T 1039/05 (Wella/L'OREAL) 09-10-2008
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Mittel und Verfahren zur Färbung keratinischer Fasern
Hauptantrag und Hilfsantrag 1: Erfinderische Tätigkeit (nein) - Verbesserung nicht für gesamte beanspruchte Breite glaubhaft - umformulierte Aufgabe - naheliegende Lösung
Hilfsanträge 3 und 4: unzulässige Abänderung (ja)
I. Die am 04. August 2005 eingegangene Beschwerde des Beschwerdeführers (Patentinhabers) richtet sich gegen die am 30. Juni 2005 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 871 426 widerrufen wurde. Anspruch 1 des Streitpatentes lautete:
"1. Haarfarbträgermasse enthaltend
- mindestens ein 4,5-Diaminopyrazol gemäß allgemeiner Formel (i),
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
worin R eine geradkettige oder verzweigte Alkylgruppe mit 1 bis 6 Kohlenstoffatomen, eine geradkettige oder verzweigte Mono- oder Polyhydroxyalkylgruppe mit 2 bis 6 Kohlenstoff-atomen oder eine geradkettige oder veruweigte Mono- oder Polyaminoalkylgruppe, oder dessen Salze mit kosmetisch verträglichen Säuren darstellt;
- mindestens ein 5-Amino-2-methylphenolderivat gemäß allgemeiner Formel (II),
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
worin der Rest R' die Bedeutung von Wasserstoff, einer geradkettigen oder verzweigten Alkylgruppe mit 1 bis 4 Kohlenstoffatomen, einer geradkettigen oder verzweigten Hydroxyalkylgruppe mit 2 bis 4 Kohlenstoffatomen oder einer geradkettigen oder verzweigten Polyhydroxyalkylgruppe mit 3 bis 4 Kohlenstoffatomen hat;
- mindestens ein m-Phenylendiaminderivat gemäß allgemeiner Formel (III),
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
worin R1 und R2 unabhängig voneinander ein Wasserstoffatom, eine geradkettige oder verzweigte Alkylgruppe mit 1 bis 4 Kohlenstoffatomen, eine geradkettige oder verzweigte Hydroxyalkylgruppe mit 2 bis 4 Kohlenstoffatomen oder eine geradkettige oder verzweigte Polyhydroxyalkylgruppe mit 3 bis 4 Kohlenstoffatomen bedeuten, R3 ein Wasserstoffatom, eine geradkettige oder verzweigte Alkylgruppe mit 1 bis 6 Kohlenstoffatomen, eine geradkettige oder verzweigte Alkoxygruppe mit 1 bis 4 Kohlenstoffatomen, eine geradkettige oder verzweigte Hydroxyalkylgruppe mit 2 bis 4 Kohlenstoffatomen oder eine geradkettige oder verzweigte Polyhydroxyalkylgruppe mit 3 bis 4 Kohlenstoffatomen bedeutet, und R4 unabhängig von R1, R2 und R3 ein Wasserstoffatom, eine geradkettige oder verzweigte Alkylgruppe mit 1 bis 6 Kohlenstoffatomen, eine geradkettige oder verzweigte Alkoxygruppe mit 1 bis 4 Kohlenstoffatomen, eine geradkettige oder verzweigte Hydroxyalkylgruppe mit 2 bis 4 Kohlenstoffatomen oder eine geradkettige oder verzweigte Polyhydroxyalkylgruppe mit 3 bis 4 Kohlenstoffatomen bedeutet."
II. Im Verfahren vor der Einspruchsabteilung war das Streitpatent in seinem gesamten Umfang wegen mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit angegriffen worden. Im Einspruchsverfahren wurden unter anderem folgende Druckschriften angezogen:
(1) EP-A-0 375 977,
(2) EP-A-0 687 669 und
(4) Versuchsbericht des Patentinhabers eingereicht mit Schreiben vom 14. Mai 2002.
III. Die Einspruchsabteilung stellte in der angefochtenen Entscheidung fest, dass der Gegenstand des Streitpatentes neu sei gegenüber den Druckschriften (1) und (2). Zwar seien in diesen Druckschriften alle Komponenten der streitpatentgemäßen Haarfarbträgermasse offenbart, jedoch nicht in Kombination. Da beide Druckschriften etwa die gleiche Information enthielten und wie das Streitpatent die Färbung von keratinischen Fasern in Rottönen beträfen, seien auch beide Druckschriften gleichermaßen als nächstliegender Stand der Technik anzusehen. Der als Druckschrift (4) bezeichnete Versuchsbericht des Patentinhabers aus dem Prüfungsverfahren zeige, dass die streitpatentgemäße Kombination der drei Einzelkomponenten der Formeln I, II und III entweder nur geringfügige Verbesserungen hinsichtlich der Stabilität der Färbung gegenüber der Einwirkung von Licht, Shampoo und Schweiß zeige oder sogar eine schlechtere Farbechtheit im Vergleich zu einer Kombination aus nur zwei der Einzelkomponenten aufweise. Dies zeige auch der am 24. März 2005 eingereichte Versuchsbericht des Einsprechenden, da für die dort getesteten streitpatentgemäßen Mischungen keine verbesserte Wirkung gefunden wurde. Daher sei die objektive technische Aufgabe lediglich in der Bereitstellung einer alternativen Haarfarbträgermasse zu sehen. Da alle streitpatentgemäßen Komponenten bereits im nächstliegenden Stand der Technik offenbart seien und dort bereits angeregt werde, Kombinationen mit mehreren Kupplerkomponenten zu verwenden, habe der Gegenstand des Streitpatentes bereits im Stand der Technik nahegelegen.
IV. Der Beschwerdeführer reichte während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 09. Oktober 2008 Hilfsanträge 1 und 4 ein, sowie mit Schreiben vom 05. September 2008 einen Hilfsantrag 3. Einen zwischenzeitlichen Hilfsantrag 2 hat er nicht aufrechterhalten.
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 war gegenüber seiner erteilten Fassung nur in Bezug auf die Definition der Komponente gemäß Formel I geändert, die auf 4,5-Diamino-1-(2'-hydroxyethyl)-1H-pyrazol als einzige Verbindung beschränkt wurde.
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 war gegenüber Anspruch 1 des Hilfsantrages 1 nur hinsichtlich der Komponenten der Formel III auf Verbindungen "ausgewählt aus 2,4-Diamino-1-(2'-hydroxyethoxy)benzol, 2,4-Diamino-1-(2',3'-dihydroxypropoxy)-benzol, 1,3-Bis(2',4'-diaminophenoxy)propan, 2-Amino-4-[(2'-hydroxyethyl)-amino]anisol, 1,5-Bis(2'-hydroxyethoxy)-2,4-diaminobenzol und m-Phenylendiamin" beschränkt.
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 war gegenüber Anspruch 1 des Hilfsantrages 3 nur hinsichtlich der Komponenten der Formel II auf die Verbindungen "ausgewählt aus 5-Amino-2-methylphenol, 5-Methylamino-2-methylphenol und 5-[(2'-Hydroxyethyl)amino]-2-methylphenol" weiter beschränkt.
V. Der Beschwerdeführer hat vorgetragen, dass der Stand der Technik, wie in Druckschriften (1) und (2) beschrieben, die spezielle Kombination aus Entwickler gemäß Formel I und den Kupplern gemäß den Formeln II und III nicht differenziert offenbare. Durch seine Vergleichsversuche aus dem Prüfungsverfahren, entsprechend der Druckschrift (4), sowie durch seine Vergleichsversuche eingereicht mit Schreiben vom 05. September 2008 sei belegt worden, dass durch diese spezielle Kombination der Komponenten eine Verbesserung der Stabilität der Färbung gegenüber Lichteinwirkung und Shampoonieren erzielt werde. Da diese Verbesserung aber im Stand der Technik nicht angesprochen werde und auch nicht nahegelegen habe, beruhe der Gegenstand des Streitpatentes auf einer erfinderischen Tätigkeit. Den Versuchsbericht der Beschwerdegegners vom 24. März 2005 erachtete der Beschwerdeführer als nicht nacharbeitbar und damit auch nicht überprüfbar, da wichtige Versuchsangaben fehlten. Da deshalb die Versuchsergebnisse weder verifizierbar, noch falsifizierbar seien, müssten sie bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ausscheiden. Seinen Einwand, dass die angefochtene Entscheidung unter Missachtung der Erfordernisse der Artikel 113 und 125 EPÜ ergangen sei, ließ er in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer fallen. Ebenso zog er seinen Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer zurück.
VI. Der Beschwerdegegner trug vor, dass die Druckschriften (1) und (2) den nächstliegenden Stand der Technik repräsentierten, wobei beide Druckschriften alle Komponenten der Haarfarbträgermassen gemäß der Formeln I, II und III offenbarten. Der Beschwerdegegner habe in den mit Schreiben vom 24. März 2005 eingereichten Vergleichsversuchen gezeigt, dass durch die Verwendung der streitpatentgemäßen Kombination aus Komponenten der Formeln I, II und III keine Verbesserung der Stabilität der Färbung gegenüber Lichteinwirkung und Shampoonieren erzielt werde. Da somit die technische Aufgabe lediglich die Bereitstellung einer Alternative sei, alle einzelnen Komponenten der Formeln I, II und III aber bereits aus den Druckschriften (1) und (2) bekannt gewesen seien, beruhe der Gegenstand des Streitpatentes nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Im Hinblick auf den Hilfsantrag 1 reichte der Beschwerdegegner in seiner Beschwerdeerwiderung vom 28. Juni 2006 die Druckschrift
(5) WO-A-94/08969
ein. Er zog während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer den im schriftlichen Beschwerdeverfahren vorgetragenen Neuheitseinwand im Hinblick auf Druckschriften (1) und (2) zurück.
VII. Der Beschwerdeführer hat beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in seiner erteilten Fassung aufrechtzuerhalten, hilfsweise auf der Basis eines seiner Hilfsanträge 1 und 4, eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, sowie Hilfsantrag 3, eingereicht mit Schreiben vom 05. September 2008.
Der Beschwerdegegner hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Hauptantrag
2. Neuheit
Der Beschwerdegegner hatte die Neuheit des erteilten Patentes mit den Druckschriften (1) und (2) angegriffen, jedoch die Neuheit nunmehr nicht weiter bestritten. Nachdem die Kammer keine Veranlassung sieht, von sich aus die Neuheit in Zweifel zu ziehen, und auch die angegriffene Entscheidung die Neuheit des Streitpatentes in seiner erteilten Fassung gegenüber den Druckschriften (1) und (2) anerkannt hat, erübrigen sich weitere Ausführungen hierzu.
3. Erfinderische Tätigkeit
Gemäß Artikel 56 EPÜ beruht eine Erfindung auf einer erfinderischen Tätigkeit, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Für die Beantwortung dieser Frage ist es nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern erforderlich, den nächstliegenden Stand der Technik festzustellen, demgegenüber die Aufgabe zu ermitteln, die erfindungsgemäß aus objektiver Sicht gestellt und gelöst wird, und die Frage des Naheliegens der anmeldungsgemäßen Lösung dieser Aufgabe für den Fachmann angesichts des Standes der Technik zu klären (siehe u. a. T 1/80, ABl. EPA 1981, 206, Punkte 3, 6, 8, 11 der Entscheidungsgründe; T 24/81, ABl. EPA 1983, 133, Punkt 4 der Entscheidungsgründe; T 248/85, ABl. EPA 1986, 262, Punkt 9.1 der Entscheidungsgründe).
3.1 Beide Parteien, sowie auch die angefochtene Entscheidung haben die Druckschriften (1) und (2) gemeinsam als nächstliegenden Stand der Technik angesehen.
Die Druckschriften (1) und (2) beschreiben, wie auch das Streitpatent, Haarfärbemittel auf der Basis einer Entwickler-Kuppler-Kombination, die gute Farbechtheit, insbesondere gute Licht- und Waschechtheit aufweisen (siehe Druckschrift (1) Seite 4, Zeilen 39 bis 41; siehe Druckschrift (2) Seite 5, Zeilen 3 bis 4). Die Haarfärbemittel enthalten als Entwicklersubstanz 4,5-Diamino-1-methylpyrazol, welches dem Diaminopyrazol gemäß Formel I des Streitpatentes entspricht (siehe Druckschrift (1), Ansprüche 1 und 2, Seite 3, Zeile 2; siehe Druckschrift (2) Ansprüche 1 und 5, Seite 3, Zeile 51). Die Liste der Kupplersubstanzen enthält unter anderem 5-Amino-2-methylphenol, welches der streitpatentgemäßen Komponente gemäß der Formel II entspricht, sowie m-Phenylendiamin, welches der streitpatentgemäßen Komponente gemäß der Formel III entspricht (siehe Druckschrift (1), Ansprüche 1 und 4, Seite 3, Zeilen 9 bis 15, insbesondere Zeile 11; siehe Druckschrift (2) Ansprüche 1 und 4, Seite 3, Zeilen 41 bis 47, insbesondere Zeile 44). Die Haarfärbemittel des Standes der Technik können auch mehrere der genannten Entwickler- und Kupplerkomponenten im Gemisch enthalten (siehe Druckschrift (1) Seite 3, Zeilen 16 bis 17, Beispiel 11; siehe Druckschrift (2) Seite 3, Zeilen 55 bis 56). So ist in Beispiel 12 der Druckschrift (1) bereits eine Entwickler-Kuppler-Kombination offenbart, welche 4,5-Diamino-1-methylpyrazol gemäß Formel I des Streitpatentes und 2-Amino-4-(2'-hydroxyethyl)amino-anisol gemäß der Formel III des Streitpatentes in Kombination offenbart. Beispiel 2 der Druckschrift (2) offenbart bereits eine Entwickler-Kuppler-Kombination mit mehreren Kupplern, die neben einer Entwicklersubstanz als Kuppler 5-Amino-2-methylphenol entsprechend der streitpatentgemäßen Komponente II wie auch 4-Amino-2-(2'-hydroxyethyl)amino-5-methoxytoluol entsprechend der streitpatentgemäßen Komponente III enthält.
Infolgedessen kommt die Kammer zum gleichen Ergebnis, wie die angefochtene Entscheidung, dass diese in beiden Druckschriften (1) und (2) gleichermaßen enthaltene Ausführungsform als nächstliegender Stand der Technik zu betrachten ist.
3.2 Gemäß den Ausführungen des Beschwerdeführers im schriftlichen Beschwerdeverfahren (siehe Eingabe vom 05. September 2008), sowie während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, soll dem Streitpatent ausgehend von dieser Ausführungsform der Druckschrift (1) oder (2) die Aufgabe zugrunde liegen, oxidative Haarfärbemischungen mit einer verbesserten Beständigkeit der Haarfärbung gegenüber Lichteinwirkung und Shampoonieren und gegebenenfalls Schweißeinwirkung bereitzustellen (siehe auch Streitpatentschrift, Paragraph [0003]).
3.3 Als Lösung schlägt das Streitpatent Haarfarbträgermassen gemäß Anspruch 1 vor, in denen die Verbindungen der anspruchsgemäßen Formeln I, II und III in Kombination eingesetzt werden.
3.4 Zwischen den Parteien ist strittig, ob die unter Punkt 3.2 supra formulierte technische Aufgabe durch die vorgeschlagene anspruchsgemäße Lösung erfolgreich gelöst wird, bzw., ob der Erfolg der angebotenen Lösung über den gesamten beanspruchten Bereich glaubhaft ist.
3.5 Zur Glaubhaftmachung einer erfolgreichen Lösung der patentgemäßen Aufgabe hat der Beschwerdeführer auf seine Vergleichsversuche (4) aus dem Prüfungsverfahren, sowie auf seine Versuche eingereicht mit Schreiben vom 05. September 2008 verwiesen.
3.5.1 Im Versuchsbericht (4) wurde eine streitpatentgemäße Mischung aus 4,5-Diamino-1-methyl-pyrazol, einem Entwickler der anspruchsgemäßen Formel I, mit 5-Amino-2-methyl-phenol, einem Kuppler der anspruchsgemäßen Formel II, und 2-Amino-4-(2'hydroxyethyl)amino-anisol, einem Kuppler der anspruchsgemäßen Formel III, mit Mischungen verglichen, die neben dieser Entwicklerkomponente nur jeweils einen dieser Kuppler enthielten. Die mit diesen Mischungen gefärbten Haarproben wurden jeweils Belastungen durch Einwirkung von Schweiß, Licht oder Shampoonieren ausgesetzt und die Farbwerte vor und nach der Belastung im System L,a,b, ermittelt. Dabei ergaben sich hinsichtlich der Beständigkeit gegenüber Licht für die streitpatentgemäße Mischung eine Gesamt-Farbdifferenz DeltaE von 4,5 gegenüber mindestens 5,2 für die Vergleichsmischungen, hinsichtlich der Beständigkeit gegenüber der Einwirkung von Shampoos für die streitpatentgemäße Mischung eine Gesamt-Farbdifferenz DeltaE von 1,6 gegenüber mindestens 2,8 für die Vergleichsmischungen. Nach Einwirkung von Schweiß hingegen ergab sich für die streitpatentgemäße Mischung eine Gesamt-Farbdifferenz DeltaE von 14,0 gegenüber nur 9,7 für eine Vergleichsmischung. Somit zeigt die streitpatentgemäße Mischung gegenüber den beiden Vergleichsmischungen eine verbesserte Farbechtheit gegenüber Lichteinwirkung und Shampoonieren, unbestritten jedoch nicht gegenüber Schweißeinwirkung.
Der Beschwerdegegner brachte vor, dass die Verbesserung hinsichtlich der Farbechtheit der streitpatentgemäßen Mischungen bedeutungslos sei, da die im Versuchsbericht (4) gemessenen Gesamt-Farbdifferenzen DeltaE zu geringfügig und daher mit bloßem Auge nicht feststellbar seien. Diesem Argument des Beschwerdegegners vermag die Kammer jedoch nicht zu folgen, da die Verbesserung signifikant ist und die Gesamt-Farbdifferenz DeltaE mittels einer genauen und reproduzierbaren Meßmethode, nämlich optisch im System L,a,b, bestimmt wurde (siehe T 235/04, Punkt 4.5, nicht veröffentlicht im ABl. EPA).
3.5.2 In den Versuchen des Beschwerdeführers vom 05. September 2008 wurden zwei streitpatentgemäße Mischungen, die jeweils N-ß-Hydroxyethyl-4,5-diaminopyrazol als Entwickler der anspruchsgemäßen Formel I, sowie 1-ß-Hydroxyethyloxy-2,4-diaminobenzol als Kuppler der anspruchsgemäßen Formel III und als Kuppler der anspruchsgemäßen Formel II entweder 5-Amino-2-methyl-phenol oder 1-Methyl-2-hydroxy-4-ß-hydroxyethylamino-benzol enthielten, mit Mischungen verglichen, die neben dem Entwickler nur jeweils einen dieser drei Kuppler enthielten. Die gefärbten Haarproben wurden jeweils einer Belastung durch Shampoonieren, sowie einer kombinierten Belastung von Shampoonieren mit anschließender Einwirkung von Licht ausgesetzt und die Farbwerte vor und nach der Belastung im System L,a,b, ermittelt. Dabei ergaben sich auf dauergewelltem Haar hinsichtlich der Beständigkeit gegenüber Shampoonieren für die streitpatentgemäßen Mischungen eine Gesamt-Farbdifferenz DeltaE von bis zu 3,01 gegenüber einer Gesamt-Farbdifferenz DeltaE von mindestens 4,32 für die Vergleichsmischungen. Im Falle von vorher gebleichtem Haar ergaben sich für die streitpatentgemäßen Mischungen Gesamt-Farbdifferenzen DeltaE von bis zu 3,64 gegenüber mindestens 3,91 für die Vergleichsmischungen. Hinsichtlich der Beständigkeit gegenüber der kombinierten Einwirkung von Shampoonieren und Licht ergaben sich im Falle von vorher gebleichtem Haar für die streitpatentgemäßen Mischungen Gesamt-Farbdifferenzen DeltaE von bis zu 3,61 gegenüber mindestens 5,73 für die Vergleichsmischungen. Auf dauergewelltem Haar ergaben sich für die streitpatentgemäßen Mischungen Gesamt-Farbdifferenzen DeltaE von bis zu 6,00 gegenüber einer Gesamt-Farbdifferenz DeltaE von nur 5,28 für eine der Vergleichsmischungen. Da zumindest die letztgenannte streitpatentgemäße Mischung die Aufgabenstellung, nämlich die Verbesserung der Farbfestigkeit gegenüber Shampoonieren und Lichteinwirkung, nicht löst, liegt ein ernsthafter Anhaltspunkt dafür vor, dass die vom Beschwerdeführer formulierte Aufgabenstellung durch die vorgeschlagene Lösung nicht über den gesamten beanspruchten Bereich erfolgreich gelöst wird.
Ein weiterer, noch ernsterer Anhaltspunkt hierfür findet sich in Druckschrift (2), die hinsichtlich der Eignung von Kupplern des m-Phenylendiamintyps zwischen zwei Isomeren unterscheidet, welche beide von der Formel III des Streitpatentes umfasst werden, wie vom Beschwerdegegner während der mündlichen Verhandlung eingeräumt. Gemäß der Druckschrift (2) sind die beiden dort mit den Formeln (i) und (II) bezeichneten Isomeren in ihrer Wirkung allerdings nicht gleichwertig. Die Verbindungen, die dem Isomeren der dortigen Formel (II) entsprechen, zeigen im Gegensatz zu den Isomeren der dortigen Formel (i) eine nicht ausreichende Beständigkeit der Anfärbungen, d.h. eine nicht ausreichende Farbechtheit (siehe Druckschrift (2), Seite 3, Zeilen 1 bis 27). Alle in den Versuchsberichten des Beschwerdeführers verwendeten Kuppler des m-Phenylendiamin-Typs der anspruchsgemäßen Formel III entsprechen dem Isomeren der Formel (i) der Druckschrift (2), während keiner der Versuchsberichte des Beschwerdeführers einen Kuppler vom ungeeigneten Isomeren entsprechend der Formel (II) aus Druckschrift (2) verwendet.
Da aus Druckschrift (2) hervorgeht, dass nicht alle der streitpatentgemäßen Kuppler des m-Phenylendiamin-Typs, die von der anspruchsgemäßen Formel III umfasst werden, zur Erreichung einer Verbesserung der Farbechtheit geeignet sind, bestehen begründete Zweifel daran, dass die behauptete Verbesserung der Farbstabilität gegenüber Lichteinwirkung und Shampoonieren der untersuchten Mischungen mit dem Kuppler des Isomeren-Typs (i) auch auf die nicht untersuchten, aber streitpatentgemäß beanspruchten Mischungen enthaltend den Kuppler des Isomeren-Typs (II) übertragbar sind. Daher ist es nicht ohne weiteres glaubhaft, dass eine Verbesserung der Farbstabilität gegenüber Lichteinwirkung und Shampoonieren im gesamten beanspruchten Bereich eintritt.
3.5.3 Der Beschwerdeführer argumentierte, die Druckschrift (2) lehre eine eingeschränkte Einsetzbarkeit der m-Phenylendiaminderivate vom Isomeren-Typ (II) nur im Hinblick auf Mischungen aus einem Entwickler und nur einem Kuppler und sei nicht auf die ternären Mischungen wie beansprucht übertragbar. Dieses Argument greift schon aus sachlichen Gründen nicht durch, da Druckschrift (2) nicht auf binäre Mischungen beschränkt ist, sondern bereits Mischungen mit einem Entwickler und zwei Kupplern offenbart, sogar mit einem Kuppler der anspruchsgemäßen Formel III und einem Kuppler der anspruchsgemäßen Formel II (siehe Paragraph 3.1, supra).
Weiterhin behauptete der Beschwerdeführer, dass auch bei Verwendung des gemäß Druckschrift (2) nicht geeigneten m-Phenylendiaminderivates des Isomeren-Typs (II) die streitpatentgemäße Aufgabe einer Verbesserung der Farbechtheit gegenüber Lichteinwirkung und Shampoonieren gelöst werde, da der Erfolg ursächlich auf die Kombination von drei Komponenten anstelle von nur zwei Komponenten zurückzuführen sei.
Indessen hat der Beschwerdeführer hierfür keine Belege erbracht, denn keiner seiner Vergleichsversuche verwendet ein m-Phenylendiaminderivat des Isomeren-Typs (II) der Druckschrift (2). Somit ist seine Behauptung, die streitpatentgemäße Verbesserung trete auch bei Verwendung des Isomeren (II) auf, lediglich spekulativ und kann nicht überzeugen, zumal diese Behauptung auch der eindeutigen Lehre der Druckschrift (2) widerspricht.
3.5.4 Daher können die beiden Versuchsberichte des Beschwerdeführers die gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik behauptete verbesserte Farbechtheit gegenüber Lichteinwirkung und Shampoonieren nicht über die gesamte beanspruchte Breite des geltenden Anspruchs 1 glaubhaft machen.
Demzufolge ist es auch unerheblich, ob die Versuchsbeispiele des Beschwerdegegners, eingereicht mit Schreiben vom 24. März 2005, ausreichende Informationen hinsichtlich der Versuchsdurchführung enthalten und damit verifizierbar sind oder nicht, da bereits durch die eigenen Versuchsberichte des Beschwerdeführers, dem der Beweis für seine behauptete Verbesserung der Farbechtheit obliegt, sowie durch Druckschrift (2) eine Verbesserung der Farbechtheit über den gesamten beanspruchten Bereich nicht glaubhaft ist.
Gemäß ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern kann eine technische Aufgabe - hier die Verbesserung der Farbechtheit gegenüber Lichteinwirkung und Shampoonieren - jedoch nur dann bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit berücksichtigt werden, wenn sie im gesamten beanspruchten Bereich als erfolgreich gelöst angesehen werden kann, d.h. wenn im vorliegenden Fall glaubhaft ist, dass im wesentlichen alle beanspruchten Färbemischungen eine verbesserte Farbechtheit gegenüber Lichteinwirkung und Shampoonieren ergeben (siehe T 939/92, ABl. EPA 1996, 309, Entscheidungsgründe Punkte 2.5.4 bis 2.6). Dieses Erfordernis spiegelt den allgemein anerkannten Grundsatz wider, dass der Umfang des durch ein Patent verliehenen Ausschließungsrechtes dem technischen Beitrag zum Stand der Technik entsprechen und durch diesen begründet sein soll. Nachdem im vorliegenden Fall die Verbesserung der Farbechtheit gegenüber Lichteinwirkung und Shampoonieren nicht über die gesamte beanspruchte Breite glaubhaft eintritt, ergibt sich die Schlussfolgerung, dass die Erfindung, wie sie im Anspruch 1 breit definiert ist, keine erfolgreiche Lösung dieser technischen Aufgabe darstellt, mit der Folge, dass die behauptete Verbesserung der Farbechtheit gegenüber Lichteinwirkung und Shampoonieren bei der Festlegung der objektiven Aufgabenstellung des Streitpatentes und der Beurteilung dessen erfinderischer Qualität unberücksichtigt bleibt.
3.6 Aus diesen Gründen ist die vorstehend in Punkt 3.2 supra angeführte Aufgabenstellung umzuformulieren. Ausgehend von der in beiden Druckschriften (1) und (2) gleichermaßen enthaltenen Ausführungsform als nächstliegendem Stand der Technik liegt dem Streitpatent somit lediglich die objektive Aufgabe zugrunde, alternative Färbemischungen mit guter Farbechtheit bereitzustellen.
3.7 Es bleibt nun zu untersuchen, ob der Stand der Technik dem Fachmann Anregungen bot, diese objektive Aufgabe durch die streitpatentgemäße Kombination aus einem Entwickler der Formel I und jeweils einem Kuppler der Formeln II und III zu lösen.
3.8 Die allgemeine Lehre der nächstliegenden Druckschriften (1) und (2) umfasst den Gegenstand des Streitpatentes (siehe Punkt 3.1, supra). Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 unterscheidet sich davon lediglich durch Auswahl und Zusammenfügung von bestimmten dort genannten Verbindungen als Entwickler- und Kupplerkomponenten, wobei diese in den Druckschriften (1) und (2) nur jeweils separat und nicht in Kombination offenbart sind. Der Beschwerdeführer hat weder vorgetragen, noch glaubhaft belegt, dass es sich bei der anspruchsgemäßen Auswahl der einzelnen Verbindungen um etwas Erfindungswesentliches handelt oder damit ein besonderer technischer Effekt im Vergleich mit den nächstliegenden Druckschriften (1) und (2) verbunden ist. Folglich ist das Zusammenfügen von hieraus bereits einzeln bekannten Komponenten im geltenden Anspruch 1 weder zielgerichtet noch kritisch für die zu lösende Aufgabe, nämlich weitere Färbemischungen mit guter Farbechtheit bereitzustellen. Diese willkürliche Wahl von Komponenten innerhalb des Rahmens der Druckschriften (1) und (2), wie sie anspruchsgemäß vorgenommen wird, stellt jedoch schon wegen ihrer Beliebigkeit lediglich eine Routinetätigkeit dar, die im handwerklichen Können des Fachmanns liegt, ohne dass es eines erfinderischen Zutuns seinerseits bedürfte.
3.9 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 eine naheliegende Lösung der streitpatentgemäßen Aufgabe darstellt.
Hilfsantrag 1
4. Änderungen (Artikel 123 (2) und (3) EPÜ)
Der Gegenstand des Anspruchs 1 enthält eine Beschränkung hinsichtlich der Komponente der anspruchsgemäßen Formel I, welche nunmehr lediglich 4,5-Diamino-1-(2'-hydroxyethyl)-1H-pyrazol als Einzelverbindung nennt (siehe Punkt IV, supra). Diese Änderung findet ihre Stütze in Anspruch 2 der Anmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung, sowie in Anspruch 2 des Streitpatentes in seiner erteilten Fassung.
Da diese Änderung des Anspruchs 1 den beanspruchten Gegenstand beschränkt, wird der Schutzbereich des Streitpatentes im Vergleich zur erteilten Fassung nicht erweitert.
Der geltende Anspruchssatz erfüllt somit alle Voraussetzungen des Artikels 123(2) und (3) EPÜ.
5. Neuheit
Da bereits für den Hauptantrag die Neuheit anerkannt wurde, kann diese auch für der weiter eingeschränkten Gegenstand des ersten Hilfsantrages anerkannt werden.
6. Erfinderische Tätigkeit
6.1 Die einzige Änderung im Hinblick auf den Gegenstand des Hauptantrages besteht in der Beschränkung der Verbindungen gemäß der Formel I auf 4,5-Diamino-1-(2'-hydroxyethyl)-1H-pyrazol. Nachdem mit der Auswahl dieses Entwicklers kein besonderer technischer Effekt geltend gemacht oder belegt wurde, gilt auch im Falle des ersten Hilfsantrages die für den Hauptantrag festgelegte objektive Aufgabe, nämlich weitere Färbemischungen mit guter Farbechtheit bereitzustellen, zumal der behauptete Effekt nicht ursächlich auf der Auswahl des Entwicklers, sondern auf der Auswahl der Kuppler basieren soll.
Es ist daher lediglich zu prüfen, ob der Stand der Technik Anregungen enthält, die Verbindung 4,5-Diamino-1-(2'-hydroxyethyl)-1H-pyrazol als Entwickler der anspruchsgemäßen Formel I zu verwenden.
6.2 Die in Anspruch 1 der Druckschrift (1) offenbarte Färbemischung enthält ein substituiertes Pyrazol als Entwickler, der als Reste R**(2), R**(3) und R**(4) Wasserstoff, und als Rest R**(1) ein Hydroxyalkyl mit 2 Kohlenstoffatomen, d.h. eine Hydroxyethyl-Gruppe enthalten kann. Somit ist die Entwicklerkomponente 4,5-Diamino-1-(2'-hydroxyethyl)-1H-pyrazol gemäß geltendem Anspruch ebenfalls von der Lehre der Druckschrift (1) umfasst. Nachdem die Verwendung von 4,5-Diamino-1-(2'-hydroxyethyl)-1H-pyrazol als Entwicklersubstanz nicht erfindungswesentlich ist und keinen technischen Effekt bewirkt (siehe Punkt 6.1, supra), ist die Auswahl dieser Einzelverbindung innerhalb der allgemeinen Formel (i) der Druckschrift (1) weder zielgerichtet, noch kritisch für die zu lösende Aufgabe. Diese willkürliche Wahl innerhalb des Rahmens der Druckschrift (1), wie sie anspruchsgemäß vorgenommen wird, stellt daher eine Routinetätigkeit dar, die im handwerklichen Können des Fachmanns liegt, ohne dass es eines erfinderischen Zutuns seinerseits bedürfte.
Darüber hinaus gibt Druckschrift (5), die ebenfalls Haarfärbemischungen beschreibt, einen Hinweis auf die Verwendung von 4,5-Diamino-1-(2'-hydroxyethyl)-1H-pyrazol. Diese Einzelverbindung ist dort als ein Derivat des 4,5-Diamino-pyrazols genannt, das als Entwickler eingesetzt werden kann.
Dass die Druckschrift (5) nicht die Farbechtheit der Färbemischungen anspricht, kann, im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdegegners, nicht als Hemmnis für den Fachmann betrachtet werden, diese Druckschrift in Erwägung zu ziehen, da die anspruchsgemäße Verbindung bereits vom nächstliegenden Stand der Technik umfasst ist und dieser bereits die Farbechtheit anspricht. Da der Entwickler gemäß geltendem Anspruch 1 in Druckschrift (5) als gleichwirkende Alternative zu den Methyl-, bzw. Isopropyl-Derivaten genannt ist, welche wiederum als Entwickler im nächstliegenden Stand der Technik beispielhaft genannt sind (siehe Druckschrift (1), Seite 3, Zeile 2; siehe Druckschrift (2), Seite 3 Zeile 51), ergibt sich für den Fachmann eher ein verstärkender Hinweis darauf, die Verbindung 4,5-Diamino-1-(2'-hydroxyethyl)-1H-pyrazol als Entwickler in den aus Druckschrift (1) bekannten Mischungen einzusetzen.
6.3 Die Kammer kommt in Anbetracht der obigen Feststellungen zu dem Ergebnis, dass die Druckschrift (1) allein, wie auch in Kombination mit Druckschrift (5), dem Fachmann eine spezifische und konkrete Anregung gibt, die unter Punkt 6.1, supra, festgelegte streitpatentgemäße Aufgabe durch die Wahl der Einzelverbindung gemäß geltendem Anspruch 1 zu lösen und somit zum beanspruchten Gegenstand ohne erfinderisches Zutun zu gelangen.
6.4 Daher kommt die Kammer zu dem Schluss, dass auch der Gegenstand der Ansprüche gemäß erstem Hilfsantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Hilfsanträge 3 und 4
7. Änderungen (Artikel 123(2) EPÜ)
7.1 In beiden Hilfsanträgen 3 und 4 ist zusätzlich zur Beschränkung der Komponente der anspruchsgemäßen Formel I auf 4,5-Diamino-1-(2'-hydroxyethyl)-1H-pyrazol als Einzelverbindung auch die Komponente der anspruchsgemäßen Formel III dahingehend beschränkt, dass nur Verbindungen ausgewählt aus der Gruppe 2,4-Diamino-1-(2'-hydroxyethoxy)benzol, 2,4-Diamino-1-(2',3'-dihydroxypropoxy)-benzol, 1,3-Bis(2',4'-diaminophenoxy)propan, 2-Amino-4-[(2'-hydroxyethyl)-amino]anisol, 1,5-Bis(2'-hydroxyethoxy)-2,4-diaminobenzol und m-Phenylendiamin beansprucht werden.
7.2 Eine europäische Patentanmeldung darf nicht in der Weise abgeändert werden, dass ihr Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht. Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob durch eine Änderung ein Gegenstand hinzugefügt wird, der über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinausgeht, ist nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern, ob durch die Abänderung der Anspruch technische Informationen umfasst, die sich nicht unmittelbar und eindeutig aus der Anmeldung in der eingereichten Fassung ableiten lassen (siehe T 680/93, Punkt 2. der Entscheidungsgründe, nicht veröffentlicht im ABl. EPA).
7.3 Im vorliegenden Fall findet sich die Einzelverbindung der anspruchsgemäßen Formel I in Anspruch 2 der ursprünglichen Anmeldung, die aufgezählten Einzelverbindungen der anspruchsgemäßen Formel III finden sich in Anspruch 4 der ursprünglichen Anmeldung. Dies kann jedoch nicht als Basis für die gleichzeitige Beschränkung der Haarfarbträgermassen hinsichtlich sowohl der Komponente der anspruchsgemäßen Formel I, als auch der anspruchsgemäßen Formel III dienen, da der Anspruch 4 nur auf Anspruch 1, jedoch nicht auf Anspruch 2 rückbezogen ist, so dass es an einer kombinatorischen Offenbarung der spezifischen Einzelverbindung der anspruchsgemäßen Formel I mit den spezifischen Einzelverbindungen der anspruchsgemäßen Formel III mangelt. Auch in der Beschreibung findet sich keine direkte Verknüpfung, so dass sich nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern diese spezielle Merkmalskombination nicht unmittelbar und eindeutig aus den ursprünglichen Unterlagen erschließt. Somit stellt die nunmehr beanspruchte Kombination dieser spezifischer Einzelverbindungen der anspruchsgemäßen Formel III mit der spezifischen Einzelverbindung der anspruchsgemäßen Formel I eine spezielle Merkmalskombination dar, die in den ursprünglichen Unterlagen nicht differenziert offenbart ist.
7.4 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass die in Anspruch 1 der Hilfsanträge 3 und 4 vorgenommenen Änderungen über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinausgehen, weshalb beide Hilfsanträge im Hinblick auf Artikel 123(2) EPÜ nicht gewährbar sind.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.