T 0456/10 09-11-2011
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Exzenterschnecken-Pumpe und Stator für eine solche Pumpe
Neuheit (ja)
Zurückverweisung
I. Auf die Einsprüche der Einsprechenden 1 und 2 hat die Einspruchsabteilung mit der am 17. Dezember 2009 zur Post gegebenen Entscheidung das Europäische Patent Nr. 1 522 729 in der erteilten Fassung widerrufen.
II. Der erteilte Anspruch 1 lautet:
"Exzenterschneckenpumpe mit einem inneren Mantel (2) aus verschleißfestem und elastischem Material in einem ein- oder mehrteiligen zylindrischen Gehäusemantel (1); wobei eine Innenfläche (3) des Mantels (2) oder der Innenmantel (2) auf seiner nach innen weisenden Seite (3) schneckengangförmig mit vorbestimmter Steigungs-Richtung und Länge ausgebildet ist; mit einem in den Mantel in einer ersten axialen Stellung (z1) und mit radialer Exzentrizität (9) unter Vorspannung eingesetzten und antriebsseitig in dieser Stellung gehaltenen (15,16) wendel- oder schneckenförmigen Rotor (6,8) mit gleicher Steigungsrichtung (7) wie der Stator (2); dadurch gekennzeichnet, dass eine Austrittsöffnung (5) des Stators (2) von seinem Stirnende aus auf einem Stück der axialen Förderlänge nach radial außen auf dem gesamten Umfang so aufgeweitet ist, dass eine sich im Pumpbetrieb drehende Stirnkante (24) des nahe der Austrittsöffnung gelegenen Rotorendes (23) - vorzugsweise bei einer verschleißbedingten axialen Versetzung (19;Deltaz) des Rotors - gegenüber der Innenfläche (3) des Stators berührungsfrei oder freigestellt (G) umlauffähig ist."
III. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass der Gegenstand dieses Anspruches im Hinblick auf Druckschrift D0: DE-A-19 758 086 nicht neu im Sinne von Artikel 54 (1), (2) EPÜ sei, weil Figur 1 der Druckschrift D0 sämtliche Merkmale des Anspruches 1 offenbare. Zwar bestehe zwischen den Figuren 1 und 2 ein Widerspruch, weil am linksseitigen Stirnende der Exzenterschneckenpumpe in Figur 1 zwischen dem Rotor 4 und der Auskleidung 2 des Stators ein umlaufender Spalt dargestellt sei, in Figur 2 jedoch nicht. Dies hindere den Fachmann jedoch nicht daran, der Figur 1 eine klare Lehre zu entnehmen, weshalb sie "für sich allein genommen" ausreichend sei.
IV. Gegen diese Entscheidung hat die Patentinhaberin am 26. Februar 2010 Beschwerde eingelegt, die Beschwerdegebühr entrichtet und beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent aufrechtzuerhalten. Hilfsweise hat sie eine mündliche Verhandlung beantragt.
Mit der am 27. April 2010 beim Europäischen Patentamt eingegangenen Beschwerdebegründung, hat sie ihre Anträge dahingehend ergänzt, dass sie die Zurückweisung der Einsprüche oder die Aufrechterhaltung des Patents im Umfang eines von vier Anspruchssätzen beantragt.
V. Im Beschwerdeverfahren hat sich die Beschwerdegegnerin (Einsprechende 1) nicht geäußert und Einsprechende 2 hat ihren Einspruch mit Schreiben vom 29. Juli 2010 zurückgenommen.
VI. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) argumentiert, dass es nicht zulässig sei in Druckschrift D0 nur Figur 1 nicht jedoch auch Figur 2 zu berücksichtigen.
Nach T 1071/04 und T 412/91 sei eine Gesamtbetrachtung der Druckschrift und nicht nur eines isolierten Teils davon vorzunehmen. Dies gelte insbesondere im vorliegenden Fall, weil die Einspruchsabteilung den Widerspruch zwischen den Figuren 1 und 2 erkannt habe und in den Figuren, insbesondere Figuren 1 und 2 keine unterschiedlichen sondern dieselbe Exzenterschnecken-pumpe dargestellt sei. Bei einer Gesamtbetrachtung dieser Druckschrift könnte der Fachmann daraus jedenfalls nicht erkennen, welche der Figuren 1 oder 2 die richtige ist.
Deshalb bittet die Beschwerdeführerin, "der Beschwerde stattzugeben" und "das Verfahren zur weiteren Prüfung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen" (siehe Beschwerdebegründung Seite 14, Absatz 2).
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Neuheit
2.1 Druckschrift D0
2.1.1 Diese Druckschrift betrifft einen Stator für Exzenterschneckenpumpen, der es ermöglichen soll, seine innere Auskleidung 2 schnell und einfach auszuwechseln (siehe Spalte 1, Zeilen 10 bis 18). Dies wird durch eine gesondert hergestellte Auskleidung in Verbindung mit einem längs geteilten Mantel erreicht, dessen Teile lösbar miteinander verbindbar sind (siehe Spalte 1, Zeilen 19 bis 22 und Anspruch 1).
2.1.2 In Figur 1 wird ein Teil-Längsschnitt der Exzenterschneckenpumpe dargestellt. Am linksseitigen Stirnende ist zwischen dem unteren Teil des Rotors 4 und der Auskleidung 2 des Stators ein Spalt erkennbar. Der Rotor 4 berührt also an diesem Ende auch im unteren Bereich nicht die Innenfläche der Auskleidung 2. Demgegenüber ist in Figur 2 erkennbar, dass dieses Ende des Rotors 4 im unteren Bereich an der Innenfläche der Auskleidung 2 anliegt, dort also kein Spalt vorhanden ist.
2.1.3 Aus der Beschreibung Spalte 1, Zeilen 60 bis 75 ergibt sich eindeutig, dass sämtliche Figuren ein und dieselbe Exzenterschneckenpumpe zeigen. Figur 2 ist eine Stirnansicht des Stators gemäß Figur 1, sollte also das darstellen, was der Fachmann in Figur 1 sieht, wenn er die Pumpe von links betrachtet. Da die Figuren 1 und 2 also dieselbe Exzenterschneckenpumpe darstellen sollen, aber hinsichtlich des oben genannten Spaltes voneinander abweichen, stellt die Kammer fest, dass sich die Figuren in dieser Hinsicht widersprechen.
2.2 Gemäß der gefestigten Rechtsprechung der Beschwerdekammern muss die technische Offenbarung eines zum Stand der Technik gehörenden Dokumentes als Ganzes betrachtet werden (siehe T 56/87, ABl. EPA 1990, 188). Die einzelnen Abschnitte eines Dokumentes dürfen nicht losgelöst von den anderen Teilen, sondern müssen in deren Gesamtzusammenhang betrachtet werden (siehe T 312/94 vom 4. September 1997, nicht im ABl. EPA veröffentlicht).
2.2.1 Schon deshalb kann im vorliegenden Fall die Figur 1 nicht isoliert von den übrigen Teilen der Druckschrift und insbesondere der Figur 2 gewürdigt werden.
2.2.2 Dies verbietet sich aber auch aus der Tatsache, dass die Figuren 1 und 2 dieselbe Exzenterschneckenpumpe betreffen. Sollte der Fachmann versuchen herauszufinden, welche der beiden Darstellungen die richtige ist, würde er auch in der Beschreibung dazu keine Informationen finden, denn dort wird dieser Spalt nicht erwähnt. Dies ist auch nicht weiter verwunderlich, denn mit dem oben genannten Zweck (siehe 2.1.1) hat dieser Spalt nichts zu tun.
2.2.3 Somit ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Druckschrift D0 für den Fachmann nicht zweifelsfrei das kennzeichnende Merkmal des Anspruches 1 (siehe T 153/85, Leitsatz III; ABl. EPA 1988, 1), also dass am linksseitigen Stirnende zwischen dem unteren Teil des Rotors 4 und dem Stator 1,2 einen Spalt vorzusehen ist, so dass der Rotor 4 in seinem unteren Bereich nicht die Innenfläche der Auskleidung 2 berührt.
2.3 Ein zum Stand der Technik gehörendes Dokument ist nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern nur dann neuheitsschädlich, wenn der Gegenstand der Erfindung unmittelbar und eindeutig daraus hervorgeht (siehe zum Beispiel T 511/92 vom 27. Mai 1993, nicht im ABl. EPA veröffentlicht).
Da sich für den Fachmann aus dem Gesamtzusammenhang der Druckschrift D0 nicht zweifelsfrei ergibt, welche der beiden Darstellungen die richtige ist, geht das kennzeichnende Merkmal des Anspruches 1 nicht eindeutig daraus hervor.
Deshalb ist der Gegenstand des Anspruches 1 im Hinblick auf den Offenbarungsgehalt der Druckschrift D0 neu im Sinne des Artikels 54 (1),(2) EPÜ 1973.
3. Zurückverweisung
Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich eindeutig, dass die Beschwerdeführerin die Zurückverweisung der Angelegenheit an die erste Instanz zur Fortsetzung des Einspruchsverfahrens wünscht, wenn die Beschwerdekammer die Neuheit des Gegenstandes des Anspruches 1 im Hinblick auf Druckschrift D0 feststellen sollte.
Auch die Beschwerdekammer hält es für geboten die Angelegenheit zur Fortsetzung des Einspruchsverfahrens an die erste Instanz gemäß Artikel 111 (1) EPÜ 1973 zurückzuverweisen, weil in der Entscheidung der Einspruchsabteilung lediglich zur mangelnden Neuheit des Gegenstandes des Anspruches 1 im Hinblick auf die Druckschrift D0 Stellung genommen wurde. Vor der Einspruchsabteilung wird insbesondere zu prüfen sein, ob der beanspruchte Gegenstand auch im Hinblick auf die weiteren im Verfahren befindlichen Beweismittel neu und erfinderisch ist.
4. Mündliche Verhandlung
Da die Beschwerdekammer somit im Sinne der Beschwerdeführerin entscheidet und von der Beschwerdegegnerin keine mündliche Verhandlung beantragt worden ist, war eine solche nicht erforderlich.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.