T 1729/08 08-04-2010
Download und weitere Informationen:
Vorrichtung zur Lagerung der Schlaufen einer Schlaufengardine an einer Gardinenschiene
Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat am 2. September 2008 gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung vom 14. August 2008 mit der sie befand, dass unter Berücksichtigung der vorgenommenen Änderungen das europäische Patent den Erfordernissen des EPÜ genügt, Beschwerde eingelegt, am 29. August 2008 die Beschwerdegebühr entrichtet und die Beschwerde am 25. November 2008 schriftlich begründet.
II. Der Einspruch wurde auf die Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) EPÜ 1973 (Neuheit und erfinderische Tätigkeit) gestützt.
In ihrer Entscheidung ist die Einspruchsabteilung zum Schluss gekommen, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 wie erteilt nicht neu sei.
Die Einsprechenden I und II haben mit Schriftsätzen vom 16. Oktober 2008 bzw. 15. Oktober 2008 ihre Einsprüche zurückgezogen. Sie sind somit nicht mehr an diesem Verfahren beteiligt.
III. Folgende Druckschriften haben in diesem Verfahren eine Rolle gespielt:
D5: GB-A-2 338 643
D11, D11-1: Auszüge aus einem Gardinia Katalog
D11-2: Rechnung betreffend 200 Schleuderstab-Gleiter mit Artikelnummer 9011 aus 1997
D11-3 E-Mail von dem Haus Gardinia Home Decor mbH, wonach mit dem Schleuderstab-Gleitern aus dem Jahre 1997 noch weitere Rechnungen vorliegen, welche noch nicht archiviert wurden
D11-4: Eidesstattliche Versicherung von Frau A. Halbauer Zeugenbeweis: Frau A. Halbauer, Mühlgasse 1, 04626 Schmölln
D12: DE-B-1 026 936
D14: DE-A-42 00 483
IV. Am 8. April 2010 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.
Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent im Umfang des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hauptantrages aufrechtzuerhalten.
Anspruch 1 des Hauptantrages lautet wie folgt:
"1. Schlaufengardine mit Vorrichtung zu deren Lagerung, wobei die Schlaufen (2) an einer Gardinenschiene (17) mit an der Gardinenschiene (17) gleitfähigen zylindrischen Körpern gelagert sind, wobei über deren Außenwand (5) jeweils eine Schlaufe gehängt ist, dadurch gekennzeichnet, dass der zylindrische Körper (10) ein zwei Einhängeabschnitte (13) zum Einhängen in einer Nut (18) einer Gardinenschiene (17) aufweisender Steg (10) ist."
V. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen folgendes vorgetragen:
Die behauptete offenkundige Vorbenutzung sei nicht als lückenlos bewiesen anzusehen. Sie offenbare weder einen Gleiter, der dazu geeignet sei, die Schlaufen einer Schlaufengardine zu lagern, noch einen zylindrischen Körper, über den jeweils eine Schlaufe gehängt werde.
Die in D12 offenbarten Gleiter seien nicht geeignet, die Schlaufen einer Schlaufengardine zu lagern und wiesen keine zwei Einhängeabschnitte auf.
In D14 sei die Öse schräg ausgeführt. Daher eigne sich dieser Gleiter nicht zur Lagerung von Schlaufen einer Schlaufengardine, außerdem sei der Körper des Gleiters auch nicht zylindrisch.
Da keiner dieser vorbekannten Gleiter zur Lagerung von Schlaufen einer Schlaufengardine geeignet sei, könne auch keiner dieser Gleiter in naheliegender Weise zur beanspruchten Kombination aus einer Schlaufengardine und derer Lagerungsvorrichtung führen.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Offenkundige Vorbenutzung "Gardinia"
Die in Form der Anlagen D11, D11-1, D11-2 und D11-3 vorgelegten Beweismittel betreffen entweder Auszüge aus einem Gardinia Katalog oder Rechnungen für Schleuderstab-Gleiter bestehend aus einer D-förmig ausgebildeten Öse zum Einhängen eines Karabinerhakens eines Schleuderstabes. Es fehlt jedoch der Bezug zum Gegenstand des geltenden Anspruchs 1. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist nämlich kein Schleuderstab-Gleiter, sondern vielmehr eine Schlaufengardine mit Vorrichtung zu deren Lagerung, wobei die Schlaufen mit an der Gardinenschiene gleitfähigen zylindrischen Körpern gelagert sind. Die Schleuderstab-Gleiter der Anlagen D11, D11-1, D11-2 und D11-3 sind nicht zur Lagerung jeweils einer Schlaufe einer Schlaufengardine ausgebildet und deuten als solches nicht auf eine Benutzung für eine Schlaufengardine hin.
Die eidesstattliche Versicherung D11-4 ist das einzige schriftliche Beweismittel, wonach die Schleuderstab-Gleiter für einen eigentlich nicht vorgesehenen Zweck verwendet worden sein sollen. Laut dieser eidesstattlichen Versicherung wurden die Schleuderstab-Gleiter der Anlagen D11, D11-1, D11-2 und D11-3 als Schlaufengleiter für Schlaufengardinen benutzt, wobei die Schlaufen über den waagerechten Steg der D-förmig ausgebildeten Öse zwischen den zwei Einhängeabschnitten eingehängt wurden.
Die zweckfremde Benutzung der Schleuderstab-Gleiter ist lediglich durch diese eidesstattliche Versicherung belegt, die Angaben macht, die auf Erinnerungen an einen lang zurückliegenden Lebenssachverhalt basieren. In Anwendung des Grundsatzes der "freien Beweiswürdigung" (siehe u. a. die Entscheidung G 0003/97; ABl. 1999, 245, §5) erachtet die Kammer die behauptete Vorbenutzung der Schleuderstab-Gleiter gerade als Schlaufengleiter für Schlaufengardinen gemäß der eidesstattlichen Versicherung D11-4 als nicht bis zu der dafür nötigen Gewissheit bewiesen. Nur weitere Ermittlungen, insbesondere eine Vernehmung der Zeugin zusammen mit dieser eidesstattlichen Versicherung könnten nach Auffassung der Kammer zweifelsfrei erkennen lassen, ob die Schleuderstab-Gleiter der Anlagen D11, D11-1, D11-2 und D11-3 tatsächlich wie bei der Erfindung als Schlaufengleiter für Schlaufengardinen benutzt worden sind. Da aber keine Einsprüche mehr vorliegen, ist es nicht möglich, weitere Ermittlungen anzustellen, insbesondere die angebotene Vernehmung durchzuführen.
Deshalb sieht die Kammer die behauptete offenkundige Vorbenutzung gemäß der eidesstattlichen Versicherung D11-4 als nicht ausreichend nachgewiesen.
3. Neuheit:
Die Anlagen D11, D11-1, D11-2 und D11-3 offenbaren einen Schleuderstab-Gleiter bestehend aus einer D-förmig ausgebildeten Öse zum Einhängen eines Karabinerhakens eines Schleuderstabes. Dieser bekannte Schleuderstab-Gleiter kann die Neuheit des Gegenstandes des Patentanspruchs 1 nicht vorwegnehmen, der eine Schlaufengardine mit Vorrichtung zu deren Lagerung beansprucht, wobei die Schlaufen mit an der Gardinenschiene gleitfähigen zylindrischen Körpern gelagert sind.
3.1 D14:
Aus der Figur 3 dieser Druckschrift ist ersichtlich, dass der Querschnitt des Steges viereckig ist. Er bildet somit keinen Zylinder. Des Weiteren ist auch nicht erkennbar, ob die Einhängeabschnitte dieses Gleiters zur Aufnahme in der Nut einer Gardinenschiene geeignet wären.
Somit ist auch D14 für den Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neuheitsschädlich.
4. Erfinderische Tätigkeit:
4.1 D14 offenbart einen Gleiter mit einer Öse zur Aufnahme der Schlaufen von Faltenbändern und hat daher auch entsprechend kleine Abmessungen. Dieser Gleiter ist daher nicht zur Lagerung von den Schlaufen einer Schlaufengardine geeignet, da die Lagerung solcher Schlaufen eine Ausgestaltung, deren Abmessungen wesentlich größer sind als die in D14 vorgegebenen Maße bedingt. D14 offenbart auch keine Schlaufengardine deren wesensbildendes Merkmal die Kammer darin sieht, die Schlaufen aus optischen Gründen zwischen Gardine und Schiene optisch sichtbar anzuordnen. Des Weiteren ist fraglich, ob dieser Gleiter dazu geeignet wäre, um mit der Nut einer Gardinenschiene zusammenzuwirken, bzw. nicht eine ganz spezielle Art von Gardinenschienen benötigt.
Somit kann D14 nicht den Ausgangspunkt für die Erfindung bilden bzw. als nächstkommenden Stand der Technik herangezogen werden.
4.2 D12 (Figuren) offenbart einen Gleiter zur Lagerung der Schlaufen von Faltenbändern, jedoch nicht der Schlaufen einer Schlaufengardine.
Das in den Figuren 1 und 2 von D12 gezeigte Ausführungsbeispiel ist nicht geeignet, mit der Nut einer Gardinenschiene zusammenzuwirken.
Falls ein Fachmann einen Gleiter für eine Gardinenschiene mit Nut verwirklichen wollte, bestünde für ihn kein Grund, von dem Gleiter gemäß den Figuren 1 und 2 auszugehen und ihn abzuändern, da einerseits aus dem Stand der Technik jegliche Anregung, wie er diesen Gleiter abändern müsste, fehlt und andererseits D12 bereits in den Figuren 3 bis 5 einen zu diesem Zweck entwickelten Gleiter offenbart.
Der Gleiter gemäß den Figuren 3 bis 5 von D2, ist für die Verwendung in einer Gardinenschiene mit Nut ausgelegt, besitzt jedoch keinen zweiten Einhängeabschnitt.
Es wäre für den Fachmann auch nicht naheliegend, am Steg dieses Gleiters einen weiteren Einhängeabschnitt vorzusehen, weil dies einem Einfädeln der Schlaufe abträgig wäre und auch noch weitere konstruktive Änderungen am bereits vorhandenen Einhängeabschnitt implizieren würde. Dass er dann diese weiteren Änderungen auch noch in beanspruchter Weise durchführen würde, wäre nur in Kenntnis der Erfindung möglich und somit auf eine rückschauende Betrachtung (ex-post-facto-Analyse) zurückzuführen.
4.3 Als nächstkommender Stand der Technik ließe sich D5 (Figuren) heranziehen. Darin wird eine Schlaufengardine mit Vorrichtung zur deren Lagerung mit den Merkmalen des Oberbegriffs des Anspruchs 1 offenbart.
Wie dem Absatz [0002] der Streitpatentschrift auch zu entnehmen ist, besteht diese Vorrichtung aus einem zylindrischen Körper, der über eine Gardinenstange schiebbar ist. Auf diesen zylindrischen Körper kann eine Schlaufe der Schlaufengardine aufgelegt werden. Sie liegt somit auf der Außenwandung des zylindrischen Körpers, der einen C-förmigen Querschnitt besitzt. Der zylindrische Körper kann mit den beiden Endabschnitten in jeweils eine Nut einer Gardinenstange eingeklammert werden.
Demgegenüber verbleibt als Unterschied, dass der zylindrische Körper ein zwei Einhängeabschnitte zum Einhängen in einer Nut einer Gardinenschiene aufweisender Steg ist.
Ausgehend von diesem nächstkommenden Stand der Technik könnte die der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe darin gesehen werden, eine gattungsgemäße Lagerungsvorrichtung derart auszugestalten, dass sie geeignet wäre, eine Schlaufengardine in die Nut einer Gardinenschiene einzuhängen.
Die Vorrichtungen gemäß D12 und D14 sind für die Aufnahme der Schlaufen von Faltbändern vorgesehen und sind somit nicht geeignet, die wesentlich größeren Schlaufen einer Schlaufengardine aufzunehmen. Diese beiden Druckschriften geben dem Fachmann keinen Hinweis, die dort beschriebenen Vorrichtungen so auszugestalten, dass sie geeignet wären, die Schlaufen einer Schlaufengardine aufzunehmen und diese Schlaufengardine in die Nut einer Gardinenschiene einzuhängen. Wie vorstehend dargelegt, zeigt D12 keinen zwei Einhängeabschnitte zum Einhängen in die Nut einer Gardinenschiene aufweisenden Steg gemäß dem Kennzeichen des Anspruchs 1.
Da D5 auch keine Anregung gibt, eine Lagerungsvorrichtung vorzusehen, die geeignet wäre, eine Schlaufengardine in die Nut einer Gardinenschiene mittels Rollen oder Gleitkörpern einzuhängen, können die Druckschriften D5, D12 und D14 weder alleine noch in Kombination miteinander in naheliegender Weise zum beanspruchten Gegenstand führen.
4.4 Aus alldem ergibt sich, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 im Vergleich zum angezogenen Stand der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geändertem Umfang mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:
Beschreibung: Spalten 1 und 2 überreicht in der mündlichen Verhandlung
Ansprüche: 1 bis 6 überreicht in der mündlichen Verhandlung
Zeichnungen: Figuren 1 bis 4 wie erteilt.