T 0990/06 08-06-2009
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Rechtmäßige Zusammensetzung der Einspruchsabteilung - nicht überprüfbar
Fehlende Nachweise der Erweiterung mit, bzw. des Ausscheidens eines juristischen Mitglieds
Zurückverweisung - ja
I. Gegen das europäische Patent No. 1 081 067 wurde Einspruch erhoben.
Die Einspruchsabteilung hat entschieden, das Patent in geänderter Fassung aufrechtzuerhalten.
II. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Entscheidung Beschwerde eingelegt.
III. Die Beschwerdeführerin beantragt u.a., die Angelegenheit wegen eines schwerwiegenden Verfahrensfehlers an die erste Instanz zurückzuverweisen.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragt u.a., die Angelegenheit an die erste Instanz nicht zurückzuverweisen.
Beide Parteien haben Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt, wobei diese Anträge im Falle einer Zurückverweisung als zurückgenommen gelten sollen.
IV. In der elektronischen Akte, die der Öffentlichkeit über Akteneinsicht zugänglich ist, befindet sich ein internes Formblatt 2040 zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung mit Datum vom 22. November 2005, das von drei namentlich genannten technisch vorgebildeten Prüfern unterschrieben worden ist. Dieses Dokument ist den Parteien nicht zugestellt worden.
V. An die Parteien erging eine Ladung zur mündlichen Verhandlung mit Datum vom 5. Dezember 2005. Zusätzlich zu den drei genannten Prüfern ist darin ein "Rechtskundiges Mitglied" der Einspruchsabteilung namentlich genannt. Die Ladung ist mit dem Dienstsiegel des EPA versehen (Regel 70 (2) EPÜ 1973).
VI. Die mündliche Verhandlung hat vor einer Einspruchsabteilung bestehend aus nur den drei technisch vorgebildeten Prüfern stattgefunden (siehe die Niederschrift über die mündliche Verhandlung zugestellt an die Parteien am 21. April 2006).
VII. Die Zwischenentscheidung mit Datum vom 21. April 2006 ist den Parteien zugestellt worden. Diese Entscheidung trägt sowohl die Namen der drei technisch vorgebildeten Prüfer als auch jenen des rechtskundigen Mitglieds. Diese Entscheidung ist mit dem Dienstsiegel des EPA versehen.
VIII. Die Beschwerdeführerin argumentiert folgenderweise:
Auf der Ladung zur mündlichen Verhandlung ist ein rechtskundiges Mitglied der Einspruchsabteilung genannt worden. Dieses Mitglied hat jedoch an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen. Die Einspruchsabteilung hat daher nicht in der vorgeschriebenen Besetzung entschieden. Die Angelegenheit sollte daher wegen des schwerwiegenden Verfahrensfehlers an die erste Instanz zurückverwiesen werden.
IX. Die Beschwerdegegnerin argumentiert folgenderweise:
Wahrend des Verfahrens ist ein rechtskundiges Mitglied nicht förmlich ernannt worden. Die Erwähnung eines rechtskundigen Mitglieds auf der Ladung zur mündlichen Verhandlung beruht somit auf einem offenkundigen Fehler. Auch in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung war es für die Parteien offensichtlich, dass die Entscheidung nicht in der mit einem rechtskundigen Mitglied erweiterten Besetzung ergangen ist.
Da das Verfahren schon fünf Jahren dauert, sollte aus Gründen der Verfahrensökonomie die Angelegenheit nicht an die erste Instanz zurückverwiesen werden.
X. In einem Bescheid hat die Kammer ihre vorläufige Meinung geäußert, dass der Inhalt der Akte Widersprüche enthalte, die einen Verfahrensfehler nicht ausschließen könnten, so dass eine Zurückverweisung an die erste Instanz notwendig erscheine.
1. Zusammensetzung der Kammer
1.1 Da die vorliegende Entscheidung die Frage betrifft, ob die Einspruchsabteilung aus drei Mitgliedern oder vier Mitgliedern bestand, stellt sich zunächst die Frage, ob die Kammer mit drei Mitgliedern gemäß Artikel 21 (4) (a) EPÜ oder mit fünf Mitgliedern gemäß Artikel 21 (4) (b) EPÜ besetzt werden soll. Wie weiter unten zum Ausdruck kommen wird, kommt die Kammer zu dem Schluss, dass die Rechtmäßigkeit der Besetzung der Einspruchsabteilung in der betreffenden mündlichen Verhandlung nicht überprüfbar ist, da die Akte Widersprüche und Lücken enthält. Da die Entscheidung, die die Einspruchsabteilung am Ende der mündlichen Verhandlung verkündet hat, nach dem Protokoll offensichtlich von einer Einspruchsabteilung mit drei anwesenden technisch vorgebildeten Mitgliedern getroffen worden ist, gibt es keinen Grund, diesen Fall in einer zu fünf Mitgliedern erweiterten Zusammensetzung zu entscheiden. Wenn die Kammer in der derzeitigen Zusammensetzung zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, insbesondere, dass die Einspruchsabteilung aus vier Mitglieder bestünde, jedoch nur drei davon an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hätten, dann wäre eine Erweiterung gemäß Artikel 21 (4) (b) EPÜ zu prüfen.
2. Zusammensetzung der Einspruchsabteilung
2.1 Die Kammer möchte zunächst zum Ausdruck bringen, dass ihrer Meinung nach das EPÜ 1973 im Artikel 19 (2) klare Anweisungen enthält, wie eine Einspruchsabteilung regelmäßig zu besetzen ist. Somit wissen die Parteien, welcher Spruchkörper in einer mündlichen Verhandlung über ihren Fall verhandelt und entscheidet, so dass die Erfüllung der Bestimmungen des Artikels 19 (2) EPÜ (1973) sowie die Unparteilichkeit der Mitglieder dieses Spruchkörpers gemäß G 5/91 (ABl. EPA 1992, 617) überprüft werden können. Aus diesem Grund ist es unerlässlich, dass die Zusammensetzung der Einspruchsabteilung zu jedem wesentlichen Zeitpunkt im Einspruchsverfahren klar und überprüfbar sein muss. Aus diesem Grund ist es weiterhin unerlässlich, dass das Verfahren zur Ergänzung der Einspruchsabteilung mit einem rechtskundigen Mitglied nach Artikel 19 (2) EPÜ überprüfbar sein muss. Das gleiche gilt selbstverständlich für ein allfälliges Ausscheiden dieses Mitglieds, wenn der Anlass zu seiner Beteiligung wegfällt.
2.2 Wenn ein Schriftstück im Namen der Einspruchsabteilung an die Partien ergeht, das die Namen der Mitglieder der Einspruchsabteilung nennt und mit einem Dienstsiegel versehen ist, dann müssen diese Namen zum Zeitpunkt der Absendung des Schreibens die richtige Zusammensetzung der Abteilung wiedergeben. Dies ist umso wichtiger, wenn das Schriftstück, wie im vorliegenden Fall, eine Entscheidung, bzw. die Ladung zur mündlichen Verhandlung, betrifft.
2.3 Im vorliegenden Fall zeigen sich in dieser Hinsicht Widersprüche zwischen den Schriftstücken, die den Parteien zugestellt worden sind, und der internen Verfügung (Formblatt 2040), die sich nur in der öffentlichen Akte befindet, sowie zwischen der Zusammensetzung der Einspruchsabteilung während der mündlichen Verhandlung und der Zusammensetzung laut zugestellter Ladung und schriftlicher Entscheidung.
Die sich in der öffentlich zugänglichen Akte befindende interne Verfügung (Formblatt 2040) zur Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde von drei namentlich genannten technisch vorgebildeten Prüfern unterschrieben. Die Bezeichnung "rechtskundiges Mitglied" wurde teilweise mit Weiß weglackiert.
Die nach Regel 70(2) EPÜ 1973 mit Dienstsiegel versehene Ladung nach Regel 71(1) EPÜ 1973 erging im Namen der Einspruchsabteilung mit den drei genannten Namen der Prüfer, ergänzt durch den Namen eines rechtskundigen Mitglieds.
Laut Protokoll der mündlichen Verhandlung wurde vor einer Einspruchsabteilung, die nur aus den drei technisch vorgebildeten Prüfern bestand, verhandelt.
Die nach Regel 70(2) EPÜ 1973 mit Dienstsiegel versehene Zwischenentscheidung trug die Namen der drei technisch vorgebildeten Prüfer sowie den Namen des rechtskundigen Mitglieds. Ein vergleichbares Formblatt, wie das Blatt 2040, das zur förmlichen Anordnung einer mündlichen Verhandlung verwendet wird und erkennbar die Unterschriften der Mitglieder der Einspruchsabteilung trägt, die zur die Ladung entschieden haben, ist für die Zwischenentscheidung in der öffentlich zugänglichen Akte nicht enthalten.
Es ist daher für die Kammer unmöglich zu prüfen, ob die in der mündlichen Verhandlung verkündete Entscheidung von einer rechtmäßig besetzten Einspruchsabteilung getroffen worden ist, bzw. ob die schriftlich begründete Entscheidung von dem gleichen Spruchkörper erging.
2.4 Außerdem enthält die Akte weder einen förmlichen Hinweis, dass die Einspruchabteilung gemäß Artikel 19 (2) EPÜ (1973) erweitert worden ist, noch einen Hinweis ob, und gegebenenfalls wie, die Einspruchabteilung förmlich wieder auf drei technisch vorgebildete Prüfern reduziert wurde. Wenn die Einspruchsabteilung tatsächlich mit einem rechtskundigen Mitglied erweitert wurde, müsste die Akte den von den drei Mitgliedern der Einspruchsabteilung unterschriebenen entsprechenden Beschluss enthalten. Wenn die Einspruchsabteilung danach die Erweiterung aufgehoben hat, müsste die Akte auch den entsprechenden, von den vier Mitgliedern der Einspruchsabteilung unterschriebenen, Beschluss umfassen.
Wenn die Einspruchsabteilung tatsächlich erweitert wurde, und dieser Beschluss danach wieder aufgehoben wurde, dürfen Schriftstücke, die danach im Namen der Einspruchsabteilung an die Parteien ergehen, den Namen einer Person, die nicht mehr Mitglied ist, nicht enthalten.
2.5 Die rechtmäßige Besetzung der Einspruchsabteilung ist von primärer Bedeutung für das Einspruchsverfahren. Ist die rechtmäßige Besetzung in Zweifel zu ziehen, dann ist die Rechtmäßigkeit der Entscheidung auch zu bezweifeln.
Die Kammer kommt daher zu dem Ergebnis, dass ein schwerwiegender Verfahrensfehler hinsichtlich der Besetzung der Einspruchsabteilung nicht ausgeschlossen werden kann.
3. Zurückverweisung
3.1 Die Beschwerdegegnerin hat argumentiert, dass das Vorhandensein eines vierten Namens auf der Ladung zur mündlichen Verhandlung und der schriftlichen Entscheidung einen offenkundigen Fehler darstelle, der einer sachlichen Behandlung durch die Kammer nicht entgegenstünde. Dieser Argumentation kann seitens der Kammer nicht gefolgt werden. Auch wenn man sich der Meinung anschließt, dass ein offenkundiger Fehler vorliegt, dann ist es nicht klar, ob der Fehler die Namen auf das Formblatt betrifft oder auf die Abwesenheit eines ordnungsgemäß bestimmten rechtskundigen Mitglieds in der mündlichen Verhandlung hindeutet.
Auch fehlt, wie oben vorgetragen, jeglicher Beschluss der Einspruchsabteilung bezüglich der Erweiterung und der möglichen später erfolgten Aufhebung dieses Beschlusses, der zur Klärung eines solchen Fehlers beitragen könnte.
3.2 Die Beschwerdegegnerin hat weiter argumentiert, dass aus Gründen der Verfahrensökonomie die Angelegenheit durch die Beschwerdekammer ohne Zurückverweisung entschieden werden sollte.
Die Kammer kann zwar die Meinung der Beschwerdegegnerin verstehen, ihr jedoch nicht folgen. Wie bereits oben dargelegt, ist es nicht möglich festzustellen, ob die angefochtene Entscheidung durch eine nach dem EPÜ richtig besetzte Einspruchsabteilung getroffen und von der gleichen Einspruchsabteilung begründet worden ist. Eine den diesbezüglichen Bestimmungen des EPÜ entsprechende Entscheidung ist eine unerlässliche Voraussetzung für ein anschließendes Beschwerdeverfahren. Da eine solche Entscheidung in dem vorliegenden Fall nicht festgestellt werden kann, ist diese Voraussetzung nicht erfüllt und daher kann die Frage der Verfahrensökonomie nicht berücksichtigt werden.
4. Die Angelegenheit wird daher an die erste Instanz zurückverwiesen, so dass das Verfahren, einschließlich der anschließenden schriftlich begründeten und gegebenenfalls mündlich verkündeten Entscheidung, durch eine zweifelsohne rechtmäßig besetzte Einspruchsabteilung durchgeführt wird.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.