Informationen
Diese Entscheidung ist nur auf Englisch verfügbar.
T 0508/02 09-11-2004
Download und weitere Informationen:
Einrichtung zur automatischen Schmierstoffabgabe
Zulässigkeit des Einspruchs (bejaht)
Änderungen - Zulässigkeit (bejaht)
Neuheit und erfinderische Tätigkeit (bejaht)
I. Der von der Beschwerdegegnerin (Einsprechende) gegen das europäische Patent Nr. 0 826 128 eingelegte Einspruch, der auf die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ im Hinblick auf die Schriften
D1: US-A-5 271 528
D2: TW-A-80 214 553
D3: DE-U-8 900 076
D4: DE-U-9 309 575
D5: DE-A-4 330 793
D6: WO-A-98/08800
gestützt wurde, führte zum Widerruf des Patents mangels erfinderischer Tätigkeit des Gegenstandes seines Anspruchs 1 durch die am 15. März 2002 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung.
II. Gegen diese Entscheidung hat der Beschwerdeführer (Patentinhaber) am 14. Mai 2002 Beschwerde eingelegt und die Beschwerdegebühr gleichzeitig entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 8. Juli 2002 eingereicht.
III. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) nahm mit ihrer Eingabe vom 2. Februar 2004 den Einspruch zurück und erklärte gleichzeitig, daß sie das Streitpatent erworben hat. Die Rechtsübertragung des europäischen Patents auf die Beschwerdegegnerin ist am 26. Januar 2004 dem europäischen Patentamt gegenüber wirksam geworden (Regel 20 EPÜ i. V. m. Regel 61 EPÜ). In ihrer neuen Eigenschaft als Patentinhaberin und Beschwerdeführerin beantragte sie die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage der mit Schreiben vom 21. Mai 2004 eingereichten Ansprüche 1 bis 16.
IV. Der geltende unabhängige Anspruch 1 lautet wie folgt:
"1. Einrichtung zur automatischen Schmierstoffabgabe mit
- einem in einem Zylinder (4) angeordneten Kolben (3),
- einem mit dem Kolben (3) verbundenen elektromotorischen Antriebsmittel (1), das in einem an den Zylinder (4) anschließenden Gehäuse (18) angeordnet ist,
- einem Mikroprozessor sowie einem damit verbundenen Speicher (RAM, ROM),
- Erkennungsmittel zum mittelbaren oder unmittelbaren Erkennen des Vortriebs des Kolbens und/oder der Bewegung des elektromotorischen Antriebs und
- einem Einschalter (21), welcher in einer Öffnung (27)des Gehäuses (18) angeordnet ist,
wobei der Einschalter Spritzwasser- und/oder Explosionsschutz gewährt und seine Kontur im eingeschalteten Zustand in einer Versenkung (22) der Schmierstoffabgabeeinrichtung liegt, wobei der Mikroprozessor auf eine bestimmte Mengenabgabe pro Zeit voreinstellbar ist, welche durch den Einschalter (21) auslösbar ist, wobei die Erkennungsmittel beim Vortrieb des Kolbens oder beim Betrieb des Antriebs Signalimpulse erzeugen, die einer Zähleinrichtung zugeführt werden, und wobei Vergleichsmittel vorgesehen sind, die die Zahl der gezählten Signalimpulse mit einer vorgegebenen, gespeicherten Wertzahl vergleichen."
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 EPÜ sowie der Regel 64 EPÜ; sie ist zulässig.
2. Die Zurücknahme des Einspruchs während des Beschwerdeverfahrens hat keine unmittelbare verfahrensrechtliche Bedeutung, wenn die Einspruchsabteilung das europäische Patent widerrufen hat (Siehe T 629/90, ABl. EPA 1992, 654). Vielmehr muß in diesem Fall die Kammer die Entscheidung der Einspruchsabteilung von Amts wegen sachlich überprüfen und kann nur dann diese Entscheidung aufheben und das Patent aufrechterhalten, wenn es den Erfordernissen des EPÜ genügt. Bei dieser Prüfung durch die Kammer können auch Beweismittel, die von der Einsprechenden vor der Zurücknahme des Einspruchs vorgebracht worden sind, herangezogen werden.
3. Zulässigkeit des Einspruchs
In der Beschwerdebegründung hielt der ehemalige Patentinhaber und Beschwerdeführer (G. Döhring) wegen eines mangelhaft substantiierten Sachvortrags den Einspruch für unzulässig. Im Gegensatz dazu hat die jetzige Beschwerdeführerin (vormals Einsprechende im Einspruchsverfahren, nun Rechtsnachfolgerin des Beschwerdeführers Döhring) bei ihrem Antrag auf Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang den von ihr im Einspruchsverfahren entgegengehaltenen Stand der Technik gebührend berücksichtigt und somit implizit die Zulässigkeit des Einspruchs anerkannt. Aufgrund dieser unterschiedlichen Antragslage hat die Kammer die Frage der Zulässigkeit des Einspruchs von sich aus geprüft und ist zu der Auffassung gelangt, daß im Einspruchsschriftsatz die technischen Zusammenhänge und der sich ergebende Tatbestand von der Einsprechenden ausreichend dargelegt worden sind, so daß die Patentinhaberin und die Einspruchsabteilung die behaupteten Widerrufsgründe ohne eigene Ermittlungen abschließend prüfen konnten. Hierbei hat die Kammer berücksichtigt, daß im vorliegenden Fall die herangeführten Entgegenhaltungen relativ kurz sind und sich auf einen relativ einfach gelagerten Sachverhalt beziehen, so daß ein sehr detaillierter Merkmalsvergleich unterbleiben konnte (vgl. T 28/93, Punkt 4.1 der Entscheidungsgründe, nicht veröffentlicht im ABl. EPA).
Der Einspruch genügte daher den Anforderungen der Artikel 99 und 100 sowie der Regel 55 c) EPÜ und war somit zulässig.
4. Zulässigkeit der Änderungen (Artikel 123 (2) und (3) EPÜ)
Durch die Hinzufügung der Merkmale gemäß den ursprünglichen Ansprüchen 8 und 17 zu sämtlichen Merkmalen des erteilten Patentanspruchs 1 wurde der Anspruchsgegenstand eingeschränkt. Im dritten Absatz des Anspruchs 1 wurde zusätzlich präzisiert, daß das elektromotorische Antriebsmittel 1 in einem an den Zylinder 4 anschließenden Gehäuse 18 angeordnet ist. Diese Angabe ist der Spalte 6, Zeilen 19-20 des Patents (dem vorletztem Absatz der Seite 7 der ursprünglich eingereichten Anmeldung) zu entnehmen.
Die sich an dem Anspruch 1 anschließenden abhängigen Ansprüche 2 bis 5 entsprechen den erteilten Patentansprüchen 3 bis 6. Der abhängige Anspruch 6 ist eine Zusammenfassung der erteilten Patentansprüche 2 und 7. Die abhängigen Ansprüche 7 bis 11 entsprechen den erteilten Patentansprüchen 9 bis 13. Der abhängige Patentanspruch 12 ist eine Zusammenfassung der erteilten Patentansprüche 14 und 15, wobei zusätzlich klargestellt wurde, daß der Antrieb einen Schrittmotor aufweist. Letzteres ergibt sich aus dem Ausführungsbeispiel im dritten Absatz der Seite 12 der ursprünglich eingereichten Anmeldung. Der abhängige Anspruch 13 entspricht dem erteilten Patentanspruch 16. Der abhängige Anspruch 14 entspricht dem erteilten Patentanspruch 18, wobei das Merkmal "anschalten" in "abschalten" berichtigt wurde und zusätzlich präzisiert wurde, daß der Antrieb einen Gleichstrommotor aufweist. Die Berichtigung und die Ausführung des Antriebes als Gleichstrommotor ergibt sich aus dem ersten Absatz der Seite 14 der ursprünglich eingereichten Anmeldung. Der abhängige Anspruch 15 ist eine Zusammenfassung der erteilten Patentansprüche 20 und 21 mit der sich aus dem zweiten Absatz der Seite 14 der ursprünglich eingereichten Anmeldung ergebenden Präzisierung, daß die beanspruchten, aus Magnetschalter und Anregungseinheit Anordnung bestehenden Mittel nicht nur zur berührungslosen Aktivierung der Steuerung bzw. des Antriebs, sondern auch noch zu dessen Deaktivierung dienen. Der abhängige Anspruch 16 entspricht dem erteilten Patentanspruch 22.
Die Beschreibung wurde im wesentlichen an die neue Anspruchsfassung angepaßt. Die D2 wurde in der Beschreibungseinleitung gewürdigt. Die Figuren 8a bis 8d mit zugehörender Figurenbeschreibung (Spalte 13, Absätze [0058] bis [0061] entfielen.
Da das Patent bereits vor der Zurücknahme des Einspruchs zu keiner Beanstandung hinsichtlich des Artikels 123 (2) EPÜ Anlaß gegeben hat, ist somit festzustellen, daß die durchgeführten Änderungen den Anforderungen der Artikel 123 (2) und 123 (3) EPÜ genügen.
5. Neuheit und erfinderische Tätigkeit
Wie bereits erwähnt, hat die Beschwerdeführerin als ehemalige Einsprechende den von ihr im Einspruchsverfahren entgegengehaltenen Stand der Technik bei der Fassung der geltenden Ansprüche berücksichtigt. Der Schwerpunkt des Beitrags der beanspruchten Erfindung ist von der Problematik des Schutzes vor Spritzwasser und Explosion auf die besondere Ausbildung der elektronischen Regelung der Schmierstoffabgabe verlegt worden. Der Anspruch 1 richtet sich nunmehr zusätzlich auf die spezifischen Bestandteile (Mikroprozessor, Erkennungsmittel, Zähleinrichtung, Vergleichmittel) der Elektronik-Steuerung des elektromotorischen Antriebs und ihr funktionelles Zusammenwirken.
Die Schmierstoffabgabevorrichtungen der Entgegenhaltungen D5 und D6 werden nicht elektromotorisch, sondern durch einen Druckgasgenerator betrieben. Sie können nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 führen. Die D3 beschreibt ein im Außenbereich einsetzbares Fernbedienungsgerät und wurde zur Problematik des Wasserschutzes zitiert. Diese Druckschrift ist im Hinblick auf die neue Ausrichtung der geltenden Ansprüche nicht von Relevanz.
Lediglich die D1, D2 und D4 beschreiben Schmierstoffabgabevorrichtungen, die elektromotorisch betrieben werden. Bei diesen bekannten Schmierstoffabgabevorrichtungen wird die in einem Schmiertakt abgegebene Schmierstoffmenge durch die vorgegebene Einstellung der Dauer der Schmiermittelabgabe bestimmt (vgl. D1: Spalte 3, Zeilen 50-53; Übersetzung der D2: Seite 4, Zeilen 10- 11). Die in einem derartigen Dosiergerät zu diesem Zweck verwendete Elektronik-Steuerung wird am ausführlichsten in der D4 beschrieben. Nach den Zeilen 14-18 des Schutzanspruchs dieser Schrift wird die Elektroniksteuerung mit dem Einstellen der Spendezeit aktiviert und gibt die gespeicherten und für die Spendezeit maßgebenden Steuersignale an den Antriebsmotor ab. Dieser wird mit einem Startimpuls der Elektroniksteuerung angesteuert und dreht so lange, bis nach Ablauf der eingestellten Spendezeit ein neuer Impuls den Motor abschaltet. Bei dieser bekannten Steuerung handelt sich somit um eine sogenannte "open- loop" Regelung, bei der das abgegebene Schmiermittelvolumen durch die zuvor eingestellte Abgabedauer vorgegeben wird.
Bei dem automatischen Schmierstoffgeber gemäß den Merkmalen des Anspruchs 1 wird dagegen die Schmierstoffmenge direkt erkannt, indem Erkennungsmittel beim Vortrieb des Kolbens oder beim Betrieb des Motors Signalimpulse erzeugen. Das Volumen der abgegebenen Schmiermittelmenge wird über die Zähleinrichtung ermittelt, welche entsprechend dem Vortrieb des Kolbens oder der Anzahl der Umdrehungen des Motors die abgegebenen Signalimpulse mißt. Die Anzahl von gemessenen Signalimpulsen wird mit einer vorgegebenen, gespeicherten Wertezahl verglichen und die Schmiermittelzufuhr nach Abgabe des vorgegebenen Volumens gestoppt. Es handelt sich hierbei um einen geschlossenen Regelkreis, der sich wesentlich von der "open-loop" Steuerung gemäß D4 unterscheidet, indem er völlig unabhängig von äußeren Einflußfaktoren (Temperatur, Viskosität, ...) arbeitet. Eine solche Regelung wird durch die ermittelten Einrichtungen zur automatischen Schmierstoffabgabe nicht nahegelegt.
Daraus folgt, daß der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 neu ist und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Die abhängigen Ansprüche betreffen zweckmäßige Ausgestaltungen des Gegenstands des Anspruchs 1 und haben in Zusammenhang mit diesem Bestand.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die erste Instanz mit der Auflage zurückgewiesen, das Patent in geändertem Umfang mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
- Ansprüche 1 bis 16, eingereicht mit Schreiben vom 21. Mai 2004;
- Beschreibungseinleitung, Seiten 1 bis 3 eingereicht mit Schreiben vom 21. Mai 2004 zusammen mit den Spalten 2 bis 17 der Patentschrift eingereicht mit Schreiben vom 21. Mai 2004;
- Zeichnungen 1-12 eingereicht mit Schreiben vom 21. Mai 2004;