen (Einsprechende 1 und Einsprechende 3) beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den vollständigen Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung gemäß dem mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hauptantrag. Hilfsweise wurde die Aufrechterhaltung des Patents auf Grundlage einer der Hilfsanträge 1-34, eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung, beantragt.
VII. Anspruch 1 des mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hauptantrags entspricht dem Anspruch 1 der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung und lautet:
Schwefelvernetzbare Kautschukmischung enthaltend
- 70 bis 100 phr zumindest eines natürlichen und/oder synthetischen Polyisoprens und
- 20 bis 90 phr zumindest einer Kieselsäure und
- 1 bis 35 phr zumindest eines flüssigen Polybutadiens, welches endständig organosilicium-modifiziert ist, und ein Gewichtsmittel Mw des Molekulargewichts gemäß GPC von 500 bis 12000 g/mol aufweist, und
- 0,5 bis 8 phr zumindest eines Klebharzes.
Die Unteransprüche 2 bis 9 entsprechen den erteilten Ansprüchen 2 bis 6 und 8 bis 10.
VIII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerinnen (Einsprechenden 1 und 3) - soweit es für die Entscheidung wesentlich war - lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Zulässigkeit der Beschwerde der Einsprechenden 1
Die Beschwerdeführerin (Einsprechende 1) verwies darauf, dass ihr Unternehmen seinen Namen geändert habe, dies korrekt im Handelsregister erfasst und dem EPA entsprechend kommuniziert worden sei. Es bestehe daher kein Zweifel an der Beteiligtenstellung und Beschwerdebefugnis der Evonik Operations GmbH.
Artikel 123(2) EPÜ
Aus dem Merkmal "70 bis 100 phr zumindest eines natürlichen und/oder synthetischen Polyisoprens" des Anspruchs 1 und dem Wortlaut des Absatzes [0030] der Streitschrift ergebe sich eine unzulässige Erweiterung. In Absatz [0030] der Streitschrift heiße es, dass
"die Kautschukmischung 1 bis 50 phr wenigstens eines Butadien-Kautschuks und/oder Styrol-Butadien-Copolymers" enthalten könne. Für den Fall, dass der Anteil an natürlichem und/oder synthetischem Polyisopren in der Kautschukmischung nun 70 phr und der Anteil an wenigstens einem Butadien-Kautschuk 50 phr betrage, addierten sich die Anteile an festem Kautschuk auf bis zu 120 phr. Für eine solche Zusammensetzung gebe es keine ursprüngliche Offenbarung in den Anmeldeunterlagen.
Artikel 83 EPÜ
Der Streitschrift fehle es an einer Offenbarung des in Absatz [0046] verwendeten Begriffs "Klebrigmacher", insbesondere, wie "klebrig machend" definiert sei. Die Nennung von Phenolharz genüge entgegen der Entscheidung der Einspruchabteilung nicht. Wie der D30, Seite 3253, zu entnehmen sei, hätten Phenolharze ein breit variables Eigenschafts-Spektrum, so dass es ohne weitere Spezifikation einer unzumutbaren Anzahl von Versuchen erfordere, ein zweckmäßiges Phenolharz zu finden. Die Nacharbeitbarkeit sei somit nicht gegeben.
Artikel 54(2) EPÜ - D11
D11 offenbare zwar kein Beispiel mit allen Merkmalen des Anspruchs 1, dennoch könne entgegen der Ansicht der Einspruchsabteilung der Gegenstand des Anspruchs 1 eindeutig und unmittelbar der D11 entnommen werden. Die anspruchsgemäßen Mengengehalte der Komponenten seien in Absatz [0025] offenbart. Darin sei der Bestandteil a) das in den Absätzen [0010, 0014, 0015, 0039-0041, 0053, 0054] beschriebene flüssige Polybutadien, der Bestandteil b) das in den Absätzen [0012, 0016, 0018] definierte Polyisopren und der Bestandteil c) die in den Absätzen [0019] bis [0024] genannte Kieselsäure. Das Klebharz werde in Absatz [0035] offenbart und mit einem Gehalt von 0,1-50 phr verwendet (Absatz [0036]).
Artikel 54(3) EPÜ - D21
D21 offenbare auf Seite 18, Beispiel 4 (Tabelle 1) eine Kautschukmischung mit natürlichem Polyisopren (NR), Kieselsäure und flüssigem Polybutadien (mit Beispiel 1, vgl. Seite 15) in den beanspruchten Mengen. Entgegen der Ansicht der Einspruchsabteilung enthalte diese Kautschukmischung gemäß Seite 10, Zeile 37 bis Seite 11, Zeile 5, durchaus Harze und Tackifier im beanspruchten Bereich (0,1 bis 50 Gew.-Teile).
Artikel 56 EPÜ
Die beanspruchte Kautschukmischung löse nicht das in Absatz [0009] der Streitschrift formulierte Problem, den Zielkonflikt aus Rollwiderstand, Reißeigenschaften und guter Verarbeitbarkeit aufzulösen und eine optimierte Reifenmischung bereit zu stellen. Insbesondere fehle es eines Nachweises, dass Klebharz allgemein zur Lösung beitrage. Die Ausführungsbeispiele E1 bis E6 der Streitschrift enthielten lediglich Phenolharz. Da ein angeblicher technischer Effekt von Klebharzen in ihrer ganzen Breite nicht gezeigt worden sei, könne weder die Zugabe von Klebharz an sich noch die Wahl seines Mischungsanteils eine erfinderische Tätigkeit begründen.
Weiterhin sei auch für eine Kautschukmischung mit Phenolharz keine Verbesserung des besagten Zielkonflikts erkennbar. Der angebliche technische Effekt sei weder den Vergleichs- und Ausführungsbeispielen in Tabelle 1 der Streitschrift, noch den in der von der Beschwerdegegnerin im Einspruchsverfahren eingereichten Tabelle 2 zu entnehmen. Die Versuchsergebnisse variierten mehr oder wenig beliebig, wie durch eigene Versuche (Anlage 1) bestätigt.
Die Streitschrift spezifiziere nicht, was unter der in Absatz [0009] genannten "Verbesserung gegenüber dem Stand der Technik im Hinblick auf den Zielkonflikt" zu verstehen sei und gebe keine Gewichtung bzgl. der diversen Eigenschaften, so dass auch die in Anlage 1 der Einsprechenden 3 gezeigten Vergleichsversuche als geeignet angesehen werden müssten, den Zielkonflikt zu lösen.
Überhaupt sei fragwürdig, warum in der erteilten Fassung der Zielkonflikt durch eine Mischung ohne Klebharze gelöst werden konnte (Absatz [0009] der Streitschrift und Anspruch 1), und jetzt die Lösung der Aufgabe in den Klebharzen zu sehen sei. Dabei nenne die Streitschrift (Absatz [0046]) überhaupt keine Vorteile durch den Einsatz von Klebharzen.
D11, Compound 2 (Tabelle 1) als nächstliegender Stand der Technik
Anspruch 1 unterscheide sich durch die Komponenten Polyisopren und Klebharz sowie deren beanspruchte Mengen. Das flüssige Polybutadien in Tabelle 1 der D11 sei gemäß Absatz [0053] das "Product no. 1.2", die Kieselsäure sei gemäß Tabellenerläuterung Vulkasil S.
Aufgrund des fehlenden technischen Effekts hinsichtlich der Optimierung des Zielkonflikts sei die technische Aufgabe lediglich in der Bereitstellung einer alternativen Kautschukmischung zu sehen. Ausgehend von Compd 2 (Tabelle 1) werde in Zusammenschau mit Absatz [0018] nahegelegt, alternativ zu BR/SBR ein natürliches Polyisopren (NR) zu verwenden. Das Klebharz werde in Absatz [0035] nahegelegt, wobei der beanspruchte Mengenbereich eine willkürliche Auswahl aus dem in Absatz [0036] üblichen Bereich darstelle. Außerdem zeige die Anlage 2 bzw. 3, dass Mengen von 2 bis 5 phr für Klebharz fachüblich seien (Anlage 2, "Applications", dritter Absatz).
Alternativ könne die Aufgabe in Abhängigkeit von der in Absatz [0002] der Streitschrift genannten Cap/Base-Konstruktion des Reifens formuliert werden. Stelle sich der Fachmann die Aufgabe, ausgehend von der D11, eine Kautschukmischung bereitzustellen, die sich besonders gut zur Herstellung einer Base in einer Cap/Base-Konstruktion eignet, würde er durch Berücksichtigung der D28 ohne erfinderisches Zutun direkt zum beanspruchten Gegenstand gelangen.
D28 betreffe Cap/Base-Konstruktionen, wobei der Tabelle 1 (Seite 8) eine Mischung mit 100% Naturkautschuk NR und 2 phr an Weichmachern, Harz und Wachs entnommen werden könne (Sample Y). Der Seite 6, Zeile 52, sei entnehmbar, dass typische Anteile an Klebharzen ("tackifier resins") 0,5 bis 10 phr, bevorzugt 1 bis 5 phr betragen. Tabelle 2 der D28 (Seite 10) zeige, dass mit der Sample Y geeignete Reifeneigenschaften erreicht würden. Der Fachmann würde folglich das NR und das Klebharz der D28 mit der Kieselsäure und dem flüssigen Polybutadien der D11 kombinieren.
Ausgehend von D4, D20 oder D23
Tabelle 1 der D4 offenbare eine Kautschukmischung mit 100 phr BR/SBR, 85 phr Kieselsäure und 25 phr flüssigem Polybutadien (low molecular weight oligomer, Absatz [0044]). Anspruch 1 unterscheide sich von der D4 wie bereits von der D11 durch das Polyisopren und das Klebharz sowie deren Anteile.
Wie in D11 werde auch in der D4 Polyisopren als gängige Alternative zu SBR (Absatz [0014]) und Klebharze ("tackifying resins" in Absatz [0022]) als ein für den Fachmann selbstverständlichen Zusatzstoff aufgeführt. Bzgl. der Menge des Klebharzes werde wie zuvor bei D11 auf Anlage 2 bzw. 3 verwiesen. Die beanspruchte Kautschukmischung basiere daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
D20 beanspruche in Anspruch 1 eine Mischung mit 100 Massenanteilen "diene rubber", 10 bis 150 Massenanteilen Kieselsäure, 1 bis 30 Massenanteilen modifiziertes, flüssiges Polybutadien und 1 bis 30 Massenanteilen zumindest eines Harzes. Als "diene rubber" seien in Absatz [0014] als gleichwertige Alternative BR, SBR, NR und IR genannt. Die in Absatz [0045] aufgelisteten Harze legten die beanspruchten Klebharze nahe.
D23 offenbare in Anspruch 17 eine Mischung mit 55 bis 95 phr eines Polyisoprens, 5 bis 45 phr eines Polybutadiens und 60 bis 90 phr Kieselsäure (mit Absatz [0034]). Ein Klebharz werde in Absatz [0054] offenbart. Die Kautschukmischung des Anspruchs 1 unterscheide sich von der in D13, Anspruch 17, offenbarten Mischung lediglich durch den Mengenbereich 0,5 bis 8 phr für das Harz. Der Einsatz des Harzes habe jedoch keinen technischen Effekt, so dass Anspruch 1 nicht erfinderisch sei. Außerdem sei der Mengenbereich wie aus Anlage 2 oder 3 hervorgehe, fachüblich.
IX. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) - soweit es für die Entscheidung wesentlich war - lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Zulässigkeit der Beschwerde der Einsprechenden 1
Die Beschwerde der Einsprechenden 1 sei unzulässig, weil sie im Namen der "Evonik Operations GmbH" eingereicht worden sei. Der Einspruch sei aber ursprünglich im Namen der "Evonik Degussa GmbH" eingereicht worden. Eine Namensänderung sei in der Akte nicht ersichtlich. Außerdem werde in der angefochtenen Entscheidung der alte Name verwendet.
Artikel 123(2) EPÜ
Die Angriffslinie sei neu und im Einspruchsverfahren so nicht vorgetragen worden. Daher sei sie unter Artikel 12(4) VOBK 2020 nicht ins Beschwerdeverfahren zuzulassen.
Die Änderung von 50 bis 100 phr zu "70 bis 100 phr zumindest eines natürlichen und/oder synthetischen Polyisoprens" basiere auf Absatz [0032] der ursprünglichen Beschreibung.
Absatz [0030] der Streitschrift enthalte lediglich eine Unklarheit in der erteilten Fassung der Beschreibung. Absatz [0014] der Streitschrift definiere eindeutig, dass die gesamte Masse aller in der Mischung vorhandenen festen Kautschuke 100 Gewichtsteile bildeten und die Bezugsgröße für die anderen Komponenten darstelle.
Artikel 83 EPÜ
Der Einspruchsabteilung sei zuzustimmen, dass der Fachmann mit dem Einsatz von Klebharzen, z.B. Phenolharzen, als Additiv in Reifenmischungen vertraut sei. Es werde festgestellt, dass auch der von den Beschwerdeführerinnen genannte Stand der Technik (z.B. D11, D21) Klebharz als ein typisches Additiv in der Reifenindustrie nennt.
Der Einwand basierend auf D30 unterliege nicht der angefochtenen Entscheidung und sei daher unter Artikel 12(4) VOBK 2020 nicht zuzulassen.
Artikel 54 (2) EPÜ - D11
Kein Beispiel der D11 offenbare sämtliche Merkmale des Anspruchs 1. Die Beschwerdeführerinnen kombinierten verschiedene Textpassagen. Aufgrund der erforderlichen Auswahl und Kombination von Komponenten aus verschiedenen Listen, z.B. aus Absatz [0018] oder Absatz [0035], sei der D11 keine eindeutige und unmittelbare Offenbarung der beanspruchten Kautschukmischung zu entnehmen.
Artikel 54 (3) EPÜ - D21
Wie von der Einspruchsabteilung korrekt festgestellt, enthielten die in D21 beschriebenen Mischungen (Seite 18, Beispiel 4, Tabelle 1) kein Klebharz. Weiterhin kombiniere die Beschwerdeführerin (Einsprechende 1) in unzulässiger Weise das konkrete Ausführungsbeispiel mit einer allgemeinen und optionalen Offenbarung im allgemeinen Teil der Beschreibung (Seite 10, Zeile 37 bis Seite 11, Zeile 5).
Artikel 56 EPÜ
Die Erfindung liege weder im Einsatz von Polyisopren noch im Einsatz von Klebharzen. Die Erfindung beschäftigt sich zur Lösung eines Zielkonflikts mit einer mehrdimensionalen Optimierung von physikalischen Eigenschaften, die durch die beanspruchte Kautschukmischung erzielt werde, wie der Tabelle 1 des Streitpatents und der im Einspruchsverfahren eingereichten Tabelle 2 zu entnehmen sei.
D11, Compound 2 (Tabelle 1) als nächstliegender Stand der Technik
D11 enthalte keinen Hinweis, den Zielkonflikt durch Austausch des "SBR rubber" gegen Polyisopren und zusätzliches Vorsehen von 0,5 bis 8 phr Klebharz im Compd2 zu lösen. D11, Absatz [0018] nenne zwar NR, jedoch gleichwertig mit BR, SBR, IIR und EPDM. Das Klebharz werde in einer optionalen Liste mit 18 anderen Additiven aufgeführt. Die Mengenangabe in Absatz [0036] sei lediglich eine generische Angabe, die für alle "conventional rubber additives" gesehen werde müsse. Einen Hinweis auf die beanspruchte Merkmalskombination sei der D11 nicht zu entnehmen.
Auch die D28 lege nicht nahe, die Lösung der Aufgabe durch die Unterscheidungsmerkmale zu realisieren. Die von den Beschwerdeführerinnen genannte Sample Y aus D28 enthalte zwar NR, jedoch keinen der anderen anspruchsgemäßen Bestandteile. Auch bei Kombination von D11 mit D28 bleibe offen, warum ein Fachmann einen optional unter vielen genannten Bestandteil in einem spezifischen Bereich hinzufügen sollte.
Ausgehend von D4, D20 oder D23
Die Beschwerdeführerinnen hätten nicht vorgetragen, warum D4, D20 und D23 im Vergleich zu D11 einen besseren oder zumindest gleichwertigen Ausgangspunkt darstellten. Auch seien die Angriffe zur erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D20 und D23 erstmals im Beschwerdeverfahren vorgetragen worden und unter Artikel 12(2), (4) VOBK 2020 nicht zuzulassen.
Die Lehre der Entgegenhaltungen D4, D20 und D23, wie bereits die der D11 und der D28, beschränke sich darauf, dass in schwefelvernetzten Kautschukmischungen Polyisopren als einer von vielen Kautschuken eingesetzt werden könne und dass diese Mischungen zahlreiche Additive, u.a. Klebharze umfassen können. Hieraus erhalte der Fachmann jedoch keinen Hinweis zur Lösung des Zielkonflikts.
In der D4 müsse der Fachmann, wie von der Einspruchsabteilung korrekt festgestellt (Seite 6 der angefochtenen Entscheidung), verschiedene Passagen ohne konkrete Hinweise hinsichtlich der Lösung eines Zielkonflikts kombinieren. Zusätzlich enthalte die D4 keine Mengenangabe für die Additive (Absatz [0022]).
D20 und D23 seien lediglich erstinstanzlich in der mündlichen Verhandlung in der Neuheitsdiskussion zur Sprache gekommen. Die Einspruchsabteilung sei zu der korrekten Schlussfolgerung gekommen, dass D20 und D23 für Anspruch 1 prima facie nicht relevant seien (Entscheidung, Seite 6, 7).
1. Zulässigkeit der Beschwerde der Einsprechenden 1
1.1 Die Beschwerde der Einsprechenden 1 ist zulässig.
1.2 Das Unternehmen Evonik Degussa GmbH hat als Einsprechende 1 Einspruch gegen das Streitpatent eingelegt. Am 4. November 2019 wurde das Unternehmen umbenannt in Evonik Operations GmbH, wie dem Auszug des Handelsregisters zu entnehmen ist, den die Beschwerdeführerin (Einsprechende 1) mit Schreiben vom 5. November 2019 vorlegte.
1.3 Die Evonik Operations GmbH war somit berechtigt, am 5. Januar 2021 gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung Beschwerde einzulegen.
1.4 Die Tatsache, dass die Namensänderung in den Systemen des Europäischen Patentamts erst mit zeitlichem Abstand nach der Umbenennung erfasst wurde und/oder dass der Antrag auf Umschreibung nicht über eine Akteneinsicht unmittelbar für die Öffentlichkeit zugänglich war, ändert nichts an der Beteiligtenstellung der Evonik Operations GmbH als Einsprechende 1.
2. Artikel 123(2) EPÜ
2.1 Die im Erteilungsverfahren vorgenommenen Änderungen in Anspruch 1 gemäß Hauptantrag führen nicht zu einer unzulässigen Erweiterung gegenüber der ursprünglich eingereichten Anmeldung.
2.2 Im Erteilungsverfahren wurde der Anteil des natürlichen und/oder synthetischen Polyisoprens von 50 bis 100 phr zu 70 bis 100 phr geändert.
2.3 Zunächst wird angemerkt, dass die Entscheidung der Einspruchsabteilung zu Artikel 123(2) EPÜ (Seite 4) in Bezug auf die im Einspruchsverfahren vorgetragene Argumentation zu Artikel 123(2) EPÜ nicht beanstandet wird. Auch wird nicht bestritten, dass die Änderung in Absatz [0032] der A1-Veröffentlichung eine Basis in der ursprünglichen Offenbarung findet.
2.4 Stattdessen argumentiert die Beschwerdeführerin (Einsprechende 1) in ihrer Beschwerdebegründung, dass in der angefochtenen Entscheidung unberücksichtigt bliebe, dass die Angabe "phr" keine abschließende Angabe und nicht auf den Wert 100 beschränkt sei. Während in der ursprünglichen Fassung der Anteil des festen Kautschuks 100 phr betragen habe, könne dieser Anteil in der aufrechterhaltenen Fassung gemäß Anspruch 1 mit Absatz [0030] auf 120 phr ansteigen (70 phr Polyisopren plus 50 phr eines Butadien-Kautschuks). Dies sei ursprünglich nicht offenbart gewesen.
2.5 Die Argumentation der Beschwerdeführerin (Einsprechende 1) ist nicht überzeugend. Zwar ist es prinzipiell korrekt, dass der Wert für "phr" nicht auf 100 beschränkt ist, "phr" ist jedoch eine relative Größe (parts per hundred parts of rubber by weight), der sich per Definition immer auf 100 phr "rubber" bezieht.
Absatz [0014] der Streitschrift definiert "rubber" als die gesamte Masse aller festen Kautschuke, die somit den Bezugwert darstellt und folglich immer per Definition 100 phr beträgt. Die Dosierung aller anderen Komponenten wird darauf bezogen, so dass diese Komponenten durchaus mit mehr als 100 phr eingehen können.
2.6 Ausgehend von der eindeutigen Lehre des Absatzes [0014] sieht der Fachmann den Wortlaut des Absatzes [0030] der Streitschrift "1 bis 50 phr wenigstens eines Butadien-Kautschuks" aus Absatz [0030] im Kontext mit dem unmittelbar darauf folgenden Wortlaut "und 50 bis 99 phr zumindest eines natürlichen und/oder synthetischen Polyisoprens" und nicht - wie von den Beschwerdeführerinnen vorgetragen - in direktem Kontext mit Anspruch 1. Der Fachmann versteht unmittelbar, dass in Verbindung mit Anspruch 1, d.h. bei 70 bis 100 phr Polyisopren, lediglich 0 bis 30 phr Butadien-Kautschuk enthalten sein können - nämlich in Summe 100 phr.
2.7 Da die erstmals in der Beschwerde vorgebrachte Angrifflinie unter Artikel 123(2) EPÜ inhaltlich nicht überzeugt, kann die von der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) aufgeworfene Frage der Zulassung dieses Einwands unter Artikel 12(4) VOBK 2020 unbeantwortet bleiben.
3. Artikel 83 EPÜ
3.1 Die Kammer bestätigt die Entscheidung der Einspruchsabteilung, dass die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ erfüllt sind.
3.2 Die Argumentation der Beschwerdeführerin (Einsprechende 1), dass aufgrund der fehlenden Spezifikation des Klebharzes und des breit variablen Eigenschaftsspektrums der für Klebrigmacher beispielhaft genannten Phenolharze die Erfindung nicht ausreichend offenbart sei, überzeugt nicht. Zwar weiß der Fachmann, dass Phenolharze vielseitig und sehr unterschiedlich sein können, wie auch der Auszug aus dem Chemie-Lexikon D30 (Seite 3253, linke Spalte) belegt. Allerdings gilt dies für Phenolharze im Allgemeinen, die in vielen Industriezweigen einsetzbar sind, u.a. in der Elektrotechnik, in der Haushaltsgeräte-Technik, im Sanitär, etc.
3.3 Das Streitpatent bezieht sich jedoch ausschließlich auf schwefelvernetzbare Kautschukmischungen für Fahrzeugreifen und damit auf einen sehr engen Anwendungsbereich von Phenolharzen mit klar spezifizierten Randbedingungen, was viele der in D30 genannten Phenolharze per se ausschließt.
3.4 Wie aus den vorgebrachten Entgegenhaltungen zudem zu entnehmen ist, sind Klebrigmacher bzw. Klebharze im Gebiet der Herstellung von Fahrzeugreifen üblich und dem Fachmann ausreichend bekannt, siehe z.B. D11, Absatz [0035] "tackifiers", D4, Absatz [0022] "resins including tackifying resins", D23, Absatz [0054] "tackifying agents" oder D28, Seite 6, Zeilen 45, 46.
3.5 Der Fachmann ist folglich aufgrund seines Fachwissen durchaus in der Lage, ohne unzumutbaren Aufwand oder gar aufwändigen Versuchsreihen ein geeignetes Klebharz auszuwählen.
3.6 Da die Erfindung auch unter Berücksichtigung der D30 so ausreichend deutlich und vollständig offenbart ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann, kann die von der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) aufgeworfene Frage der Zulassung der D30, sowie des darauf gestützten Angriffs unter Artikel 12(4) VOBK 2020 unbeantwortet bleiben.
4. Neuheit unter Artikel 54 (2) EPÜ - D11
4.1 Die Kammer bestätigt die Entscheidung der Einspruchsabteilung, dass Anspruch 1 neu gegenüber D11 ist.
4.2 Unbestritten entspricht keine der in D11, Tabelle 1 (Absatz [0073]) offenbarten Kautschukmischungen der beanspruchten Mischung. Das von den Beschwerdeführerinnen (Einsprechende 1 und 3) in Verbindung mit erfinderischer Tätigkeit genannte spezifische Ausführungsbeispiel Compd 2 enthält SBR statt natürlichem oder synthetischen Polyisopren (NR oder IR).
4.3 Weiterhin offenbart D11 in den von den Beschwerdeführerinnen genannten Absätzen [0014], [0016], [0018] und [0020] bis [0024] lediglich Aufzählungen möglicher Stoffe für die drei wesentlichen Bestandteile
a) "oligomeric polydiene", siehe Absatz [0010],
b) "rubber", siehe Absatz [0012] und
c) "silicon-containing filler", siehe Absatz [0013].
Diese Listen mit jeweils einer Vielzahl an Alternativen enthalten zwar auch die in Anspruch 1 genannten Stoffe natürliches Polyisopren NR (Absatz [0018]), flüssiges Polybutadien (Absatz [0014]) und Kieselsäure (Absatz [0024]), der D11 ist jedoch nicht eindeutig und unmittelbar die Kombination dieser drei Bestandteile zu entnehmen. Daher ist die konkrete Kombination der Stoffe gemäß Anspruch 1 nicht aus D11 bekannt (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage 2019, II.E.1.6.2).
4.4 Zusätzlich ist aus einer weiteren, in Absatz [0035] aufgeführten Liste der optional genannten, zahlreichen Additive das Klebharz auszuwählen.
4.5 Folglich fehlt es an einer eindeutig und unmittelbaren Offenbarung der Kombination aller vier in Anspruch 1 genannten Bestandteile der Kautschukmischung.
4.6 Zusätzlich ist aber auch die in Absatz [0036] der D11 genannte Mengenangabe "0,1 bis 50 phr" allgemein auf die Liste der Additive bezogen. Welcher Mengenbereich tatsächlich für die "Tackifiers" anzuwenden ist, geht aus der Passage nicht unmittelbar und eindeutig hervor.
4.7 Damit ist Anspruch 1 neu gegenüber D11.
5. Neuheit unter Artikel 54 (3) EPÜ - D21
5.1 Die Kammer bestätigt die Entscheidung der Einspruchsabteilung, dass Anspruch 1 neu gegenüber D21 ist.
5.2 D21 offenbart unstrittig zwischen den Parteien auf Seite 18, Beispiel 4 (Tabelle 1) eine Kautschukmischung mit natürlichem Polyisopren (NR), Kieselsäure und flüssigem Polybutadien (Beispiel 1, vgl. Seite 15) in Mengen, die unter die in Anspruch 1 beanspruchten Bereiche fallen.
5.3 Umstritten ist, ob die auf Seite 10, Zeile 39 genannten Tackifier in den auf Seite 11, Zeile 4, genannten Mengen von 0,1 bis 50 Gew.-Teilen unmittelbar und eindeutig auch im Beispiel 1 vorhanden sind, wodurch die beanspruchte Kautschukmischung offenbart wäre.
5.4 Die Tackifier werden in D21 jedoch nur als eines von vielen, optional möglichen Hilfsprodukten im allgemeinen Teil der Beschreibung genannt, nicht als fester Bestandteil einer spezifischen Mischung ("Die erfindungsgemäßen Kautschukhilfsprodukte können weitere Kautschukhilfsprodukte enthalten...").
Weiterhin fehlt es wie in D11 neben der ohnehin erforderlichen Auswahl aus der Liste der möglichen Hilfsprodukten an einer eindeutigen und unmittelbaren Offenbarung des speziell für Klebharze geltenden Mengenanteils.
5.5 Damit ist Anspruch 1 auch neu gegenüber D21.
6. Artikel 56 EPÜ - ausgehend von D11
6.1 Die Kautschukmischung des Anspruchs 1 ist erfinderisch gegenüber D11 alleine oder gegenüber D11 mit D28.
6.2 Die Kammer schließt sich der Ansicht der Einspruchsabteilung an, dass das in D11 offenbarte Compd 2 den nächstliegenden Stand der Technik darstellt, zumal sich das Streitpatent hinsichtlich des endständig organosilicium-modifizierten, flüssigen Polybutadiens u.a. in Absatz [0063] auf D11 bezieht.
6.3 Anspruch 1 unterscheidet sich von der Mischung Compd2 durch
- 70 bis 100 phr zumindest eines natürlichen und/oder synthetischen Polyisoprens und
- 0.5 bis 8 phr zumindest eines Klebharzes.
6.4 Objektiv technische Aufgabe
6.4.1 Der technische Effekt und damit die durch die Unterscheidungsmerkmale zu lösende Aufgabe ist umstritten. Während die Beschwerdeführerinnen (Einsprechende 1 und 3) der erfindungsgemäßen Kautschukmischung keinen systematischen Effekt bzgl. der Eigenschaften Rollwiderstand, Reißeigenschaften und Verarbeitbarkeit zugestehen, argumentiert die Beschwerdegegnerin (Patentinhabern), dass eine Lösung des Zielkonflikts wie in Absatz [0009] des Patents beschrieben, erreicht werde.
6.4.2 Ausgangspunkt beider Standpunkte sind die Versuchsergebnisse der Tabelle 1 des Streitpatents, der von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren eingereichten Tabelle 2 und der von der Einsprechenden 3 mit der Beschwerdebegründung eingereichten Anlage 1.
6.4.3 Die Kammer stimmt der Einspruchsabteilung zu, dass den Tabellen 1 und 2 (angefochtene Entscheidung, Seite 7, vorletzter Absatz) entnehmbar ist, dass durch die Bestandteile und deren Mengen in der beanspruchten Mischung eine Verbesserung gegenüber dem Stand der Technik im Hinblick auf den Zielkonflikts aus Rollwiderstand, Reißeigenschaften und Verarbeitbarkeit erreicht wird.
6.4.4 Wie von der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) vorgetragen, ergibt sich ein Zielkonflikt dadurch, dass sich eine Eigenschaft A nicht verbessern lässt, ohne eine andere Eigenschaft B zu verschlechtern. Aufgabe der beanspruchten Kautschukmischung ist, den Zielkonflikt zwischen z.B. erwünschten niedrigen Werten für Viskosität und tan d (max) und dem entgegenstehend hohen Werten für z.B. die Rückprallelastizitäten, Zugfestigkeit, M100, Bruchdehung, E' und HSTE zu verbessern (Absatz [0067]).
6.4.5 Es mag sein, dass, wie von den Beschwerdeführerinnen vorgetragen, die Werte mancher Eigenschaften in Tabelle 1 des Streitpatents für die Vergleichsversuche V1 und V2 isoliert betrachtetet günstiger ausfallen als für die erfindungsgemäßen Beispiele E1 bis E6.
Dem Vergleich von V2 (Anteil NR = 25 phr) mit E3 bis E6 (Anteil NR = 75 phr bzw. 100phr) ist jedoch z.B. entnehmbar, dass V2 zwar die günstigeren Werte für die Rückprallelastizitäten und E' aufweist, jedoch die ungünstigsten Werte für die Viskosität, die Zugfestigkeit und die Bruchdehnung. Die Beispiele E3 bis E6 hingegen zeigen deutlich bessere Werte bei der Viskosität, die Zugfestigkeit und die Bruchdehnung, jedoch nur geringe Einbußen bei den Rückprallelastizitäten und E'.
6.4.6 Dieser Vergleich spiegelt eindeutig das Bestreben einer Kompromissfindung der im Zielkonflikt stehenden Reifeneigenschaften wieder.
Daran ändert auch die von der Beschwerdeführerin (Einsprechende 3) eingereichte Anlage 1 nichts, so dass die von der Beschwerdegegnerin aufgeworfene Frage der Zulassung der Anlage 1 unter Artikel 12(4) VOBK 2020 unbeantwortet bleiben kann.
Hierzu ist anzumerken, dass die Ergebnisse der Anlage 1 keine berechtigen Zweifel an den aus Tabelle 1 erhaltenen Informationen weckt. Auch in Anlage 1 lassen sich für die anspruchsgemäßen Mischungen günstige Werte für entgegengesetzte Eigenschaften ablesen. So weist die Mischung 51-208-3 z.B. den niedrigsten Wert für die Viskosität, die höchsten Werte für die Rückprallelastizitäten und einen relativ hohen Wert für E' auf.
6.4.7 Die zu lösende Aufgabe ist folglich in der Lösung des Zielkonflikts verschiedener Reifeneigenschaften zu sehen.
6.5 D11 alleine
6.5.1 Da die zu lösende Aufgabe entgegen der Argumentation der Beschwerdeführerinnen nicht darin liegt, lediglich eine alternative Kautschukmischung bereitzustellen, ist zunächst festzustellen, dass sich D11 nicht mit der Optimierung der Reifenmischung in Hinblick auf den in den Absätzen [0009] und [0067] des Streitpatents beschriebenen Zielkonflikt beschäftigt. Stattdessen erkennt D11 die günstigen Eigenschaften von Kieselsäure (anstelle von Ruß) in einer Kautschukmischung. Die Verwendung von Kieselsäure beeinflusst jedoch den Herstellungsprozess, so dass die Aufgabe der D11 ist, die Effizienz der Herstellung von Reifen mit einer kieselsäurehaltigen Kautschukmischung bei Wahrung der günstigen Eigenschaft zu verbessern (Absätze [0004] bis [0008]). Dies wird durch die Verwendung von flüssigen Polybutadien erreicht, das auch in der beanspruchten Kautschukmischung Einsatz findet (Streitpatent, Absatz [0063]).
6.5.2 Ausgehend von dem aus D11 bekannt gewordenen Compd 2 erhält der Fachmann aus der D11 alleine keine Anregung, die Komponente "SBR rubber" gegen Polyisopren auszutauschen und zusätzlich 0,5 bis 8 phr Klebharz vorzusehen. D11, Absatz [0018], nennt zwar NR, jedoch in einer Reihe mit BR, SBR, IIR und EPDM. Das Klebharz wird in einer optionalen Liste mit 18 anderen Additiven aufgeführt. Die Mengenangabe in Absatz [0036] ist lediglich eine generische Angabe, die für alle "conventional rubber additives" zu sehen ist. Ein Hinweis, dass die Verwendung von Polyisopren mit einem Anteil von mindestens 70 phr und Klebharz mit einem Anteil von 0,5 bis 8 phr zur Verbesserung des Zielkonflikt beitragen kann, fehlt.
6.5.3 Selbst wenn der Fachmann anhand seines Fachwissens die in Anlage 1 oder 2 genannten Mengenbereiche von 2 bis 8 phr Klebharz im Compd2 berücksichtigen würde, erhält er keine Anregung statt dem SBR ein Polyisopren in den beanspruchten Mengen zu verwenden, um die gestellte Aufgabe zu lösen. Auch ist fraglich, ob dadurch Anpassungen bei den anderen Komponenten erforderlich sind.
6.5.4 Somit wird die beanspruchte Kautschukmischung nicht von D11 alleine nahegelegt.
6.6 D11 mit D28
6.6.1 Auch bei diesem Angriff ist die zu lösende Aufgabe entgegen der Argumentation der Beschwerdeführerinnen nicht darin zu sehen, eine Kautschukmischung bereitzustellen, die sich besonders gut zur Herstellung einer Base in einer Cap/ Base-Konstruktion eignet, sondern in der Verbesserung des bereits beschriebenen Zielkonflikts.
6.6.2 Zwar könnte der Fachmann durch die Offenbarung der D28, Seite 6, Zeile 52, angeregt werden, dem Compd 2 der D11 mit Absatz [0035, 0036] ein Klebharz in Mengen zwischen 0,5 bis 10 phr als üblichen Zusatzstoff hinzuzufügen. Allerdings enthielte die Mischung dann weiterhin kein Polyisopren (IR oder NR), sondern SBR.
6.6.3 Auch die D28 legt nicht nahe, die Lösung der Aufgabe durch die Unterscheidungsmerkmale des Anspruchs 1 (vgl. obigen Punkt 6.3) zu realisieren. Stattdessen legt Tabelle 1 (Seite 8) bei Verwendung von Kieselsäure (Silica in Samples A, B, C) einen deutlich geringeren Anteil an NR (30 oder 50 phr) nahe und setzt statt Naturkautschuk das SBR ein, wie es auch im Compd 2 der D11 verwendet wird.
6.6.4 Somit führt auch die Kombination von D11 mit D28 nicht zur beanspruchten Kautschukmischung.
7. Artikel 56 EPÜ - ausgehend von D4, D20 oder D23
7.1 Die Kautschukmischung des Anspruchs 1 ist erfinderisch ausgehend von D4, D20 oder D23. Da keiner der Angriffe überzeugt, bleibt die von der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) vorgebrachte Frage der Zulassung der Angriffe ausgehend von D20 oder D23 unter Artikel 12(4) VOBK 2020 unbeantwortet.
7.2 D4 ist weder ein besserer Ausgangspunkt als D11, noch legt die Offenbarung der D4 den Gegenstand des Anspruchs 1 nahe.
7.2.1 D4 offenbart in Tabelle 1 (Absatz [0032]), von der die Beschwerdeführerin (Einsprechende 3) ausgeht, eine Kautschukmischung, die wie das Compd 2 der D11 kein Polyisopren, sondern SBR/BR, und kein Klebharz enthält. Zusätzlich fehlt die Offenbarung eines Mengenbereichs für das Klebharz oder Additive im Allgemeinen.
7.2.2 Bzgl. der zu lösenden Aufgabe gilt das zu D11 Gesagte.
7.2.3 D4 beinhaltet keinerlei Information darüber, ob das SBR/BR ohne Anpassung der anderen Bestandteile durch Polyisopren (D4, Absatz [0014]) ersetzt werden kann. Auch gibt es in D4 keinen Hinweis darauf, das Polyisopren in den beanspruchten Mengen zusätzlich in Verbindung mit den beanspruchten Mengen eines in einer Liste von vielen Additiven genannten Klebharzes (Absatz [0022]) zu verwenden. Somit gilt auch für die erfinderische Tätigkeit das für den Angriff D11 alleine bereits Gesagte.
7.3 Auch D20 geht nicht über den Offenbarungsgehalt der D11 hinaus und stellt daher keinen besseren Ausgangspunkt dar.
7.3.1 Ausgehend von D20 unterscheidet sich Anspruch 1 entgegen der Argumentation der Beschwerdeführerinnen nicht nur durch den Zusatz von 0,5 bis 8 phr Klebharz, sondern ausgehend von einer der Kautschukmischungen der in Absatz [0056] enthaltenen Tabelle wie die D4 und die D11 zusätzlich durch den Einsatz von 70 bis 100 phr eines Polyisoprens anstelle von 100 phr BR/SBR.
Der von der Beschwerdeführerin (Einsprechende 3) zitierte Anspruch 1 nennt lediglich Stoffgruppen für die wesentlichen Bestandteile der Mischung, nicht jedoch konkrete Stoffe. Diese werden in den Absätzen [0014, 0020 0045] in Form von Listen genauer spezifiziert, jedoch wie in D11 nicht in der in Anspruch 1 des Streitpatents beanspruchten Kombination offenbart oder nahegelegt.
7.3.2 Bzgl. der Austauschbarkeit des SBR/BRs im offenbarten Compound durch ein Polyisopren gilt das für D11 oder D4 Gesagte. Auch ist der D20 kein Hinweis zu entnehmen, eines der Harze in den beanspruchten Gewichtsanteilen als Klebharz zuzugeben.
7.4 D23 beschäftigt sich wie die Streitschrift mit dem Thema Zielkonflikt (Absatz [0005]). Die Lösung wird in der Mischung des Polyisoprens mit Polybutadien gesehen. D23 könnte daher als nächstliegender Stand der Technik dienen.
7.4.1 Die Beschwerdeführerin (Einsprechende 3) geht von Anspruch 17 aus und argumentiert, dass sich Anspruch 1 nur durch den Mengenbereich 0,5 bis 8 phr für das Harz unterscheide. Der Einsatz des Harzes habe jedoch keinen technischen Effekt, so dass Anspruch 1 nicht erfinderisch sei.
7.4.2 Diese Argumentation ist nicht überzeugend. Anspruch 17 offenbart ein Weichmacherharz, kein Klebharz. Weiterhin wird in D23 bzgl. der Harze lediglich festgestellt, dass bei einem geringeren Gehalt an Kieselsäure auch weniger Weichmacherharz erforderlich ist (Absatz [0101]). Der Einfluss von Klebharz wird hingegen nicht thematisiert. Auch sah die Einspruchsabteilung kein anspruchsgemäßes flüssiges organosilicium-modifiziertes Polybutadien offenbart. Dies wurde von der Beschwerdeführerin (Einsprechende 3) auch nicht bestritten.
7.4.3 Wie von der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) dargelegt, hat die Auswahl des Mengenbereichs des Klebharzes in Verbindung mit den anderen Komponenten jedoch durchaus einen technischen Effekt hinsichtlich des Zielkonflikts. Daher fehlt es an einem Aufgabe-Lösungs- Ansatz, und insbesondere ausgehend von der Lehre der D23 an einer Veranlassung für den Fachmann, zur Lösung von der im Streitpatent gestellten Aufgabe ein Klebharz in den beanspruchten Mengen sowie ein endständig organosilicium-modifiziertes Polybutadien zu berücksichtigen.
Selbst wenn ein Klebharz und der in den Anlagen 2 oder 3 genannte Mengengehalt von 2 bis 5 phr dem Fachmann bekannt wären, fehlt noch stets eine der beanspruchten Komponenten.
8. Beschreibung
Die Parteien waren sich einig, dass keine Anpassungen an der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung der Beschreibung erforderlich sind.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in der folgenden geänderten Fassung aufrechtzuerhalten:
Ansprüche 1 - 9 des Hauptantrags, eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung; und
Beschreibung in der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung.