G 0003/97 (Einspruch in fremdem Auftrag/INDUPACK) 21-01-1999
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1a: Ein Einspruch ist nicht schon deswegen unzulässig, weil der als Einsprechender gemäß Regel 55 a) EPÜ Genannte im Auftrag eines Dritten handelt.
1b: Ein solcher Einspruch ist aber dann unzulässig, wenn das Auftreten des Einsprechenden als mißbräuchliche Gesetzesumgehung anzusehen ist.
1c: Eine solche Gesetzesumgehung liegt insbesondere vor, wenn
- der Einsprechende im Auftrag des Patentinhabers handelt;
- der Einsprechende im Rahmen einer typischer Weise zugelassenen Vertretern zugeordneten Gesamttätigkeit im Auftrag eines Mandanten handelt, ohne hierfür die nach Artikel 134 EPÜ erforderliche Qualifikation zu besitzen.
1d: Eine mißbräuchliche Gesetzesumgehung liegt dagegen nicht schon deswegen vor, weil
- ein zugelassener Vertreter in eigenem Namen für einen Mandanten handelt;
- ein Einsprechender mit Sitz oder Wohnsitz in einem der Vertragsstaaten des EPÜ im Auftrag eines Dritten handelt, auf den diese Voraussetzung nicht zutrifft.
2: Ob eine mißbräuchliche Gesetzesumgehung vorliegt, ist unter Anwendung des Prinzips der freien Beweiswürdigung zu prüfen. Die Beweislast trägt, wer die Unzulässigkeit des Einspruchs geltend macht. Das Vorliegen einer mißbräuchlichen Gesetzesumgehung muß auf der Grundlage eines klaren und eindeutigen Beweises zur Überzeugung des entscheidenden Organs feststehen.
Zulässigkeit des Einspruchs - Handeln in fremdem Auftrag
Mißbräuchliche Gesetzesumgehung
I. Die Technischen Beschwerdekammern 3.2.5 und 3.3.4 haben die Große Beschwerdekammer nach Artikel 112 (1) a) EPÜ mit ähnlichen Rechtsfragen befaßt.
II. Die Kammer 3.2.5 hat mit Zwischenentscheidung T 301/95 (ABl. EPA 1997, 519 - Strohmann/HARTDEGEN) folgende Rechtsfragen vorgelegt (Aktenzeichen G 3/97):
"1. Ist ein Einspruch, der durch einen mittelbaren Stellvertreter ("Strohmann") eingelegt wird, zulässig?
2. Falls die Frage zu 1. verneint wird, inwieweit ist der Einwand der Strohmanneigenschaft zu prüfen, wenn Umstände geltend gemacht werden, die den begründeten Verdacht erwecken, der Einsprechende handle nicht in eigenem Interesse?"
III. Im Verfahren vor der Kammer 3.2.5 hatte der Patentinhaber behauptet, der Einsprechende handle als Strohmann für einen Dritten, der gemäß Artikel 115 EPÜ vorgebracht hatte, das Patent sei wegen einer offenkundigen Vorbenutzung nicht schutzfähig. Diese Behauptung stützte er auf Formulierungen im Einspruchsschriftsatz, die mit den Einwendungen des Dritten übereinstimmten, auf das Verhalten des Einsprechenden und auf die Tatsache, daß dieser Patentberichterstatter sei. Er beantragte, den Einspruch als unzulässig zu verwerfen.
IV. Die Kammer 3.3.4 hat mit Zwischenentscheidung T 649/92 (ABl. EPA 1998, 97 - DNA für HSA/GENENTECH) folgende Rechtsfragen (im Original in englischer Sprache) vorgelegt (Aktenzeichen G 4/97):
"1. Kann der Beschwerdegegner/Patentinhaber die Zulässigkeit eines Einspruchs im Beschwerdeverfahren mit Gründen anfechten, die die Identität des beschwerdeführenden Einsprechenden betreffen, wenn vor der Einspruchsabteilung kein solcher Einwand gegen die Zulässigkeit erhoben worden war?
2. Wenn die Antwort auf Frage 1 von den Umständen im Einzelfall abhängt, nach welchen Rechtsgrundsätzen sollte die Beschwerdekammer dann im Einzelfall beurteilen, ob ein Einwand gegen die Zulässigkeit des Einspruchs in der Beschwerdephase noch statthaft ist?
3. Wenn die Frage 1 bejaht werden kann, wie ist dann die Aussage des Artikels 99 (1) EPÜ auszulegen, daß jedermann gegen das europäische Patent Einspruch einlegen kann? Ist sie etwa so zu verstehen, daß jedermann im eigenen Namen Einspruch einlegen kann, nicht aber im Namen eines nominellen Einsprechenden, der nur seinen Namen für das Verfahren hergibt, dessen Kontrolle jedoch einem anderen überläßt?
4. Wenn die Frage 3 in dem Sinne beantwortet wird, daß ein nomineller Einsprechender durch Artikel 99 EPÜ ausgeschlossen werden soll, unter welchen Umständen - wenn überhaupt - kann dann von einem Einsprechenden, der im Verdacht steht, nur nominell als solcher aufzutreten, der Nachweis verlangt werden, daß er den Einspruch als echter Einsprechender selbst betreibt, und welche Beweismittel können dafür von ihm gefordert werden?
5. Ist eine etwaige Einschränkung des Rechts auf Anfechtung der Zulässigkeit, die sich aus der Beantwortung der vorstehenden Fragen ergibt, sofort auf alle anhängigen Verfahren anzuwenden?"
V. Im Verfahren vor der Kammer 3.3.4 hatte der Patentinhaber vorgetragen, der Einsprechende befasse sich mit dem Vertrieb von Regenschirmen und Lederwaren. An einem Einspruch gegen das Patent auf dem Gebiet der Gentechnik könne er kein Interesse haben. Es sei nicht anzunehmen, daß er die technischen Fähigkeiten für die Führung des Einspruchsverfahrens habe. Er komme aus einem Rechtskreis, in dem die Einlegung von Einsprüchen durch einen Strohmann üblich sei. Schließlich habe er es abgelehnt zu bestätigen, daß er nicht für einen Dritten handle. Auch in diesem Verfahren beantragte der Patentinhaber, den Einspruch als unzulässig zu verwerfen.
VI. Beide Vorlagen weisen auf Schwierigkeiten hin, die sich in der bisherigen Praxis zum Strohmanneinwand ergeben haben. Die Entscheidung T 301/95 hebt das Problem der inter partes wirkenden Rechtskraft der Entscheidung und ihrer möglichen Auswirkungen auf nationale Nichtigkeits- und Verletzungsverfahren hervor. So begründe nach § 11 des österreichischen Patentverträge-Einführungsgesetzes die Entscheidung im europäischen Einspruchsverfahren den Einwand der res iudicata im nachfolgenden nationalen Nichtigkeitsverfahren, wenn Parteien- und Sachidentität gegeben sei. Sie befaßt sich im Schwerpunkt mit der Frage, wie der Konflikt zwischen den Parteien hinsichtlich des Nachweises der Strohmanneigenschaft des Einsprechenden durch eine angemessene Verteilung der Beweislast gelöst werden kann (Vorlagefrage 2). Demgegenüber stellt die Entscheidung T 649/92 die These in den Vordergrund, Einsprechender sei derjenige, der als solcher nach Regel 55 a) EPÜ genannt werde; auf sein Interesse an diesem Verfahren komme es nicht an.
VII. Die Große Beschwerdekammer hat die beiden Verfahren wegen des inhaltlichen Zusammenhangs der Vorlagefragen gemäß Artikel 8 der Verfahrensordnung der Großen Beschwerdekammer verbunden.
VIII. Die Beteiligten in den beiden Verfahren erhielten Gelegenheit, zu den vorgelegten Fragen Stellung zu nehmen. In einem Bescheid zur Ladung zur mündlichen Verhandlung am 25. September 1998 sprach die Große Beschwerdekammer zwei Fragen an, die sie für die Beantwortung der vorgelegten Rechtsfragen als wesentlich ansah:
Gibt es Personen oder Personengruppen, die nicht unter den Begriff "jedermann" im Sinne von Artikel 99 (1) Satz 1 EPÜ einzuordnen sind?, und falls ja:
Darf jemand, der selbst nicht Einspruch einlegen darf, einen anderen zur Einlegung des Einspruchs veranlassen?
IX. Die übrigen Verfahrensbeteiligten gemäß Artikel 107 Satz 2 EPÜ (Einsprechende 01 und 02 in T 649/92) äußerten sich nicht. Die anderen Verfahrensbeteiligten trugen schriftlich und mündlich im wesentlichen folgendes vor:
a1) Zur Einspruchsberechtigung vertraten die Beschwerdegegner (Patentinhaber) die Auffassung, Artikel 99 (1) EPÜ müsse nach seinem Zweck dahin ausgelegt werden, daß der Einspruch nur demjenigen zustehe, der sich tatsächlich gegen die Erteilung des Patents wende. Einspruch könne nicht von demjenigen eingelegt werden, der nur seinen Namen für den Einspruch leihe, dem die Erteilung des Patents aber selbst gleichgültig sei. Diesem Zweck diene auch das Erfordernis, daß der Einsprechende nach Regel 55 a) EPÜ zu nennen sei. Daher sei der wahre Einsprechende zu nennen, nicht irgend jemand, den der wahre Einsprechende angebe, damit er für ihn handle. Daß Artikel 99 (1) EPÜ nicht rein wörtlich ausgelegt werden dürfe, ergebe sich schon daraus, daß nach G 9/93 (ABl. EPA 1994, 891 - Einspruch der Patentinhaber/PEUGEOT) auch der Patentinhaber nicht als "jedermann" im Sinne der Bestimmung anzusehen sei. Nichts anderes gelte für den Strohmann, der für einen Dritten und auf dessen Weisung handle. Nur wenn verhindert werde, daß ein Strohmann als Einsprechender auftrete, könne man auch das in G 9/93 (a. a. O.) statuierte Verbot des Einspruchs durch den Patentinhaber durchsetzen; andernfalls brauche sich der Patentinhaber nur eines Strohmanns bedienen, um dieses Verbot zu umgehen.
Das Auftreten eines Strohmanns als Einsprechender müsse auch verhindert werden, um den Vorschriften über die Vertretung Geltung zu verschaffen. Ein Einsprechender ohne Sitz oder Wohnsitz in den Vertragsstaaten könne das Vertretungserfordernis nach Artikel 133 (2) EPÜ nicht dadurch umgehen, daß er einen Strohmann für sich handeln lasse. Der Strohmann seinerseits sei nichts anderes als ein Vertreter des Einsprechenden, ohne daß er die hierfür nach Artikel 134 EPÜ notwendige Qualifikation besitze.
Für die Einleitung und Durchführung aller Verfahren vor dem EPA gelte der Grundsatz des guten Glaubens. Dies bedeute für den Einspruch, daß es nicht zulässig sei, durch das Verheimlichen des wahren Einsprechenden das Verfahren zu einer Farce zu machen und damit die Möglichkeit von Täuschung und Mißbrauch zu eröffnen. Der Patentinhaber, das EPA und die Öffentlichkeit sollten vielmehr erfahren, wer der wahre Einsprechende sei. Der Einsprechende solle nicht die Möglichkeit erhalten, sich den Konsequenzen des Einspruchsverfahrens dadurch zu entziehen, daß er seine Identität verheimliche. Insbesondere müsse er in einem späteren Verfahren vor den nationalen Gerichten an Zugeständnisse gebunden sein, die er im Einspruchsverfahren gemacht habe. Die Aufdeckung des wahren Einsprechenden sei auch erforderlich, damit ein Lizenznehmer nicht dazu verleitet werde, etwaige vertragliche Nichtangriffspflichten zu mißachten.
a2) Die Beschwerdeführer (Einsprechenden) vertraten die Auffassung, die einschlägigen Vorschriften seien unzweideutig. "Jedermann" bedeute ohne Einschränkung jede natürliche oder juristische Person. Das EPÜ verlange kein eigenes Interesse des Einsprechenden am Ausgang des Einspruchsverfahrens. Dies werde auch in G 9/93 (a. a. O.) bestätigt. Dort werde zwar der Patentinhaber vom Einspruch ausgeschlossen, aber der Begriff "jedermann" auf die breite Öffentlichkeit bezogen. Hierzu gehöre jeder, der einen substantiellen Einspruchsgrund vorbringe. Daher müsse mit der Vorlage T 649/92 die Identität des Einsprechenden rein förmlich gesehen werden. Einsprechender sei nur, wer als Einsprechender nach Regel 55 a) EPÜ genannt worden sei.
Von einem wahren Einsprechenden neben dem als Einsprechenden gemäß Regel 55 a) EPÜ Genannten könne man nur sprechen, wenn man vom Einsprechenden ein eigenes Interesse am Ergebnis des Einspruchsverfahrens verlange, das über das Interesse der Allgemeinheit hinausgehe; dies sei aber nach dem EPÜ gerade nicht erforderlich. Hiervon habe der Gesetzgeber, abweichend etwa von der früheren Regelung im Vereinigten Königreich, bewußt abgesehen, um das EPA nicht mit Fragen zu belasten, die außerhalb seines sonstigen Aufgabenbereichs lägen. Dies gelte auch für die Frage des Bestehens und der Wirksamkeit einer Nichtangriffsabrede. Im übrigen habe kraft ausdrücklicher Regelung das EPA auch nicht nachzuforschen, ob etwa der Patentinhaber ein Strohmann des wahren Inhabers der Rechte an der Erfindung sei. Es gebe keine Rechtfertigung dafür, den Einsprechenden anders zu behandeln. Der Hinweis in der Vorlage T 301/95 auf die Rechtskraftwirkung einer Entscheidung im Einspruchsverfahren für ein späteres nationales Nichtigkeitsverfahren könne nicht zu einem anderen Ergebnis führen. So sei es in Österreich ohne weiteres zulässig, für die Nichtigkeitsklage einen Strohmann zu benutzen. Daher führe auch die Nennung des wahren Einsprechenden nicht notwendig zu einer Identität der Parteien für das nachfolgende Nichtigkeitsverfahren.
Das EPÜ gebe schließlich keinerlei Hinweis, welcher Art ein Interesse sein müsse, um als ausreichend für den Einspruch anerkannt zu werden. Zwar könne es Fälle einer klaren Abgrenzung zwischen wahrem und nominellem Einsprechenden geben. In vielen Situationen sei aber eine klare Grenzziehung gar nicht möglich, etwa dann wenn sich die Interessenlage im Lauf des Einspruchsverfahrens verändere. Im übrigen könne es vielfältige Gründe geben, warum der am Widerruf eines Patents Interessierte nicht offen als Beteiligter im Einspruchsverfahren auftreten wolle, ohne daß diese Gründe etwas mit dem Patentinhaber zu tun haben müßten.
Im Ergebnis komme es daher nur auf die Identifizierbarkeit des Einsprechenden bei Ablauf der Einspruchsfrist an, um feststellen zu können, welche Person Verfahrensbeteiligter geworden sei. Dies müsse auch dann gelten, wenn der Einsprechende zugelassener Vertreter oder Rechtsberater auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes sei. Selbst wenn es notwendig sei, für die Fälle des Einspruchs des Patentinhabers oder bei Umgehung der Erfordernisse über die Vertretung der Frage des Strohmanns nachzugehen, rechtfertige dies keinesfalls, in allen Fällen nachzuforschen, ob der Einsprechende im Interesse eines anderen handle. Dies laufe darauf hinaus, daß der Einsprechende ein eigenes Interesse belegen müsse. Dies sei dem Einspruchsverfahren aber grundsätzlich fremd, es reiche aus, wenn der Einsprechende das Interesse der Allgemeinheit vertrete.
b) Zur Frage, wie und unter welchen Umständen zu prüfen sei, ob ein Einsprechender in fremdem Namen handle, stimmten die Beteiligten darin überein, daß die Beweislast derjenige trage, der sich auf diesen Umstand berufe.
b1) Die Beschwerdegegner vertraten die Auffassung, der Patentinhaber sei mit dem vollen Nachweis des Handelns eines Strohmanns regelmäßig überfordert. Es müsse ausreichen, wenn er Umstände vortrage, die es für einen vernünftigen Beteiligten als wahrscheinlich erscheinen ließen, daß der Einspruch für einen nicht genannten Dritten eingelegt sei. Der genannte Einsprechende habe dann darzulegen, daß diese Annahme nicht zutreffe. Der hierfür erforderliche Nachweis hänge von der Überzeugungskraft der vom Patentinhaber vorgetragenen Umstände ab. Gegebenenfalls könne hierzu eine Erklärung unter Eid genügen, daß der Einspruch nicht in fremdem Namen eingelegt sei.
b2) Vorbehaltlich ihrer Auffassung, daß die Einspruchsberechtigung eines korrekt bezeichneten Einsprechenden nicht in Frage gestellt werden dürfe, waren die Beschwerdeführer der Auffassung, vage Behauptungen und bloße Zweifel reichten keinesfalls aus, um das Handeln im Auftrag eines Dritten zu belegen. Der Patentinhaber habe vielmehr einen zwingenden Beweis zu führen. Der Einsprechende sei befugt, auf die Frage nach einem eigenen Interesse am Widerruf des Patents zu schweigen und aus diesem Schweigen dürften keine Schlüsse zu seinem Nachteil gezogen werden. Solange die Existenz eines konkreten Dritten nicht nachgewiesen sei, bestehe keinesfalls Anlaß zu Nachforschungen. Mit einer bloßen Erklärung des Einsprechenden sei die Frage nicht zu klären, da der Patentinhaber eine solche Erklärung ohne weiteres in Zweifel ziehen könne. Zum Fall des Einspruchs im Auftrag des Patentinhabers war der Beschwerdeführer in T 301/95 der Meinung, auch hier sei der genannte Einsprechende Partei, so daß kein Anlaß zu irgendeiner Überprüfung bestehe.
c1) Zum möglichen Zeitpunkt des Einwands, der Einsprechende handle im Auftrag eines Dritten, trugen die Beschwerdegegner vor, die Zulässigkeit des Einspruchs sei eine fundamentale Voraussetzung für eine Entscheidung in der Sache, die für das ganze Verfahren gelte. Ihr Fehlen müsse daher auch noch im Beschwerdeverfahren berücksichtigt werden.
c2) Demgegenüber meinten die Beschwerdeführer, das Beschwerdeverfahren diene der Überprüfung der Richtigkeit der Entscheidung der ersten Instanz. Versäume es der Patentinhaber, die Frage der Zulässigkeit des Einspruchs aus in der Person des Einsprechenden liegenden Gründen vor der Einspruchsabteilung aufzuwerfen, dann sei diese Frage grundsätzlich auch nicht Gegenstand der Überprüfung im Beschwerdeverfahren. Der Patentinhaber sei insoweit auch nicht beschwert.
d) Zum zeitlichen Anwendungsbereich der von der Kammer zu treffenden Entscheidung wiesen die Beteiligten auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes hin. Ergebe sich aus der Entscheidung eine von der bisherigen Rechtsprechung abweichende Rechtslage, seien möglicherweise Kriterien festzulegen, auf welche Fälle die Entscheidung anzuwenden sei. Die Beschwerdeführer vertraten den Standpunkt, ein im berechtigten Vertrauen auf die bisherige Rechtsprechung eingelegter Einspruch dürfe nicht nachträglich als unzulässig behandelt werden.
1. Beide Vorlageentscheidungen stellen im Kern die Frage, ob ein Einspruch unzulässig ist, wenn der Einsprechende für eine andere Person, d. h. als Strohmann handelt (Frage 1 in T 301/95 und Frage 3 in T 649/92). In Einklang mit einer etablierten Rechtsprechung (siehe etwa T 798/93, ABl. EPA 1997, 363 - Identifizierung des wahren Einsprechenden/FAHRZEUGTRANSPORTER, m. weit. Nachw. und die in Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 2. Aufl. 1996, unter VI.D.3.2.2 zitierten Entscheidungen) haben die Beschwerdegegner sich darauf berufen, wer im Auftrag eines Dritten handle, sei nicht der wahre Einsprechende.
2. Diesem Ausgangspunkt kann sich die Kammer nicht anschließen.
2.1. Die Stellung als Einsprechender ist eine Verfahrensstellung und es ist Gegenstand des Verfahrensrechts, wie sie begründet wird. Dies ist im EPÜ in Artikel 99 (1) i. V. m. Artikel 100, Regel 55, 56. (1) geschehen. Daher ist Einsprechender derjenige, der die dort geregelten Voraussetzungen für die Einlegung eines Einspruchs erfüllt; insbesondere muß er identifizierbar sein (vgl. Regel 55 a) EPÜ). Andere explizite formelle Voraussetzungen stellt das EPÜ an den Einsprechenden nicht. Wer die genannten Voraussetzungen erfüllt, wird zugleich Beteiligter am Einspruchsverfahren (Art. 99 (4) EPÜ). In diesem Verfahren kommt es allein auf seine Handlungen an. Ein Dritter, der den Einsprechenden zur Einlegung des Einspruchs veranlaßt hat (der "Hintermann"), kann keine Verfahrenshandlungen vornehmen. Ob die Handlungen des Einsprechenden in Einklang mit den Intentionen oder Weisungen des Hintermanns stehen, betrifft nur das Innenverhältnis zwischen Einsprechendem und Hintermann und ist für das Einspruchsverfahren ohne Belang.
Demgegenüber ist der Standpunkt vertreten worden, wer im Auftrag eines Dritten einspreche, handle nicht im eigenen Namen (T 10/82, ABl. EPA 1983, 407 - Einspruch; Zulässigkeit/BAYER, Gründe Nr. 3). Eine solche Bewertung steht aber im ausdrücklichen Widerspruch zu den verfahrensrechtlichen Erklärungen des Einsprechenden. Seine Erklärungen und auch seine Absicht gehen keineswegs dahin, daß er einen anonymen Einspruch einlegen will; er will vielmehr ausdrücklich den Einspruch in seinem eigenen Namen einlegen. In T 635/88 heißt es hierzu, es müsse verhindert werden, daß jemand aufgrund der persönlichen Berechtigung eines Dritten ein Verfahren im eigenen Namen in Gang setze (ABl. EPA 1993, 608 - Identifizierbarkeit des Einsprechenden/DE ERVEN G. DE BOER B.V., Gründe Nr. 8.3). Der Einsprechende will aber nicht aufgrund der persönlichen Berechtigung des Hintermanns handeln. Er nimmt vielmehr das ihm selbst als Mitglied der Öffentlichkeit eingeräumte Recht zur Einlegung des Einspruchs wahr.
2.2. Seine Verfahrensbeteiligung steht nicht zur freien Disposition des Einsprechenden. Hat er die Voraussetzungen für einen zulässigen Einspruch erfüllt, ist er Einsprechender und bleibt dies, bis das Verfahren oder seine Beteiligung beendet ist. Er kann seine Stellung nicht auf den Dritten abwälzen (siehe hierzu Vorlage T 649/92, Gründe Nr. 2.2). Daher kann es neben dem formell legitimierten Einsprechenden keinen anderen "wahren" Einsprechenden geben. Ferner folgt daraus, daß es nicht nur auf einer Vermutung beruht, daß derjenige als Einsprechender behandelt wird, der in eigener Person die dafür erforderlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt hat.
3. Ist demnach ein Einspruch in fremdem Auftrag in Einklang mit den Vorschriften über die Einlegung des Einspruchs, so bedürfte es besonderer Gründe, danach zu forschen, ob derjenige, der das Verfahren vorschriftsmäßig eingeleitet hat, als Strohmann handelt, um hieraus Folgen für die Zulässigkeit des Einspruchs herzuleiten.
3.1. Ein solcher Grund ist in der Entscheidung G 1/84 (ABl. EPA 1985, 299 - Einspruch des Patentinhabers/MOBIL OIL) kurz angesprochen. Dort ging die Große Beschwerdekammer aus ihrer Sicht von der Hypothese aus, dem Patentinhaber sei der Einspruch gegen sein eigenes Patent verwehrt (so nunmehr G 9/93, a. a. O.). Sie nahm an, der Patentinhaber würde hierdurch veranlaßt, gegebenenfalls einen Strohmann als Einsprechenden vorzuschieben. Da die Beziehung zwischen Patentinhaber und Strohmann nicht erkennbar sei, bestehe die Gefahr eines Mißbrauchs des Einspruchsverfahrens zu anderen Zwecken (G 1/84, a. a. O., S. 301, Nr. 2). Dies wurde ersichtlich als ein Beispiel dafür gesehen, daß ein Strohmann benutzt werden kann, um einen von der Rechtsordnung mißbilligten Erfolg herbeizuführen. Eine solche mißbräuchliche Umgehung gesetzlicher Vorschriften muß aber nicht hingenommen werden.
3.2. Das Handeln im Auftrag eines Dritten kann aber ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht als Gesetzesumgehung angesehen werden. Aus dem Zweck des Einspruchsverfahrens alleine läßt sich jedenfalls nicht begründen, daß ein Einspruch in fremdem Auftrag als Mißbrauch der Verfahrensvorschriften anzusehen wäre.
3.2.1. Die Beschwerdegegner haben behauptet, der Patentinhaber, das EPA und die Öffentlichkeit hätten ein Interesse daran zu erfahren, auf wessen Betreiben der Einspruch eingelegt worden sei. Der Patentinhaber mag zwar ein wirtschaftliches Interesse an der Information haben, wer etwas gegen sein Patent unternimmt, ein solches Interesse ist aber nach der Ausgestaltung des Einspruchsverfahrens durch den Gesetzgeber nicht rechtlich geschützt.
Für die Erhebung der Nichtigkeitsklage wird in den Vertragsstaaten des EPÜ teilweise ein Interesse des Klägers an der Vernichtung des Patents verlangt. In Abweichung von solchen Konzepten hat der Gesetzgeber den Einspruch ausdrücklich als Popularrechtsbehelf ausgestaltet, der nach Artikel 99 (1) EPÜ "jedermann" offensteht. Die Notwendigkeit der Darlegung eines wie immer gearteten Interesses des Einsprechenden an der Vernichtung des Patents wäre damit nicht vereinbar (G 1/84, a. a. O., S. 303, Nr. 3; Mathély, Le droit européen des brevets d'invention, Paris 1978, S. 297; Paterson, The European Patent System, London 1992, Rdn. 4-38, noch unter Hinweis auf G 1/84 (a. a. O.); van Empel, The Granting of European Patents, Leyden 1975, Rdn. 469; Singer, Art. 99 EPÜ, Rdn. 3).
3.2.2. Kann demnach ein Interesse des Einsprechenden am Widerruf des Patents nicht verlangt werden, kann das folgerichtig nur bedeuten, daß die Motive des Einsprechenden für das EPA unbeachtlich sind, dies jedenfalls solange, als sich nicht aus zusätzlichen Umständen ein mißbräuchliches Verhalten ergibt. Daher kann der Patentinhaber grundsätzlich auch nicht vom EPA verlangen, den Einsprechenden zu zwingen, seine Motive offenzulegen, um auszuschließen, daß er im Interesse eines Dritten handelt.
Dies gilt auch dann, wenn der Einsprechende tatsächlich im Interesse eines Dritten handelt. Durch die Einlegung des Einspruchs hat er selbst verfahrensrechtlich die Stellung als Einsprechender erlangt. Im Verhältnis zum Patentinhaber und zum EPA kommt es daher allein auf ihn an. Wenn der Einsprechende für den Einspruch kein Interesse an der Vernichtung des Patents vorzubringen braucht, ist es unschädlich, wenn ein Dritter ein Interesse an der Vernichtung des Patents hat. In welcher rechtlichen Verbindung der Einsprechende intern zu Dritten steht, ist nach außen, d. h. gegenüber dem EPA und dem Patentinhaber grundsätzlich ohne rechtliche Bedeutung. Jedenfalls solange die Rechtsordnung keine Einwände dagegen hat, daß der Hintermann selbst Einspruch einlegt, ist auch nichts dagegen einzuwenden, daß er den Einspruch durch einen Strohmann veranlaßt (So sogar für das Nichtigkeitsverfahren BGH GRUR 1963, 253 - Bürovorsteher). Im übrigen wird in der Vorlage T 649/92, (Gründe Nr. 2.6) zu Recht darauf hingewiesen, daß ein unterschiedlich starkes Interesse beim Einsprechenden und seinem Hintermann vorliegen kann. Dieses kann sich auch im Lauf des Verfahrens verändern oder wegfallen, so daß schwer zu bewertende Zweifelsfälle entstehen können. Schließlich bliebe die Frage, wann ein Interesse des Einsprechenden für den Einspruch als relevant anzusehen wäre. Die Beschwerdeführer haben darauf verwiesen, ein Interesse des Einsprechenden am Ausgang des Einspruchsverfahrens könne sich aus der Arbeitsteilung zwischen verschiedenen rechtlich selbständigen Unternehmen im Rahmen eines Konzerns, aus einer Gegenleistung des Hintermanns oder sogar schon aus der Vermeidung einer Auferlegung von Kosten nach Artikel 104 EPÜ ergeben.
3.2.3. All dies zeigt, daß die Motive des Einsprechenden für die Ziele des Einspruchsverfahrens unerheblich sind.
In diesem Verfahren soll der Öffentlichkeit die Möglichkeit gegeben werden, die Gültigkeit des Patents anzufechten (G 9/93, a. a. O., Gründe Nr. 3). Dies trägt unter anderem der Tatsache Rechnung, daß einem Patentamt nicht alle gegen die Patentierbarkeit sprechenden tatsächlichen Umstände bekannt sein können. Für das Ziel des Einspruchsverfahrens, die Aufrechterhaltung offenkundig ungültiger Patente schon im Verfahren vor dem EPA zu verhindern, ist es belanglos, wer dem EPA die relevanten Informationen vermittelt (vgl. auch T 798/93, a. a. O., Gründe Nr. 4, letzter Abs.). Das Einspruchsverfahren soll ein einfaches, zügig durchgeführtes Verfahren sein. In ihm sollen einerseits relevante Einwände gegen die Patentierbarkeit angemessen berücksichtigt werden, andererseits soll über den Bestand des Patents im Interesse beider Seiten alsbald entschieden werden. In dieser Hinsicht würde die Berücksichtigung des Strohmanneinwandes zusätzlichen prozessualen Streitstoff bedeuten, der das Verfahren verzögern kann. Die Schaffung im EPÜ nicht vorgesehener Zulässigkeitsschranken für den Einspruch würde dem öffentlichen Interesse entgegenstehen, daß jeder Einspruch in der Sache geprüft und das Verfahren rasch abgeschlossen wird (vgl. G 1/84, a. a. O., S. 303).
Als Folge der beschränkten Zielsetzung des Einspruchsverfahrens hat das EPA auch nur unzureichende verfahrensrechtliche Mittel, um das Handeln eines Strohmanns aufzudecken. So kann es weder einen Beteiligten zum Erscheinen zwingen noch eine Erklärung unter Eid abnehmen (vgl. Artikel 117 (4) (5), Regel 99 EPÜ). Diese Situation mag zur Entwicklung der bisherigen Rechtsprechung beigetragen haben, die eine Vermutung dafür aufgestellt hat, daß der Einsprechende nicht als Strohmann handelt. Diese Vermutung konnte in der Praxis nur dadurch widerlegt werden, daß sich der Patentinhaber als Hintermann selbst enttarnt (T 635/88, a. a. O., Sachverhalt Nr. III) oder daß er vom Einsprechenden enttarnt wird (T 10/82, a. a. O., Sachverhalt Nr. VIII). In allen anderen Fällen haben die Kammern es abgelehnt, konkreten und plausiblen Verdachtsmomenten nachzugehen, aus denen der Patentinhaber geschlossen hatte, daß der Einsprechende im Auftrag eines Dritten handelte. Wenngleich beide Vorlagen eine unterschiedliche Tendenz hinsichtlich der Beantwortung der anstehenden Rechtsfrage erkennen lassen, so stimmen sie doch darin überein, daß die Situation auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung unbefriedigend ist. Zwar wurde der Strohmanneinwand zugelassen und damit zusätzlicher Streitstoff in vielen Verfahren geschaffen. Dem Patentinhaber wurde aber verwehrt, diesen Einwand erfolgreich auf die ihm üblicherweise zugänglichen tatsächlichen Umstände zu stützen.
Ein anderer Grund für die hohen Beweisanforderungen der bisherigen Rechtsprechung an das Handeln eines Strohmanns ist darin zu sehen, daß der Einsprechende vom Patentinhaber vorgebrachte Indizien selten anders entkräften kann, als durch Offenlegung seiner Motive für den Einspruch. Es entspricht aber nun gerade dem Sinn der Regelung in Artikel 99 (1) EPÜ, daß der Einsprechende ein wie immer geartetes Interesse nicht zu haben und demgemäß auch nicht zu belegen braucht (siehe oben 3.2.1). Allein aus dessen Fehlen dürfen daher keine Nachteile zu Lasten des Einsprechenden hergeleitet werden. Dieser hat auch ein schützenswertes Interesse daran, dem Patentinhaber nicht offenbaren zu müssen, warum ihn ein Patent stört. Sein Einspruch ist allein dadurch gerechtfertigt, daß er wie jeder andere das Patent im Fall seines Bestandes zu respektieren hat, was jedenfalls eine abstrakte Einschränkung seiner wirtschaftlichen Handlungsfreiheit bedeutet. Die Annahme einer Verpflichtung, eine Beeinträchtigung konkreter wirtschaftlicher Planungen darzulegen, würde den Sinn der gesetzlichen Regelung ins Gegenteil verkehren.
3.2.4. Die Zulassung eines im Auftrag eines Dritten handelnden Einsprechenden steht nicht im Widerspruch zum Charakter des Einspruchsverfahrens als inter partes Verfahren (siehe aber auch unter 4.1). Der formell legitimierte Einsprechende wird als Partei behandelt. Aus der Existenz eines Hintermanns folgen für ihn weder Vorteile noch Nachteile für das Verfahren. Die Befürchtung, aus nicht offenbarten Verbindungen zwischen Strohmann und Hintermann könnten sich Ungewißheiten und Unsicherheiten ergeben (so z. B. T 798/93, a. a. O., m. weit. Nachw., Gründe Nr. 3.3.4), träfe für das Einspruchsverfahren nur unter der Prämisse zu, daß es einen "wahren Einsprechenden" neben dem formell legitimierten Einsprechenden geben kann. Hierfür gibt das maßgebende Verfahrensrecht keine Grundlage (s. o. Nr. 2.2).
3.2.5. In der Vorlage T 301/95 (Gründe Nr. 3.5) wird auf die Gefahr hingewiesen, Unklarheiten über die Stellung der Parteien und Zeugen oder anderen Beweispersonen zueinander könnten die Wahrheitsfindung beeinträchtigen. Da aber der formell Legitimierte allein als Einsprechender anzusehen ist, wird der Hintermann in keinem Fall als Partei behandelt. Somit können Zweifel über die Parteistellung jedenfalls nicht auftreten.
Allerdings wird bei Beweispersonen, die in Beziehung zum Hintermann stehen, ihre Beziehung zum anhängigen Verfahren nicht offenbar. Hierin kann aber keine wesentliche Beeinträchtigung der Wahrheitsfindung gesehen werden. Das EPÜ gewährleistet in keiner Weise, daß die Person mit dem größten Interesse am Widerruf des Patents als Einsprechender auftritt. Auch wenn der Einspruch ohne eigenes Interesse des Einsprechenden unzulässig wäre, könnte sich der schärfste Wettbewerber des Patentinhabers hinter einem unbedeutenden Wettbewerber als Einsprechenden verstecken, den er mit Material versorgt. Das maßgebende Kriterium für die Glaubwürdigkeit einer Beweisperson im vorliegenden Zusammenhang ist ihr Interesse am Ausgang des Einspruchsverfahren, das sich keineswegs notwendig in einer Beziehung zum Einsprechenden dokumentiert. Daher ist das EPA bei jeder Beweisperson gehalten, die Glaubwürdigkeit zu prüfen und festzustellen, in welcher Weise sie selbst (oder beispielsweise ihr Arbeitgeber) vom Ausgang des Einspruchsverfahrens betroffen ist (im Ergebnis ebenso Vorlage T 649/92, Gründe Nr. 2.9).
3.2.6. Die Kenntnis eines Hintermanns des Einsprechenden ist auch nicht erforderlich, um sicherzustellen, daß dem Patentinhaber Kosten erstattet werden, die nach Artikel 104 (1) EPÜ dem Einsprechenden auferlegt worden sind. Wie bereits dargelegt, ist allein der Einsprechende am Verfahren beteiligt. Ihn allein treffen auch die Verpflichtungen aus diesem Verfahren, so daß er Schuldner eines Anspruchs auf Erstattung von Kosten wird. Das EPÜ gibt dem Patentinhaber bei keinem Einsprechenden eine Gewähr dafür, daß dieser ihm auferlegte Kosten auch erstatten kann.
3.2.7. In der Vorlage T 649/92 (Gründe Nr. 2.1) wird eine Parallele zwischen der Verfahrensstellung des Einsprechenden und der des Anmelders gezogen. Beim Anmelder können die durch die Erfindung begründete materielle Rechtsposition (Recht auf das Patent, Artikel 60 (1) und (2) EPÜ) und die durch die Einreichung der Anmeldung begründete verfahrensrechtliche Position auseinanderfallen. Für diese Konfliktsituation hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, im Verfahren vor dem EPA den Anmelder als den Berechtigten zu fingieren (Artikel 60 (3) EPÜ) und den Streit um den Anspruch auf Erteilung des Patents den nationalen Gerichten zuzuweisen (Artikel 61 EPÜ i. V. m. dem Anerkennungsprotokoll). Die Beschwerdeführer weisen zutreffend darauf hin, daß ein Anmelder im Register eingetragen bleibt, auch wenn dem EPA bekannt wird, daß das Recht auf das Patent auf einen Dritten übertragen worden ist. Das EPA trägt einen Rechtsübergang nur ein, wenn dies formgerecht beantragt wird (Regel 20 EPÜ). Das EPA sollte nicht mit der Frage belastet werden, ob der Anmelder auch der wahre Berechtigte ist (Van Empel, a. a. O., Rdn. 162). Es wäre ein gewisser Widerspruch, für das Erteilungsverfahren im Interesse der Verfahrensökonomie und der sachgerechten Beurteilung materiell-rechtlicher Fragen die Suche nach dem "wahren Berechtigten" dem EPA zu entziehen, im Einspruchsverfahren aber vergleichbare Fragen zu prüfen, obgleich es neben dem formell legitimierten Einsprechenden keinen anderen "wahren Einsprechenden", sondern nur einen Hintermann des Einsprechenden geben kann.
3.3. Auch außerhalb des Einspruchsverfahrens liegende Gründe erfordern es nicht, einen Einspruch in fremdem Auftrag generell auszuschließen.
3.3.1. Insbesondere in der Vorlage T 301/95 wird betont, daß die Entscheidung im europäischen Einspruchsverfahren für das nationale Nichtigkeitsverfahren den Einwand der res iudicata begründen könne. Dabei wird offensichtlich das Auftreten eines Strohmanns im Einspruchsverfahren als Beeinträchtigung des Patentinhabers gesehen, der dem Einsprechenden im Nichtigkeitsverfahren den Einwand der Rechtskraft entgegenhalten kann. Dieser Einwand setzt unter anderem Identität der Parteien voraus. Wird das Handeln des Hintermanns nicht offenbar, so fehlt dem Patentinhaber die Kenntnis der relevanten Tatsachen, um den Einwand zu erheben.
Gegen dieses Argument spricht zunächst, daß sich die Frage der Rechtskraft nicht im Einspruchsverfahren stellt; hier ist sie lediglich hypothetischer Natur, weil das Nichtigkeitsverfahren in aller Regel erst später anhängig wird. Erst im Nichtigkeitsverfahren können die Voraussetzungen des Einwands der Rechtskraft geprüft werden. Es ist nicht ersichtlich, warum das Gericht im Nichtigkeitsverfahren nicht zur Feststellung in der Lage sein soll, ob der Nichtigkeitskläger einen Strohmann veranlaßt hat, beim EPA Einspruch einzulegen. Hinzu kommt, daß auch im Nichtigkeitsverfahren ggf. ein Strohmann auftreten kann, so daß selbst eine unzweifelhafte Feststellung im Einspruchsverfahren, daß der Einsprechende kein Strohmann ist, keine Gewähr dafür gibt, daß die personellen Voraussetzungen der Rechtskraft im Nichtigkeitsverfahren ohne Schwierigkeiten festgestellt werden können. Für diese Feststellung können außerdem die gesamten Umstände sowohl des Einspruchsverfahrens als auch des Nichtigkeitsverfahrens einschlägig sein, so daß den vollen Überblick über die möglicherweise erheblichen Umstände ohnehin erst das Gericht im Nichtigkeitsverfahren hat. Im übrigen wäre eine Feststellung des EPA zur Frage des Handelns eines Strohmanns für das spätere Nichtigkeitsverfahren auch nicht bindend. Aus diesen Erwägungen folgt zum ersten, daß dem Patentinhaber die Geltendmachung des Einwands der Rechtskraft nicht beschnitten wird, wenn der Einspruch eines Strohmanns als zulässig angesehen wird. Des weiteren folgt daraus, daß die Prüfung der Strohmannfrage im Einspruchsverfahren die Gefahr einer späteren divergierenden Entscheidung hierzu im Nichtigkeitsverfahren begründen würde. Die unzureichenden verfahrensrechtlichen Möglichkeiten des EPA, einem Strohmanneinwand nachzugehen, wurden bereits erörtert (s. o. 3.2.3). Dagegen sind vor den nationalen Gerichten die üblichen und geeigneten Instrumente des Zivilprozesses gegeben, um den Sachverhalt aufzuklären.
3.3.2. Nach Auffassung der Beschwerdegegner soll die Möglichkeit des Einspruchs im Auftrag eines Dritten Lizenznehmer dazu verleiten, eine bestehende Nichtangriffsabrede zu verletzen. Der Verpflichtete einer Nichtangriffsabrede wird aber gute Gründe haben, diese Abrede nicht unter Einschaltung eines Strohmanns zu verletzen. Hat der Patentinhaber nämlich konkrete Hinweise auf einen solchen Verdacht, kann er gegen seinen Vertragspartner im Zivilrechtsweg vorgehen. Dies bedeutet ein erhebliches finanzielles Risiko für den Verpflichteten. Dagegen hat auch in diesem Fall das EPA kaum prozessuale Mittel, um einen Einsprechenden, der es darauf anlegt, das Vorhandensein und die Identität eines Hintermanns zu verbergen, zur Aufdeckung der tatsächlichen Verhältnisse zu zwingen.
Die bisherige Spruchpraxis gibt allerdings keinen Anlaß für die Befürchtung, Nichtangriffsverpflichtungen würden in nennenswertem Umfang durch Einschaltung eines Strohmanns umgangen. Obwohl der Strohmanneinwand bereits in vielen Verfahren erhoben worden ist, ist jedenfalls in keinem der bisher von den Beschwerdekammern entschiedenen Fälle behauptet worden, der Hintermann des Einsprechenden unterliege einer Nichtangriffsverpflichtung.
Hinzu kommt, daß sich die Wirksamkeit und Tragweite einer Nichtangriffsverpflichtung nach nationalem und nach Gemeinschaftsrecht bestimmen und ihre Zulässigkeit insbesondere nach Gemeinschaftsrecht streitig ist. Daher stehen die nationalen Gerichte auch vom anzuwendenden Recht her diesen Sachverhalten näher. In einer Entscheidung einer Einspruchsabteilung vom 13. Mai 1992 (ABl. EPA 1992, 747 - Nichtangriffsverpflichtung) ist daher zu Recht der Standpunkt vertreten worden, eine Nichtangriffsabrede führe regelmäßig nicht zur Unzulässigkeit des Einspruchs. Der Patentinhaber ist darauf verwiesen worden, seinen Vertragspartner vor den nationalen Instanzen zu vertragsgemäßem Verhalten zu veranlassen oder vor ihnen im Fall der Vertragsverletzung Ansprüche geltend zu machen.
3.3.3. In G 1/84 wird beiläufig die Befürchtung geäußert, durch die Einschaltung eines Strohmanns könne das Einspruchsverfahren zu anderen Zwecken, z. B. zur Erwirkung eines Verfahrensaufschubs vor einem anderen Gericht mißbraucht werden (a. a. O., S. 301, im Zusammenhang mit dem Strohmann, den der Patentinhaber vorschieben könnte, dem die Möglichkeit des Einspruchs versagt ist). Eine solche Gefahr erscheint nicht ohne weiteres naheliegend. Wenn der Strohmann das Verfahren verzögern kann, dann könnte es wohl auch der Hintermann. Gang und Dauer des Einspruchsverfahrens beeinflussen die Parteien im wesentlichen durch zwei Faktoren, durch den Inhalt ihres Vorbringens und durch ihre Verfahrensanträge. Es ist nicht ersichtlich, daß der Strohmann hier wesentlich andere Möglichkeiten hätte als der Hintermann, wenn dieser selbst Beteiligter wäre. Im übrigen ist es Sache der mit dem Einspruchsverfahren befaßten Instanzen des EPA, einer erkennbaren Tendenz zur Verfahrensverzögerung entgegenzuwirken und dem legitimen Interesse eines Beteiligten an einer Beschleunigung des Verfahrens Rechnung zu tragen (siehe etwa T 290/90, ABl. EPA 1992, 368 - Gebührenermäßigung/SAVIO PLASTICA; im Ergebnis wie hier Vorlage T 649/92, Gründe Nr. 2.4).
4. Nachdem das Handeln des Einsprechenden für einen nicht in Erscheinung tretenden Dritten nicht generell zu beanstanden ist, bleibt festzustellen, bei welchen Fallgestaltungen das Handeln eines Strohmanns als mißbräuchliche Gesetzesumgehung anzusehen ist, mit der Folge, daß der Einspruch des Strohmanns unzulässig ist.
4.1. Es wurde bereits auf die Entscheidung G 9/93 (a. a. O.) hingewiesen (s. o. 3.1). Nach dieser ist der Einspruch des Patentinhabers gegen sein eigenes Patent unzulässig, weil das Einspruchsverfahren ein streitiges Verfahren ist und daher der Patentinhaber und der Einsprechende verschiedene Personen sein müssen. Dem ist insoweit nichts hinzuzufügen. Bedient sich nun der Patentinhaber eines Strohmanns, dann vertritt auch dieser die Interessen des Patentinhabers. Die Nennung des Strohmanns als Einsprechender nach Regel 55 a) EPÜ ändert nichts daran, daß der formell am Verfahren Beteiligte auf der Seite des Patentinhabers steht. Daraus folgt, daß auch in dieser Situation kein streitiges Verfahren geführt wird. Die Einschaltung des Strohmanns dient lediglich dazu, diesen Umstand zu verheimlichen und die daraus resultierenden Rechtsfolgen zu umgehen. Das Handeln des Einsprechenden im Auftrag des Patentinhabers macht daher den Einspruch unzulässig.
4.2. Die Vorlage T 301/95 (a. a. O., Nr. 3.4) sieht die Gefahr, daß durch den Einsatz eines Strohmanns die Vorschriften über die Vertretung umgangen werden können.
4.2.1. Dieses Bedenken trifft zu, soweit Personen berufsmäßig als Vertreter vor dem EPA handeln, ohne die hierfür erforderliche Qualifikation zu besitzen. Nach Artikel 134 (1) und (7) EPÜ ist die Vertretung vor dem EPA denjenigen vorbehalten, die in die Liste der zugelassenen Vertreter eingetragen sind oder die als Rechtsanwälte mit Sitz in einem Vertragsstaat auf dem Gebiet des Patentwesens vertretungsberechtigt sind. Daher ist z. B. ein nur nach dem nationalen Recht eines Vertragsstaats zugelassener Patentanwalt nicht berechtigt, vor dem EPA als Vertreter aufzutreten. Sinn dieser Regelung ist es, einen Berufsstand der zugelassenen Vertreter vor dem EPA zu schaffen, der für seine Tätigkeit die erforderliche Qualifikation aufweist. Damit sollen die auf einen Vertreter angewiesenen Beteiligten geschützt und zugleich der reibungslose Ablauf der Verfahren vor dem EPA gefördert werden. Mit diesem Gesetzeszweck stünde es in Widerspruch, die Verfahrensvorschriften so zu handhaben, daß eine nicht vertretungsberechtigte Person berufsmäßig die den zugelassenen Vertretern vorbehaltene Vertretung wahrnehmen kann. Dies wäre dann der Fall, wenn der nicht zur Vertretung Berechtigte im Auftrag eines Mandanten alle Tätigkeiten ausübt, die typischer Weise vom zugelassenen Vertreter wahrgenommen werden, aber selbst in die Parteirolle schlüpft, um das für ihn bestehende Vertretungsverbot zu umgehen. Die zusätzliche Übernahme der Parteirolle als Einsprechender ändert nichts daran, daß das Handeln insgesamt in den Bereich der berufsmäßigen Vertretung fällt. Ein Berufsstand des berufsmäßigen Einsprechenden ist dem EPÜ fremd. Seine Zulassung würde für einen wichtigen Teilbereich der Verfahren vor dem EPA das Vertretungsmonopol der zugelassenen Vertreter aushöhlen. Der Einspruch, den ein nicht zur Vertretung vor dem EPA Berechtigter im Rahmen einer typischer Weise zugelassenen Vertretern zugeordneten Gesamttätigkeit in eigenem Namen für einen Mandanten einlegt, ist daher unzulässig.
4.2.2. Dagegen bestehen solche Bedenken nicht, wenn ein zugelassener Vertreter im Auftrag eines Mandanten in eigenem Namen Einspruch einlegt. Zwar wird auch hier, wie im vorstehenden Fall, die Existenz eines Mandanten nicht aufgedeckt. Damit wird aber kein vom EPÜ grundsätzlich mißbilligter Erfolg angestrebt. Das Problem des Auftretens einer nicht qualifizierten Person stellt sich nicht. Auch sonst sind dem Übereinkommen keine Grundsätze zu entnehmen, denen das Auftreten eines im Auftrag handelnden zugelassenen Vertreters in eigenem Namen widersprechen würde. Die Beschwerdegegner haben vorgetragen, ein solches Handeln würde zur Regel, wenn es zugelassen würde und eine solche Entwicklung sei nicht wünschenswert. Dies bedeutet aber nicht ohne weiteres, daß ein solches Handeln auch im Widerspruch zum Übereinkommen steht. Man mag die Frage, ob die in T 10/82 (a. a. O.) beanstandete Vermischung der Rollen als Partei und als Vertreter wünschenswert ist, für berechtigt halten. Mangels entgegenstehender Grundsätze, die aus dem Übereinkommen herzuleiten sind, ist dies allerdings eine Frage, die eher dem Standesrecht zuzuordnen ist. In dieser Richtung ist nicht behauptet worden, das von den Beschwerdegegnern mißbilligte Verhalten stehe in Widerspruch zu den auf der Grundlage von Artikel 134 (8) c) EPÜ erlassenen Disziplinarvorschriften.
4.2.3. Ebensowenig bestehen Bedenken dagegen, daß ein Einsprechender mit Sitz oder Wohnsitz in einem der Vertragsstaaten für einen Hintermann handelt, auf den diese Voraussetzungen nicht zutreffen. Richtig ist, daß damit das Erfordernis der Vertretung nicht anwendbar ist, das für den Hintermann nach Artikel 133 (2) EPÜ gelten würde. Dies ist aber lediglich die Folge davon, daß der Einsprechende in zulässiger Weise Beteiligter geworden ist. Soweit verfahrensrechtliche Fragen von der Person des Einsprechenden abhängen, sind allein die bei dem nach Regel 55 a) EPÜ formell Legitimierten gegebenen persönlichen Verhältnisse maßgebend. Es besteht kein Grund dafür, hier einen anderen Maßstab anzulegen als beim Patentanmelder. Auch bei diesem wird nicht danach geforscht, ob er nur deswegen als Anmelder auftritt, um das für einen eventuellen Hintermann bestehende Vertretungserfordernis zu umgehen.
5. Da der Einspruch in eigenem Namen und in fremdem Auftrag in den Fällen einer mißbräuchlichen Gesetzesumgehung unzulässig ist (s. o. 4), stellt sich die Frage, wie und unter welchen Umständen deren Vorliegen zu prüfen ist (Frage 2 in T 301/95, Frage 4 in T 649/92).
Soweit die Vorlagen hierzu Beweisfragen ansprechen, ist zu betonen, daß im Verfahren vor dem EPA das Prinzip der freien Beweiswürdigung gilt. Dies gilt auch für den vorliegenden Problemkreis. Damit stünde es in Widerspruch, feste Beweisregeln aufzustellen, nach denen bestimmten Beweismitteln eine bestimmte Überzeugungskraft beigemessen oder abgesprochen wird. Vielmehr ist unter Berücksichtigung aller relevanten Beweismittel zu prüfen, ob eine Tatsache als bewiesen angesehen werden kann.
Auch für die Verteilung der Beweislast gelten die allgemeinen Grundsätze. Die Beweislast für das Auftreten eines Strohmanns trägt derjenige, der sich darauf beruft, also der Patentinhaber oder - bei einem Einwand von Amts wegen - das zuständige Organ des EPA.
Was den bei der Beweiswürdigung anzulegenden Maßstab angeht, so ist zu berücksichtigen, daß die Einspruchsberechtigung jedermann zusteht. Soll diese Rechtsposition jemandem abgesprochen werden, bedarf dies einer besonderen Rechtfertigung, die nicht lediglich auf einer Abwägung der Wahrscheinlichkeiten beruhen darf. Vielmehr hat sich das entscheidende Organ auf der Grundlage eines klaren und eindeutigen Beweises davon zu überzeugen, daß die behauptete mißbräuchliche Umgehung eines Gesetzes durch Einschaltung eines Strohmanns tatsächlich vorliegt, bevor es einen Einspruch als unzulässig ansieht.
5.1. Im übrigen bestehen grundsätzliche Unterschiede zwischen den beiden unter 4.1 und 4.2.1 genannten Fällen.
5.1.1. Bedient sich der Patentinhaber eines Strohmanns für den Einspruch, so wird es normalerweise keinen Verfahrensbeteiligten geben, der die Zulässigkeit des Einspruchs in Frage stellt, da der Patentinhaber das Verfahren ja durch seinen Strohmann betreiben will. Daher kann der fehlenden Einspruchsberechtigung in der Praxis nur von Amts wegen nachgegangen werden.
Freilich wird das EPA regelmäßig kaum Anhaltspunkte dafür haben, daß ein Strohmann für den Patentinhaber einspricht, sofern die Beteiligten diesen Umstand nicht von sich aus deutlich werden lassen. Dies hat zur Folge, daß das Handeln eines Strohmanns im Normalfall folgenlos bleiben wird und die Unzulässigkeit des Einspruchs nicht erkannt wird. Dies ist allerdings noch kein Grund, der dafür sprechen würde, den Einspruch des Strohmanns des Patentinhabers generell zuzulassen. Es macht einen wesentlichen Unterschied, ob eine mißbräuchliche Handhabung des Verfahrens folgenlos bleibt, weil sie nicht aufgedeckt wird, oder ob ein solcher Mißbrauch offen hingenommen wird. Wird dem Strohmann des Patentinhabers die Berechtigung zum Einspruch grundsätzlich versagt, so zwingt dies die Beteiligten wenigstens, das Verfahren in der Form eines streitigen Verfahrens zu führen. Andernfalls müssen sie damit rechnen, daß das Auftreten des Strohmanns offenkundig wird. Relevante Anhaltspunkte dafür, daß der Einsprechende Strohmann des Patentinhabers ist, können sich insbesondere aus den Beziehungen zwischen beiden ergeben, beispielsweise dann, wenn der Einsprechende als abhängiges Unternehmen im Rahmen eines Konzerns oder als Arbeitnehmer den Weisungen des Patentinhabers unterworfen ist.
5.1.2. Stellt sich die Frage, ob jemand als Einsprechender im Auftrag von Mandanten vor dem EPA handelt, ohne als zugelassener Vertreter qualifiziert zu sein, so ist auch hier zunächst zu berücksichtigen, daß jedermann einsprechen darf. Daher kann aus der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe noch nicht geschlossen werden, ein Einsprechender handle als Strohmann. Bietet aber jemand berufsmäßig seine Dienste zur Beratung und Vertretung auf dem Gebiet des Patentrechts an und tritt diese Person regelmäßig in Verfahren vor dem EPA als Einsprechender in eigenem Namen auf, so schafft sie selbst den Anschein, daß diese Einspruchstätigkeit ihrer gewöhnlichen Berufstätigkeit zuzurechnen ist. Dies rechtfertigt es, der Frage der Einspruchsberechtigung nachzugehen. Zur Klärung der Frage könnte etwa bei einem nicht als zugelassener Vertreter nach Artikel 134 EPÜ legitimierten Patentanwalt, der einer disziplinarischen Aufsicht unterliegt, im Einzelfall eine Erklärung des Inhalts verlangt werden, daß der konkrete Einspruch nicht für einen Mandanten eingelegt wurde.
6. Des weiteren stellt sich die Frage, ob ein nach Punkt 4 relevanter Einwand gegen die Zulässigkeit des Einspruchs auch noch erstmals im Beschwerdeverfahren geltend gemacht werden kann. Diese Frage stellt sich nicht nur, wie in Frage 1 der Vorlage T 649/92 formuliert für den Fall, daß der Einwand vom Patentinhaber erhoben wird, sie ist in gleicher Weise erheblich, wenn die Zulässigkeit des Einspruchs von Amts wegen in Frage gestellt wird.
Die Frage ist für beide Fallgestaltungen gleich zu beantworten. Eine mißbräuchliche Gesetzesumgehung durch das Vorschieben eines Strohmanns, die nach Punkt 4 zu beanstanden ist, ist im Beschwerdeverfahren auch dann nicht hinzunehmen, wenn sie in der ersten Instanz noch nicht gerügt worden ist. Dies ergibt sich schon daraus, daß eine Entscheidung des EPA über die Rechtsbeständigkeit des Patents einen zulässigen Einspruch voraussetzt. Dies gilt für das Einspruchsverfahren vor der Beschwerdekammer ebenso wie für das Verfahren vor der Einspruchsabteilung. Zudem genießt das öffentliche Interesse an der Unterbindung der genannten unzulässigen Praktiken hier Vorrang gegenüber einer Entlastung des Beschwerdeverfahrens. Weil das Handeln in fremdem Auftrag nicht ohne das Hinzutreten besonderer Umstände Veranlassung zur Prüfung einer mißbräuchlichen Gesetzesumgehung gibt, wird sich der im Beschwerdeverfahren entstehende Aufwand ohnehin in engen Grenzen halten. Da die Antwort auf die Frage 1 in T 649/92 ergibt, daß ein zulässiger Einwand im Beschwerdeverfahren noch uneingeschränkt erhoben werden kann, stellt sich die Frage 2 in T 649/92 nicht.
7. Nach den Gründen Nr. 5.3 der Vorlage T 649/92 soll sich die Frage 5 auf die Möglichkeit beziehen, daß die Anfechtung der Zulässigkeit des Einspruchs durch die Antworten auf die anderen Vorlagefragen zeitlich eingeschränkt wird. Eine solche zeitliche Einschränkung wird durch die Antwort auf Frage 1 der Vorlage T 649/92 verneint. Daher wäre die Frage 5 im so verstandenen Sinn gegenstandslos.
Die Frage 5 selbst ist jedoch weiter formuliert und schließt auch inhaltliche Einschränkungen der Anfechtung der Zulässigkeit des Einspruchs ein. Es erscheint der Kammer sinnvoll, sich mit der Frage in diesem weiteren Verständnis zu befassen. Die zu der Frage 1 in T 301/95 und der Frage 3 in T 649/92 gegebenen Antworten führen gegenüber der bisherigen Rechtsprechung tatsächlich zu einer Einschränkung der möglichen Einwände gegen die Zulässigkeit des Einspruchs, da die Tatsache, daß der Einsprechende im Auftrag eines Dritten handelt, regelmäßig nicht zur Unzulässigkeit des Einspruchs führt. Durch eine sofortige Anwendung der in den gegebenen Antworten enthaltenen Grundsätze sieht die Kammer aber keine schützenswerten Interessen verletzt. Eine Übergangsregel ist daher nicht erforderlich. Vielmehr kann es bei der allgemeinen Regel verbleiben, daß die vorliegende Entscheidung der Großen Beschwerdekammer auf alle anhängigen Verfahren anzuwenden ist (siehe G 9/93, a. a. O., Gründe Nr. 6.1).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die der Großen Beschwerdekammer vorgelegten Rechtsfragen werden wie folgt beantwortet:
1a: Ein Einspruch ist nicht schon deswegen unzulässig, weil der als Einsprechender gemäß Regel 55 a) EPÜ Genannte im Auftrag eines Dritten handelt.
1b: Ein solcher Einspruch ist aber dann unzulässig, wenn das Auftreten des Einsprechenden als mißbräuchliche Gesetzesumgehung anzusehen ist.
1c: Eine solche Gesetzesumgehung liegt insbesondere vor, wenn
- der Einsprechende im Auftrag des Patentinhabers handelt;
- der Einsprechende im Rahmen einer typischer Weise zugelassenen Vertretern zugeordneten Gesamttätigkeit im Auftrag eines Mandanten handelt, ohne hierfür die nach Artikel 134 EPÜ erforderliche Qualifikation zu besitzen.
1d: Eine mißbräuchliche Gesetzesumgehung liegt dagegen nicht schon deswegen vor, weil
- ein zugelassener Vertreter in eigenem Namen für einen Mandanten handelt;
- ein Einsprechender mit Sitz oder Wohnsitz in einem der Vertragsstaaten des EPÜ im Auftrag eines Dritten handelt, auf den diese Voraussetzung nicht zutrifft.
2: Ob eine mißbräuchliche Gesetzesumgehung vorliegt, ist unter Anwendung des Prinzips der freien Beweiswürdigung zu prüfen. Die Beweislast trägt, wer die Unzulässigkeit des Einspruchs geltend macht. Das Vorliegen einer mißbräuchlichen Gesetzesumgehung muß auf der Grundlage eines klaren und eindeutigen Beweises zur Überzeugung des entscheidenden Organs feststehen.