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J 0016/92 (Weiterbehandlung) 25-04-1994
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Weiterbehandlung - versäumte Handlung
Weiterbehandlung - Frist - Sorgfalt bei Einhaltung der Weiterbehandlungsfrist
Further processing - omitted act
Further processing - time limit - all due care
Restitutio - all due care - inability to observe time limit
1. Besteht die gemäß Artikel 121(2) EPÜ nachzuholende Handlung in der Einreichung einer Erwiderung auf einen Prüfungsbescheid, so wird die versäumte Handlung nicht durch die Einreichung eines Fristgesuchs für die beabsichtigte Erwiderung nachgeholt.
2. Es fehlt an der erforderlichen Sorgfalt, wenn der Säumige nach Zustellung einer Mitteilung über einen Rechtsverlust gemäß Regel 69 EPÜ am Ende der Frist des Artikels 121(2) EPÜ einen Weiterbehandlungsantrag stellen will, ohne sicherzustellen, daß er zu diesem Zeitpunkt auch in der Lage ist, die versäumte Handlung nachzuholen.
I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 86 111 864.4 wurde am 27. August 1986 eingereicht. Der Anmelder, E. PLAKSIN, wurde mit Vollmacht vom 20. Mai 1987 durch den zugelassenen Vertreter, Herrn KLAUS FRITSCH, vertreten.
II. Am 3. Mai 1989 erließ die Prüfungsabteilung einen ersten Prüfungsbescheid an den zugelassenen Vertreter; dieser Bescheid blieb ohne Erwiderung.
III. Infolgedessen teilte der Formalsachbearbeiter dem zugelassenen Vertreter mit Bescheid vom 7. November 1989, zugestellt am 17. November 1989, nach Regel 69 (1) EPÜ mit, daß die Anmeldung als zurückgenommen gelte, weil der mit dem Bescheid vom 3. Mai 1989 ergangenen Aufforderung nicht entsprochen worden sei.
IV. Am 17. Januar 1990 beantragte der zugelassene Vertreter die Weiterbehandlung der Anmeldung entsprechend den Bestimmungen des Artikels 121 (1) EPÜ und ersuchte um eine Verlängerung der Frist zur Beantwortung des Bescheids vom 3. Mai 1989. Die entsprechende Gebühr wurde vom Amt am 18. Januar 1990 verbucht, wobei der Überweisungsauftrag vom 17. Januar 1990 stammte.
V. Am 28. Februar 1990 teilte der Formalsachbearbeiter dem zugelassenen Vertreter mit, daß seinem Antrag auf Verlängerung der Frist zur Beantwortung des Bescheids vom 3. Mai 1989 nicht entsprochen werden könne, da ein Antrag auf Gewährung einer Nachfrist nicht als Nachholung der versäumten Handlung nach Artikel 121 (2) EPÜ gelten könne, wonach die betreffende Handlung innerhalb der Frist zur Stellung des Antrags auf Weiterbehandlung der Anmeldung nachzuholen sei.
VI. In seinem am 3. April 1990 eingegangenen Schreiben blieb der zugelassene Vertreter dabei, daß das mit seinem Antrag auf Weiterbehandlung der Anmeldung gestellte Fristgesuch als wirksame Nachholung der versäumten Handlung anzusehen sei.
VII. Hilfsweise stellte der zugelassene Vertreter in diesem Schreiben vom 3. April 1990 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß Artikel 122 EPÜ; er entrichtete die betreffende Gebühr und beantwortete den Prüfungsbescheid vom 3. Mai 1989, holte also die versäumte Handlung nach.
Zur Stützung seines Antrags brachte er vor, der strittige Bescheid vom 3. Mai 1989 sei nicht in der Anmeldungsakte eingeheftet und habe daher nicht rechtzeitig beantwortet werden können.
Im übrigen sei es durchaus möglich, daß er diesen Bescheid gar nicht erhalten habe. Da jeglicher Anhaltspunkt für den Bescheid und dessen Verbleib fehle, sei es ihm erforderlich erschienen, am letzten Tag der Frist, d. h. am 17. Januar 1990, einen Antrag auf Weiterbehandlung der Anmeldung zu stellen und - um die an dieses Rechtsmittel geknüpfte Frist nicht verstreichen zu lassen - zugleich eine Verlängerung der Frist zur Vornahme der versäumten Handlung zu beantragen.
VIII. Am 17. April 1990 teilte der Formalsachbearbeiter dem zugelassenen Vertreter mit, daß Nachforschungen darüber angestellt würden, ob die Auslieferung des Bescheids der Prüfungsabteilung vom 3. Mai 1989 an einen Empfangsberechtigten erfolgt sei.
Darüber hinaus wurde der zugelassene Vertreter darüber unterrichtet, daß bezüglich der Zulässigkeit des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Anbetracht der Erfordernisse des Artikels 122 (2) EPÜ noch nicht geklärt sei, ob von einem Wegfall des Hindernisses am 31. Januar 1990 auszugehen sei, als der zugelassene Vertreter telefonisch über den Inhalt des Bescheids vom 3. Mai 1989 unterrichtet wurde, so daß die Zweimonatsfrist nach den Regeln 83 und 85 (1) EPÜ am 2. April 1990 abgelaufen und der am nächsten Tag eingegangene Wiedereinsetzungsantrag verspätet gestellt worden sei.
Schließlich wurde der zugelassene Vertreter nochmals darauf hingewiesen, daß ein Fristverlängerungsgesuch nicht als Nachholung einer versäumten Handlung nach Artikel 121 (2) EPÜ angesehen werden könne.
IX. Die vom Amt veranlaßten sorgfältigen Nachforschungen durch die Bundespost ergaben, daß der Bescheid vom 3. Mai 1989 am 5. Mai 1989 auf dem Postweg einem Empfangsberechtigten in der Kanzlei von Herrn Fritsch ausgeliefert wurde.
Am 9. Mai 1990 wurde dieser vom Formalsachbearbeiter über das Ergebnis der Nachforschungen unterrichtet; weiterhin wurde mitgeteilt, daß somit der vom zugelassenen Vertreter vermutete Verlust dieses Dokuments als sachliche Begründung für die Zulässigkeit des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Artikel 122 (2) EPÜ nicht ausreiche.
Der zugelassene Vertreter wurde aufgefordert, die Sachverhalte innerhalb von zwei Monaten durch die Vorlage eidesstattlicher Erklärungen seiner Angestellten klarzustellen.
X. Mit Schreiben vom 18. Juli 1990 beantragte der zugelassene Vertreter eine Verlängerung der Frist zur Beantwortung des oben angeführten Bescheids vom 9. Mai 1990 um zwei Monate. Außerdem wies er darauf hin, daß er eidesstattliche Versicherungen seiner Angestellten für überflüssig halte, da sich auch anhand solcher Versicherungen der Verlust des Bescheids vom 3. Mai 1989 nicht hinreichend werde klären lassen.
XI. In einer Rücksprache mit dem Formalsachbearbeiter vom 28. November 1990 brachte Herr Fritsch vor, das Hindernis sei seiner Auffassung nach mit der Zustellung der Mitteilung vom 2. Februar 1990, der eine Kopie des Bescheids vom 3. Mai 1989 beigefügt war, weggefallen.
XII. Nachdem dem zugelassenen Vertreter zwei weitere Nachfristen von je zwei Monaten - die zweite per Mitteilung vom 11. März 1991 - eingeräumt worden waren und er keine Unterlagen eingereicht hatte, die einen einmaligen Fehler eines seiner Angestellten belegt hätten, erging am 6. März 1992 die angefochtene Entscheidung, mit der der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Beantragung der Weiterbehandlung der Anmeldung aus den nachstehenden Gründen zurückgewiesen wurde:
- Zum einen kann ein Fristgesuch nicht die Nachholung einer versäumten Handlung darstellen, die nach Artikel 121 (2) EPÜ eine der Bedingungen für die Fortsetzung des Erteilungsverfahrens ist.
- Zum anderen legte der zugelassene Vertreter keinerlei Begründung dafür vor, warum er den am 5. Mai 1989 in seiner Kanzlei eingegangenen Bescheid vom 3. Mai 1989 nicht beantworten und warum dieser verlorengehen konnte, und konnte auch nicht erklären, inwiefern seine Untätigkeit zwischen dem 17. November 1989 - dem Tag der Mitteilung des Rechtsverlusts nach Regel 69 (1) EPÜ - bis zum 17. Januar 1990 - dem letzten Tag der Frist zur Beantragung der Weiterbehandlung der Anmeldung - mit der unter den gegebenen Umständen gebotenen Sorgfaltspflicht bei der Nachholung der versäumten Handlung vereinbar sei.
XIII. Mit Telefax vom 20. Mai 1992 legte der zugelassene Vertreter Beschwerde gegen diese Entscheidung vom 6. März 1992 ein.
Die am 20. Mai 1992 angewiesene Beschwerdegebühr wurde am 22. Mai 1990 vom Amt verbucht; die in Artikel 8 (3) b) der Gebührenordnung vorgesehene Zuschlagsgebühr wurde am selben Tag entrichtet.
XIV. In seiner am 16. Juli 1992 eingegangenen Beschwerdebegründung legte der zugelassene Vertreter die Umstände dar, die ihn an der Einhaltung der zur Nachholung der versäumten Handlung gesetzten Frist von zwei Monaten, beginnend ab der am 17. November 1989 ergangenen Mitteilung über den Rechtsverlust, gehindert hätten.
Zur Stützung seiner Erläuterungen legte er eine Versicherung seiner damals bei ihm beschäftigten Tochter Caren vor.
XV. Mit Mitteilung vom 17. November 1992 unterrichtete der Berichterstatter den zugelassenen Vertreter, daß die Weiterbehandlungsgebühr am 18. Januar 1990, d. h. mehr als zwei Monate nach Zustellung der Mitteilung über den Rechtsverlust vom 17. November 1989, beim Amt verbucht worden sei.
XVI. Mit Schreiben vom 16. August 1993 legte der zugelassene Vertreter die Kopie eines Belegs vor, wonach am 17. Januar 1990 die telegraphische Überweisung zur Zahlung der Weiterbehandlungsgebühr vorgenommen wurde.
XVII. In seiner Mitteilung vom 24. September 1993 schloß sich der Berichterstatter der Analyse der ersten Instanz zur Sachlage in der Streitsache an, wonach der zugelassene Vertreter offensichtlich nicht die nach den gegebenen Umständen gebotene Sorgfalt beachtet habe.
XVIII. Daraufhin beantragte der zugelassene Vertreter eine erneute Fristverlängerung.
XIX. Zur Vermeidung unnötiger Verlängerungen des Verfahrens erhielt der zugelassene Vertreter am 27. Januar 1994 eine Ladung zur mündlichen Verhandlung am 25. April 1994.
XX. Die mündliche Verhandlung fand am 25. April 1994 statt, an deren Ende die nachstehende Entscheidung erging.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Artikel 121 EPÜ bestimmt: Gilt die europäische Patentanmeldung nach Versäumung einer vom Europäischen Patentamt bestimmten Frist als zurückgenommen, so wird diese Rechtsfolge rückgängig gemacht, wenn der Anmelder die Weiterbehandlung der Anmeldung beantragt.
Zu diesem Zweck hat er innerhalb von zwei Monaten nach dem Eintreten der Rücknahmefiktion einen schriftlichen Antrag einzureichen sowie die Handlung nachzuholen, deren Versäumung den Rechtsverlust verursacht hat.
Innerhalb dieser Frist hat er auch die entsprechende Gebühr zu entrichten.
3. Nach Artikel 122 EPÜ wird ein Anmelder, der trotz Beachtung aller nach den gegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt verhindert worden ist, gegenüber dem Amt eine Frist einzuhalten, auf Antrag wieder in den vorigen Stand eingesetzt, wenn der Rechtsverlust die unmittelbare Folge des Fristversäumnisses darstellt.
Ein begründeter Antrag ist innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses einzureichen; innerhalb dieser Frist ist auch die Handlung nachzuholen, deren Versäumung den Rechtsverlust verursacht hat, sowie die entsprechende Gebühr zu entrichten.
Dieser Antrag ist nur innerhalb eines Jahres nach Ablauf der versäumten Frist zulässig.
4. Im vorliegenden Fall hat der zugelassene Vertreter diese beiden Rechtsmittel nacheinander geltend gemacht.
5. Der zugelassene Vertreter beantragte nach Ergehen der Mitteilung nach Regel 69 (1) EPÜ vom 17. November 1989, daß die Anmeldung gemäß Artikel 96 (3) EPÜ als zurückgenommen galt, weil der Bescheid der Prüfungsabteilung vom 3. Mai 1989 nicht beantwortet worden war, zunächst die Weiterbehandlung der Anmeldung.
Für die Einreichung einer Stellungnahme zum Prüfungsbescheid stand eine Frist von zwei Monaten ab der Mitteilung über den Rechtsverlust zur Verfügung, die am 17. Januar 1990 endete.
An diesem Tag, also dem letzten Tag der Frist, wurde zwar ein schriftlicher Antrag auf Weiterbehandlung der Anmeldung gestellt und die entsprechende Gebühr entrichtet, jedoch wurde nicht die versäumte Handlung nachgeholt. Stattdessen beantragte der Vertreter lediglich die Verlängerung der Frist zur Stellungnahme zum Prüfungsbescheid. Besteht jedoch die versäumte Handlung in der Einreichung einer sachlichen Erwiderung auf einen Prüfungsbescheid, so wird diese versäumte Handlung nicht durch die Einreichung eines Fristgesuchs zur Einreichung der sachlichen Erwiderung nachgeholt, denn ein Fristgesuch ist nicht ein Äquivalent für die Handlung, die die Partei innerhalb der erbetenen Frist vorzunehmen gedenkt.
Damit ist die Beschwerde insoweit nicht begründet.
6. Um den Folgen dieser mangelnden Erfüllung des Artikels 121 (2) EPÜ entgegenzuwirken, stellte der zugelassene Vertreter am 3. April 1990 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; gleichzeitig entrichtete er die betreffende Gebühr und beantwortete den Bescheid vom 3. Mai 1989 und holte somit die Handlung nach, deren Versäumung die Ursache des Rechtsverlusts gewesen war.
Daher ist dieser Antrag in formaler Hinsicht nach Artikel 122 (2) EPÜ insoweit zulässig, da der Wegfall des Hindernisses am 12. Februar 1990 eingetreten ist, nämlich als der zugelassene Vertreter eine Kopie des in seiner Kanzlei verlorengegangenen Bescheids vom 3. Mai 1989 erhielt.
7. Die Kammer kann dem Antrag nicht stattgeben, da der Vertreter nicht alle nach den gegebenen Umständen gebotene Sorgfalt beachtet hat.
Auch wenn die Kammer durchaus gelten läßt, daß der Bescheid vom 3. Mai 1989 infolge familiärer Schwierigkeiten des Vertreters im Jahre 1989 und der daraus resultierenden betrieblichen Störungen in seiner Kanzlei, in der vornehmlich Familienmitglieder tätig waren, nicht mehr aufzufinden ist, ändert dies nichts an der Tatsache, daß der Vertreter in der Folge nicht die üblicherweise zu erwartende Sorgfalt an den Tag legte.
8. Wer nach Zustellung einer Mitteilung über einen Rechtsverlust gemäß Regel 69 (1) EPÜ beabsichtigt, einen Antrag auf Weiterbehandlung am Ende der Zweimonatsfrist des Artikels 121 (2) EPÜ zu stellen, der muß jedenfalls durch zumutbare Vorkehrungen rechtzeitig sicherstellen, daß er am letzten Tag der Weiterbehandlungsfrist überhaupt in der Lage ist, einen zulässigen Antrag auf Weiterbehandlung zu stellen. Dazu gehört insbesondere die Gewährleistung, daß innerhalb der Zweitmonatsfrist auch die versäumte Handlung nachgeholt werden kann. Wer es aber trotz Zustellung einer Mitteilung über einen Rechtsverlust unterläßt, Sorge dafür zu tragen, daß er zumindest am letzten Tag der Weiterbehandlungsfrist die versäumte Handlung nachholen kann, der beachtet nicht die gebotene Sorgfalt, die Artikel 122 EPÜ fordert, da er sich in eine Situation begibt, in der es nicht sicher ist, daß er die versäumte Handlung nachholen kann, so daß eine ernste Gefahr besteht, daß sein Weiterbehandlungsantrag infolge nicht rechtzeitiger Nachholung unzulässig sein wird.
Der Vertreter hätte im vorliegenden Fall nach Zustellung der Mitteilung über den Rechtsverlust sich vergewissern müssen, daß er den Prüfungsbescheid besitzt und wieviel Zeit er für eine sachgerechte Erwiderung benötigt. Erst nach dieser Prüfung hätte der Vertreter entscheiden dürfen, wann er spätestens die Bearbeitung der Sache in Angriff zu nehmen hat, um einen formgerechten und zulässigen Weiterbehandlungsantrag stellen zu können. Daran fehlt es hier, da der Vertreter erst vier Tage vor Ablauf der Weiterbehandlungsfrist die Bearbeitung der Sache in Angriff nahm und nunmehr zu spät feststellte, daß der zu beantwortende Prüfungsbescheid für ihn nicht auffindbar war.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.