T 0028/93 (Mangelnde Substantiierung des Einspruchs) 07-07-1994
Download und weitere Informationen:
Konditionierverfahren für staubhaltige Abgase
Prüfung des Einspruchs
Zulässigkeit (verneint)
Admissibility of opposition - examination possible at any stage of the proceedings
I. Auf die am 13. Januar 1988 angemeldete europäische Patentanmeldung Nr. 88 200 034.2 ist am 11. Oktober 1989 das europäische Patent Nr. 0 278 539 erteilt worden.
II. Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"Verfahren zum Konditionieren eines staubhaltigen Abgasstroms vor dessen Eintritt in einen elektrischen Staubabscheider durch Zugabe eines SO3-haltigen Konditionierungsgases unter Verwendung einer SO3- Erzeugungseinrichtung, bestehend im wesentlichen aus
a) einem Ofen 1 und einer Zuleitung 2 für flüssigen Schwefel und einer Zuleitung 3 für Verbrennungsluft sowie mit einer Gasaustrittsleitung 4
b) einem katalytisch arbeitenden Konverter 5, der an die Gasaustrittsleitung 4 angeschlossen ist,
c) einer Gasförderleitung 6 zwischen Konverter 5 und Abgaskanal 7 mit endseitigen Verteileinrichtungen 8,
d) einer Einrichtung 9 zum Fördern und Dosieren von flüssigem Schwefel in Abhängigkeit von einer für den Bedarf an Konditionierungsgas repräsentanten Meßgröße,
e) einem Gebläse 10 zum Fördern einer ausreichenden Luftmenge sowie
f) einem Lufterhitzer 11 zwischen Gebläse 10 und Ofen 1, dessen Leistung direkt in Abhängigkeit von der geförderten Schwefelmenge so gesteuert wird, daß die Summe der dem Ofen 1 mit dem Schwefel und mit der erwärmten Luft zugeführten Energie konstant ist,
dadurch gekennzeichnet, daß dem Lufterhitzer 11 eine konstante Luftmenge zugeführt wird, die 4,5 bis 5 mal so groß ist wie die zur stöchiometrischen Verbrennung der maximal vorgesehenen Schwefelmenge erforderliche, und daß die dem Lufterhitzer 11 zugeführte Luftmenge auf eine konstante Temperatur geregelt wird."
III. Gegen das Patent hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende) Einspruch eingelegt und beantragt, das Patent zu widerrufen, und zwar wegen mangelnder Neuheit und erfinderischer Tätigkeit und wegen offenkundiger Vorbenutzung.
Folgende Unterlagen ("Beweismittel") wurden mit dem Einspruchsschriftsatz vom 9. Juli 1990 vorgelegt:
1) US-PS 3 993 429
2) Broschüre "Flue Gas Conditioning for Power Boilers" von William E. Archer
3) Sonderdruck aus VGB-Kraftwerkstechnik "Erfahrungen der Saarbergwerke mit der SO3- Rauchgaskonditionierung"
4) A Manual on the Use of Flue Gas Conditioning Report August 1985 (6 Seiten)
5) US-PS 4 548 789
6) Baltimore Gas & Electric Experience vom 25.- 28. Februar 1986
7) Experience with cold precipitator, vom 18. - 20. April 1983
8) Figur 2 der US-PS 3 993 429
9) Umrechnungsblatt
10) Umrechungsblatt
11) Referenzliste WAHLCO
Der Einspruch wurde wie folgt begründet:
"Die im unabhängigen Patentanspruch in dessen Oberbegriff aufgezählten Anlageteile ergeben sich ausnahmslos aus der US-PS 3 993 429, Figur 2. Diese US-PS beschreibt eine praktisch identische Anlage. Es wird zum Vergleich Kopie der Figur 2 (Beilage 8) dieser US-PS beigefügt, in welcher wir die Bezugszahlen durch die in der europäischen Patentschrift Nr. 0 278 539 gewählten Zahlen ergänzt haben. Es ergibt sich hieraus, daß die beiden Anlagen praktisch identisch sind.
In der Kennzeichnung des unabhängigen Patentanspruchs wird die Erfindung dahingehend definiert, daß
a) dem Lufterhitzer 11 eine konstante Luftmenge zugeführt wird, die 4,5 bis 5 mal so groß ist wie die zur stöchiometrischen Verbrennung der maximal vorgesehenen Schwefelmenge erforderliche und
b) die dem Lufterhitzer 11 zugeführte Luftmenge auf eine konstante Temperatur geregelt wird.
Anlagen dieser Art, welche nach dem definierten Verfahren arbeiten, wurden nachweislich durch die Firma Lurgi vor dem 4. Februar 1987 geliefert (z. B. nach Australien). Das beanspruchte Verfahren ist ferner in jeder der Beilagen so vorbeschrieben, daß ihm die Neuheit fehlt.
Auch die in den abhängigen Ansprüchen 2 bis 8 definierten Merkmale sind ausnahmslos vorbekannt.
Zum Vorbenutzungsrecht verweisen wir auf die Referenzliste (Beilage 11) der Firma Wahlco. Die Einsprechende ist bereit, das beanspruchte Verfahren gegebenenfalls anhand einiger dieser Anlagen nachzuweisen. Dies gilt sowohl für das Luftverhältnis als auch für die Konstanthaltung der Temperatur der zugeführten Luftmenge, wobei bei den gelieferten Anlagen nachweislich über Thyristorsteuerung das Überschreiten einer Grenztemperatur im Ofen verhindert wird."
IV. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat in der Einspruchserwiderung Einwendungen gegen die Zulässigkeit des Einspruchs erhoben.
V. Die Einspruchsabteilung hat in ihrer Entscheidung vom 9. November 1992 den Einspruch als zulässig angesehen, ihn jedoch gemäß Artikel 102 (2) EPÜ zurückgewiesen. Sie sah die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit des Erfindungsgegenstandes als gegeben an.
VI. Die Beschwerdeführerin hat gegen die Entscheidung Beschwerde eingelegt. Sie beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents. Die Beschwerdegegnerin erhob neuerlich den Einwand der Unzulässigkeit des Einspruchs. Sie beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent unverändert aufrechtzuerhalten.
VII. Nach vorbereitender Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 11 (2) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern, ABl. EPA 1980, 171 in der geltenden Fassung, fand am 7. Juli 1994 eine mündliche Verhandlung statt, in der die Frage der Zulässigkeit des Einspruchs erörtert wurde.
VIII. Die Ausführungen der Beschwerdeführerin zur Zulässigkeit des Einspruchs lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Mit dem Einspruch wurden 11 Beweismittel vorgelegt, und zwar
- 7 Vorveröffentlichungen
- eine Kopie der Figur der US-PS 3 993 429 (Beilage 1), in der die Bezugszeichen nach Anspruch 1 des angefochtenen Patents rot eingetragen wurden (Beilage 8)
- zwei Umrechnungsblätter (Beweismittel 9 und 10) für die in den Beweismitteln 4, 6 und 7 offenbarten Luft/Schwefel-Verhältnisse und
- eine Referenzliste (Beweismittel 11), in der entsprechende, von der Firma Wahlco installierte Anlagen angeführt wurden.
Die Einspruchsbegründung verweise auf die besondere Relevanz der US-PS (Beilage 1) und vor allem deren Figur 2. Die Druckschrift sei als neuheitsschädlich angeführt. Da Anspruch 1 des angefochtenen Patents die Anlagenteile umfassend aufzähle, die US-PS jedoch vergleichsweise kurz sei (3 Beschreibungsseiten), sei der Verweis mit Bezugszeichen übersichtlicher und eine Überprüfung der Figurenbeschreibung auf ihre Relevanz zumutbar. Für den Oberbegriff des Anspruchs 1 des angefochtenen Patents ergebe sich die Übereinstimmung mit der in Figur 2 der US-PS gezeigten Anlage unmittelbar aus dieser Darstellung und den Angaben zu den Anlageteilen der Figurenbeschreibung.
Für die im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 angegebenen Verfahrensmerkmale ergebe sich die Neuheitsschädlichkeit der US-PS aus deren Erläuterungen, insbesondere Spalte 3, Zeile 12 - 18 im Zusammenhang mit der Angabe, daß die zugeführte Luft vorzugsweise mit konstanter Geschwindigkeit und zudem über einen Vorwärmer angesaugt werde, der eine gleichmäßige Temperatur der Eingangsluft liefere. Dem Lufterhitzer (30) werde auf konstante Temperatur geregelte Luft zugeführt. Dies sei gleichbedeutend mit der Aussage im Kennzeichen des Anspruchs 1, daß dem Lufterhitzer (11) eine konstante Luftmenge zugeführt werde.
Die in der US-PS '429 enthaltene beispielhafte Angabe von 5. % Schwefeldioxid entspreche einer Luftzufuhr, die etwa 4,2 mal so groß ist, wie dies zur stöchiometrischen Verbrennung der zugeführten Schwefelmenge erforderlich ist. Aus dem breiten Variationsbereich für das Luft/Schwefelgemisch in der US-PS ergebe sich im übrigen, daß der Wert des Verhältnisses offensichtlich nicht kritisch sei. Die Angabe eines Zahlenbereichs von 4,5 bis 5. und die Bezugnahme auf die maximal vorgesehenen Schwefelmengen im Kennzeichen des Anspruchs 1 sei mehr oder weniger willkürlich. Sie begründe weder Neuheit noch erfinderische Tätigkeit gegenüber der US-PS '429. Es konnten keine Unklarheiten darüber bestehen, welche Entgegenhaltungen bzw. Stellen bei der Prüfung der Neuheitsschädlichkeit heranzuziehen waren.
Die Umrechnungsblätter (Beilage 8 und 9) enthielten die Umrechung des beanspruchten Bereichs des Luft/Schwefelverhältnisses auf entsprechende Gew./Gew. Verhältnisse und einen Vergleich mit den aus den Beweismitteln 4, 6 und 7 bekannten Werten. Sie legen dar, daß die beanspruchten Werte im Bereich üblicher, maximaler Schwefelmenge bezogener Werte liegen und damit im Rahmen dessen, was der Fachmann der US-PS '429 entnehme.
Es treffe zu, daß der Einspruch keine Ausführungen enthält, die ausdrücklich auf das behauptete Fehlen einer erfinderischen Tätigkeit bezogen wären. Diese hilfsweise Argumentation dürfe aber nicht abgelehnt werden. Sie ergebe sich zwanglos aus den Verweisen auf die identische Anlage nach der US-PS '429 und die Luft/Schwefel- Verhältnisse in den Beweismitteln 4, 6 und 7.
Zum Vorbenutzungsrecht reiche die Referenzliste (Beilage 11) aus, in der eine Vielzahl entsprechender, von der Firma Wahlco installierter Anlagen mit dem Datum der Inbetriebnahme angegeben sei. Eine vollständige Angabe aller Tatsachen zur Ermittlung des Zeitpunkts, des Gegenstandes und der Umstände der Vorbenutzung sei in diesem Umfang aus naheliegenden Gründen praktisch unmöglich und auch unnötig. In den Beilagen 4, 6 und 7 seien vorbenutzte Anlagen nach der Referenzliste beschrieben.
IX. Die Beschwerdegegnerin bestritt, daß dem Einspruch ein substantiierter Sachvortrag zugrunde liege.
Zum Einspruchsgrund der fehlenden Neuheit führt sie aus: Die US-PS '429 sei kein kurzes Dokument, sondern umfasse mit den Patentansprüchen 7 Seiten. Der Hinweis auf die besonders relevanten Stellen Zeilen 12 bis 18 und 55 bis 59. in Spalte 3 des Dokuments fehle im Einspruchsschriftsatz. Die Gegenüberstellung von Bezugszeichen in dem Dokument und dem angefochtenen Patent ermögliche keine eindeutige Zuordnung der Textstellen. Das Verfahrensmerkmal des kennzeichnenden Teils von Anspruch 1 (4,5 bis 5-facher Luftüberschuß) sei keiner Figur der US-PS zu entnehmen. Die Umrechnungsblätter (Beilagen 9 und 10) seien im Einspruchsschriftsatz nicht kommentiert worden und wiesen erhebliche Mängel auf. Der Beschwerdegegnerin sei es daher nicht möglich gewesen, die einzelnen Berechnungen nachzuvollziehen.
Zur Stützung der mangelnden erfinderischen Tätigkeit enthalte der Einspruch keine Tatsachen und Beweismittel.
Wenn die Beschwerdeführerin ausführt, sie könne bei einer Vielzahl von Vorbenutzungen Zeitpunkt, Gegenstand und Umstände nicht einzeln angeben, so stehe dies im Gegensatz zu den Zulässigkeitserfordernissen nach der Rechtsprechung. Im übrigen bestreitet sie, daß die in der "Referenzliste" (Beilage 11) genannten Daten tatsächliche Daten der Lieferung oder Inbetriebnahme sind. Es sei nicht ausgeschlossen, daß es sich nur um interne Planungsdaten handle.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Die Einsprechende hat ihren Einspruch auf mangelnde Neuheit, mangelnde erfinderische Tätigkeit und offenkundige Vorbenutzung gestützt. Dies entspricht dem Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 54 (1) und (2) EPÜ.
Der Einspruch ist nach Artikel 99 (1) Satz 1 und 2 EPÜ innerhalb der Einspruchsfrist zu begründen. Er hat nach Regel 55 c) EPÜ u. a. die Angabe der zur Begründung vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel zu enthalten. Fehlen diese Erfordernisse, ist der Einspruch als unzulässig zu verwerfen (Regel 56 (1) EPÜ), und zwar in jedem Stadium des Verfahrens (T 289/91, zur Veröffentlichung im ABl. EPA bestimmt).
Durch die Angabe der für die geltend gemachten Einspruchsgründe erheblichen Tatsachen und Beweismittel soll sichergestellt werden, daß der Standpunkt des Einsprechenden in dem Einspruchsschriftsatz so deutlich dargelegt wird, daß sowohl der Patentinhaber als auch die Einspruchsabteilung wissen, worum es bei dem Einspruch geht, und daß sie diesen ohne eigene Ermittlungen prüfen können (Entscheidung T 222/85, ABl. EPA 1988, 128, 132 ff.; T 134/88, Gründe Nr. 3 - im ABl. EPA nicht veröffentlicht). In der Einspruchsschrift ist bei zahlreichen Entgegenhaltungen, die in Verbindung miteinander alle relevanten Merkmale der Ansprüche enthalten sollen, anzugeben, warum diese auf mangelnde erfinderische Tätigkeit oder gar mangelnde Neuheit schließen lassen, (T 222/85, a.a.O., Gründe Nr. 8).
Dagegen ist es für die Zulässigkeit des Einspruchs nicht erforderlich, daß das Einspruchsvorbringen schlüssig sein muß. Zwischen der materiell-rechtlichen Begründetheit des Einspruchs und der Zulässigkeit ist zu unterscheiden (T 234/86, ABl. EPA 1989, 79, Gründe Nr. 2.2).
2. Bei der offenkundigen Vorbenutzung genügt der Einspruch nur dann den Mindestanforderungen, wenn anhand der gemachten Angaben ermittelt werden kann:
a) wann die geltendgemachte Benutzung stattfand, d. h. ob überhaupt eine Benutzung vor dem maßgeblichen Zeitpunkt (Vorbenutzung) vorliegt;
b) was benutzt worden ist, um die Wesensgleichheit des benutzten Gegenstandes mit dem Gegenstand des Patents prüfen zu können, und
c) alle die Benutzung betreffenden Umstände, durch welche die Benutzung der Öffentlichkeit zugänglich wurde, z. B. der Ort und die Art der Benutzungshandlung.
Hierzu kann auf die Entscheidung T 328/87, ABl. EPA 1992, 701, Gründe 3.3 ff. hingewiesen werden, die die Richtlinien für die Prüfung D-IV, 1.2.2.1 f), die ihrerseits auf D-V, 3.1.2 weiterverweisen, bestätigt. Von den gleichen Anforderungen gehen die Entscheidungen T 541/92 und T 538/89 (beide nicht zur Veröffentlichung im ABl. EPA bestimmt) aus.
3. Das angefochtene Patent betrifft ein Abgaskonditionierungsverfahren, das einen unabhängigen Anspruch 1 sowie 7 auf diesen rückbezogene (teilweise mehrfach rückbezogene) Unteransprüche umfaßt. Anspruch 1 ist auf ein Verfahren gerichtet. Er gliedert sich in einen Oberbegriff, der eine SO3-Erzeugungseinrichtung, bestehend aus einem Ofen, einem Konverter, einer Gasförderungsleitung, einer Schwefelförderungs- und Dosiereinrichtung, einem Gebläse und einem Lufterhitzer und einen kennzeichnenden Teil, der die Zuführung der Luftmenge und ihre Temperatur betrifft.
4. Der Einspruchsschriftsatz enthält 11 Beilagen, zu denen die Einsprechende u. a. ausführt: "Das beanspruchte Verfahren ist ferner in jeder der Beilagen so vorbeschrieben, daß ihm die Neuheit fehlt." Ausführungen im Einspruchsschriftsatz, die sich auf die druckschriftliche Vorwegnahme des Gegenstands der Erfindung beziehen, betreffen die US-PS 3 993 429. Hier verweist der Einspruch auf die Beilage 8, in der die behauptete Übereinstimmung mit Anspruch 1 des angefochtenen Patents durch rote Bezugszahlen der Fig. 1 dieses Patents mit Fig. 2 der US-PS in Beziehung gesetzt werden. Daraus ergebe sich, "daß beide Anlagen praktisch identisch" seien. Textpassagen in den Beschreibungen sind nicht angezogen. Der Vergleich erstreckt sich ausschließlich auf Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1. Eine Bereichsangabe zum Luftüberschuß (Verhältnisbereich 4,5 zu 5), wie im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 des angefochtenen Patents, fehlt in der US-PS.
4.1. Gerade bei genau definierten (qualitativen und) quantitativen Merkmalen des Hauptanspruchs ist es für die Zulässigkeit des Einspruchs unerläßlich, diese mit den Merkmalen der Entgegenhaltung zu vergleichen und technische Zusammenhänge aufzuzeigen (Entscheidung T 861/93, Gründe Nr. 5, nicht zur Veröffentlichung im ABl. EPA bestimmt). Einen solchen Zusammenhang mit dem Hauptvorhalt (US-PS '429) stellt der Einspruchsschriftsatz nicht her.
Daß bei kurzen Dokumenten und einfach gelagerten Sachverhalten die konkrete Angabe von Textpassagen und der Merkmalsvergleich unterbleiben kann, gilt nur für den Fall, daß der Sachverhalt für den Durchschnittsfachmann aus sich heraus - durch das Lesen der Druckschrift - unmittelbar verständlich ist. Dabei sind jeweils die gesamten Umstände in Betracht zu ziehen. Die Entscheidung T 234/86, ABl. EPA 1989, 79 hat beispielsweise bei der Berücksichtigung einer 6 1/2 Schreibmaschinseiten langen Druckschrift darauf abgestellt, daß zwar eine genaue Angabe des Ortes der behaupteten Offenbarung fehlte, jedoch angegeben war, was jeweils aus welchem Dokument bekannt war.
4.2. Die Beilage 9 enthält - ohne Bezugnahme auf die US-PS - eine Umrechnungstabelle für den "im unabhängigen Patentanspruch beanspruchten Verhältnisbereich von 4,5 bis 5". Die Beilage verweist für ein weiteres Berechnungsbeispiel auf eine Tabelle (7-3) der Beilage 4. Diese enthält - abgesehen von den Deckblättern - Kopien von 3 Seiten eines weit über hundert Seiten umfassenden Dokuments, das später voll in Kopie nachgereicht wurde. Für welche Anlagen die dort angegebenen Parameter gelten und warum der Fachmann die dort angegebenen Werte bei der Frage der fehlenden Neuheit in bezug auf die US-PS einbeziehen werde, wurde im Einspruchsschriftsatz nicht ausgeführt.
4.3. Die Beilage 10 enthält - ebenfalls ohne Bezugnahme auf die US-PS-Berechnungen, die sich auf die Entgegenhaltungen 7 und 6 beziehen, und zwar mit dem Hinweis, "der beanspruchte Bereich muß daher für den Fachmann als naheliegend bezeichnet werden." In der mündlichen Verhandlung erläuterte die Beschwerdeführerin, daß es sich bei den Entgegenhaltungen 6 und 7 um vorbenutzte Anlagen handle, die in der "Referenzliste" von Lieferungen der Firma Wahlco enthalten seien. Ein Hinweis auf diese Zusammenhänge ist weder dem Einspruchsschriftsatz noch der Beilage 10 oder 11 zu entnehmen. Die Nachforschungen werden damit in unzulässiger Weise auf den Einsprechenden und die Einspruchsabteilung überwälzt. Ein substantiierter Parteivortrag zur mangelnden erfinderischen Tätigkeit ist daraus nicht abzuleiten.
5. Zur geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung ist noch auf folgendes hinzuweisen. Sie wurde auf eine Referenzliste (Beilage 11- Wahlco International, Inc. Equipment Installation List) gestützt, die Daten in folgenden Spalten enthält:
- Utility/Station & Unit Number
- Number of Systems
- LB/HR/System
- SO2 LB/HR/System
- Total MW
- Start up date.
Unter Bezugnahme auf die Merkmale des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 des angefochtenen Patents wird im Einspruchsschriftsatz behauptet: "Anlagen dieser Art, welche nach dem definierten Verfahren arbeiten, wurden nachweislich von der Firma Lurgi vor dem 4. Februar 1987 geliefert (z. B. nach Australien)." Wie bereits erwähnt, reicht eine abstrakte Umschreibung der behaupteten Vorbenutzung z. B. durch bloße Wiederholung oder Bezugnahme auf den Wortlaut des Patentanspruchs (oder von Teilen davon) nicht aus. Die vorbenutzten Anlagen hätten so beschrieben werden müssen, daß festgestellt werden kann, ob die Anlage, die Gegenstand der Vorbenutzung war, mit dem patentgemäßen Gegenstand identisch oder vergleichbar war (T 328/87, ABl. EPA 1992, 701, 706). Es genügt nicht, den Adressaten des Einspruchs auf Vermutungen zu verweisen, daß die Referenzliste gemäß Beilage 11 vorbenutzte Anlagen in den Beilagen 6, 4 und 7 einschließen könnte, ohne daß konkret ein Zusammenhang hergestellt wird. Der Konnex ergibt sich nach Auffassung der Beschwerdeführerin, wenn die Daten der Referenzliste mit denen der Beilagen im einzelnen verglichen werden. Dann seien insbesondere die Beweismittel 6, 4 und 7 bezüglich der Einheit 3 der H. A. Wagner Station der Baltimore Gas & Electric Company, der Gannon Station der Tampa Electric Company und der -einheiten 1 und 2 der Pleasant Prairie Power Plant der Wisconsin Electric Power Company als Anlagen nach der Referenzliste zu erkennen. Die Beschwerdeführerin übersieht dabei, daß es nicht die Aufgabe der Patentinhaberin ist zu erraten, welche Anlagen die Einsprechende als vorbenutzt geltend machen könnte oder wollte, sondern daß letztere konkret und deutlich Angaben zu machen hat, was vorbenutzt sein soll.
Auch fehlt es an der Darlegung der technischen Zusammenhänge, des Vergleichs der Merkmale mit denen des Hauptanspruchs des angefochtenen Patents. Das Argument der Beschwerdeführerin, sie habe darlegen wollen, daß es sich bei dem Verfahren um eine weitverbreitete Technologie handle, die dem Fachmann bestens vertraut sei, entbindet sie nicht von der Verpflichtung, zumindest für einzelne Vorbenutzungshandlungen konkret die zur Begründung vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel so anzugeben, daß sowohl der Einsprechende als auch die Einspruchsabteilung wissen, worum es bei dem Einspruch geht, ohne auf eigene Ermittlungen und Nachforschungen angewiesen zu sein.
6. Da der Einspruch somit nicht die Zulässigkeitserfordernisse nach Artikel 99 (1) und Regel 55 c) EPÜ erfüllt, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und der Einspruch gemäß Regel 56 (1) in Verbindung mit Artikel 111 (1) Satz 2 EPÜ zu verwerfen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Der Einspruch wird als unzulässig verworfen.