T 0057/12 12-07-2016
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Verbundstoff für Klettverschlüsse, insbesondere Windelverschlüsse
Zulässigkeit des Hautpantrags (ja)
Änderungen - Hauptantrag
Änderungen - Erweiterung des Patentanspruchs (nein)
Änderungen - Klarheit (nein)
Zulässigkeit - Hilfsantrag 1 (nein) - Merkmal gestrichen - G1/99 erste Möglichkeit nicht ausgeschöpft
Zulässigkeit - Hilfsantrag 2 und 3 (nein) - Änderungen nicht zweifelsfrei offenbart
I. Die Beschwerde der Einsprechenden (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, in der festgestellt wurde, dass unter Berücksichtigung der im Einspruchsverfahren vorgenommen Änderungen das europäische Patent mit der Nummer 1 579 779 und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügen.
II. Die Beschwerdeschrift der Beschwerdeführerin ist beim Europäischen Patentamt eingegangen und die entsprechende Gebühr wurde gleichzeitig entrichtet. In der Beschwerdebegründung wurde die Zulässigkeit der Änderungen, die Ausführbarkeit, sowie die Neuheit und erfinderische Tätigkeit des Anspruchs 1 angegriffen. Die folgenden Dokumente wurden zitiert:
D1 US-A-3 694 867
D8 Muster Florschleifenwirklaminat
D9 Eidesstattliche Erklärung Mike Mills
D10 Rechnungen zum Verkauf von KL2
D11 US-A-5 789 058
D17 US-A-5 660 918
D18 US-A-3 694 867
D22 US-A-5 858 515
D23 EP-A-1 290 960
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
III. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) antwortete darauf und beantragte die Beschwerde zurückzuweisen.
IV. Die Parteien wurden zur mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer geladen. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) wurde ihnen die vorläufige Auffassung der Kammer zur Sache mitgeteilt.
V. In Vorbereitung der mündlichen Verhandlung reichte die Beschwerdegegnerin einen neuen Hauptantrag sowie geänderte Hilfsanträge 1 bis 3 ein.
VI. Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 12. Juli 2016 statt.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent aufrechtzuerhalten auf der Grundlage des mit Schreiben vom 9. Juni 2016 eingereichten Hauptantrags, oder auf der Grundlage eines der während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsanträge 1 bis 3.
VII. Der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags hat folgenden Wortlaut:
"Verbundstoff für Klettverschlüsse, insbesondere Windelverschlüsse, mit einer Trägerfolie (1) und einem auf die Trägerfolie (1) aufkaschierten textilen Substrat (2),
wobei das textile Substrat aus einer Kettwirkware besteht, welches ein Grundgelege (3) aus Filamentgarn und oberflächliche, zur Verbindung mit Kletthaken geeignete und mit dem Grundgelege (3) wirktechnisch verbundene Schlaufen (4) aufweist, und wobei die Trägerfolie (1) und das textile Substrat (2) miteinander verklebt und nicht vollflächig verbunden sind,
dadurch gekennzeichnet, dass der Klebstoff in einem Muster auf der Trägerfolie (1) appliziert ist, welches sich aus Klebeflächen (6) und klebstofffreien Bereichen (7) zusammensetzt, so dass im Bereich der klebstofffreien Bereiche (7) zusätzlich zu den oberflächlichen Schlaufen (4) auch die das Grundgelege (3) des textilen Substrats bildenden Garne für eine Verankerung mit Kletthaken zur Verfügung stehen, und dass der auf der Trägerfolie (1) applizierte Klebstoff ein Muster mit einer zellenförmigen Struktur bildet, wobei die zellenförmige Struktur offene Zellen (10) mit klebstofffreien Bereichen (7) aufweist."
Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags, in dem das Merkmal
"so dass im Bereich der klebstofffreien Bereiche (7) zusätzlich zu den oberflächlichen Schlaufen (4) auch die das Grundgelege (3) des textilen Substrats bildenden Garne für eine Verankerung mit Kletthaken zur Verfügung stehen,"
gestrichen wurde, und die Merkmale des Anspruchs 2
"dass die Fläche, an der die Trägerfolie (1) mit dem textilen Substrat (2) verbunden ist, 20% bis 80% der kaschierten Folienfläche beträgt",
die Merkmale des Anspruchs 3
"dass das textile Substrat (2) ein Flächengewicht von 5 g/m**(2) bis 50 g/m**(2) aufweist"
und die Merkmale des Anspruchs 5
"dass die Trägerfolie (1) ein Flächengewicht von 5 g/m**(2) bis 50 g/m**(2) aufweist" aufgenommen wurden.
Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass der einleitende Teil des Oberbegriffs nun lautet: "Klettverschluss, insbesondere Windelverschluss, mit einem Verschlussband, welches seitlich an einer Windel befestigbar ist und an einem Ende Kletthaken aufweist, und mit einem Verbundstoff, wobei der Verbundstoff eine Trägerfolie (1) und ein auf die Trägerfolie (1) aufkaschiertes textiles Substrat (2) aufweist,"
und dadurch, dass jeweils vor dem Wort "Kletthaken" der direkte Artikel ("den") eingefügt wurde, um klarzustellen, dass es sich um dieselben Kletthaken handelt. Ferner wurden die Ansprüche 6 und 7 gestrichen.
Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags, dass der einleitende Teil des Oberbegriffs lautet:
"Windelverschluss mit einem Verschlussband, welches seitlich an einer Windel befestigbar ist und an einem Ende Kletthaken aufweist, und mit einem Streifen eines Verbundstoffes, der auf dem vorderen Bündchenbereich der Windel anbringbar ist, wobei der Verbundstoff eine Trägerfolie (1) und ein auf die Trägerfolie (1) aufkaschiertes textiles Substrat(2) aufweist, ..."
sowie, dass ebenso wie im Hilfsantrag 2 der direkte Artikel ("den") jeweils vor dem Wort "Kletthaken" eingefügt wurde, um klarzustellen, dass es sich um dieselben Kletthaken handelt.
VIII. Die Argumente der Beschwerdeführerin zur Stützung ihres Antrags lassen sich im Wesentlichen wie folgt zusammenfassen:
Ein derartiger Hauptantrag hätte bereits sowohl in dem Verfahren vor der ersten Instanz als auch mit der Beschwerde-Erwiderung vorgelegt werden können. Zudem wären mit diesem Antrag weiterhin die in Bezug auf Klarheit und erfinderische Tätigkeit vorgebrachten Einwände zutreffend. Dieser Antrag sollte daher nicht zugelassen werden.
Das aus der Beschreibung in den Anspruch 1 aufgenommene Merkmal erfülle weder die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ noch die des Artikels 84 EPÜ. In dem Absatz in der Beschreibung, welcher der Aufnahme dieses Merkmals zugrunde liege, seien weitere Merkmale offenbart ("lose aufeinander", "tief in das textile Substrat einschieben") und müssten ebenso in den Anspruch 1 aufgenommen werden. Zudem werde ein zu erreichendes Ergebnis definiert, ohne die dafür nötigen strukturellen Merkmale anzugeben. Kletthaken verschiedenster Art wären verfügbar. Ob sich ein textiles Substrat mit bestimmten Kletthaken verbinden lasse, hänge unter anderem vom Typ und von der Größe der Haken ab, aber auch von Material und Struktur des textilen Substrats. In Anspruch 1 sei noch nicht einmal festgelegt, ob es sich bei den Kletthaken - welche nicht Teil des beanspruchten Verbundstoffs seien - um die gleichen Kletthaken handele, welche im Oberbegriff genannt wären.
Hilfsantrag 1 solle nicht zugelassen werden. Auch ein solcher Antrag hätte bereits früher vorgelegt werden können. Die Streichung des unklaren Merkmals bewirke eine Erweiterung des beanspruchten Gegenstands und sei - wie in G 1/99 ausgeführt - nicht zulässig. Ferner würden die weiteren Merkmale, welche aus den Unteransprüchen zugefügt wurden, dazu führen, dass zu diesem späten Zeitpunkt ein relativ komplexer Anspruchsgegenstand entstünde. Diese Merkmale beträfen aber nicht die Kletthaken und ihr Verhältnis zu einem Schlaufenmaterial.
Gemäß G1/99 wäre in erster Linie eine Änderung in Betracht zu ziehen, durch die ein oder mehrere ursprünglich offenbarte Merkmale aufgenommen werden, die den Schutzbereich des Patents in der aufrechterhaltenen Fassung einschränken. Dazu stünde eine Beschränkung des beanspruchten Gegenstands auf den Klettverschluss zur Verfügung. Solange diese Möglichkeit nicht ausgeschöpft werde, sei der Antrag nicht zuzulassen.
Hilfsantrag 2 solle nicht zugelassen werden. Der Wortlaut betreffe einen Klettverschluss, dessen strukturelle Eigenschaften nicht klar seien (Artikel 84 EPÜ) und beinhalte Merkmale, die über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgingen (Artikel 123(2) EPÜ). Im Anspruch sei nicht definiert, wo sich die Schlaufen bzw. die Haken genau befinden und wie die Verbindung zwischen diesen Elementen erfolge. Daher sei auch ein einteiliger Klettverschluss beansprucht, welcher jedoch nicht offenbart sei.
Hilfsantrag 3 solle nicht zugelassen werden. Der Anspruch beziehe sich auf einen Windelverschluss, welcher weitere Einzelheiten beinhalten könnte, wohingegen in der Beschreibung (Absatz 0002) ausschließlich ein zweiteiliger Klettverschluss, dessen Verschlussbänder den Verbundstoff vervollständigen, offenbart sei (Artikel 123(2) EPÜ).
IX. Die Beschwerdegegnerin führte im Wesentlichen aus:
Der Hauptantrag solle zum Verfahren zugelassen werden. Anspruch 1 sei von der Patentinhaberin immer so gesehen worden, dass das Merkmal der nicht vollflächigen Verbundenheit der Trägerfolie und des textilen Substrats mittels Klebstoff enthalten sei. Die Notwendigkeit einer expliziten Wiederaufnahme des Merkmals sei erst durch den Bescheid der Kammer erkannt worden.
Das zugefügte Merkmal sei wortwörtlich der ursprünglich eingereichten Beschreibung entnommen, die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ daher erfüllt. Die weiteren Merkmale wie "lose" und "tief" hätten keine zusätzliche Bedeutung: das "lose" Aufeinanderliegen der Schichten sei eine Folge der Abwesenheit von Klebstoff; das "tiefe" Eingreifen der Haken bedeute lediglich, dass ein Verhaken stattfinde, sei jedoch ein relativer Begriff und sei in Bezug auf die meist horizontale bzw. schräge Zugbeanspruchung des Verbundstoffs technisch ein auf jeden Kletthaken zutreffendes Merkmal.
Aus der Beschreibung sei klar, dass das textile Substrat in Form einer Kettwirkware eine offene Struktur aufweise, wobei sämtliche für Klettverschlüsse übliche Kletthaken zur Verwendung kommen könnten. In den klebstofffreien Bereichen könnten sämtliche Arten von Kletthaken bis zum Grundgelege durchdringen und sich mit den Fäden verhaken. Auch in den zitierten Dokumenten (siehe D1, D11) würden die Haken nicht spezifiziert. Es handele sich in Bezug auf den beanspruchten Verbundstoff immer nur um einen Typ Kletthaken. Das aus der Beschreibung in den Anspruch 1 aufgenommene Merkmal sei daher klar und erfülle die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ.
Hilfsantrag 1 solle zugelassen werden.
Die Streichung des Merkmals in Anspruch 1 sei zulässig. Das gestrichene Merkmal habe lediglich erläuternden Charakter. Es entfalle kein technisches Merkmal, daher ergäbe sich auch keine Erweiterung des Schutzbereichs und es liege auch kein Problem in Bezug auf "reformatio in peius" vor. Es sei nicht nötig und nicht möglich, weitere Merkmale aufzunehmen, die den Schutzbereich einschränken würden, und es würde nicht gegen Artikel 123(3) EPÜ verstoßen. Die Erfordernisse der G1/99 seien erfüllt. Zudem würde die Aufnahme der Unteransprüche 2, 3 und 5 des erteilten Patents funktionelle Merkmale in den Anspruch 1 bringen, die das gestrichene Merkmal ersetzen könnten.
Hilfsantrag 2 solle zugelassen werden. Das gestrichene Merkmal sei wieder in den Anspruch 1 eingefügt. Ferner sei der Anspruch 1 auf einen Klettverschluss mit zwei komplementären Teilen (Verschlussband und Verbundstoff) gerichtet. Es sei durch die Verwendung des direkten Artikels eindeutig klar, dass alle Kletthaken sowohl mit den oberflächlichen Schlaufen als auch mit dem Grundgelege verankerbar sein müssten, womit die Erstreckung der Kletthaken indirekt ausgedrückt wäre. Die Kletthaken müssten sich immer mit den Schlaufen verbinden. Für den Fachmann sei es abwegig, einen einteiligen Klettverschluss aus den Merkmalen des Anspruchs 1 abzuleiten. Alle Merkmale seien ursprünglich offenbart.
Hilfsantrag 3 solle zugelassen werden. Es sei nun ein Windelverschluss beansprucht. Die Wortwahl im Singular in Bezug auf das Verschlussband und den Verbundstoff sei lediglich angepasst. Ein "Ende" bedeute immer ein freies Ende und der Fachmann wisse wie üblicherweise ein Windel-Klettverschluss aussehe. Es sei kein zusätzliches Bauteil für einen vollständigen Klettverschluss erforderlich.
1. Zulassung des Hauptantrags
1.1 Dieser Antrag (wie auch alle weiteren Anträge) wurde nach Ablauf der Frist für die Einreichung der Beschwerdebegründung vorgelegt und stellt somit eine Änderung des Vorbringens der Beschwerdeführerin dar (Artikel 13(1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern, VOBK). Die Zulassung in das Verfahren liegt damit im Ermessen der Kammer. Bei der Ausübung des Ermessens ist unter anderem die gebotene Verfahrensökonomie zu berücksichtigen. Dieses Kriterium wird von den Beschwerdekammern in dem Sinne angewendet, dass ein geänderter Antrag prima facie gewährbar sein sollte, d.h. er sollte die vorhandenen Einwände beheben und keine neuen einführen.
1.2 Der Hauptantrag wurde in Erwiderung des Bescheids der Kammer eingereicht. Die Änderung in Anspruch 1 zielt eindeutig darauf, den von der Kammer als berechtigt erachteten Einwand eines Verstoßes gegen Artikel 123(3) EPÜ auszuräumen.
1.3 Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass ein derartiger Antrag sowohl bereits vor der ersten Instanz als auch mit der Beschwerde-Erwiderung (Artikel 12(2) VOBK) hätte vorgelegt werden können, ist grundsätzlich zutreffend. Jedoch hat die Einspruchsabteilung keinen Einwand unter Artikel 123(3) EPÜ festgestellt. Einen derartigen Antrag vor der Einspruchsabteilung zu stellen, wäre nicht sinnvoll gewesen. In Bezug auf Artikel 13 VOBK, erläuterte die Beschwerdegegnerin ihr schriftliches Vorbringen und wiederholte, dass sie den jeweiligen Anspruch 1 des Hauptantrags immer so verstanden habe, dass das betroffene Merkmal ("nicht vollflächig verbunden") implizit enthalten gewesen sei, und sie es daher nicht als erforderlich ansah, einen solchen Antrag einzureichen. Erst mit dem Bescheid der Kammer sei diese Notwendigkeit deutlich geworden.
1.4 Auch wenn weitere Einwände noch zu diskutieren waren (Artikel 123(2) EPÜ, Artikel 84 EPÜ, Artikel 56 EPÜ), so räumt dieser Antrag jedenfalls den Einwand unter Artikel 123(3) EPÜ eindeutig aus, beinhaltet keine sonstige Änderung des Sachverhalts und damit der zu diskutierenden Punkte, und ist somit im Sinne einer effizienten Verfahrensführung sinnvoll.
Daher wurde der Antrag in das Verfahren zugelassen (Artikel 13(1) VOBK).
2. Hauptantrag - Anspruch 1 - Artikel 123(2) EPÜ
2.1 Das in Anspruch 1 eingefügte Merkmal
"so dass im Bereich der klebstofffreien Bereiche (7) zusätzlich zu den oberflächlichen Schlaufen (4) auch die das Grundgelege (3) des textilen Substrats bildenden Garne für eine Verankerung mit Kletthaken zur Verfügung stehen",
ist in der ursprünglich eingereichten Beschreibung (siehe Seite 3, Zeilen 20 bis 23) offenbart.
2.2 Der entsprechende Absatz enthält in diesem Zusammenhang noch die folgenden Ergänzungen:
"Die Kletthaken lassen sich an den klebstofffreien Bereichen, in denen Trägerfolie und textiles Substrat lose aufeinander liegen, tief in das textile Substrat einschieben."
"Die Kletthaken können hinter die Garne des Grundgeleges eingreifen. Der Verbundstoff erhält hierdurch eine Klettwirkung, die signifikant höher ist als bei einer vollflächigen Verklebung von textilem Substrat und Trägerfolie."
2.3 Daher war die Beschwerdeführerin der Auffassung, dass sowohl das Merkmal des "lose aufeinander"- Liegens der Trägerfolie und des Substrats, als auch das Merkmal der "tief" in das Substrat eingeschobenen Kletthaken in den Anspruch aufzunehmen wären, um eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung zu vermeiden. Dabei würde "tief in das Substrat eingeschoben" für die Kletthaken bedeuten, dass sie hinter die Garne des Grundgeleges eingreifen, wie ebenso in diesem Absatz ausgeführt.
2.4 Die Kammer konnte dieser Auffassung nicht folgen. Das "lose" Aufeinanderliegen der Trägerfolie und des textilen Substrats kann in seiner Bedeutung nur so verstanden werden, dass es sich dabei um die klebstofffreien Bereiche handelt. Diese Bereiche sind im Rahmen des definierten Musters bereits Gegenstand des Anspruchs 1. Da des Weiteren das zugefügte Merkmal erfordert, dass in den klebstofffreien Bereichen die das Grundgelege des textilen Substrats bildenden Garne für eine Verankerung mit Kletthaken zur Verfügung stehen, hat das Adjektiv "tief" keine Bedeutung, die darüber hinausgehen würde, als darauf hinzuweisen, dass die Kletthaken in diesen Bereichen hinter das Grundgelege eingreifen können. Das Adjektiv "tief" ist zudem ein relativer Begriff, der keinesfalls mehr Aussagekraft haben würde. Die Aufnahme dieser Merkmale ist daher in diesem Zusammenhang nicht erforderlich und das Erfordernis des Artikels 123(2) EPÜ ist erfüllt.
3. Hauptantrag - Anspruch 1 - Artikel 84 EPÜ
3.1 Das in Anspruch 1 eingefügte - aus der Beschreibung stammende - Merkmal siehe Punkt 2.1 oben, nimmt Bezug auf die "Kletthaken", welche selbst nicht Teil des beanspruchten Verbundstoffs sind und welche selbst auch nicht genauer definiert sind.
3.2 Ferner definiert Anspruch 1 nicht, ob die "zusätzlich zu den oberflächlichen Schlaufen auch die das Grundgelege des textilen Substrats bildenden Garne", welche für eine "Verankerung mit Kletthaken zur Verfügung stehen" in Verbindung mit den gleichen Kletthaken, wie sie für die klebstofffreien Bereiche zutreffen, zu sehen sind, oder ob hier andere "geeignete" Kletthaken für die Hakenverbindung mit dem Grundgelege zur Verwendung kommen könnten.
3.3 Es mag durchaus zutreffen, dass sämtliche Kletthaken nach dem gleichen Prinzip funktionieren. Es gibt jedoch im Stand der Technik eine Vielzahl von Kletthaken in Bezug auf Größe und Ausformung (z.B. Haken-, Anker-, Pilz-Form). Da Anspruch 1 Kletthaken fordert, welche geeignet sein sollten, zum Einen mit den oberflächlichen Schlaufen und zum Anderen mit den Schlaufen des Grundgeleges eine Verbindung einzugehen, ist jedoch selbst unter der von der Beschwerdegegnerin vorgebrachten Annahme, dass es sich nur um einen Typ Kletthaken handelt, der diese Eigenschaften vereint, davon auszugehen, dass nicht alle im Stand der Technik verfügbaren Kletthaken dafür geeignet sind. Es bleibt also im Unklaren, welcher Verbundstoff beansprucht ist, da er durch einen unabhängigen undefinierten Artikel, nämlich die Kletthaken definiert ist, wobei keine Angabe - weder im Anspruch noch in der Beschreibung - vorhanden ist, wodurch sich diese Kletthaken für diese Eignung auszeichnen sollten. Die Beschwerdegegnerin argumentierte ferner, dass alle "üblichen" Haken gemeint sind. Was unter "üblich" zu verstehen sein mag, bleibt jedoch völlig offen. Keine Beweise diesbezüglich wurden vorgelegt. Dem Anspruch mangelt es daher an der gemäß Artikel 84 EPÜ geforderten Klarheit.
3.4 Zusätzlich zu der Art von Kletthaken, hängt es des Weiteren auch von der Konstruktion bzw. dem Material der Trägerfolie, des textilen Substrats und des verwendeten Klebers ab, ob ein Einhaken sowohl mit den oberflächlichen Schlaufen als auch mit dem Grundgelege möglich ist. Dazu gibt es jedoch keine beanspruchten oder offenbarten Merkmale.
3.5 Für die Auffassung der Beschwerdegegnerin, dass das Merkmal, "zusätzlich zu den oberflächlichen Schlaufen" bereits bedeute, dass die gleichen Haken auch für das Grundgelege gemeint seien, fehlt jede Grundlage, da es keinen Hinweis darauf gibt. Wie unter Punkt 3.3 oben angegeben, könnte jedoch auch diese Annahme nicht zu einem klaren Anspruchsgegenstand führen.
Auch das Argument, dass die Trägerfolie und das textile Substrat mit einem geringen Flächengewicht ausgezeichnet wären (Ansprüche 3 und 5) und daher eine hohe Flexibilität aufwiesen, welche das Eingreifen hinter das Grundgelege erlauben würden, kann nicht überzeugen. Hier spielen weitere Merkmale, wie insbesondere der Anteil an Klebeflächen und die Materialwahl für Trägerfolie, textiles Substrat und Klebstoff eine Rolle, die weder beansprucht noch Thema des Streitpatents sind.
3.6 Auch die Frage der Offenbarung bzw. Charakterisierung der Kletthaken in anderen Dokumenten steht hier nicht zur Debatte. Es mag durchaus zutreffen, dass in anderen, auch in den zitierten Dokumenten (D1, D11) die Kletthaken eines Klettverschlusses nicht definiert sind. Insbesondere könnte es dabei jedoch zutreffen, dass bei der Offenbarung dieser Dokumente die Kletthaken nicht relevant in Bezug auf die Erfindung sind, bzw. nicht-beanspruchte Merkmale betreffen.
3.7 Der Hauptantrag ist daher nicht gewährbar.
4. Hilfsantrag 1 - Zulassung
4.1 Dieser Hilfsantrag wurde während der mündlichen Verhandlung vorgelegt und stellt somit eine Änderung des Vorbringens der Beschwerdeführerin dar (Artikel 13(1) VOBK). Die Zulassung in das Verfahren liegt damit im Ermessen der Kammer wie bereits unter Punkt 1.1 ausgeführt.
4.2 In Anspruch 1 wurde das (im Hauptantrag) als unklar erachtete Merkmal gestrichen. Die weiteren Änderungen betreffen die Aufnahme der Merkmale der ursprünglich eingereichten (und erteilten) abhängigen Ansprüche 2, 8 und 10.
4.3 Nach Auffassung der Beschwerdegegnerin hätte das gestrichene Merkmal lediglich erläuternden Charakter und es würde daher kein technisches Merkmal entfallen. Eine Erweiterung gemäß Artikel 123(3) EPÜ finde daher nicht statt. Zudem würde die Aufnahme der Unteransprüche 2, 3 und 5 funktionelle Merkmale in den Anspruch 1 bringen, die funktionell das gestrichene Merkmal ersetzen könnten.
4.4 Dieser Auffassung kann die Kammer nicht folgen. Das gestrichene Merkmal mag durchaus erläuternden Charakter aufweisen. Es weist jedoch in technischer Hinsicht eindeutig darauf hin, in welchen Bereichen das Grundgelege zur Verankerung mit den Kletthaken zur Verfügung steht. Dies wird in keinem anderen Merkmal des Anspruchs 1 ausgedrückt. Daher hat dieses Merkmal Anteil am technischen Inhalt des Anspruchs und kann nicht ersatzlos entfallen. Dieser Anteil am technischen Inhalt des Anspruchs wird auch nicht durch die Aufnahme der Merkmale der Unteransprüche kompensiert. Die zusätzlich aufgenommenen Merkmale der Unteransprüche 2, 3 und 5 können das gestrichene Merkmal weder erläutern noch direkt oder indirekt klarstellen. Sie beziehen sich lediglich auf die Eigenschaften der Trägerfolie, des textilen Substrats, sowie deren Verbindung. Merkmale oder Eigenschaften der Kletthaken oder deren Verankerung können davon nicht abgeleitet werden.
4.5 Grundsätzlich ist das Streichen eines in der Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung der erteilten Fassung des Anspruchs 1 zugefügten Merkmals nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich (G1/99). Es ist zu prüfen, ob die in G1/99 angeführten Voraussetzungen zutreffen.
4.6 G1/99 legt im Leitsatz fest, dass
"Grundsätzlich muss ein geänderter Anspruch, durch den der Einsprechende und alleinige Beschwerdeführer schlechter gestellt würde als ohne die Beschwerde, zurückgewiesen werden. Von diesem Grundsatz kann jedoch ausnahmsweise abgewichen werden, um einen im Beschwerdeverfahren vom Einsprechenden/Beschwerdeführer oder von der Kammer erhobenen Einwand auszuräumen, wenn andernfalls das in geändertem Umfang aufrechterhaltene Patent als unmittelbare Folge einer unzulässigen Änderung, die die Einspruchsabteilung in ihrer Zwischenentscheidung für gewährbar erachtet hatte, widerrufen müsste.
Unter diesen Umständen kann dem Patentinhaber/Beschwerdegegner zur Beseitigung des Mangels gestattet werden, folgendes zu beantragen:
- in erster Linie eine Änderung, durch die ein oder mehrere ursprünglich offenbarte Merkmale aufgenommen werden, die den Schutzbereich des Patents in der aufrechterhaltenen Fassung einschränken;
- falls eine solche Beschränkung nicht möglich ist, eine Änderung, durch die ein oder mehrere ursprünglich offenbarte Merkmale aufgenommen werden, die den Schutzbereich des Patents in der aufrechterhaltenen Fassung erweitern, ohne jedoch gegen Artikel 123(3) EPÜ zu verstoßen;
- erst wenn solche Änderungen nicht möglich sind, die Streichung der unzulässigen Änderung, sofern nicht gegen Artikel 123(3) EPÜ verstoßen wird."
4.7 Demzufolge ist in erster Linie eine Änderung in Betracht zu ziehen, durch die ein oder mehrere ursprünglich offenbarte Merkmale aufgenommen werden, die den Schutzbereich des Patents in der aufrechterhaltenen Fassung einschränken. Diese Möglichkeit besteht im vorliegenden Fall.
4.8 Der Schutzbereich des Anspruchs 1 könnte eingeschränkt werden, indem der Verbundstoff in nähere Beziehung zu den Kletthaken gebracht würde. Dies wäre dadurch möglich, dass nicht der Verbundstoff, sondern der gesamte Klettverschluss, bzw. Windelverschluss beansprucht würde. In diesem Fall wäre das Argument der Beschwerdegegnerin - welches in Bezug auf den Hauptantrag vorgebracht wurde - zutreffend, dass - wenn auch indirekt - klargestellt wäre, dass die ("alle") Kletthaken sowohl mit den oberflächlichen Schlaufen als auch mit den Schlaufen des Grundgeleges verankerbar seien, und daher alle Kletthaken geeignet wären, "tief" in den Verbundstoff (bis zum Grundgelege) einzugreifen. In diesem Fall würde die Einschränkung darin bestehen, dass nur exakt eine Art von Kletthaken im Klettverschluss vorliegen würde.
4.9 Da diese Möglichkeit der Änderung nicht ausgeschöpft wurde, kann der Hilfsantrag 1 nicht zugelassen werden. Die weiteren Optionen, welche in G1/99 genannt sind, kommen nicht in Frage solange diese erste Option nicht ausgeschöpft wurde. Sie sind daher hier nicht relevant.
4.10 Dem Argument der Beschwerdegegnerin, dass eine Aufnahme von Merkmalen des zweiten Teils des Klettverschlusses eine Erweiterung des Schutzbereiches bedeuten würde (d.h. gegen die Aufforderung der G1/99), kann nicht gefolgt werden. Auf "Kletthaken" ist bereits in Anspruch 1 Bezug genommen. Eine konkrete Eignung der Größe der Schlaufen und der Grundgelege durch Aufnahme von Haken in Anspruch 1 kann nur als eine Einschränkung des Schutzbereichs verstanden werden. Durch diese Einschränkung sind nur textile Substrate beansprucht, die mit den Haken zusammenwirken, die auf der anderen Seite des Klettverschlusses vorhanden sind - statt nur irgendwelche unbestimmte Haken.
4.11 Es mag zwar richtig sein, wie von der Beschwerdegegnerin vorgetragen, dass der entsprechende Hakenteil des Verschlusses auch jetzt unter den Anspruch fällt. Dies ist jedoch nur in Verbindung mit dem textilen Substrat des Klettverschlusses beansprucht, der weiter eingeschränkt wurde. Der Auffassung, dass der Schutzbereich sich dadurch erweitert hat, schließt sich die Kammer daher nicht an.
4.12 Das Argument der Beschwerdegegnerin, dass ein Verletzungsgegenstand durch eine mittelbare Verletzung vorliegen würde, die nicht beim erteilten Anspruch vorlag, überzeugt nicht. Es wurde nicht überzeugend dargelegt, dass eine (neue) mittelbare Verletzung vorliegen würde. Zudem funktioniert das definierte Substrat immer als Teil eines ein- oder mehrteiligen Klettverschlusses. Die Lieferung eines unter den erteilten Anspruch 1 geschützten Substrates ohne einen zweiten Teil des Klettverschlusses (oder ohne das zugehörige Objekt) würde deswegen gleichermaßen zu einer mittelbaren Verletzung führen.
4.13 Es würde sich auch nicht um einen Wechsel der Anspruchskategorie handeln, wie etwa dem Wechsel von einem beanspruchten Gegenstand zu einem beanspruchten Verfahren. Ganz im Gegenteil, durch eine Einschränkung des Verbundstoffes, derzufolge nur definierte "geeignete" Kletthaken Teil des Klettverschlusses sein könnten, würde gerade die Möglichkeit der mittelbaren Verletzung wesentlich eingeschränkt. Eine Erweiterung des Schutzbereiches würde somit im vorliegenden Fall nicht erfolgen, und Artikel 123(3) EPÜ wäre nicht verletzt.
4.14 Der vorliegende Gegenstand unterscheidet sich genau durch die Beeinflussung bzw. Wechselwirkung von Verbundstoff/Kletthaken und zu verschließendem Objekt vom Sachverhalt in den in der Rechtsprechung der Beschwerdekammern (7. Auflage 2013, II.E.2.1.3) diesbezüglich zitierten Entscheidungen.
T 1898/07 betraf den Fall, dass es kein Merkmal oder keine Funktion gab, welche eine Wechselwirkung zwischen Packung und flüssiger Zusammensetzung der zu verpackenden Zubereitung hergestellt hätten. Daher hat die Kammer entschieden, dass eine Erweiterung des Schutzbereiches bei einer derartigen Anspruchsformulierung zutraf.
Das galt auch für die Sachlage in T 352/04, welche ein Haarbehandlungsmittel betraf, wobei das zusätzliche Merkmal der zu verwendenden Sprühvorrichtung in keinem Zusammenhang mit der flüssigen Zusammensetzung des Haarbehandlungsmittels stand.
T 579/01 bezog sich auf einen lebenden Organismus, eine Pflanze, ausgehend von Zellen in einer Pflanze, wobei die Kammer zu dem Schluss kam, dass eine Pflanze immer aus Zellen besteht. Diese Thematik ist daher grundverschieden vom vorliegenden Fall.
4.15 Da ein geänderter Antrag prima facie und daher auch im Sinne von G1/99 gewährbar sein sollte, wurde dieser Antrag nicht zum Verfahren zugelassen (Artikel 13(1) VOBK).
5. Hilfsantrag 2
5.1 Auch dieser Hilfsantrag wurde während der mündlichen Verhandlung vorgelegt und stellt somit eine Änderung des Vorbringens der Beschwerdeführerin dar (Artikel 13(1) VOBK). Die Zulassung in das Verfahren liegt damit im Ermessen der Kammer wie bereits unter Punkt 1.1 ausgeführt.
5.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 betrifft einen Klettverschluss mit einem Verschlussband und mit einem Verbundstoff. Das Verschlussband ist seitlich an einer Windel befestigbar und weist an einem Ende Kletthaken auf. In Anspruch 1 sind die Kletthaken jeweils mit dem bestimmten Artikel versehen, so dass sich eindeutig die Zuordnung ergibt, dass sich die Kletthaken zusätzlich zu den oberflächlichen Schlaufen auch mit den das Grundgelege bildenden Garnen verhaken können.
5.3 Es bleibt jedoch undefiniert, wie und wo im/am Klettverschluss das Verschlussband, sowie wie und wo im/am Verschlussband die Kletthaken lokalisiert sind, woraus sich ein Einwand der mangelnden Klarheit ergibt. Dieser Definitionsmangel trägt zu der weiteren Unklarheit bei, nämlich der Frage, ob es sich bei dem Verschlussband und dem Verbundstoff um zwei separate, voneinander getrennte Einheiten oder um ein einteiliges Material mit beiden Eigenschaften handelt. Im Umfang des Anspruchs ist enthalten, dass der Klettverschluss auf einer Seite das Verschlussband mit Kletthaken (am Ende) aufweisen kann und auf der anderen Seite oder am anderen Ende den Verbundstoff, somit diese getrennten Funktionen alternativ oder wechselseitig vorhanden sein können. Ebenso sind weitere Komponenten des Klettverschlusses nicht ausgeschlossen, da der Klettverschluss lediglich "mit einem Verschlussband" und "mit einem Verbundstoff" definiert ist.
5.4 Dies ist so aber nicht offenbart. Die ursprünglich eingereichte Beschreibung, Seite 1, Zeilen 8 - 12 des Streitpatents offenbart, dass Streifen des Verbundstoffes (weiblicher Teil des Klettverschlusses) bei der Verwendung an Windeln auf dem vorderen Bündchenbereich der Windeln angebracht werden (also eine separate Einheit unabhängig von den Verschlussbändern darstellen), während die Verschlussbänder (männlicher Teil des Klettverschlusses) seitlich an den Windeln befestigt sind. Es ist also ein zweiteiliger Klettverschluss offenbart.
5.5 Die Offenbarung in diesem Absatz der Beschreibung stellt ferner klar, dass weitere Komponenten ausgeschlossen sind und der Klettverschluss lediglich aus diesen beiden Teilen besteht. Dieser Ausschluss weiterer Komponenten ergibt sich daraus, dass der Klettverschluss mittels der Verschlussbänder den Verbundstoff "vervollständigt":
"Mit Verschlussbändern, die seitlich an den Windeln befestigt sind und an ihrem freien Ende Kletthaken aufweisen, wird der Klettverschluss vervollständigt."
(Seite 1, Zeile 10 -12). Demnach ist offenbarungsgemäß ein einteiliger Klettverschluss ausgeschlossen, und der zweiteilige Klettverschluss besteht genau aus dem Verschlussband und dem Verbundstoff.
5.6 Die Kammer findet daher weder in der zitierten Passage noch an anderer Stelle der ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen eine eindeutige und zweifelsfreie Offenbarung für einen Klettverschluss, welcher lediglich einteilig ausgeführt sein könnte und damit eine Offenbarung eines Klettverschlusses in der Form des hinzugefügten Merkmals.
5.7 Das Argument der Beschwerdegegnerin ist nicht überzeugend, dass es für einen Fachmann abwegig wäre, einen Klettverschluss als einteilig zu interpretieren. Auch wenn im Stand der Technik überwiegend zweiteilige Klettverschlüsse mit Verschlussbändern (Haken) und Verbundstoff (Schlaufen) bekannt sind, so kann es keineswegs ausgeschlossen werden, dass Klettverschlüsse so konstruiert werden, dass auf einem Trägermaterial an alternierenden oder wechselseitigen Positionen die Haken bzw. Schlaufen angebracht werden, um beispielsweise mittels exakter Positionierung oder Einstellung, die jeweils erforderliche Funktion zu ermöglichen.
5.8 Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 erfüllt somit prima facie weder das Erfordernis des Artikels 84 EPÜ noch das Erfordernis des Artikels 123(2) EPÜ. Der Antrag ist in obigem Sinne nicht prima facie gewährbar und wurde folglich nicht in das Verfahren zugelassen (Artikel 13(1) VOBK).
6. Hilfsantrag 3
6.1 Auch dieser Hilfsantrag wurde während der mündlichen Verhandlung vorgelegt und stellt somit eine Änderung des Vorbringens der Beschwerdeführerin dar (Artikel 13(1) VOBK). Die Zulassung in das Verfahren liegt damit im Ermessen der Kammer wie bereits unter Punkt 1.1 ausgeführt.
6.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 betrifft einen Windelverschluss mit einem Verschlussband und mit einem Streifen eines Verbundstoffes.
6.3 Die ursprünglich eingereichte Beschreibung, Seite 1, Zeilen 8 - 12 des Streitpatents offenbart, wie die Verwendung an Windeln vorgesehen ist. Streifen des Verbundstoffes werden demzufolge auf dem vorderen Bündchenbereich der Windeln angebracht als Teil des Klettverschlusses bei Windeln. Mit Verschlussbändern, die seitlich an den Windeln befestigt sind und an ihrem freien Ende Kletthaken aufweisen, wird der Klettverschluss vervollständigt. Diese ursprünglich offenbarte Anwendung betrifft - wie bereits in Bezug auf Hilfsantrag 2 (siehe Punkt 5.3 oben) ausgeführt -, eine exakt zweiteilige Ausführung des Klettverschlusses. Diese Ausführungsform ist jedoch nicht in den Anspruchswortlaut übernommen.
6.4 Der offenbarte Wortlaut betrifft somit eine spezielle Ausführungsform, welche beinhaltet, dass es sich um mehrere Streifen des Verbundstoffes auf dem vorderen Bündchenbereich der Windel handelt, und dass die Verschlussbänder seitlich an den Windeln befestigt sind. Es wird jeweils die Pluralform offenbart, was darauf hinweist, dass zur Verwendung an Windeln jeweils mindestens zwei Verschlussbänder erforderlich sind (vermutlich seitlich rechts/links) und dazu mindestens zwei Streifen des Verbundstoffes auf dem vorderen Bündchenbereich der Windel vorhanden sein sollen.
6.5 Die Auffassung der Beschwerdegegnerin, dass es möglich sein sollte, lediglich einen seitlichen Windelverschluss zu beanspruchen, und daher von der Pluralform auf die jeweilige Singularform überzugehen, kann von der Kammer nicht geteilt werden. Dies ist nicht offenbart, während die Offenbarung auch die Verwendung von seitlichen Verschlussbändern (mehreren an einer Seite) mit mehreren Streifen des Verbundstoffes auf dem vorderen Bündchenbereich der Windeln umfasst.
6.6 Auch trifft es weiter zu, dass die Offenbarung in diesem Absatz der Beschreibung klar darstellt, dass weitere Komponenten ausgeschlossen sind und der Klettverschluss lediglich aus diesen beiden Teilen besteht (siehe Punkt 5.5 oben), wobei der Klettverschluss vervollständigt wird durch die Verschlussbänder, die seitlich an den Windeln befestigt sind und und an ihrem freien Ende Kletthaken aufweisen.
6.7 Es gibt in den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen keine eindeutige und zweifelsfreie Offenbarung für einen einteiligen Windelverschluss. Es liegt daher keine Offenbarung eines Windelverschlusses in der hier beanspruchten Form vor.
Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 erfüllt somit wenigstens prima facie nicht das Erfordernis des Artikels 123(2) EPÜ. Der Antrag ist in obigem Sinne nicht prima facie gewährbar und wurde folglich nicht in das Verfahren zugelassen (Artikel 13(1) VOBK).
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.