T 0509/13 24-11-2017
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Garverfahren zum Kochen oder Pochieren in einem Tiegel
Rational AG
FRIMA-T SAS
Zulässigkeit der Beschwerde - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Mischung technischer und nichttechnischer Merkmale
Spät eingereichte Hilfsanträge - Antrag eindeutig gewährbar (nein)
I. Die Beschwerdeführerin-Einsprechende hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, die am 18. Dezember 2012 zur Post gegeben wurde und mit der der Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 1716795 aufgrund des Artikels 101 (2) EPÜ zurückgewiesen worden ist, die am 22. Februar 2013 eingegangene Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdegebühr wurde gleichzeitig entrichtet. Die Beschwerdebegründung ist am 29. April 2013 eingegangen.
II. Die Beschwerdeführerin-Einsprechende hatte gegen das erteilte Patent Einspruch erhoben und beantragt, das gesamte Patent unter anderem wegen mangelnder erfinderischen Tätigkeit (Einspruchsgrund nach Artikel 100(a) in Verbindung mit Artikeln 52(1) und 56 EPÜ) zu widerrufen. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass keine der in Artikel 100 EPÜ genannten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt entgegenstünden. Unter anderem war sie der Auffassung (siehe Entscheidung Seiten 7 und 8), dass der Gegenstand des Anspruchs 1 wie erteilt gegenüber dem folgenden Dokument mit dem allgemeinen Fachwissen des Fachmanns erfinderisch war:
E1: Bedienungsanleitung Thermojet, Version 01/1999, von der Firma Frima, Landsberg am Lech, Deutschland.
III. Am 24. November 2017 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.
IV. Die Beschwerdeführerin-Einsprechende beantragt, die angefochtenen Entscheidung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.
V. Die Beschwerdegegnerin-Patentinhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent wie erteilt aufrechtzuerhalten, als Hauptantrag, hilfsweise beantragt sie die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents im Umfang eines der Hilfsanträge I, eingereicht als Hilfsantrag II mit Schreiben vom 5. September 2013, oder II bis V, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer.
VI. Der unabhängige Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
Hauptantrag (wie erteilt):
"Garverfahren für eine Garvorrichtung mit zumindest einem ersten Garbehälter, wie in Form eines Tiegels oder dergleichen, der zumindest teilweise mit einem fluiden Garmedium, insbesondere umfassend Wasser oder Milch, gefüllt werden kann, damit Gargut im Garmedium gegart, insbesondere gekocht oder pochiert, werden kann, gekennzeichnet durch folgende Schritte:
- Auswählen eines halb- oder vollautomatischen Garens durch eine Bedienperson,
- Auswählen eines Garguts und/oder eines Garprozesses durch eine Bedienperson,
- automatisches Befüllen des ersten Garbehälters mit Garmedium in einer in Abhängigkeit von dem ausgewählten Gargut und/oder dem ausgewählten Garprozeß bestimmten Menge,
- automatisches Aufheizen des Garmediums in dem ersten Garbehälter auf eine in Abhängigkeit von dem ausgewählten Gargut und/oder dem ausgewählten Garprozeß bestimmten Temperatur,
- automatisches Einführen von Gargut in das aufgeheizte Garmedium,
- automatisches Garen des Garguts in dem aufgeheizten Garmedium in Abhängigkeit von dem ausgewählten Gargut und/oder dem ausgewählten Garprozeß, und
- automatisches Entfernen des gegarten Garguts aus dem Garmedium."
Hilfsantrag I
Anspruch 1 entspricht Anspruch 1 des Hauptantrags, wobei aber nach den Worten
"-automatisches Einführen von Gargut in das aufgeheizte Garmedium" die folgenden Worte hinzugefügt wurden:
", wobei ein automatisches Auffordern zum Beladen eines relativ zu dem ersten Garbehälter beweglichen Teils der Garvorrichtung mit Gargut über die Anzeige- und Bedieneinrichtung der Garvorrichtung, insbesondere nach Erreichen der bestimmten Temperatur im Garmedium, erfolgt," und nach den Worten
"- automatisches Entfernen des gegarten Garguts aus dem Garmedium"
die folgenden Worte hinzugefügt wurden:
", wobei ein automatisches Auffordern zum Entladen des relativ zu dem ersten Garbehälter beweglichen Teils der Garvorrichtung von Gargut über die Anzeige- und Bedieneinrichtung der Garvorrichtung erfolgt, insbesondere nach Verstreichen einer in Abhängigkeit von den ausgewählten Gargut und/oder dem ausgewählten Garprozess bestimmten Garzeit und/oder nach Erreichen einer in Abhängigkeit von dem ausgewählten Gargut und/oder dem ausgewählten Garprozess bestimmten Kerntemperatur des Garguts".
Hilfsantrag II
Anspruch 1 entspricht Anspruch 1 des Hilfsantrags I, wobei in den Merkmalen:
"automatisches Einführen von Gargut in das aufgeheizte Garmedium, wobei ein automatisches Auffordern zum Beladen eines relativ zu dem ersten Gärbehälter beweglichen Teils der Garvorrichtung mit Gargut über die Anzeige- und Bedieneinrichtung der Garvorrichtung, insbesondere nach Erreichen der bestimmten Temperatur im Garmedium, erfolgt" und
"-automatisches Entfernen des gegarten Garguts aus dem Garmedium, wobei ein automatisches Auffordern zum Entladen des relativ zu dem ersten Gärbehälter beweglichen Teils der Garvorrichtung von Gargut über die Anzeige- und Bedieneinrichtung der Garvorrichtung erfolgt, insbesondere nach Verstreichen einer in Abhängigkeit von den ausgewählten Gargut und/oder dem ausgewählten Garprozess bestimmten Garzeit und/oder nach Erreichen einer in Abhängigkeit von dem ausgewählten Gargut und/oder dem ausgewählten Garprozess bestimmten Kerntemperatur des Garguts", das Wort "insbesondere" jeweils gestrichen wurde.
Hilfsantrag III
Anspruch 1 entspricht Anspruch 1 des Hilfsantrags II, wobei in dem letzten Merkmal der erste Merkmalsteil "nach Verstreichen einer in Abhängigkeit von den ausgewählten Gargut und/oder dem ausgewählten Garprozess bestimmten Garzeit und/oder" gestrichen wurde. Damit hat das letzte Merkmal hat den Wortlaut:
"-automatisches Entfernen des gegarten Garguts aus dem Garmedium, wobei ein automatisches Auffordern zum Entladen des relativ zu dem ersten Gärbehälter beweglichen Teils der Garvorrichtung von Gargut über die Anzeige- und Bedieneinrichtung der Garvorrichtung erfolgt, nach Erreichen einer in Abhängigkeit von dem ausgewählten Gargut und/oder dem ausgewählten Garprozess bestimmten Kerntemperatur des Garguts"
Hilfsantrag IV
Anspruch 1 enthält alle Merkmale des Hilfsantrags II, wobei manche Merkmale in einer anderen Reihenfolge aufgelistet sind, so dass Anspruch 1 den folgenden Wortlaut hat:
"Garverfahren für eine Garvorrichtung mit zumindest einem ersten Garbehälter, wie in Form eines Tiegels oder dergleichen, der zumindest teilweise mit einem fluiden Garmedium, insbesondere umfassend Wasser oder Milch, gefüllt werden kann, damit Gargut im Garmedium gegart, insbesondere gekocht oder pochiert, werden kann, gekennzeichnet durch folgende Schritte:
- Auswählen eines halb- oder vollautomatischen Garens durch eine Bedienperson,
- Auswählen eines Garguts und/oder eines Garprozesses durch eine Bedienperson,
- automatisches Befüllen des ersten Garbehälters mit Garmedium in einer in Abhängigkeit von dem ausgewählten Gargut und/oder dem ausgewählten Garprozeß bestimmten Menge,
- automatisches Aufheizen des Garmediums in dem ersten Garbehälter auf eine in Abhängigkeit von dem ausgewählten Gargut und/oder dem ausgewählten Garprozeß bestimmten Temperatur,
- automatisches Einführen von Gargut in das aufgeheizte Garmedium,
- automatisches Garen des Garguts in dem aufgeheizten Garmedium in Abhängigkeit von dem ausgewählten Gargut und/oder dem ausgewählten Garprozeß, und
- automatisches Entfernen des gegarten Garguts aus dem Garmedium, wobei folgende Schritte vorgesehen sind:
- automatisches Auffordern zum Beladen eines relativ zu dem ersten Garbehälter beweglichen Teils der Garvorrichtung mit Gargut über die Anzeige- und Bedieneinrichtung der Garvorrichtung, nach Erreichen der bestimmten Temperatur im Garmedium,
- automatisches Auffordern zum Entladen des relativ zu dem ersten Garbehälter beweglichen Teils der Garvorrichtung von Gargut über die Anzeige- und Bedieneinrichtung der Garvorrichtung nach Verstreichen einer in Abhängigkeit von dem ausgewählten Gargut und/oder dem ausgewählten Garprozeß bestimmten Garzeit und/oder nach Erreichen einer in Abhängigkeit von dem ausgewählten Gargut und/oder dem ausgewählten Garprozeß bestimmten Kerntemperatur des Garguts".
Hilfsantrag V
Anspruch 1 entspricht Anspruch 1 des Hilfsantrags IV, wobei in dem letzten Merkmal die Worten "nach Verstreichen einer in Abhängigkeit von dem ausgewählten Gargut und/oder dem ausgewählten Garprozess bestimmten Garzeit und/oder" gestrichen wurden, sodass das letzte Merkmal lautet:
"- automatisches Auffordern zum Entladen des relativ zu dem ersten Garbehälter beweglichen Teils der Garvorrichtung von Gargut über die Anzeige- und Bedieneinrichtung der Garvorrichtung nach Erreichen einer in Abhängigkeit von dem ausgewählten Gargut und/oder dem ausgewählten Garprozeß bestimmten Kerntemperatur des Garguts".
VII. Die Beschwerdeführerin- Einsprechende hat folgende Argumente vorgetragen:
Die Beschwerde sei zulässig, weil sie weiterhin auf dem Einspruchsgrund der erfinderischen Tätigkeit basiert sei.
Erfinderische Tätigkeit:
Hauptantrag
Das Anspruchswort "automatisch" sei breit zu interpretieren und schließe einige Tätikeiten der Bedienperson nicht aus. U.a. offenbare E1 den Schritt F (-automatisches Befüllen...). Daher mangelte Anspruch 1 an erfinderischer Tätigkeit.
Hilfsantrag I, II und IV
Die zu Anspruch 1 hinzugefügten Merkmale seien aus E1 bekannt. Daher sei der Gegenstand des Anspruchs 1 naheliegend.
Hilfsanträge III und V
Das Merkmal "Kerntemperatur" sei aus E1 bekannt. Daher mangelte Anspruch 1, wie bei den anderen Hilfsanträgen, an erfinderischer Tätigkeit.
VIII. Die Beschwerdegegnerin-Patentinhaberin hat folgende Argumente vorgetragen:
Die Beschwerde sei unzulässig da sie auf neuen Beweismitteln basiert sei.
Erfinderische Tätigkeit
Hauptantrag
Im Anspruch würden die "automatischen" Schritte völlig unabhängig von der Bedienperson ausgeführt.
Die Merkmale "F" (-automatisches Befüllen...) und G (automatisches Aufheizen...) seien nicht aus E1 bekannt, da in E1 Befüllen, mit der Zusatzfunktion "Frimadose", sowie Aufheizen per Hand gestartet würden. Der Fachmann würde dies nicht ändern, da die Automatisierung solcher Schritte im Zusammenhang mit Küchengeräten zu gefährlich sei.
Hilfsanträge I, II und IV
Die Aufforderungen in Anspruch 1 einen Teil zu beladen bzw. zu entladen, seien nicht aus E1 bekannt und auch nicht nahegelegt. Diese Aufforderungen würden explizite Signale an die Bedienperson entnhalten, die keine Interpretation bräuchten wie z.B. Figur 5 der Patentschrift, Kästchen 14a, zeige, und daher seien sie technische Merkmale. Die Aufforderungsmerkmale seien nicht offensichtlich gegenüber E1.
Hilfsanträge III und V
Die Hilfsanträge seien zuzulassen, da sie die Diskussion auf das Merkmal "Kerntemperatur" konzentrierten und das Merkmal im Zusammenhang mit den anderen Schritten des Anspruchs nicht naheliegend sei.
1. Zulässigkeit der Beschwerde
1.1 Die Beschwerdegegnerin-Patentinhaberin hat geltend gemacht, dass die Beschwerde unzulässig sei, da sie ausschließlich auf neuen Beweismitteln (E8 bis E10) basiere, die erst mit der Beschwerdebegründung eingereicht worden seien. Die neuen Beweismittel seien aus einem anderen technischen Gebiet. Daher leiteten sie das Verfahren in eine ganz neue Richtung, was nicht zulässig wäre.
1.2 Die angefochtene Entscheidung ist nach Artikel 106 EPÜ anfechtbar und die Beschwerdeführerin-Einsprechende hat innerhalb der vorgeschriebenen Frist Beschwerde eingelegt und diese begründet, sodass alle formellen Anforderungen des Artikels 108 und Regel 99 EPÜ erfüllt worden sind.
1.3 Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA 8. Auflage 2016, (RdBK) IV.E.2.6.5 a) und die darin zitierten Entscheidungen, insbesondere T 611/90 Entscheidungsgründe Punkt 2), ist eine Beschwerde, die einen völlig anderen Sachverhalt als den der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden einführt - vorbehaltlich sonstiger Mängel - dann zulässig, wenn sie sich noch auf denselben Einspruchsgrund stützt.
1.4 Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin- Einsprechende zwar neue Argumente auf Basis von neuen Dokumenten vorgetragen, dennoch bleiben die Einspruchsgründe (u.a. fehlende erfinderische Tätigkeit, Artikel 100(a) EPÜ), unverändert.
1.5 Außerdem bleibt der Ausgangspunkt (Dokument E1) der Beschwerdeführerin-Einsprechenden bei ihrer Argumentation gegen erfinderische Tätigkeit gleich (vgl. Beschwerdebegründung, Seite 1, Seite 5, letzter Absatz, Seite 7, letzter Absatz, Seite 8, zweiter Absatz und die angefochtene Entscheidung, Seite 6, vorletzter Absatz), daher ist der Sachverhalt im Vergleich zu dem des Einspruchsverfahrens kein völlig anderer, unabhängig davon, ob die neu zitierten Dokumente (E8 bis E10) zu einem anderen technischen Gebiet gehören oder nicht.
1.6 Die Kammer sieht auch keine "sonstigen Mängel" in der Beschwerde, die die Zulässigkeit der Beschwerde in Frage stellen könnten. Folglich entscheidet die Kammer, dass die Beschwerde zulässig ist.
2. Das Patent betrifft ein Garverfahren für eine Garvorrichtung mit einem Garbehälter, der mit einem fluiden Garmedium gefüllt werden kann (Patentschrift Absatz [0001] und Anspruch 1 in all seinen Fassungen). Solche Garverfahren sind im Stand der Technik bekannt (Patentschrift Absatz [0002]). Die in der Patentschrift genannte Aufgabe ist es, ein solches Garverfahren zu konzipieren, sodass auch ungelernte Bedienpersonen qualitativ hochwertige Speisen herstellen können (Patentschrift Absatz [0005]).
3. Hauptantrag Anspruch 1 - erfinderische Tätigkeit
3.1 Auslegung des Anspruchs
3.1.1 Einige Schritte des beanspruchten Verfahrens erfordern eine Eingabe der Bedienperson (z.B. das Auswählen eines Garguts/eines Garprozesses), während andere Schritte als "automatisch" definiert sind. Zusätzlich definiert ein Schritt des Anspruchs, dass die Bedienperson halb- oder vollautomatisches Garen auswählen muss. Daher kommt bei der Auslegung des Anspruchwortlauts dem Wort "Automatisch" eine zentrale Bedeutung zu.
3.1.2 Diese Auslegung erfolgt nach den aus der Rechtsprechung bekannten Grundsätzen. So legt der Fachmann, der bemüht ist, die beanspruchte Erfindung und ihren Beitrag technisch zu verstehen, einen Anspruch auf eine technisch sinnvolle Weise und unter Berücksichtigung der gesamten Offenbarung des Patentes aus. Dies soll lediglich heißen, dass technisch unsinnige Auslegungen ausgeschlossen werden sollten. Für einen zum Verständnis bereiten Leser müsse ein breiter Ausdruck nicht enger ausgelegt werden (siehe dazu die Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 8. Auflage, 2016 (RdBK), II.A.6.1). Dazu gibt er den verwendeten Begriffen ihre übliche Bedeutung, es sei denn, die Beschreibung weist ihnen einen anderen, besonderen Sinn zu (RdBK, II.A.6.3.3).
Die übliche Bedeutung von "Automatisch" ist "durch Selbststeuerung oder Selbstregelung erfolgend"
(siehe den Duden). Daher sieht die Kammer die individuellen Schritte, denen das Wort "automatisch" vorangestellt ist, als selbstgesteuert, sodass sie ohne Eingriff der Bedienperson durchgeführt werden können.
3.1.3 Die Kammer stimmt jedoch nicht mit der Beschwerdegegnerin-Patentinhaberin überein, dass dies bedeutet, dass sie zwangsläufig von selbst, ohne den Eingriff der Bedienperson, starten müssen und dass bei einer Reihe von beanspruchten Schritten (z.B. Befüllen, Aufheizen, Einführen) ein automatischer Schritt von dem vorherigen Schritt automatisch gestartet wird, und zwar zwangsläufig ohne Intervention der Bedienperson.
3.1.4 Der Patentanspruch selbst enthält keine Angaben, wie das Verfahren von einem Schritt zum nächsten übergeht. Somit wäre eine Interpretation des Anspruchs, wonach mögliche (automatische oder nicht automatische) Zwischenschritte ausgeschlossen wären, zu eng. Weiterhin wäre eine solche enge Auslegung des Anspruchs nicht kompatibel mit beispielsweise dem Zwischenschritt des abhängigen Anspruchs 4, der impliziert, dass nach dem Schritt des automatischen Aufheizens des Garmediums und vor dem Schritt des automatischen Einführens des Garguts in das Garmedium die Bedienperson einen Behälter mit Gargut beladen muss. Weiterhin ist es auch nicht bestritten, dass das Verfahren manuell unterbrochen werden kann (vgl. Patentschrift, Anspruch 12 und Absatz [0023]). Nach Ansicht der Kammer impliziert dies wiederum, dass auch automatische Schritte unter Umständen manuell neu gestartet werden müssen. Folglich ist eine enge Auslegung des Anspruchs, wonach Schritte, die als "automatisch" definiert sind von selbst starten, nicht aus dem erteilten Anspruchsatz ableitbar.
3.1.5 Nach Ansicht der Kammer kann eine solch enge Auslegung des Anspruchs auch nicht aus der Beschreibung abgeleitet werden. Gemäß der einzigen beschriebenen Ausführungsform (Patentschrift Absätze [0021] bis [0025]) wird, analog zum Anspruch, zuerst ein Gargut und Garprozess ausgewählt (Absätze [0023] und [0024]). Das Garverfahren beginnt (siehe Patentschrift, Seite 4, Zeilen 27 bis 28) aber nur unmittelbar nach der Bestätigung der Auswahl (von Gargut/Garprozess) automatisch abzulaufen, und zwar mit dem Einfüllen vom Wasser im Tiegel. Diese Bestätigung kann nur von der Bedienperson kommen. Mit anderen Worten wird der erste Schritt des automatischen Garverfahrens - das automatische Befüllen des Garbehälters - manuell gestartet. Das gleiche gilt für das automatische Senken eines Garkorbs in das Wasser, der das automatische Einführen von Gargut in das Garmedium des Anspruchs entspricht. Der Garkorb senkt sich zwar automatisch in das Wasser (Patentschrift, Seite 4, Zeilen 35 bis 37), der Senkvorgang wird aber von der Bedienperson manuell gestartet, indem sie bestätigt, dass sie den Korb mit Eiern befüllt hat (Seite 4, Zeilen 34 bis 35).
3.1.6 Folglich interpretiert die Kammer den Patentanspruch so, dass er bestimmte selbstregelnde Schritte definiert (die, die als automatisch bezeichnet sind), jedoch nicht, dass diese Schritte unbedingt von selbst starten müssen oder dass ein automatischer Schritt den darauffolgenden automatischen Schritt zwangsläufig ohne Handlung der Bedienperson herbeirufen muss.
3.2 E1 ist der einzige Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit, die in der angefochtenen Entscheidung und von der Beschwerdeführerin im vorliegenden Verfahren erörtert wurde.
3.3 E1 ist eine Bedienungsanleitung für eine Garvorrichtung ("Thermojet", siehe z.B. Seite 1) mit Gebrauchsanweisungen (siehe z.B. Seiten 19 bis 21). Folglich offenbart E1 ein Garverfahren für eine Garvorrichtung.
3.4 Die Thermojet Garvorrichtung hat einen Garbehälter in Form eines Tiegels für ein fluides Medium, z.B. Wasser (Seite 6, Figuren, Tiegel b, Kalt- und Warmwasserhähne h) in dem gegart z.B. gekocht werden kann (siehe z.B. Seite 19, Betriebsart Kochkorb).
3.5 Das Garverfahren der E1 hat die folgenden Schritte:
Ein Garprozess (Betriebsart in den Worten von E1) wird von der Bedienperson manuell ausgewählt (Seite 11, "Wählen einer Funktion oder Betriebsart", Betriebsarten ab Seite 15)), wobei bei bestimmten Garprozessen einige Schritte automatisch oder zum Teil automatisch ausgeführt werden (siehe z.B. Betriebsart "Kochkorb", Seite 19, Vorheizen, Garvorgang, Ende des Garvorgangs). Daher offenbart E1 die Schritte des Auswählens eines zumindest halbautomatischen Garens sowie eines Garprozesses durch eine Bedienperson.
3.6 Aus den folgenden Gründen vertritt die Kammer die Auffassung, dass E1 offenbart, dass der Tiegel mit dem Garmedium (Wasser) automatisch befüllt wird, jedoch nicht, wie beansprucht, mit einer vom Gargut bzw. Garprozess abhängigen Menge des Garmediums.
Um den Tiegel mit Wasser zu befüllen, verwendet E1 eine Zusatzfunktion namens "Frimadose" (Seiten 41 bis 42), die bei gewissen Betriebsarten des Thermojets der Bedienperson zur Verfügung steht, wie es z.B. bei der Betriebsart "Kochkorb" der Fall ist (Seite 19, Zeilen 6 bis 7, Seite 35, 4. Aufzählungspunkt).
3.7 Die Kammer stimmt mit der Beschwerdeführerin-Patentinhaberin überein, dass die Frimadosenfunktion nicht innerhalb eines Garprozesses von selbst startet oder eingeleitet wird. Zuerst erfordert die Verwendung von Frimadose Vorbereitungsschritte (Wasserhähne öffnen/Schlauchbrause positionieren, siehe Seite 42, erster Aufzählungspunkt). Um Frimadose zu starten, muss die Frimadosentaste auch zweimal betätigt werden: Beim ersten Mal wird eine voreingestellte Füllmenge angezeigt, wenn die Taste ein zweites Mal betätigt wird, wird diese (oder eine andere, von der Bedienperson ausgewählte) Füllmenge bestätigt.
3.8 Allerdings geschieht, einmal auf diese Weise gestartet, das Füllen, ohne dass die Bedienperson eingreifen muss, bis das vorprogrammierte Füllvolumen erreicht ist (siehe Seite 41, ganz unten: "Das Zeichnen + im Display zeigt an, dass der Zähler läuft" und Seite 42, 2. Aufzählungspunkt, "Wenn der Wert 000 ereicht ist, wird die Wasserzufuhr gestoppt"). Daher läuft das Befüllen von selbst ab, bis es von selbst aufhört.
3.9 Unter Hinweis auf die Auslegung des Wortes "automatisch" im Anspruch, läuft der in E1 beschriebene Befüllungsprozess daher auch automatisch ab. In dieser Hinsicht ist es nicht relevant, wie aufwendig die Vorbereitung auf die Verwendung der "Frimadose" sein mag (Wasserhähne öffnen usw.), oder dass eine Taste zweimal betätigt werden muss, um die Frimadosenfunktion zu starten. Relevant ist nur, dass die Befüllung von selbst abläuft, bis sie von selbst aufhört und daher automatisch ist.
Ob, wie die Beschwerdegegnerin-Patentinhaberin behauptet, aus Sicherheitsgründen ein technisches Vorurteil gegen das automatische Befüllen eines Tiegels einer Garvorrichtung mit Wasser zum Einreichungsdatum des Patents existierte, kann dahingestellt bleiben, da E1, wie oben erläutert, ein solches automatisches Befüllen (mit Frimadose) offenbart.
3.10 Allerdings offenbart E1 nicht, dass (wie beansprucht) die durch die Frimadose automatisch aufgefüllte Menge des Garmediums (Wasser) von dem Gargut bzw. dem ausgewählten Garprozess abhängig ist. Die Frimadosenfunktion füllt den Tiegel entweder mit einer thermojetmodellabhängigen Wassermenge (es werden 50L bei dem Thermojet 110 und 90 Liter bei dem größeren Thermojet 200-Modell voreingestellt, siehe Seite 41, rechte Spalte) oder mit einer von der Bedienperson ausgewählten Wassermenge (siehe Seite 41, linke Spalte, vorletzter Aufzählungspunkt).
3.11 Entgegen der Meinung der Beschwerdegegnerin-Patentinhaberin, vertritt die Kammer die Auffassung, dass E1 den beanspruchten Schritt des automatischen Aufheizens des Garmediums offenbart (von den Parteien als Merkmal G bezeichnet).
3.11.1 Für jeden Garprozess hat der Thermojet der E1 eine Temperaturgrundeinstellung (siehe z.B. Seite 19, Zeilen 1 bis 3, Betriebsart Kochkorb - Garflüssigkeitstemperatur 97 °, Seite 34, Betriebsart NT Korb Flüssigkeitstemperatur 80 ° C). Wenn diese Grundeinstellung nicht "bei Bedarf" von der Bedienperson geändert wird (siehe z.B. Seite 34, Zeilen 4 bis 5 und Seite 13, Zeilen 1 bis 4), wird das Garmedium auf diese Temperatur aufgeheizt. Daher bestimmt der ausgewählte Garprozess die Endtemperatur des Garmediums. Außerdem heizt der Thermojet der E1 das Garmedium - ohne Einwirkung der Bedienperson - auf, bis das Garmedium die voreingestellte Endtemperatur erreicht. Die Bedienperson muss nur warten, bis ihr das Gerät von selbst zeigt (mit einem akustischen Signal), dass die Endtemperatur erreicht und das Gerät zum Garen einsetzbar ist (siehe z.B. Seite 19, erste bis dritte Aufzählungspunkte). Daher geschieht das Aufheizen auch "automatisch". Wie bei dem vorherigen Anspruchsmerkmal (F) bei der obigen Auslegung des Wortes "automatisch" (siehe oben, Punkt 3.1) spielt es hier keine Rolle, dass E1 das manuelle Starten des Heizvorganges offenbart (Seite 19, Seilen 9 bis 10 "Heizen Sie das Gerät vor ... ").
3.12 Die Kammer ist der Ansicht, dass E1 auch die übrigen Anspruchsmerkmale offenbart.
3.12.1 Das Gargut wird automatisch in ein aufgeheiztes Garmedium hineingeführt (Seite 19, 2. und 4. Aufzählungspunkt, "die Körbe werden automatisch in den Tiegel abgesenkt").
3.12.2 Danach wird das Gargut gemäß den programmierten Bedingungen (Temperatur, Zeit) gegart, ohne dass die Bedienperson eingreifen muss (Seite 19, 5. Aufzählungspunkt). Demzufolge wird das Gargut nach dem ausgewählten Garprozeß "automatisch" gegart.
3.12.3 Schließlich wird das gegarte Gargut aus dem Garmedium (nach Ablauf der Garzeit) automatisch entfernt, indem der Korb automatisch angehoben wird (Seite 20, 1. Aufzählungspunkt).
3.13 Aus dem Vorstehenden ist das Merkmal, wonach die Füllmenge des Garmediums abhängig von Gargut oder Garprozess ist (in dem Anspruchsmerkmal F), der einzige Unterschied zwischen dem Gegenstand von Anspruch 1 und E1.
3.14 Wie bereits erwähnt, soll das Patent ermöglichen, dass auch ungelernte Bedienpersonen qualitativ hochwertige Lebensmittel herstellen können (Patentschrift Absatz [0005]). Teillösungen für diese Aufgabe werden bereits in E1 vorgeschlagen (z.B. durch Programme, die das Garverfahren, Temperatur und Garzeit, voreinstellen, siehe Seite 45, letzten Aufzählungspunkt und Seite 51).
Durch das Unterschiedsmerkmal muss, im Gegensatz zum Kochen mit Thermojet, die Bedienperson nicht entscheiden, mit wie viel Garmedium sie den Tiegel auffüllen soll. So wird sie von einer Entscheidung entlastet.
3.15 Daher kann, nach Ansicht der Kammer, die objektive technische Aufgabe so formuliert werden: wie das Garverfahren von E1 zu modifizieren ist, um die Fähigkeit von ungelernten Bedienpersonen zur Herstellung qualitativ hochwertiger Lebensmittel weiter zu steigern.
3.16 Nach Ansicht der Kammer ist hier der betreffende Fachmann ein Ingenieur, der auf die Herstellung von Kochvorrichtungen spezialisiert ist, weil der Anspruch nicht auf irgendein bestimmtes Garverfahren, sondern auf ein Garverfahren für eine Garvorrichtung gerichtet ist. Daher muss der Fachmann ein Ingenieur mit Kenntnis derartiger Vorrichtungen sein und nicht, wie die Beschwerdegegnerin-Patentinhaberin vorgeschlagen hat, ein reiner Ökotrophologe, mit anderen Worten ein Haushalts- und Ernährungswissenschaftler.
Jedoch stimmt die Kammer mit der Beschwerdegegnerin-Patentinhaberin überein, dass der Fachmann nicht nur von Kochvorrichtungen, sondern auch von Herstellungsprozessen von Speisen mit solchen Vorrichtungen, einschließlich der Art und Weise, wie Küchenpersonal solche Geräte dabei bedient, Kenntnis haben muss. So weiß er, welche Aufgaben bei der Bedienung einer Garvorrichtung ungelerntem Küchenpersonal Schwierigkeiten bereiten könnten.
Angesichts der objektiven technischen Aufgabe (Steigerung der Fähigkeiten von ungelernten Bedienpersonen, Lebensmittel vorzubereiten) würde dieser Fachmann Situationen bei der Vorbereitung von Speisen mit dem Thermojet, in denen eine solche Bedienperson ihre Bestimmungsfähigkeit einsetzen müsste, versuchen zu vermeiden, da der Fachmann weiß, dass solche Situationen die Gefahr erhöhen, dass die Bedienperson Fehler machen könnte.
3.17 Eine solche Situation ergibt sich, nachdem die Bedienperson einen Garprozess ausgewählt hat. Sie muss die Bedienanleitung (E1) konsultieren, um zu sehen, welche Tiegelfüllmarkierung für den ausgewählten Garprozess geeignet ist (z.B. die mittlere von drei Markierungen bei Betriebsart "Kochkorb", dagegen bei Betriebsart Druck bis zur oberen, siehe E1, Seiten 19, oben, und 27, Figuren). Die Bedienperson muss die benötigte Wassermenge in Litern bestimmen, damit sie den Tiegel mit Hilfe der Frimadosenfunktion bis zur entsprechenden Füllmarkierung befüllen kann (vgl. Seite 41, letzten drei Aufzählungszeichen).
3.18 Angesichts der technischen Aufgabe wäre es für den Fachmann naheliegend, die Bedienperson um den oberen Bestimmungsschritt (Wassermenge) zu entlasten, sodass die grundeingestellte Wassermenge der Frimadosenfunktion nicht (nur) von dem Thermojetmodell (vgl. Seite 41, rechte Spalte), sondern (ggf. auch) von dem Garprozess abhängig und in Übereinstimmung mit den bereits vorhandenen Markierungen wäre.
Dafür hat der Fachmann alles, was er braucht. Von seinem allgemeinen Fachwissen weiß er, wie die Frimadosenfunktion mit einer grundeingestellten Wassermenge zu programmieren ist - dies hat er schon getan. Außerdem weiß er, welche Wassermengen die verschiedenen Garprozesse als Grundeinstellung brauchen, da sie in E1 bereits angegeben sind (siehe z.B. Seiten 19 und 27, Figuren).
3.19 Somit würde der Fachmann, ausgehend von E1 und unter Heranziehung seines allgemeinen Fachwissens, auf naheliegende Weise zu dem Unterschiedsmerkmal des Anspruchs gelangen. Folglich beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, und daher muss der Hauptantrag scheitern.
4. Hilfsantrag I - erfinderische Tätigkeit
4.1 Im vorliegenden Fall ist die Kammer der Ansicht, dass die im Vergleich zum Hauptantrag hinzugefügten Merkmale des Anspruchs (die 5. und 7. Aufzählungszeichen d.h. 5. und 7. Merkmale mit Bindestrich) nicht- technische Merkmale enthalten.
4.1.1 Nach Auffassung der Kammer ist der technische Inhalt des 5. Aufzählungszeichen: "ein automatisches Auffordern zum Beladen eines relativ zu dem ersten Garbehälter beweglichen Teils der Garvorrichtung mit Gargut über die Anzeige- und Bedieneinrichtung der Garvorrichtung, insbesondere nach Erreichen der bestimmten Temperatur im Garmedium, erfolgt" lediglich die implizierte automatische Erzeugung eines Signals, das von der Bedienperson wahrgenommen werden kann, und dass das Signal über die Anzeige- und Bedieneinrichtung der Garvorrichtung erzeugt wird, wobei das (technische) Merkmal "nach Erreichen der bestimmten Temperatur..." dem Wort "insbesondere" folgt und daher fakultativ ist.
Dahingegen definiert der Anspruch nicht, welche Form das (implizierte) Aufforderungssignal annehmen soll, geschweige denn eine spezielle technische Funktionsweise eines Signalerzeugers, wodurch explizite Aufforderungen an die Bedienperson kommuniziert werden könnten, wie zum Beispiel ein Textfeld mit einer bestimmten schriftlichen Aufforderung (vgl. Patentschrift, Figur 5, Informationselement 14a "charger"). Vielmehr bleibt das im Anspruch implizierte Signal völlig undefiniert, außer dass es über die Anzeige- und Bedieneinrichtung der Garvorrichtung erfolgen soll. In seiner breitesten Form könnte es daher beispielsweise ein von einem Summer erzeugtes akustisches Signal oder ein von einer Lampe erzeugtes optisches Signal sein.
Dass die Erzeugung eines solchen implizierten Aufforderungssignals anspruchsgemäß bei der Bedienperson einen besonderen Gedanken auslösen soll, nämlich die Aufforderung, ein bewegliches Teil mit Gargut zum beladen, geschieht im Kopf der Bedienperson. Mit anderen Worten, während das (implizierte) Erzeugen eines sonst undefinierten Aufforderungssignals technisch ist, ist die Art und Weise, wie die Bedienperson das Signal zu interpretieren hat, nämlich als eine bestimmte Aufforderung (der Gedanke: "ich soll das bewegliche Teil mit Gargut beladen"), lediglich eine Anweisung an den menschlichen Geist. Dieser Teil des Merkmals ist rein kognitiv, d.h. bezieht sich auf den Inhalt von Informationen und wie diese durch den menschlichen Verstand wahrgenommen werden, was nach ständiger Rechtsprechung auf Grund Art 52(1)(d) EPÜ als inhärent nicht-technisch betrachtet wird, vgl. RdBK, I.A.2.6. und I.D.9.1.6 a). Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit werden solche nicht technischen Aspekte in der Regel außer Betracht gelassen, siehe RdBK I.D.9.1.6 a).
4.1.2 Gleiches gilt für das Merkmal (7. Aufzählungszeichen des Anspruchs): "automatisches Auffordern zum Entladen des relativ zu dem ersten Garbehälter beweglichen Teils der Garvorrichtung von Gargut über die Anzeige- und Bedieneinrichtung der Garvorrichtung, insbesondere nach Verstreichen einer in Abhängigkeit von dem ausgewählten Gargut und/oder dem ausgewählten Garprozess bestimmten Garzeit und/oder nach Erreichen einer in Abhängigkeit von dem ausgewählten Gargut und/oder dem ausgewählten Garprozess bestimmten Kerntemperatur des Garguts".
Nach Auffassung der Kammer ist der technische Inhalt dieses Schritts die implizierte automatische Erzeugung eines Signals, das von der Bedienperson wahrgenommen werden kann und dass über die Anzeige- und Bedieneinrichtung der Garvorrichtung an die Bedienperson kommuniziert wird, wobei die Kammer feststellt, dass hier alle Merkmale nach dem Wort "insbesondere", wie z.B. das "Kerntemperaturmerkmal" zwar technisch, aber fakultativ ist.
Die Aufforderung selbst, dass die Person den beweglichen Teil entladen soll, ist ein Gedanke, der im Kopf der Bedienperson erzeugt wird. Folglich ist dieser Teil des Merkmals rein kognitiver Art, da er nur eine gedankliche Tätigkeit definiert, siehe oben.
4.2 Durch Anspruch 1 ist somit eine Erfindung definiert, die aus einer Mischung technischer und nicht-technischer Merkmale besteht. Es gelten daher die Grundsätze der Entscheidung T 641/00: "Bei einer Erfindung, die aus einer Mischung technischer und nichttechnischer Merkmale besteht und als Ganzes technischen Charakter aufweist, sind in Bezug auf die Beurteilung des Erfordernisses der erfinderischen Tätigkeit alle Merkmale zu berücksichtigen, die zu diesem technischen Charakter beitragen, wohingegen Merkmale, die keinen solchen Beitrag leisten, das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit nicht stützen können" (T 641/00, Leitsatz I), vgl. RdBK, I.D.9.1.6 a).
4.3 Die Kammer merkt an, dass E1 offenbart, dass Signale erzeugt werden, sobald das Garmedium seine vorbestimmte Temperatur erreicht hat (siehe z.B. Seite 19, 2. und 3. Aufzählungspunkte). Ein akustisches Signal sowie auch ein optisches Signal (eine leuchtende Taste mit Pfeil nach unten) werden über die Anzeige und Bedieneinrichtung des Thermojets kommuniziert (vgl. E1, z.B. Seite 5, Bedienblende, Pfeiltaste 4).
Daher offenbart E1 alle oben erwähnten technischen Merkmalen der Anspruchsklausel (automatisches Auffordern zum Beladen...), einschließlich der fakultativen Anforderung, dass das implizierte Auforderungssignal erzeugt wird, wenn das Garmedium eine (vor)bestimmte Temperatur erreicht hat.
4.4 Ob bei E1 das Ertönen des akustischen Signals oder das Aufleuchten der Pfeiltaste bei der Bedienperson den Gedanken hervorruft, dass dies ein günstiger Zeitpunkt sei, den (relativ zum Tiegel beweglichen) Kochkorb mit Gargut zu beladen, oder ob, wie die Beschwerdegegnerin-Patentinhaberin behauptet sich aus einem Werbevideo für Frimadose ergebe, dass die Bedienperson den Kochkorb bereits mit Gargut beladen habe und jetzt denke, dass sie die automatische Einführung des Garguts starten solle, kann dahingestellt bleiben, da dies (welche Aufforderung auch immer im Kopf der Person entsteht) den nichttechnischen Teil des Anspruchs betrifft, der bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit keine Rolle spielt (siehe oben Punkt 4.2).
4.5 E1 offenbart die Erzeugung weiterer Signale, die von der Bedienperson wahrgenommen werden können und die über die Anzeige- und Bedieneinrichtung der Garvorrichtung erfolgen. Zum Beispiel (siehe "Garen mit dem Kerntemperaturfühler", Seite 38, das bei jeder Betriebsart einsetzbar ist - daher auch beim Kochkorbbetrieb) ertönt automatisch ein akustisches Signal (Summton) nach Erreichen einer vorgewählten Kerntemperatur (Seite 38, letzte 3 Zeilen). Diese Kerntemperatur kann nur von dem ausgewählten Gargut abhängig sein und ist voreinprogrammierbar (siehe Seite 44, letzte Zeile). Daher sind alle technischen Merkmale der oben erwähnten Anspruchsklausel, einschließlich des fakultative "Kerntemperaturmerkmals", aus E1 bekannt.
Ob bei der Bedienperson dieser Summton den Gedanken, den Kochkorb vom Gargut zu entladen hervorruft oder nicht spielt hier keine Rolle, da dies als ein nicht- technisches Merkmal gilt, das als solches bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit keine Rolle spielt.
4.6 Da gegenüber dem Hauptantrag die zu Anspruch 1 hinzugefügten technischen Merkmale (einschließlich fakultativer Merkmale - "Temperatur des Garmediums" und "Kerntemperatur" in den 5. und 7. Aufzählungspunkten des Anspruchs) aus E1 bekannt sind und die nichttechnischen Merkmale bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit keine Rolle spielen, fehlt es dem Gegenstand des Anspruchs 1 des ersten Hilfsantrags an erfinderischer Tätigkeit aus den gleichen Gründen, die für den Hauptantrag gelten.
5. Hilfsantrag II- erfinderische Tätigkeit
Anspruch 1 streicht das Wort "insbesondere" aus den 5. und 7. Aufzählungspunkt des ersten Hilfsantrags und macht damit die bisherigen fakultativen Merkmale dieser Anspruchsmerkmale (automatisches Auffordern nach Erreichen der bestimmten Temperatur im Garmedium und automatisches Auffordern u.a. nach Erreichen einer bestimmten Kerntemperatur des Garguts) erforderlich.
Wie oben erläutert, offenbart E1 auch diese Merkmale. Daher fehlt dem Gegenstand des Anspruchs 1 dieses Antrags aus den gleichen Gründen, die für den ersten Hilfsantrag gelten, die erfinderische Tätigkeit.
6. Hilfsantrag III - Zulässigkeit
6.1 Im vorliegenden Fall liegt die Zulassung des Hilfsantrags III im Ermessen der Kammer, Artikel 13(1) und (3) VOBK, da dieser erst in der mündlichen Verhandlung am 29. November 2017 eingereicht wurde.
6.2 Gemäß einem von den Kammern häufig angewandten Ansatz werden nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung eingereichte Anträge nur dann zugelassen, wenn sie u.a. eindeutig und offensichtlich gewährbar sind, d.h. für die Kammer muss ohne großem Ermittlungsaufwand sofort ersichtlich sein, dass die vorgenommenen Änderungen den aufgeworfenen Fragen erfolgreich Rechnung tragen, ohne ihrerseits zu neuen Fragen Anlass zu geben, siehe RdBK, IV.E.4.2.5.
6.3 Anspruch 1 streicht Optionen im 5. Aufzählungspunkt des Hilfsantrags II, sodass der Anspruch definiert, dass das "automatische Auffordern" dieses Anspruchsmerkmals, nach Erreichen einer in Abhängigkeit von dem ausgewählten Gargut und/oder ausgewählten Garprozess bestimmten Kerntemperatur des Garguts generiert wird.
Wie bereits für den ersten und zweiten Hilfsantrag erläutert, offenbart E1 dieses "Kerntemperaturmerkmal". Daher sieht die Kammer auf den ersten Blick keinen Grund, warum Anspruch 1 dieses Antrags Erfolg haben sollte, wo Anspruch 1 des Hilfsantrags II mangels erfinderischer Tätigkeit gescheitet ist.
In Ausübung ihres Ermessens kam eine Zulassung des Hilfsantrags III ins Verfahren für die Kammer folglich nicht in Betracht, vgl. Artikel 13 VOBK.
6.4 Hilfsantrag IV
Anspruch 1 des Hilfsantrags IV (erst in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereicht) hat die gleichen Merkmale wie Hilfsantrag II, nur die Reihenfolge, in der die Merkmale im Anspruch aufgelistet sind, ist geändert worden. Nach Angaben der Beschwerdegegnerin soll diese Änderung nur einem Einwand unter Artikel 123(2) EPÜ seitens der Beschwerdeführerin Rechnung tragen, spielt aber für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit keine Rolle. Folglich beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags IV, ungeachtet der Frage seiner Zulassung, aus den gleichen Gründen, die für den Hilfsantrag II gelten (siehe oben, Punkt 4.7), nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Daher muss auch Hilfsantrag IV scheitern.
6.5 Hilfsantrag V - Zulässigkeit
Anspruch 1 des Hilfsantrags V, der erst in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereicht wurde, ändert nur die Merkmalsreihenfolge in Bezug auf den Hilfsantrag III, die Merkmale beider Hilfsanträge sind gleich. Bei der Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13 VOBK gelten daher die gleichen Erwägungen der Kammer wie beim Hilfsantrag III.
Folglich hat die Kammer nach ihrem Ermessen nach Artikel 13(1) VOBK entschieden, den Hilfsantrag V nicht ins Verfahren zuzulassen.
7. Die Hilfsanträge III und V werden nicht in das Verfahren zugelassen. Keiner der im Verfahren befindlichen Haupt- und Hilfsanträge I, II und IV der Beschwerdeführerin-Patentinhaberin ist gewährbar. Somit muss das Patent gemäß Artikel 101(2) und (3)(b) EPÜ widerrufen werden.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.