T 0050/90 14-05-1991
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Vorrichtung zum Befeuchten von Druckplatten in Rotationsdruckmaschinen
Interpretation of claims in the light of the
description
Anspruchsauslegung sachgerecht im Licht der
Beschreibung
I. Auf die am 19. September 1984 angemeldete europäische Patentanmeldung 84 111 153.7 in der die Priorität vom 11. Oktober 1983 der Patentanmeldung Nr. 3 336 875 in der Bundesrepublik Deutschland beansprucht ist, ist am 15. Mai 1988 das europäische Patent Nr. 0 141 217 erteilt worden.
Der einzige unabhängige Anspruch 1 des erteilten Patents lautet wie folgt:
"1. Vorrichtung zum Befeuchten von Druckplatten in Rotationsdruckmaschinen durch Aufsprühen oder -schleudern von Flüssigkeitströpfchen auf eine erste Walze (19) mit harter, feuchtmittelfreudiger Oberfläche, von der die Tröpfchen unmittelbar über eine zweite Walze (20) mit einer elastischen Oberfläche zu einer Feuchtmittelauftragwalze (21) mit elastischer Oberfläche gelangen."
Die abhängigen Ansprüche 2 und 3 beziehen sich auf besondere Ausführungsformen der Befeuchtungsvorrichtung nach Anspruch 1.
II. Gegen das erteilte Patent wurde ein Einspruch eingelegt und beantragt, das Patent zu widerrufen.
Der Einspruch wurde darauf gestützt, daß das Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbare, daß ein Fachmann sie ausführen könne (Artikel 100 (b) EPÜ), da der Patentschrift keine Lehre entnehmbar sei, was unter elastisch bzw. weich im Sinne der Patentschrift zu verstehen sei. Darüber hinaus ist geltend gemacht worden, daß der patentierte Gegenstand gegenüber der
(D1) DE-B-2 221 289 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (Artikel 100 (a) EPÜ).
III. Mit Entscheidung vom 16. November 1989 hat die Einspruchsabteilung den Einspruch zurückgewiesen.
IV. Gegen diese Entscheidung der Einspruchabteilung hat die Beschwerdeführerin am 17. Januar 1990 per Telekopie Beschwerde eingelegt. Die schriftliche Bestätigung der Telekopie ging am 19. Januar 1990 zusammen mit der Beschwerdegebühr ein. Die Beschwerdebegründung ging am 16. März 1990 per Telekopie und deren schriftliche Bestätigung am 17. März 1990 auf dem Postweg ein.
Die Beschwerdeführerin nannte erstmals in der Beschwerdebegründung zusätzlich die Druckschriften
(D2) DE-A-1 436 542,
(D3) DE-U-8 216 092,
(D4) DE-B-2 439 999 und
(D5) US-A-4 044 674 V. Die zur Unterstützung ihres Antrags schriftlich und mündlich vorgebrachten Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
a) Die in Anspruch 1 gewählten Begriffe "hart" bzw. "elastisch" zur Charakterisierung der Beschaffenheit von Walzenoberflächen gebe dem Fachmann keine Lehre zur Ausführung der Erfindung an die Hand. Auch der Hinweis in der Beschreibung des Streitpatents, Spalte 2, zweiter Absatz, dahingehend, daß durch die "weiche Walze" eine "zusätzliche Walkarbeit" bewirkt werden solle, helfe dem Fachmann nicht weiter bei der Materialauswahl, da eine Walkarbeit bei entsprechender Wahl des Anstelldrucks mit fast jedem in Feuchtwerken üblichem Walzenwerkstoff erzeugbar sei.
b) Der Gegenstand des Anspruchs 1 ergebe sich in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik, wenn bei der in der in Figur 3 der Druckschrift (D1) dargestellten Feuchtwerk die Walzen (4) und (5) durch die Walzen (22) und (26) des aus der Druckschrift (D2) bekannten Feuchtwerks ersetzt würden.
c) Es bestehe weder ein Vorurteil dagegen, Feuchtmittel unmittelbar auf einen harten Reiber aufzusprühen, wie z. B. die Druckschrift (D4) beweise, noch ein Vorurteil dagegen, zwei weiche Walzen gegeneinander laufen zu lassen, wofür die Druckschriften (D2), (D1) und (D3) Beispiele lieferten.
d) Im übrigen machte die Beschwerdeführerin zum erstenmal in der mündlichen Verhandlung geltend, das in der Beschreibung des Streitpatents geltend gemachte Problem der "Tropfenbildung" bestehe bei bekannten Dreiwalzenfeuchtwerken der auch aus der Druckschrift (D1) bekannten Art nicht, weshalb das Streitpatent auch zu Unrecht beanspruche, diese Aufgaben gelöst zu haben.
e) Die hilfsweise beantragte Einfügung in Anspruch 1 entspreche nicht der ursprünglichen Offenbarung, da in der Beschreibung Bezug auf "Walkarbeit" und nicht auf "Walken" genommen werde.
VI. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat diesen Ausführungen widersprochen. Sie erklärte in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich, daß der letzte Absatz der Beschreibung des Streitpatents, Spalte 3, Zeilen 5 bis 8, sich auf eine im Prüfungsverfahren fallengelassene Ausführungsform der ursprünglichen Anmeldung beziehe und nur irrtümlich vor der Erteilung des Patents nicht gestrichen worden sei. Dieser Absatz sei somit gegenstandslos und sei bei der Auslegung des beanspruchten Gegenstandes nicht zu berücksichtigen.
VII. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin hat die Zurückweisung der Beschwerde und die Bestätigung des Patents in der erteilten Fassung beantragt. Hilfsweise beantragte sie eine Aufrechterhaltung mit geänderter Fassung.
VIII. Am Ende der mündlichen Verhandlung vom 14. Mai 1991 wurde die in der Entscheidungsformel angegebene Entscheidung der Kammer verkündet.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Ausführbarkeit (Artikel 100 b) EPÜ) Gemäß Artikel 100 (b) EPÜ kann ein Einspruch darauf gestützt werden, daß das europäische Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann sie ausführen kann.
Es trifft zu, daß die im erteilten Anspruch 1 gewählten Eigenschaften "hart" und "elastisch" für die Oberflächenbeschaffenheit der verschiedenen Walzen Relativbegriffe sind, die an sich keinen eindeutigen und klar umgrenzten Bedeutungsumfang besitzen. Die Beschreibung des angefochtenen Patents liefert jedoch die Informationen, auf Grund derer der Fachmann in die Lage versetzt wird, die Erfindung auszuführen. Dort wird in Spalte 2, zweiter Absatz, ausgeführt, daß der im Anspruch 1 gewählte Begriff "elastische Oberfläche" im Sinne der Erfindung als synonym mit "weicher Oberfläche" verstanden werden soll. Es soll als zwischengeschaltete Walze z. B. eine Gummiwalze oder eine textilbeschichtete Walze eingesetzt werden. Da die gleiche Charakterisierung "elastisch" bzw. "weich" auch zur Beschreibung der Oberfläche der unmittelbar mit dem Plattenzylinder zusammenwirkenden Auftragswalze, deren übliche Beschaffenheit dem einschlägigen Fachmann der Größenordnung nach geläufig ist, gewählt wird, ist dem Fachmann damit bereits ein verhältnismäßig enger Rahmen für die Wahl des Werkstoffs vorgegeben.
Diese Lehre wird noch weiter durch eine Aussage über den durch die weiche Ausbildung der Oberfläche der zweiten Walze angestrebten Effekt konkretisiert. Dieser soll darin bestehen, daß "durch die zusätzliche Walkarbeit der zwischengeschalteten weichen Walze die Emulsionsbildung zwischen Farbe und Wasser gefördert wird". D. h. aber nach der üblichen Definition des Begriffs "walken", daß die Oberfläche dieser zweiten Walze so beschaffen sein soll, daß sie bei Anstelldrücken in bei Feuchtwerken üblicher Größenordnung im Zusammenwirken auf jeden Fall mit der vorausgehenden "harten" Walze und evtl. auch mit der nachfolgenden weichen Auftragswalze so knetend bearbeitet wird, daß eine Emulsionsbildung zwischen dem Wasser und der fetthaltigen Farbe gefördert wird. Im Zusammenhang gelesen suggerieren somit diese Stellen der Beschreibung dem fachkundigen Leser, daß das Material einer solchen Walze mit weicher Oberfläche so beschaffen sein soll, daß der von der benachbarten Walze an der Berührungsfläche auf die "weiche Walze" ausgeübte Anstelldruck eine wesentliche Verformung hervorruft, also Arbeit (Druck x Fläche x Verformungsweg) leistet.
Im Umkehrschluß ist eine Walze mit "harter" Oberfläche eine solche, in deren Oberfläche eine solch wesentliche Verformungsarbeit unter dem Einfluß der benachbarten Walze nicht geleistet wird.
Es trifft zwar zu, daß, wie die Beschwerdeführerin argumentiert, Arbeit gleich Kraft x Weg ist, daß also die gleiche Arbeit mit höherer Kraft und kleinerem Verformungsweg erzielt werden kann. Es ist jedoch sofort erkennbar, daß im Sinne der Lehre des Streitpatents nur ein verhältnismäßig langer Verformungsweg die innige Durchmischung des auf der verformten Oberfläche befindlichen Farbe/Wasser-Gemischs fördert.
Die Lehre des Streitpatents ist somit so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann sie, zumindest nach Durchführung einiger Routineversuche, ausführen kann.
Der Einwand nach Artikel 100 b) EPÜ vermag somit nicht durchzugreifen.
3. Interpretation Die genaue Bedeutung und der Sinn der Relativangaben "elastisch" und "hart" im erteilten Anspruch 1 können mit Hilfe der übrigen Offenbarung ausgelegt werden. Ferner gehört ein auf Artikel 84 gestützter Einwand nicht zu den in Artikel 100 EPÜ aufgeführten Einspruchsgründen und muß deshalb im vorliegenden Fall aufgrund von Artikel 102 (1) und (2) i. V. m. Regel 66 (1) EPÜ gegen einen gegenüber der erteilten Fassung ungeänderten Anspruch außer Betracht bleiben. Eine solche Undeutlichkeit wäre nur dann in einem Einspruchsverfahren, und in einem darin begründeten Beschwerdeverfahren, von Relevanz, wenn sie dazu führte, daß in Artikel 100 EPÜ aufgeführte Gründe zum Tragen kommen, z. B. wenn, bedingt durch die Unklarheit des Anspruchs, durch ihn Gegenstände umfaßt würden, die zum Stande der Technik gehören.
Gemäß Artikel 69 (1), letzter Satz, EPÜ sind die Beschreibung und die Zeichnungen zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen. Das wird insbesondere dann der Fall sein müssen, wenn bereits bei dem Studium des Anspruchs sofort erkennbar ist, daß und welche Merkmale interpretationsbedürftig sind. Relativbegriffe, wie sie auch der erteilte Anspruch 1 enthält, sind solche Merkmale, zu deren Auslegung im Hinblick auf die Bestimmung des durch den betreffenden Patentanspruch festgelegten Schutzbereichs der Fachmann regelmäßig die Beschreibung zu Rate ziehen wird.
Bei der Festlegung dessen, was im Sinne des angegriffenen Patents unter einer "elastischen" oder einer "harten" Oberfläche zu verstehen ist, ist somit die Beschreibung des Streitpatents, insbesondere Spalte 2, Zeilen 3 bis 29, zu berücksichtigen.
4. Neuheit
4.2. Von den im Einspruchsverfahren genannten Entgegenhaltungen betreffen nur die Druckschriften (D1), (D4) und (D5) Befeuchtungsvorrichtungen, bei denen die Feuchtflüssigkeit durch Aufsprühen oder -schleudern von Flüssigkeitströpfchen auf eine Walze aufgebracht wird.
Davon offenbart (D4), siehe insbesondere Figur 1, Sprühfeuchtwerke (11 bzw. 12), bei denen die Feuchtigkeit über nur zwei Walzen (9 bzw. 10, 7 bzw. 8) auf den Plattenzylinder (3 bzw. 4) übertragen wird. Die Druckschrift (D5), siehe insbesondere Figur 1, offenbart ein Sprühfeuchtwerk, bei dem der Transportweg für die Flüssigkeitströpfchen die vier Walzen (29, 30, 22, 23) aufweist.
4.2. Die Druckschrift (D1) offenbart mehrere Ausführungsformen von Befeuchtungsvorrichtungen, von denen nur die in Figur 3 dargestellte ein Sprüh- oder Schleuderfeuchtwerk (15) aufweist. Gemäß der Beschreibung dieser Figur in Spalte 4, Zeilen 15 bis 24, wird das Feuchtmittel unmittelbar auf einen Reibzylinder (10) mit einer Mantelfläche aus Kunststoff oder Kupfer oder auf eine dem Reibzylinder vorgelagerte Walze (20) aufgebracht. Vom Reibzylinder (10) gelangt das Feuchtmittel unmittelbar auf die Feuchtmittelauftragwalze (5). Die Walze (4) dient zum Aufbringen von Farbe auf den Reibzylinder (10) vor dem Inbetriebsetzen der Maschine, siehe Spalte 3, Zeile 47, bis Spalte 4, Zeile 1; sie läuft nur auf dem Reibzylinder (10) und ist nicht in den Transportweg für das Feuchtmittel eingeschlossen. Bei dieser Ausführungsform besteht der Übertragungsweg für das Feuchtmittel somit wahlweise aus zwei oder aus drei Walzen im Sinne der Zählung gemäß Anspruch 1 des Streitpatents. Die Mantelfläche des Reibzylinders besteht aus Kunststoff oder Kupfer. Gemäß Spalte 3, Zeilen 4 bis 9, dieser Entgegenhaltung wird als Farbe annehmender Kunststoff insbesondere ein unter dem Markennamen "Rilsan" bekanntes Polyamid (PA11) eingesetzt, ein Werkstoff, der in der Fachwelt insbesondere auch für seine hohe mechanische Festigkeit bekannt ist.
Es trifft zwar zu, daß sowohl Kupfer als auch PA11 Werkstoffe sind, die innerhalb eines bestimmten Grenzbereichs auf eine äußere Krafteinwirkung mit einer elastischen Verformung reagieren. Beide Materialien sind jedoch als verhältnismäßig feste Werkstoffe bekannt und somit unter den bei Feuchtwerken üblichen Anstelldrücken nicht in dem Ausmaße verformbar, daß sich ein Walkvorgang im Sinne des gemäß Streitpatent angestrebten Effekts ergibt. Die Angabe dieser beiden Werkstoffe in der Druckschrift (D1) läßt dem Fachmann nur die Deutung zu, daß der Reibzylinder ein üblicher "harter" Reiber, d. h. ein Reiber, dessen Oberfläche unter dem Anstelldruck durch die mit ihm zusammenwirkenden Walzen nicht wesentlich verformt wird, sein soll.
4.3. Ein unterscheidendes Merkmal des Gegenstands des erteilten Anspruchs 1 gegenüber dem in Figur 3 der Druckschrift (D1) dargestellten Sprühfeuchtwerk ist somit - bei Auslegung des Anspruchs im Lichte der Beschreibung -, daß die mittlere Walze eine solchermaßen (weich)elastische Oberfläche aufweist, daß sie durch die durch die Walzen, mit denen sie zusammenwirkt, so walkend verformbar ist, daß die Emulsionsbildung zwischen Farbe und Wasser gefördert wird.
4.4. Dem steht auch nicht die Druckschrift (D2), insbesondere Seite 10, zweiter Absatz, und Figur 2, entgegen, wo eine elastische und vibrierende Übertragungsrolle (26) (Reiber) zwischen einer Anfeuchtungswalze (22) und einer mit Tuch bespannten Aufnahmewalze (24) angeordnet ist. Wie aus Seite 6, Zeilen 3 bis 5, Seite 10, Zeile 13, und Seite 12, Zeilen 3 bis 19, der gleichen Druckschrift erkennbar ist, wird in dieser Druckschrift der Begriff elastisch in seiner allgemeinen Bedeutung verwandt und charakterisiert allein noch nicht das Verformungsverhalten der so bezeichneten Walze unter dem Einfluß ihrer Nachbarwalzen. So sind z. B. sowohl das Material der Ringe (42, 44) als auch das Material der Anfeuchtungswalze (22) mit elastisch bezeichnet. Zusätzlich wird jedoch erklärt, daß das Material der Ringe (42, 44) hart gegenüber dem Material der Walze (22) ist. Eine solche zusätzliche Angabe über die "Härte" der Oberfläche des Reibers (26) ist der Druckschrift (D2) nicht zu entnehmen. Somit wird der Fachmann davon ausgehen, daß sie wie üblich hart im Verhältnis zu den Oberflächen der Walzen (22) bzw. (24) ist.
4.5. Anspruch 1 erfüllt somit das Gebot der Neuheit gemäß Artikel 52 (1) in Verbindung mit Artikel 54 EPÜ.
5. Nächstkommender Stand der Technik
5.1. Die Kammer stimmt mit beiden Parteien darin überein, daß die in Figur 3 der Druckschrift (D1) dargestellte Befeuchtungsvorrichtung den nächstkommenden Stand der Technik darstellt.
Wie bereits oben in Abschnitt 4.2. ausgeführt ist, ist aus diesem Stand der Technik eine Vorrichtung zum Befeuchten von Druckplatten in Rotationsdruckmaschinen durch Aufsprühen oder -schleudern von Flüssigkeitströpfchen auf eine erste Walze (20) mit feuchtmittelfreundlicher Oberfläche bekannt, von der die Tröpfchen unmittelbar über eine zweite Walze (10) zu einer Feuchtmittelauftragwalze (5) mit elastischer Oberfläche gelangen. Die zweite Walze (10) ist ein Reibzylinder, dessen Oberfläche "hart" im Sinne des Streitpatents ist.
Die Druckschrift (D1) enthält in Spalte 4, zweiter Absatz, keine Angabe darüber, wie bei der dort in Figur 3 dargestellten Ausführungsform das Oberflächenmaterial der Feuchtmittelaufnahmewalze (20) beschaffen sein soll. Die Hinweise in dieser Druckschrift, Spalte 3, Zeile 46, und Spalte 4, dritter Absatz, auf Aufnahmewalzen (12) mit verchromter Oberfläche beziehen sich auf die in den Figuren 2 und 4 dargestellten Ausführungsformen, die auf Tauchbasis arbeitende Feuchtwerke aufweisen.
5.2. Die Kammer ist sich jedoch mit allen Beteiligten (siehe auch Beschwerdebegründung Seite 6, dritter Absatz) darin einig, daß in der Praxis des Druckmaschinenbaus die allgemein gültige Regel gilt, daß eine "harte" Walze immer mit einer "weichen" Walze zusammenwirken soll. Diese Regel ist z. B. auch bei der in Figur 2 der Druckschrift (D1) dargestellten Ausführungsform eines Tauchfeuchtwerks erfüllt, wo zwischen einen "harten" Reiber (10) und eine harte Aufnahmewalze (12) eine Übertragungswalze (11) mit Gummioberfläche gesetzt ist. Da die Reiberwalze (10) in Figur 3 der Druckschrift (D1) eine auch im Sinne der Definition des Streitpatents "harte" Oberfläche besitzt, wird der Fachmann, der diese Druckschrift liest, aufgrund der obigen allgemein gültigen Regel erwarten, daß die Aufnahmewalze (20) eine Oberfläche aufweist, die eine ähnlich elastische Beschaffenheit aufweist wie die Oberfläche der Auftragswalze (5). Die Oberfläche der Auftragswalze ist jedoch von einer derartigen Beschaffenheit, daß sie durch den Reibzylinder mit einer Oberfläche aus Kupfer oder einem ähnlich festen Kunststoff wie PA11 (Rilsan) walkend verformt wird.
Der Fachmann wird somit aufgrund seiner Fachkenntnisse die in Figur 3 der Druckschrift (D1) dargestellte Ausführungsform dahingehend interpretieren, daß die harte Reiberwalze von zwei Walzen flankiert wird, deren Oberflächen (weich)elastisch im Sinne der Definition des Streitpatents sind.
5.3. Sollte der Fachmann jedoch seine Kenntnis der oben angegebenen allgemeingültigen Regel und die damit konform gehende, in Figur 2 der Druckschrift (D1) dargestellte Ausführungsform außer Acht lassen, so könnte er zur Klärung der Frage, wie die Oberfläche der Aufnahmewalze (20) in Figur 3 dieser Druckschrift beschaffen sein könnte, auch die in Figur 4 der Druckschrift (D1) dargestellte Ausführungsform heranziehen, die im dritten Absatz der Spalte 4 beschrieben ist. Danach wäre der harte Reiber (aus Kupfer oder Rilsan) von einer weichen Auftragswalze und einer harten, weil verchromten, Aufnahmewalze flankiert.
6. Aufgabe Bekanntermaßen müssen Feuchtmittelauftragswalzen stets weichelastisch sein. Die bisher bekannten und in der Praxis üblichen für Feuchtmittelauftragswalzen geeigneten Bezüge haben jedoch den bisher nicht vermeidbaren Nachteil, daß sie Farbe annehmen. Da die Farbe auf dem Plattenzylinder, dem Druckbild entsprechend, ungleichmäßig verteilt ist, ergibt sich eine entsprechend ungleichmäßige Rückfärbung auf der Feuchtmittelauftragwalze, wodurch auch die Feuchtflüssigkeit nicht in über die ganze Walzenlänge gleicher Schicht übernommen und auf den Plattenzylinder weitergefördert wird.
Die Behebung dieses Nachteils stellte bereits die der Druckschrift (D1) zugrundeliegende Aufgabe dar. Der aus (D1) bekannte Beitrag zur Lösung dieses Problems besteht nur darin, daß die Mantelflächen der Farbauftragswalze und des dieser vorgelagerten harten Reibzylinders bewußt farbmittelfreundlich gewählt werden, um auf beiden einen durchgehenden Farbfilm auszubilden, siehe (D1), Spalte 1, Zeile 55, bis Spalte 2, Zeile 53.
Das Streitpatent, siehe Spalte 1, Zeilen 9 bis 59, macht nun geltend, daß diese aus (D1) bekannte Maßnahme zur Verhinderung von Tropfenbildung auf dem Druckbild zumindest dann noch nicht ausreichend ist, wenn die Feuchtigkeit durch Aufsprühen oder -schleudern von Flüssigkeitströpfchen auf eine erste, der Reiberwalze vorgelagerte Walze aufgebracht wird - also bei einer in Figur 3 der Druckschrift (D1) dargestellten bekannten Ausführungsform. Eine weitere Verbesserung war daher anzustreben.
6. Lösungsprinzip Das Prinzip der vom Streitpatent vorgeschlagenen Lösung besteht darin, den der Auftragswalze vorgelagerten harten Reibzylinder gegen eine Walze mit weichelastischer Oberfläche auszutauschen und dieser wiederum eine Walze mit harter feuchtmittelfreudiger Oberfläche vorzulagern, auf die die Feuchtflüssigkeit aufgesprüht wird. Diese harte Walze ist vorzugsweise als Reibzylinder ausgebildet. Obwohl somit die Anzahl der Walzen gegenüber der in Figur 3 der Druckschrift (D1) bekannten Befeuchtungsvorrichtung nicht erhöht worden ist, ergibt sich nach Angabe der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) ein wesentlich gleichmäßigeres Druckbild. Dies beruht offensichtlich darauf, daß durch die zusätzliche Walkarbeit der zwischengeschalteten weichen Walze die Emulsionsbildung zwischen Farbe und Wasser gefördert wird.
7. Erfinderische Tätigkeit
7.1. Die Kammer geht davon aus, daß der von der Beschwerdegegnerin unter anderem in der Beschreibung des Streitpatents geltend gemachte Nachteil dem Stand der Technik, wie z. B. der aus der Druckschrift (D1) bekannten Befeuchtungsvorrichtung, glaubhaft anhaftet. Die Beschwerdeführerin hat Gegenteiliges auch erst gegen Ende der mündlichen Verhandlung behauptet, ohne jedoch nachprüfbare Tatsachen für ihre Behauptungen vorzulegen. Dieses verspätete Vorbringen der Beschwerdeführerin muß deshalb auch schon deshalb unberücksichtigt bleiben, da es nicht substantiiert ist.
7.2. In der Druckschrift (D1), siehe insbesondere Spalte 2, Zeile 27, bis Spalte 3, Zeile 3, werden der gegenüber noch früherem Stand der Technik gleichmäßigere Feuchtmittelauftrag und das dadurch bedingte gleichmäßigere Druckbild darauf zurückgeführt, daß durch die auf dem farbfreundlichen Reibzylinder gebildete Farbschicht der Reibantrieb nicht mehr, wie davor üblich, vom Plattenzylinder aus, sondern, infolge der größeren Reibung, vom Reibzylinder aus bestimmt werde. Wegen des Walkprozesses zwischen dem (angetriebenen) Reibzylinder und der Auftragwalze erhalte letztere eine Geschwindigkeitsverzögerung, so daß an der Berührungsfläche zwischen Auftragwalze und Plattenzylinder derart unterschiedliche Umfangsgeschwindigkeiten aufträten, daß die Auftragwalze mit geringerer Umfangsgeschwindigkeit als der Plattenzylinder umlaufe. Der dadurch entstehende Reinigungseffekt bewirke, daß tonende Stellen, d. h. solche, bei denen sich an wassertragenden Flächen der Platte Farbe abgesetzt habe, schneller beseitigt werden könnten. Es wird zwar auch erkannt, daß eine Emulsionsbildung zwischen Farbe und Wasser stattfindet. Dieser Emulsionsbildung wird aber nur die im Hinblick auf die zu lösende Aufgabenstellung eher sekundäre Wirkung zugeschrieben, die Anreicherung von Feuchtflüssigkeit im Farbwerk zu verhindern.
Der Fachmann mußte somit den konstruktiven Kern der durch die Druckschrift (D1) vermittelten Lehre in der unmittelbaren Einwirkung des angetriebenen Reibzylinders mit harter farbmitteltragender Mantelfläche auf die weiche Auftragswalze und den dadurch zwischen Auftragswalze und Plattenzylinder erzeugten Schlupf sehen.
Die Lehre des Streitpatents schließt dagegen die wesentliche Maßnahme ein, den angetriebenen Zylinder von der Auftragswalze wegzuverlegen und außerdem noch seine Reibungseigenschaften dadurch zu vermindern, daß die harte Mantelfläche feuchtmittelfreundlich, also nicht farbtragend, ausgebildet wird, die zwangsläufig den Einfluß des harten Zylinders auf die Auftragswalze vermindert und damit dem oben dargestellten Kern der Offenbarung der Druckschrift (D1) zuwider läuft.
7.3. Wie bereits oben in Abschnitt 3.3. im einzelnen ausgeführt wurde, weist bei einer sachgerechten Auslegung im Sinne der Beschreibung des Streitpatents das aus der Druckschrift (D2), insbesondere Fig. 2, bekannte Feuchtwerk einen Reibzylinder (26) mit "harter" farbmittelfreudiger Oberfläche auf, der von einer "weichen" Auftragswalze (22) und einer gleichfalls "weichen" Aufnahmewalze (24) flankiert wird. Da somit der prinzipielle Aufbau dieses Feuchtwerks dem aus der Druckschrift (D1) bekannten entspricht, stellt diese Druckschrift allenfalls eine Bestätigung des Standes der Technik dar, von dem das Streitpatent ausgeht. Es ist somit für die Kammer nicht nachvollziehbar, wie der Fachmann dadurch zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents gelangen sollte, indem er bei der aus Figur 3 der Druckschrift (D1) bekannten Befeuchtungsvorrichtung die Walzen (4) und (5) gegen die aus der Druckschrift (D2) bekannten Walzen austauscht. Im übrigen scheint die aus dieser Druckschrift bekannte Befeuchtungsvorrichtung mit einem Tauchfeuchtwerk zu arbeiten.
7.4. Die Druckschriften (D3) und (D5) betreffen Befeuchtungsvorrichtungen mit einem aus 4 Walzen bestehenden Transportweg für die Feuchtflüssigkeit. Diese bekannten Vorrichtungen sind damit konstruktiv wesentlich aufwendiger und benötigen darüber hinaus mehr Platz als das Dreiwalzenfeuchtwerk nach dem Streitpatent.
7.5. Aus der Druckschrift (D4) sind ausschließlich zwei Walzen aufweisende Schleuderfeuchtwerke, denen der Nachteil der "Tropfenbildung" auf den Druckerzeugnissen naturgemäß in mindestens gleichem Ausmaß anhaften muß wie den Dreiwalzenfeuchtwerken, von denen das Streitpatent als Stand der Technik ausgeht. Im übrigen spricht diese Druckschrift das dem Gegenstand des Streitpatents zugrunde liegende Problem nicht an, sondern befaßt sich mit der Anpassung des Schleuderwerks an den Gebrauch von dünnflüssigen Feuchtmitteln. Sie enthält insbesondere keine Anregung, die den Fachmann einen Grund liefern könnte, bei den in ihrer Figur 2 dargestellten Feuchtwerken (7 bzw. 8) zwischen den als Aufnahmezylindern dienenden Reibzylindern (9 bzw. 10) und den nicht mit Nummern versehenen Auftragswalzen eine zusätzliche (weich)elastische Walze einzufügen und damit zum Gegenstand des angegriffenen Anspruchs 1 zu gelangen.
7.6. Keine der im Einspruchs- und im Beschwerdeverfahren genannten Druckschriften vermag somit dem Fachmann einen Vorwand dafür zu liefern, warum er bei dem aus der Druckschrift (D1) bekannten drei Walzen aufweisenden Befeuchtungsvorrichtung auf Sprüh- oder Schleuderbasis von der traditionellen Anordnung, bei dem die angetriebene harte Reiberwalze die Mittelstellung zwischen Auftragswalze und Aufnahmewalze einnimmt, abgehen und ein gleichmäßigeres Druckbild unter Beibehaltung der Anzahl der Walzen durch die im Anspruch 1 vorgeschlagene Walzenanordnung erwarten sollte. Der zitierte Stand der Technik spricht vielmehr dafür, daß die Fachwelt eine Verbesserung des Druckbildes nur bei einer Erhöhung der Anzahl der Walzen erwartete.
7.7. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1, und damit auch der auf ihn zurückbezogenen Ansprüche 2 und 3, beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.
8. Die in Artikel 100 EPÜ genannten Einspruchsgründe stehen somit dem Bestand des Patents in der erteilten Fassung nicht entgegen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.