T 2075/11 23-07-2013
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Wärmegedämmtes Verbundprofil, insbesondere für Fenster, Türen, Fassaden und dergleichen
I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat gegen die am 21. Juli 2011 zur Post gegebene Entscheidung über den Widerruf des Europäischen Patents Nr. 1 170 454 aufgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit am 21. September 2011 Beschwerde eingereicht. Die Beschwerde gebühr wurde am 27. September 2011 entrichtet und die Beschwerde begründung am 30. November 2011 eingereicht.
II. In der Erwiderung zum Einspruch vom 7. Januar 2010 hatte die Beschwerdeführerin zunächst beantragt den Einspruch zurückzuweisen, also das Patent wie erteilt aufrecht zuerhalten.
Als Reaktion auf den Ladungs bescheid der Einspruchs abteilung vom 7. Februar 2011 beantragte sie jedoch mit Fax vom 1. Juni 2011 das Patent mit einem neuen, dem Fax beigefügten, Anspruch 1 aufrechtzuerhalten, der den Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 einschränkte.
Die von der Einspruchsabteilung getroffene Entscheidung betrifft folglich ausschließlich den mit Fax vom 1. Juni 2011 eingereichten Antrag.
III. Am 23. Juli 2013 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung.
Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende 1) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
IV. Der erteilte Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"Wärmegedämmtes Verbundprofil, insbesondere für Fenster, Türen, Fassaden und dergleichen, mit zwei vorzugsweise aus Metall bestehenden Profilen (1, 2), die über zwei Einzeldämmleisten (3) miteinander verbunden und im Abstand voneinander gehalten sind, wobei die Einzel dämmleisten (3) mit ihren jeweils als Anschlußleiste (4) aus gebildeten Längsrändern an den Profilen (1, 2) angeschlossen sind, wobei die Einzeldämmleisten (3) zur Bildung einer oder mehrerer Hohlkammern über zwei Verbindungsstege (5) miteinander verbunden sind,
dadurch gekennzeichnet daß die aufsummierte Gesamtdicke der Einzeldammleisten (3) sowie der Verbindungs stege (5) bei schräger bzw. gekreuzter Anordnung der Verbindungs stege (5) einer Mindestwanddicke von 1,6 mm nicht unter schreitet, und daß ferner der Abstand (6) zwischen dem Metall profil (1, 2) und der Anschlußzone der Verbindungs stege (5) an den Einzeldammleisten (3) im Bereich zwischen 20% und 40% der Gesamtbauhöhe (7) der Einzeldämmleisten (3) liegt."
V. Zur Stützung ihres Antrags hat die Beschwerdeführerin im Wesentlichen folgendes vorgetragen:
Bei der vorliegenden Sachlage liege es im Ermessen der Kammer, den mit der Beschwerdeschrift ein ge reichten Antrag, das Patent wie erteilt aufrecht zuerhalten, zu zu lassen oder nicht.
Im Einspruchsverfahren habe sie als Reaktion auf den Ladungs bescheid der Einspruchabteilung einen einzigen neuen Hauptantrag eingereicht, um so das Verfahren zu beschleunigen. Da sie im Sinne der Verfahrenökonomie gehandelt habe, sollte die Kammer den vorliegenden Antrag im Rahmen ihres Ermessenspielraums zulassen.
VI. Zur Stützung ihres Antrags hat die Beschwerdegegnerin im Wesentlichen folgendes vorgetragen:
Über den vorliegenden Antrag der Beschwerdeführerin, das Patent wie erteilt aufrechtzuerhalten, liege keine Entscheidung der Einspruchabteilung vor. Im Einspruchs verfahren habe die Beschwerdeführerin diesen Antrag bewusst fallengelassen, um die von der Einspruchs abteilung geäußerten Bedenken im Hinblick auf eine unzulässige Änderung auszuräumen. Mit der Rückkehr zur erteilten Fassung werde eine erstinstanzliche Entscheidung zu dieser Frage umgangen. Da sie ihren Antrag auf Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung ohne weiteres während des Einspruchs verfahrens hätte weiter verfolgen können, liege ein Verfahrensmissbrauch vor.
In einem analogen Fall, T 933/04, wurde die Rückkehr zur erteilten Fassung nicht zugelassen. Folglich sollte die Kammer im vorliegenden Fall die ihr in Artikel 12 (4) VOBK gegebene Befugnis anwenden und den Antrag der Beschwerdeführerin nicht zulassen.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Zulässigkeit des Antrags
2.1 Mit der Beschwerdeschrift verlangt die Beschwerde führerin die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung, während der Gegenstand der erst instanzlichen Entscheidung ausschließlich eine beschränkte Fassung betrifft.
2.2 Zwar bilden die Beschwerde und die Beschwerdebegründung nach Artikel 12 (1) VOBK die Grundlage des Verfahrens, die Kammer hat jedoch nach Absatz (4) desselben Artikels die Befugnis, Anträge nicht zuzulassen, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können, obwohl sie die Voraussetzungen nach Absatz (1) erfüllen.
Im vorliegenden Fall hätte die erteilte Fassung zweifellos Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens sein können. Die Patentinhaberin hat sich jedoch im Einspruchsverfahren beschränkt und hat die erteilte Fassung nicht weiter verfolgt, so dass keine erst instanzliche Entscheidung über die erteilte Fassung ergehen konnte.
2.3 Der der von der Beschwerdegegnerin zitierten Entscheidung T 933/04 zugrundeliegende Sachverhalt entspricht im Wesentlichen dem des vorliegenden Falls. Dort hat die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) ebenfalls im Einspruchsverfahren die erteilte Fassung fallen gelassen und eine beschränkte Fassung weiterverfolgt, um einen Einwand der Einspruchsabteilung zu umgehen, und wollte im Beschwerdeverfahren wieder zur erteilten Fassung zurückkehren. Nach Auffassung der Kammer hatte die Beschwerdeführerin damit auf ihr Recht verzichtet eine begründete Entscheidung der Einspruchs abteilung zum erteilten Patent zu erhalten. Folglich hat sie den Antrag das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten nicht zugelassen.
2.4 Selbst wenn die Kammer das entsprechende Verhalten der Beschwerdeführerin im vorliegende Fall nicht als Verzicht auf die erteilte Fassung werten würde, verstößt die Zulassung dieses erst im Beschwerdeverfahren vor gelegten Antrags auf jedem Fall gegen die Verfahrens ökonomie. Die Kammer wäre nämlich im Fall der Zulassung des Antrags gezwungen, entweder erstmalig über diesen Antrag zu entscheiden, was nicht mit ihrer Rolle als Überprüfungsinstanz vereinbar ist, oder den Fall zurückzu verweisen, was eine erhebliche Verzögerung des Verfahrens und erhöhte Kosten für die Gegenpartei mit sich bringen würde.
Nachdem Artikel 12 (4) VOBK genau dazu vorgesehen ist, eine solche Situation zu verhindern, hat die Kammer den einzigen Antrag der Beschwerdeführerin nicht zugelassen.
2.5 Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, ihr prozessuales Verhalten im erstinstanzlichen Verfahren habe das Ziel gehabt, das Verfahren zu beschleunigen, da sie es angesichts der im Ladungsbescheid geäußerten Einstellung der Einspruchsabteilung für nicht angebracht hielt, die erteilte Fassung zu verteidigen.
Die Kammer vermag jedoch nicht einzusehen, wie ein solches Verhalten eine Beschleunigung des Verfahrens bewirken könnte. Im Gegenteil verzögert das Fehlen der Entscheidung über diesen Antrag das gesamte erst- und zweitinstanzliche Verfahren.
Daher kann dieses Vorbringen die Kammer nicht veranlassen, ihr Ermessen anders auszuüben.
3. Da kein zulässiger und von der Beschwerdeführerin gebilligter Antrag vorliegt (Artikel 113 (2) EPÜ), ist die Beschwerde zurückzuweisen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.