Informationen
Diese Entscheidung ist nur auf Englisch verfügbar.
T 1465/14 30-10-2015
Download und weitere Informationen:
HÄNGEBAHNSYSTEM, TAUCHBEHANDLUNGSANLAGE MIT EINEM SOLCHEN, UND VERWENDUNG DIESES HÄNGEBAHNSYSTEMS
Hauptantrag - Klarheit (ja)
Ausreichende Offenbarung (ja)
Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung (nein)
I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat gegen die Entscheidung, das europäische Patent 2 242 711 zu widerrufen, Beschwerde eingelegt.
Der Einspruch richtete sich gegen das Patent im gesamten Umfang und stützte sich auf die in Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und/oder mangelnde erfinderischer Tätigkeit), Artikel 100 b) EPÜ (unzureichende Offenbarung der Erfindung) und Artikel 100 c) EPÜ (unzulässige Erweiterung des Gegenstandes) angegebenen Gründe.
Das Patent wurde wegen mangelnder Klarheit (Artikel 84 EPÜ) des geänderten Anspruchs 1 des mit dem Schriftsatz vom 14. Januar 2013 eingereichten einzigen Antrags der Patentinhaberin widerrufen.
Demgegenüber standen nach Auffassung der Einspruchsabteilung die Einspruchgründe gemäß Artikel 100 b) und c) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegen.
II. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf der Grundlage eines Hauptantrags(= Antrag der angefochtenen Entscheidung), hilfsweise auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 1 oder 2, alle Anträge mit der Beschwerde vom 4. Juli 2014 (wieder) eingereicht, aufrechtzuerhalten, hilfsweise eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.
Für den Fall der Bestätigung der Klarheit der Ansprüche beantragte die Beschwerdeführerin weiter, die Angelegenheit gemäß Artikel 111 (1) EPÜ an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückzuverweisen.
III. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.
Die Beschwerdegegnerin beantragte weiter, im Falle der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung die Angelegenheit nicht gemäß Artikel 111 (1) EPÜ an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen, sondern sämtliche Einspruchsgründe und Erfordernisse des EPÜ im Beschwerdeverfahren zu prüfen.
IV. In der Anlage zur Ladung zur anberaumten mündlichen Verhandlung teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung mit, dass der Hauptantrag die Erfordernisse der Artikel 83, 84 und 123 (2) EPÜ zu erfüllen schien. Ferner erschien es der Kammer angemessen, die Angelegenheit zur Fortsetzung des Verfahrens an die Einspruchsabteilung gemäß Artikel 111 (1) EPÜ zurückzuverweisen.
V. Mit ihrem Schriftsatz vom 25. September 2015 reichte die Beschwerdeführerin einen neuen Hilfsantrag 2, der den Hilfsantrag 2 vom 4. Juli 2014 ersetzte, und einen Hilfsantrag 3 ein.
VI. Am 30. Oktober 2015 fand die mündliche Verhandlung vor der Kammer statt, in der die Sach- und Rechtslage erörtert wurde, insbesondere im Hinblick auf inter alia folgende, für die vorliegende Entscheidung relevante Aspekte:
- Klarheit des Gegenstandes von Anspruch 1 nach dem Hauptantrag, auch unter Berücksichtigung der Zeichnung D64 der Beschwerdegegnerin (Artikel 84 EPÜ);
- ursprüngliche Offenbarung des Gegenstandes von Anspruch 1 nach dem Hauptantrag (Artikel 123 (2) EPÜ);
- hinreichende Offenbarung (Ausführbarkeit) der mit dem Hauptantrag beanspruchten Erfindung (Artikel 83 EPÜ); und
- Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung (Artikel 111 (1) EPÜ).
VII. Am Ende der mündlichen Verhandlung war vor Verkündung der Entscheidung die Antragslage wie folgt:
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung nach Feststellung der Vereinbarkeit eines der als Haupt- und Hilfsantrag 1 mit Schriftsatz vom 4. Juli 2014 oder eines der als Hilfsanträge 2(neu) und 3 mit Schriftsatz vom 25. September 2015 eingereichten Anspruchssätze mit den Artikeln 83, 84 und 123 (2) EPÜ, hilfsweise, die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Basis eines der Anspruchssätze nach den vorgenannten Anträgen.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, dies auch zur beantragten Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung.
VIII. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:
"Tauchbehandlungsanlage zum Behandeln von Fahrzeugkarosserien, mit
a) mindestens einem Tauchbecken (202), welches mit einer Behandlungsflüssigkeit füllbar ist, in welche zu behandelnde Fahrzeugkarosserien (204) vollständig eingetaucht werden können;
b) einer Förderanlage (206), welche die zu behandelnden Fahrzeugkarosserien (204) an das Tauchbecken (202) heran, vollständig in den Innenraum des Tauchbeckens (202) hinein, aus dem Tauchbecken (202) heraus und von diesem wegbewegen kann, mit ba) mindestens einem Transportwagen (208), welcher eine Befestigungseinrichtung (212, 272) umfasst, an welcher wenigstens eine Fahrzeugkarosserie (204) befestigbar ist; bb) mindestens einer den Transportwagen (208) tragenden Schiene (216); bc) mindestens einem Antriebsmittel (222, 224) zum Verfahren des Transportwagens (208) entlang der Schiene (216);
dadurch gekennzeichnet, dass
c) die Förderanlage (206) ein Hängebahnsystem (206) ist;
d) die Befestigungseinrichtung (212, 272) um eine vertikale Drehachse (240) verdrehbar gelagert ist;
e) eine Drehung der Befestigungseinrichtung (212, 272) um die vertikale Drehachse (240) erzielbar ist, während die wenigstens eine Fahrzeugkarosserie (204) in das mindestens eine Tauchbecken (202) eingetaucht ist."
Der Wortlaut der Ansprüche 1 der Hilfsanträge 1 bis 3 ist angesichts der getroffenen Entscheidung nicht relevant.
IX. In der vorliegenden Entscheidung ist das Dokument D4(=DE 29 02 352 A1) aus dem Einspruchsverfahren zitiert.
X. Das wesentliche Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Klarheit des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag
Die in Anspruch 1 erwähnten Tauchbecken und Förderanlage (Befestigungseinrichtung) seien so definiert, dass sie bloß geeignet sein müssen, um:
- Behandlungsflüssigkeit aufnehmen zu können; und
- mindestens eine zu behandelnde Fahrzeugkarosserie vollständig in dieser Behandlungsflüssigkeit eintauchen zu können.
Der Fachmann könne ohne große Mühen deren notwendigen Merkmale herleiten.
Das Merkmal "vollständig" sei als solches klar, weil es auf diesem Gebiet üblich und dem Fachmann bekannt sei, Fahrzeugkarosserien so in Tauchbecken zu behandeln.
Der vorliegende Fall entspreche den Grundsätzen der Entscheidung T 455/92 (im ABl. EPA nicht veröffentlicht).
Dass die Größe des in Anspruch 1 definierten Tauchbeckens bzw. der Förderanlage (Befestigungseinrichtung) jeweils in einem weiten Bereich variieren können, betreffe bloß die Breite des Anspruchs 1, nicht aber seine Klarheit. Es spiele somit keine Rolle, dass im Anspruch 1 keine Grenzen bezüglich der Größe der Tauchbehandlungsanlage angegeben seien.
Die Frage, ob die beanspruchte Tauchbehandlungsanlage so ausreichend bestimmt sei, dass daraus ableitbar sei, welche Fahrzeugkarosserie behandelt werde, bzw. dies nicht so sei, betreffe nicht die Deutlichkeit des Anspruchsgegenstandes, sondern eher die spekulative Frage, ob eine hypothetische Tauchbehandlungsanlage Dritter zu einer Verletzung des Streitpatents führen könne.
Dies gelte auch für die Frage, ob eine bereits bestehende Tauchbehandlungsanlage wegen eines einzigen Typs von Fahrzeugkarosserie kombiniert mit einem einzigen Bewegungsablauf unter den Anspruch falle.
Das in Anspruch 1 enthaltene zu erreichende Ergebnis - die Fahrzeugkarosserien werden vollständig in die Behandlungsflüssigkeit eingetaucht - könne unmittelbar nachgewiesen werden, so dass die gewählte Formulierung nicht zur Unklarheit des Anspruchs 1 führe.
Aus allen diesen Gründen sei Anspruch 1 klar.
Durchführbarkeit der Erfindung gemäß Hauptantrag
Das Merkmal des Anspruchs 1 bezüglich der Verdrehbarkeit der Befestigungseinrichtung um eine vertikale Drehachse umfasse eine indirekte Lagerung dieser Befestigungseinrichtung. Dies werde vom Streitpatent durch die Ausführungsform dargestellt, die dem Gegenstand des Anspruchs 6 entspreche.
Dies gelte auch für Anspruch 7.
Die Erfindung gemäß Hauptantrag sei somit auch ausführbar.
Zulässigkeit der in Anspruch 1 gemäß Hauptantrag durchgeführten Änderungen
Es sei in der ursprünglich eingereichten Anmeldung explizit offenbart, dass eine Vielzahl von Bewegungsabläufen möglich seien, darunter "Dach oben" oder "die Drehachse in die Badflüssigkeit abgesenkt" in Kombination mit dem in Anspruch 1 eingeführten Merkmal des vollständigen Eintauchens der Fahrzeugkarosserie in die Behandlungsflüssigkeit.
Die folgenden Merkmale:
- das Eintauchen der Fahrzeugkarosserie in die Behandlungsflüssigkeit erfolgt durch Rotation um eine Drehachse;
- die Drehachse wird knapp über dem Flüssigkeitsspiegel der im Tauchbad befindlichen Behandlungsflüssigkeit geführt; und
- die Fahrzeugkarosserie befindet sich in der Position "Dach unten";
seien somit nicht in einem strukturellen und funktionellen Zusammenhang mit dem vollständigen Eintauchen der Fahrzeugkarosserie in die Behandlungsflüssigkeit offenbart. Deshalb müssen sie nicht zusammen mit diesem Merkmal in Anspruch 1 übernommen werden, um die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ zu erfüllen.
Bezüglich des Teleskoparms leite der Fachmann im Lichte der zu lösenden Aufgabe her, dass die zahlreichen Bewegungsmöglichkeiten der Befestigungseinrichtung, darunter auch die vertikale Linearbewegung, als solche wesentlich seien, d.h. nicht eine bestimmte technische Lösung. Ferner sei der Teleskoparm in der ursprünglich eingereichten Anmeldung bloß als eine bevorzugte Lösung dargestellt. Eine notwendige Angleichung der anderen Merkmale des Anspruchs 1 des Hauptantrags wegen einer bevorzugten Lösung sei auch nicht ersichtlich. Deshalb müsse dieses Merkmal nicht in Anspruch 1 übernommen werden, um die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ zu erfüllen.
Die ursprünglich eingereichte Anmeldung offenbare ohnehin die Kombination einer vertikale Drehung im Allgemeinen während des vollständigen Eintauchens einer Fahrzeugkarosserie, d.h. nicht beschränkt auf eine "Hin- und Herdrehung".
Das Weglassen der "Hin- und Herdrehung" erfordere keine weitere Änderungen des Tauchbeckens, im Hinblick auf eine einfache Drehung um eine vertikale Achse, welche in Anspruch 1 vorgesehen sei.
Keine technische Schwierigkeit bestehe durch eine fortlaufende vertikale Drehung in nur eine Richtung.
Deshalb müsse dieses Merkmal nicht in Anspruch 1 übernommen werden, um die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ zu erfüllen.
Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung
Da die angefochtene Entscheidung nicht auf die Neuheit und erfinderische Tätigkeit der beanspruchten Gegenstände eingehe, sei es angemessen, die Angelegenheit zur Fortsetzung des Verfahrens an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen. Durch eine solche Zurückverweisung könne kein Nachteil für die Öffentlichkeit entstehen.
XI. Das wesentliche Vorbringen der Beschwerdegegnerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Klarheit des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag
Der Fachmann könne, um ein vollständiges Eintauchen von Fahrzeugkarosserien zu erreichen, nur mit großen Mühen die sich durch Bezugsnahme auf Drittgegenstände ergebenden Einschränkungen des Schutzbereichs herleiten. Diese Drittgegenstände sind die Behandlungsflüssigkeit (deren Füllstand) und die Fahrzeugkarosserien (deren Ausmaß) und sie bilden keinen Teil des Anspruchs 1. Die Einschränkungen gelten für den vom Anspruch erfassten Gegenstand der Tauchbehandlungsanlage im Hinblick auf das Tauchbecken und die Förderanlage (Befestigungseinrichtung).
Der Fachmann kenne nicht die Maßnahmen, die für das Tauchbecken nötig sind, um dem an den Seitenwänden wirkenden Druck der Flüssigkeit zu widerstehen, wie die Auswahl der dementsprechend erforderlichen Dichtungen, sowie die Sicherung der Tragfähigkeit des Untergrunds des Tauchbeckens.
Er könne auch nicht eindeutig und ohne große Mühen feststellen, ob eine Fahrzeugkarosserie in ein Tauchbecken, sogar anhand der Befestigungseinrichtung der Förderanlage, vollständig eingetaucht werden könne, weil es viele vorhandenen Typen von Fahrzeugkarosserien und Bewegungsfreiheitsgraden gebe.
Das Merkmal "vollständig" müsse um so mehr klar sein, weil es in Anspruch 1 aufgenommen worden sei, um den beanspruchten Gegenstand gegenüber dem Stand der Technik abzugrenzen.
Die Grundsätze der Entscheidung T 455/92 (supra) gelten im vorliegenden Fall nicht.
Die Größe des in Anspruch 1 definierten Tauchbeckens bzw. der Förderanlage (Befestigungseinrichtung) variieren je für sich in einem weiten Bereich und es seien keine Grenzen bezüglich deren Größe in Anspruch 1 angegeben.
In T 455/92 (supra) sei die Beziehung zwischen einer Dimension der beanspruchten Bedeckung einerseits und der in Bezug genommenen Dimension des nicht beanspruchten Presserzeugnisses anderseits für den Fachmann "sehr einfach", sogar für jedermann "leicht überschaubar", was im vorliegenden Fall nicht gelte.
Es handele im vorliegenden Fall um eine Beziehung zwischen zwei Gegenständen, der Behandlungsflüssigkeit und der Fahrzeugkarosserie, die nicht Teil des Anspruchs 1 seien, was in T 455/92 (supra) nicht der Fall sei.
Es sei nicht zu erkennen, welche Fahrzeugkarosserie mit der beanspruchten Tauchbehandlungsanlage behandelt werden könne.
Anspruch 1 sei durch ein zu erreichendes Ergebnis - das vollständige Eintauchen einer Fahrzeugkarosserie - definiert. Dies sei unzulässig, insbesondere weil das Ergebnis die Fahrzeugkarosserie betreffe, die jedoch nicht Teil des Anspruchs sei.
Es erfordere unzumutbare Experimente, um zu prüfen, ob eine bestehende Tauchbehandlungsanlage, unter Berücksichtigung des zu erreichenden Ergebnisses, unter den Anspruch falle oder nicht, was zu einer mangelnden Klarheit führe.
Aus allen diesen Gründen sei Anspruch 1 des Hauptantrags nicht klar.
Durchführbarkeit der Erfindung gemäß Hauptantrag
Gemäß Anspruch 1, bzw. 3 und 4 sei die Befestigungseinrichtung unmittelbar an den Schlitten um eine vertikale Drehachse gelagert. Die Befestigungseinrichtung und die Teleskopeinrichtung seien gemäß Anspruch 6 um eine bzw. dieselbe vertikale Drehachse verdrehbar gelagert.
Ein solcher beanspruchter Gegenstand werde jedoch durch die Ausführungsformen des Streitpatents nicht gestützt. Für den Fachmann sei es somit nicht erkennbar, wie die wohl offenbarten Ausführungsformen des Streitpatents so zu ändern seien, dass eine Förderanlage gemäß Anspruch 6 entstehe, ohne ihre Funktionsfähigkeiten zu beeinträchtigen.
Dies gelte auch für Anspruch 7.
Die Erfindung gemäß Anspruch 6 bzw. 7 sei somit nicht ausführbar.
Zulässigkeit der in Anspruch 1 gemäß Hauptantrag durchgeführten Änderungen
Das in Anspruch 1 eingeführte Merkmal bezüglich des vollständigen Eintauchens der Fahrzeugkarosserie in die Behandlungsflüssigkeit sei ursprünglich nur in Kombination mit den folgenden weiteren Merkmalen offenbart:
- das Eintauchen der Fahrzeugkarosserie in die Behandlungsflüssigkeit erfolgt durch Rotation um eine Drehachse;
- die Drehachse wird knapp über dem Flüssigkeitsspiegel der im Tauchbad befindlichen Behandlungsflüssigkeit geführt; und
- die Fahrzeugkarosserie befindet sich in der Position "Dach unten".
Da diese weiteren Merkmale in Anspruch 1 nicht mit übernommen worden seien, seien die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ nicht erfüllt.
Es sei der ursprünglich eingereichten Anmeldung zu entnehmen, dass die Fahrzeugkarosserie "auf dem Rücken" liegen müsse, wenn sie vollständig in den flüssigen Lack eingetaucht worden sei. Die Kinematik "vollständiges Eintauchen - Dach oben" bzw. "vollständiges Eintauchen - Drehachse im Tauchbad" seien weder explizit noch implizit ursprünglich offenbart.
Das in Anspruch 1 eingeführte Merkmal bezüglich einer Drehung der Befestigungseinrichtung um die vertikale Drehachse, während des Eintauchens der Fahrzeugkarosserie in das Tauchbecken, sei nur in Kombination mit den zusätzlichen Merkmalen "Teleskoparm" und "Hin- und Herdrehung" offenbart.
Da diese Merkmale in Anspruch 1 nicht mit übernommen worden seien, seien die Erfordernisse der Artikel 123 (2) EPÜ nicht erfüllt.
Die vertikale Verdrehbarkeit der Befestigungseinrichtung sei untrennbar mit dem Vorhandensein eines um die vertikale Drehachse drehbaren Teleskoparms verknüpft. Ferner sei eine Angleichung anderer Merkmale durch das Weglassen des Teleskoparms erforderlich. Auch mit Rücksicht auf den Wesentlichkeitstest könne diese Änderung so nicht Bestand haben.
Die einzige Passage der ursprünglich eingereichten Anmeldung, in der eine vertikale Drehung mit einem vollständigen Eintauchen der zu behandelnden Fahrzeugkarosserie offenbart sei, enthalte eine Hin- und Herdrehung ("Schlingerbewegung"). Eine fortlaufende vertikale Drehung in eine einzige Richtung sei wegen des Widerstands der Flüssigkeit technisch nicht durchführbar.
Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung
Es liege im Interesse der Öffentlichkeit, den Fall schnell zu einer endgültigen Entscheidung zu führen. Eine Zurückverweisung an die Vorinstanz sei mit einer langen Verzögerung verbunden. Der Fall würde sehr wahrscheinlich danach ohnehin wieder vor der Kammer kommen.
1. Klarheit des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag (Artikel 84 EPÜ)
1.1 Wie in der angefochtenen Entscheidung, Punkt 14.1, festgestellt wurde, ist die Klarheit des Anspruchs 1 des Hauptantrags zu prüfen, weil er weitere Merkmale aus der Beschreibung enthält, und zwar zweimal das Wort "vollständig". Dies wurde von der Beschwerdeführerin nicht bestritten.
1.2 Die insoweit betroffenen Merkmale M1 und M2 lauten:
M1: "mindestens einem Tauchbecken, welches mit einer Behandlungsflüssigkeit füllbar ist, in welche zu behandelnde Fahrzeugkarosserien vollständig eingetaucht werden können" (Merkmale a) des Anspruchs 1);
und
M2: "einer Förderanlage, welche die zu behandelnden Fahrzeugkarosserien an das Tauchbecken heran, vollständig in den Innenraum des Tauchbeckens hinein, aus dem Tauchbecken heraus und von diesem wegbewegen kann" (Merkmal b) des Anspruchs 1).
1.3 Die Kammer teilt die Auslegung der Einspruchsabteilung und der Parteien, dass die Behandlungsflüssigkeit und die Fahrzeugkarosserien kein Teil des Gegenstands des Anspruchs 1 sind (angefochtene Entscheidung, Punkt 14.3).
1.4 Der in der angefochtenen Entscheidung, Punkt 14.5, angegebene Grund, dass die Abmessungen und/oder Formen von Fahrzeugkarosserien und der Füllstand eines Tauchbeckens sowie auch die Bewegungskurve und die Orientierung einer Fahrzeugkarosserie in einem Tauchbecken nicht standardisiert sind, ist für die Kammer ebenso zutreffend und wurde auch von der Beschwerdeführerin nicht bestritten.
1.5 Anders als die Einspruchsabteilung (Punkte 14.4 bis 14.8 der angefochtenen Entscheidung) ist die Kammer jedoch der Meinung, wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, dass der Fachmann ohne große Mühen die sich durch Bezugnahme auf Drittgegenstände - die Behandlungsflüssigkeit (deren Füllstand) und die Fahrzeugkarosserie (deren Ausmaß) - ergebenden Einschränkungen für den vom Anspruch erfassten Gegenstand (Tauchbehandlungsanlage im Hinblick auf das Tauchbecken und die Förderanlage (Befestigungseinrichtung)) herleiten kann, um das beanspruchte Ergebnis, ein vollständiges Eintauchen von Fahrzeugkarosserien, zu erreichen.
1.6 Anspruch 1 des Hauptantrags ist so auszulegen, dass die Tauchbehandlungsanlage, d.h. das Tauchbecken bzw. die Förderanlage (Befestigungseinrichtung), bloß geeignet ist, um:
a) - Behandlungsflüssigkeit; und
b) - zumindest eine zu behandelnde Fahrzeugkarosserie aufzunehmen und diese vollständig in dieser Behandlungsflüssigkeit eintauchen zu können.
1.7 Zu Punkt a) ist die Kammer der Auffassung, im Gegensatz zur Meinung der Beschwerdegegnerin, dass der Fachmann für den Aufbau eines entsprechenden Tauchbeckens alle dafür benötigten, zu seinem Fachwissen gehörenden Parametern in Betracht zieht. Darunter fallen inter alia die Maßnahmen, die nötig sind, um dem an den Seitenwänden des Tauchbeckens wirkenden Druck der Flüssigkeit zu widerstehen, die Auswahl der dementsprechend erforderlichen Dichtungen, sowie die Sicherung der Tragfähigkeit des Untergrunds des Tauchbeckens.
1.8 Zu Punkt b) sind zweifellos die Außenkonturen der auf der Welt üblichen hergestellten Fahrzeuge dem Fachmann bekannt, so dass er ohne große Mühen für das Aufnehmen und das vollständige Eintauchen dieser Fahrzeugkarosserien ein Tauchbecken und eine Förderanlage entwerfen kann. Er würde dies auch ohne weiteres für die verschiedenen Bewegungsfreiheitsgraden, z.B. durch Computersimulationen, machen können (siehe dafür die von der Beschwerdegegnerin mit dem Schreiben vom 7. Januar 2015 eingereichten Zeichnungen D63 und D64).
1.9 Die Beschwerdegegnerin hat während der mündlichen Verhandlung weiter argumentiert, dass das Merkmal "vollständig" um so mehr klar sein müsse, dass es in Anspruch 1 aufgenommen worden sei, um den beanspruchten Gegenstand gegenüber dem Dokument D4(=DE 29 02 352 A1) abzugrenzen.
1.10 Die Kammer teilt jedoch die Meinung der Beschwerdeführerin, dass das Merkmal "vollständig" als solches klar ist, weil es auf diesem Gebiet üblich und somit dem Fachmann bekannt ist, Fahrzeugkarosserien vollständig einzutauchen.
Ferner teilt die Kammer die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass der von der Beschwerdegegnerin behauptete Grund für die Einführung des Wortes "vollständig" in Anspruch 1 nicht die Klarheit betrifft, sondern die Neuheit bzw. die erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Gegenstandes. Es spielt in diesem Sinne keine Rolle, ob dieses eingeführte Merkmal sich im Oberbegriff oder im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 befindet.
1.11 Im Gegensatz zur Meinung der Beschwerdegegnerin gelten im vorliegenden Fall die Grundsätze der Entscheidung T 455/92 (supra).
1.11.1 In einer ähnlichen Weise wie in T 455/92, supra, Punkt 2.5 der Gründe, wird im Anspruch 1 des Hauptantrags auf einen nicht beanspruchten Gegenstand Bezug genommen - eine Fahrzeugkarosserie - der bekannt ist und dessen Größenordnung somit abgrenzbar ist.
Dies gilt auch, wenn mehrere Karosserien anspruchsgemäß ("wenigstens eine...") an den Befestigungselementen montiert sind.
Die Dimensionen eines Tauchbeckens sowie die dazugehörige Förderanlage werden durch die Eignung, dass zumindest eine Fahrzeugkarosserie in eine Behandlungsflüssigkeit vollständig eingetaucht werden kann, vom Fachmann im vorliegenden Fall ohne Schwierigkeiten festgestellt, zumindest für übliche hergestellte Fahrzeuge (T 455/92, supra, Punkte 2.2 und 2.3).
Dass dadurch die Größen des in Anspruch 1 definierten Tauchbeckens bzw. der Förderanlage (Befestigungseinrichtung) jeweils in einem weiten Bereich variieren können, betrifft bloß die Breite des Anspruchs 1, nicht aber seine Klarheit. Die Breite des Anspruchs spielt erst später für die Frage der Neuheit bzw. der erfinderischen Tätigkeit dessen Gegenstandes eine Rolle (T 455/92, supra, Punkt 3).
In diesem Sinne ist es unbeachtlich, dass in Anspruch 1 keine Grenzen bezüglich der Größe der Tauchbehandlungsanlage angegeben sind. Die Kammer teilt die diesbezügliche Auffassung der Einspruchsabteilung (angefochtene Entscheidung, Punkt 14.11) nicht.
1.11.2 Das Argument der Beschwerdegegnerin, dass in T 455/92 (supra) die Beziehung zwischen einer Dimension der beanspruchten Bedeckung einerseits und der in Bezug genommenen Dimension des nicht beanspruchten Presserzeugnisses anderseits für den Fachmann "sehr einfach" sei, gilt auch im vorliegenden Fall. Es wird jedoch angemerkt, dass es unerheblich ist, ob es für jedermann "leicht überschaubar" sein muss, denn ein Patentsanspruch richtet sich an den Fachmann.
1.11.3 Während der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdegegnerin weiter die Meinung vertreten, dass die Grundsätze der T 455/92 (supra) nicht gelten, weil es beim vorliegenden Fall um eine Beziehung zwischen zwei Gegenständen - der Behandlungsflüssigkeit und der Fahrzeugkarosserie - handele, die beide nicht Teil des Anspruchs 1 seien.
1.11.4 Dieser Meinung kann sich die Kammer nicht anschließen, weil, wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, es bei dem beanspruchten Gegenstand um die Beziehung zwischen einerseits dem Tauchbecken und der Fahrzeugkarosserie geht und anderseits zwischen Förderanlage und Fahrzeugkarosserie. Im ersten Fall muss das Tauchbecken so tief sein, dass es genug Behandlungsflüssigkeit aufnehmen kann, um eine Fahrzeugkarosserie vollständig zu tauchen. Im anderen Fall ist es die Förderanlage, die die Fahrzeugkarosserie tragen und bewegen und sie in dem ausreichend tiefen Tauchbecken hinein bewegen muss.
1.12 Die wechselseitigen Argumente der Parteien zur Frage, ob die beanspruchte Tauchbehandlungsanlage durch ihre Förderanlage und die Befestigungseinrichtung (Merkmale b) und ba) des Anspruchs 1) ausreichend bestimmt ist, dass daraus ableitbar ist, welche Fahrzeugkarosserie behandelt wird (siehe z.B. die mit dem Schriftsatz der Beschwerdegegnerin vom 25. September 2015 eingereichten Zeichnungen D61 und D62), sind nicht relevant (angefochtene Entscheidung, Punkt 14.10).
In der Tat betreffen diese Argumente nicht die Deutlichkeit des Anspruchsgegenstandes, sondern eher die spekulative Frage, ob eine hypothetische Tauchbehandlungsanlage zu einer Verletzung des Streitpatents führen könnte. Eine derartige Frage ist jedoch im vorliegenden Einspruchs-Beschwerdeverfahren nicht zu prüfen (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 7. Auflage 2013, II.A.6.3.6; T 474/96, im ABl. EPA nicht veröffentlich, Punkt 5).
Dies gilt auch für die in der angefochtenen Entscheidung angegebenen Beispiele A und B, siehe Punkt 14.9.
1.12.1 Beispiel A:
Im Gegensatz zur von der Einspruchsabteilung vertretenen Auffassung fällt die Tauchbehandlungsanlage gemäß Beispiel A unter den Anspruch 1, dies schon deshalb, weil sie auch für das vollständige Eintauchen von kleinen Fahrzeugkarosserien geeignet ist. Die Tauchbehandlungsanlage des Anspruchs 1 muss nicht für alle mögliche Fahrzeugkarosserien geeignet sein. Eine Unklarheit des Anspruchs 1 kann somit mit dem Beispiel A nicht belegt werden.
1.12.2 Beispiel B:
Die Tauchbehandlungsanlage gemäß Beispiel B fällt auch mit einem kleinen Füllstand unter den Anspruch 1, sofern sie geeignet ist, genügend Behandlungsflüssigkeit für das vollständige Eintauchen einer Fahrzeugkarosserie zu enthalten. Wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, ist es unbeachtlich, dass das Tauchbecken beim Behandlungsvorgang nur wenig gefüllt ist. Dies betrifft allein die Verwendung der Tauchbehandlungsanlage. Eine Unklarheit des Anspruchs 1 kann somit vom Beispiel B ebenfalls nicht belegt werden.
1.13 Die Beschwergegnerin argumentiert weiter, dass die auf die nicht für sich beanspruchten Fahrzeugkarosserien gerichteten Merkmale Ml und M2 als ein zu erreichendes Ergebnis definiert seien, was selbst dann unzulässig sei, wenn die Elemente, auf die sich das zu erreichende Ergebnis beziehe, Bestandteil des beanspruchten Gegenstandes seien. Letzteres sei bei den zu behandelnden Fahrzeugkarosserien in der beanspruchten Tauchbehandlungsanlage gerade nicht der Fall.
1.14 Dieser Meinung kann sich die Kammer nicht anschließen, weil das zu erreichende Ergebnis - die Fahrzeugkarosserien werden vollständig in die Behandlungsflüssigkeit eingetaucht - unmittelbar nachgewiesen werden kann. Ferner, wie von der Beschwerdeführerin geltend gemacht, kann die Erfindung nicht genauer definiert werden, ohne dass der Schutzbereich des Anspruchs 1 unnötig eingeschränkt wird.
1.15 Während der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdegegnerin unter Bezugnahme der Richtlinien für die Prüfung, F-IV, 4.10, weiter argumentiert, dass ein durch ein zu erreichendes Ergebnis formulierter Anspruch nur dann als zulässig angesehen werden könne, wenn "es durch Versuche oder Maßnahmen tatsächlich unmittelbar nachgewiesen werden kann, die in der Beschreibung in angemessener Weise dargelegt oder dem Fachmann bekannt sind und keine unzumutbaren Experimente erfordern".
Im vorliegenden Fall sei jedoch der Aufwand außerordentlich hoch. Man müsse nämlich für eine bestehende Tauchbehandlungsanlage prüfen, ob nicht alle Fahrzeugkarosserien aller Arten, d.h. PKW, LKW, und Reisebusse sowie die Karosserien von Luftfahrzeugen, usw., auch die der Zukunft, kombiniert mit allen möglichen vorhandenen Bewegungsfreiheitsgraden, vollständig eingetaucht werden können. Eine einzige Fahrzeugkarosserie, wobei dies doch möglich ist, egal welcher Art und Größe, mit einem einzigen bestimmten Bewegungsablauf, egal auch welchem, hieße, dass die bestehende Tauchbehandlungsanlage unter den Anspruch falle. Dies erfordere solche unzumutbare Experimente, dass von einer deutlichen Abgrenzung des Anspruchsgegentands nicht die Rede sei.
1.16 Dieser Meinung kann sich die Kammer auch nicht anschließen, weil, wie von der Beschwerdeführerin geltend gemacht und schon unter Punkt 1.12 oben diskutiert, dieses Argument nicht die Klarheit des Anspruchs betrifft, sondern die spekulative Frage, ob eine hypothetische Tauchbehandlungsanlage zu einer Verletzung des Schutzbereiches des Streitpatents führen könnte.
1.17 Im Lichte der oben angegebenen Gründe erfüllt Anspruch 1 des Hauptantrags die Erfordernisse der Klarheit gemäß Artikel 84 EPÜ.
2. Durchführbarkeit der Erfindung gemäß Hauptantrag
2.1 Die Beschwerdegegnerin vertritt die Auffassung, dass die Erfindung nicht ausführbar sei, weil der Fachmann die Ausführungsform des Anspruchs 6 bzw. 7 nicht ausführen könne.
Gemäß Anspruch 1 sei die Befestigungseinrichtung um eine vertikale Drehachse "verdrehbar gelagert" (Merkmal d). Dieses Merkmal sei so auszulegen, dass die Befestigungseinrichtung unmittelbar gelagert sein müsse. Da der Schlitten gemäß Anspruch 3 bzw. 4 die Befestigungseinrichtung führe, könne die Befestigungseinrichtung nur direkt an dem Schlitten verdrehbar gelagert sein. Gemäß Anspruch 6 seien die Befestigungseinrichtung und die Teleskopeinrichtung um eine bzw. dieselbe vertikale Drehachse (240) verdrehbar gelagert.
Die Ausführungsformen des Streitpatents offenbaren jedoch nur, dass die Befestigungseinrichtung um eine horizontale Drehachse (262) an dem Schlitten verdrehbar gelagert sei. Für den Fachmann sei es nicht erkennbar, wie die Ausführungsformen des Streitpatents zu ändern seien, um eine Förderanlage gemäß Anspruch 6 zu gestalten, d.h. wie die Befestigungseinrichtung um eine vertikale Drehachse unmittelbar an dem Schlitten verdrehbar zu lagern, ohne ihre Funktionsfähigkeiten zu beeinträchtigen.
Dies gelte auch für Anspruch 7.
2.2 Diese Argumenten der Beschwerdegegnerin rechtfertigen jedoch kein von der angefochtenen Entscheidung, Punkt 12, abweichendes Ergebnis.
Wie von der Beschwerdeführerin argumentiert, ist das Merkmal d) des Anspruchs 1 bezüglich der Verdrehbarkeit der Befestigungseinrichtung um eine vertikale Drehachse nicht auf eine unmittelbare Lagerung beschränkt. Es umfasst auch eine solche mittelbare Lagerung der Befestigungseinrichtung.
Dies wird auch so im Streitpatent dargestellt. Die an dem Schlitten (256) angeordnete Befestigungseinrichtung (212), der an der Teleskopeinrichtung (214) angeordnete Schlitten (256) und die Teleskopeinrichtung (214) sind zusammen an dem Antriebswagen (210) um eine vertikale Achse (240) drehbar gelagert (z.B. Absätze [0017], [0018], [0030]-[0039]; Figuren 2-4). Das Streitpatent offenbart somit eine Ausführungsform, die dem Gegenstand des Anspruchs 6 entspricht.
Auch offenbart das Streitpatent ausreichend technische Informationen, um die Ausführungsform des Anspruchs 7 auszuführen, d.h. die Befestigungseinrichtung (212) um horizontale (262) und vertikale (240) Drehachsen verdrehbar zu lagern.
2.3 Die mit dem Hauptantrag beanspruchte Erfindung erfüllt somit die Erfordernisse der hinreichenden Offenbarung gemäß Artikel 83 EPÜ.
3. Zulässigkeit der in Anspruch 1 gemäß Hauptantrag durchgeführten Änderungen
Die Beschwerdegegnerin erhebt den Einwand, dass die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ nicht erfüllt seien, weil die Merkmale M1 und M3 unzulässige Zwischenverallgemeinerungen darstellten.
Merkmal M3 lautet: "eine Drehung der Befestigungseinrichtung um die vertikale Drehachse ist erzielbar, während die wenigstens eine Fahrzeugkarosserie in das mindestens eine Tauchbecken eingetaucht ist" (angefochtene Entscheidung, Punkt 13.2; Merkmal e) des Anspruchs 1 des Hauptantrags).
3.1 Nach Meinung der Beschwerdegegnerin sei das Merkmal des vollständigen Eintauchens der Fahrzeugkarosserie in die Behandlungsflüssigkeit ursprünglich nur in Kombination mit den folgenden weiteren Merkmalen offenbart (Seite 16, Zeilen 4-11; Seite 18, Zeilen 27-31 der Anmeldung wie eingereicht):
- das Eintauchen der Fahrzeugkarosserie in die Behandlungsflüssigkeit erfolgt durch Rotation um eine Drehachse;
- die Drehachse wird knapp über dem Flüssigkeitsspiegel der im Tauchbad befindlichen Behandlungsflüssigkeit geführt; und
- die Fahrzeugkarosserie befindet sich in der Position "Dach unten".
Diese weiteren Merkmale seien jedoch in Anspruch 1 nicht übernommen worden und es bestehe ein struktureller und funktioneller Zusammenhang zwischen den oben genannten Merkmalen und dem vollständigen Eintauchen der Fahrzeugkarosserie in die Behandlungsflüssigkeit (Merkmale M1 und M3).
3.2 Dieser Meinung kann die Kammer sich nicht anschließen. Wie in der ursprünglich eingereichten Anmeldung explizit offenbart, sind eine Vielzahl anderer Bewegungsabläufe möglich, d.h. nicht nur "Dach unten", sondern auch "Dach oben" (Seite 18, Zeilen 18-25). Bei der letztgenannten Alternative wäre somit eine Drehung der Fahrzeugkarosserie nicht erforderlich. Ferner kann auch die Drehachse in die Behandlungsflüssigkeit abgesenkt werden (siehe Seite 20, Zeilen 7-16).
Daher stehen die o.g. weiteren Merkmale nicht in einem strukturellen und funktionellen Zusammenhang mit dem vollständigen Eintauchen der Fahrzeugkarosserie in die Behandlungsflüssigkeit (siehe angefochtene Entscheidung, Punkt 13).
3.3 Die Beschwerdegegnerin hat während der mündlichen Verhandlung weiter argumentiert, dass es dem gemäß den Ausführungsformen beschriebenen Bewegungsablauf, Figuren 1 und 10-18, und der Seite 16, Zeilen 4-8 zu entnehmen sei, dass die Fahrzeugkarosserie "auf dem Rücken" sein müsse, wenn sie vollständig in den flüssigen Lack eingetaucht werde. Es sei nirgendwo offenbart, dass die Fahrzeugkarosserie mit anderen Formen der Kinematik, wie z.B. "Dach oben", vollständig in den flüssigen Lack eingetaucht werde. Der Passus auf Seite 18, Zeilen 18-25, wobei "Dach oben" erwähnt sei, umfasse auch die Möglichkeit, dass die Fachzeugkarosserie bloß teilweise eingetaucht werde. Deshalb sei ein "vollständiges Eintauchen - Dach oben" weder explizit offenbart noch implizit der ursprünglich eingereichten Anmeldung zu entnehmen.
Auch auf Seite 20, Zeilen 7-16, sei nur offenbart, dass der Drehzapfen (262) eingetaucht werde. Dies bedeute jedoch noch nicht, dass die Fachzeugkosserie "vollständig" eingetaucht werde. Deshalb sei ein solches "vollständiges Eintauchen - Drehachse im Tauchbad" weder explizit offenbart noch implizit der ursprünglich eingereichten Anmeldung zu entnehmen.
Aus diesem Grund sei das "vollständige Eintauchen" nur in Kombination mit den unter Punkt 3.1 oben genannten, nicht in Anspruch 1 vorhandenen Merkmalen offenbart.
3.4 Dieser Meinung kann sich die Kammer nicht anschließen. Wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, ist es die zu lösende Aufgabe des Streitpatents, die Bewegungsfreiheitsgrade der Fahrzeugkarosserie im Tauchbad, zu erhöhen, um ein besseres Behandlungsergebnis, insbesondere Lackierergebnis, zu erreichen (Seite 3, Zeilen 4-18). Daraus ist es für den Fachmann zweifellos zu entnehmen, dass die Fahrzeugkarosserie vollständig behandelt bzw. vollständig eingetaucht wird. Dies wird weiter durch die Ausführungsbeispiele bestätigt (Seite 16, Zeile 7).
Der Bewegungsablauf "Dach unten" der Ausführungsformen in den Figuren 1 und 10-18 sowie auf Seite 14, Zeile 4 bis Seite 18, Zeile 16, stellt jedoch bloß ein Beispiel unter vielen möglichen Bewegungsabläufen dar. Wie schon oben erwähnt ist auf Seite 18, Zeilen 18-25 explizit offenbart, dass eine Vielzahl anderer Formen der Kinematik umfasst sind, darunter auch die Fahrzeugkarosserie mit "Dach oben" durch das Tauchbecken. Es wird in dieser bestimmten Passage auch Bezug genommen auf die Figuren 10 bis 18 der beschriebenen Ausführungsformen, wobei es eindeutig, auch im Lichte der zu lösenden Aufgabe, ist, dass die Fahrzeugkarosserie vollständig eingetaucht wird (Seite 16, Zeilen 4-8). Der Fachmann würde deshalb der gesamten Offenbarung der ursprünglich eingereichten Anmeldung zweifellos entnehmen, dass für den Bewegungsablauf "Dach oben" die Fachzeugkarosserie auch vollständig in die Behandlungsflüssigkeit eingetaucht wird.
Dies gilt auch für die Passage auf Seite 20, Zeilen 7-16, wobei die Fahrzeugkarosserie durch das Tauchbad geführt wird, d.h. vollständig, wenn der untere Bereich des Schlittens bzw. der Drehzapfen in die Behandlungsflüssigkeit abgesenkt wird.
3.5 Die Beschwerdegegnerin vertritt ferner die Meinung, dass das Merkmal einer Drehung der Befestigungseinrichtung um die vertikale Drehachse während des Eintauchens der Fahrzeugkarosserie in das Tauchbecken (M3) nur in Kombination mit den zusätzlichen Merkmalen "Teleskoparm" und "Hin- und Herdrehung" offenbart sei.
3.5.1 Das Merkmal "Teleskoparm"
Die vertikale Verdrehbarkeit der Befestigungseinrichtung sei untrennbar mit dem Vorhandensein eines um die vertikale Drehachse drehbaren Teleskoparms verknüpft. Ein solcher Teleskoparm sei für die Funktion der Erfindung unter Berücksichtigung der technischen Aufgabe, die sie lösen soll, unerlässlich und eine Angleichung anderer Merkmale sei beim Weglassen dieses Merkmals erforderlich, insbesondere bei der beanspruchten Förderanlage für z.B. das Einschwenken der Fahrzeugkarosserie oder bei dem beanspruchten Tauchbecken z.B. zu deren Anheben und Absenken oder deren Geometrie wie z.B. deren Breite.
Ferner sei für die Linearbewegung der Befestigungseinrichtung nur eine technische Lösung und zwar mit Teleskoparm offenbart. Der Fachmann denke an keine andere Lösung.
Dieser Meinung kann sich die Kammer nicht anschließen. Wie unter Punkt 3.4 oben diskutiert, besteht die zu lösende Aufgabe des Streitpatents darin, die Bewegungsfreiheitsgrade der Fahrzeugkarosserien im Tauchbad zu erhöhen, um ein besseres Behandlungsergebnis zu erreichen. Im Lichte dieser Aufgabe, würde der Fachmann an eine Überlagerung von verschiedenen Bewegungen denken, unter anderen an die vertikale Linearbewegung der Befestigungseinrichtung, um die Tauchbehandlungsanlage funktionieren zu lassen (Seite 5, Zeilen 17-22 oder Seite 19, Zeilen 19-27 der ursprünglich eingereichten Anmeldung). Der Fachmann entnimmt dem keine Lehre, dass bestimmte strukturelle Lösungen für die verschiedenen Bewegungen, darunter auch den Teleskoparm für die vertikale Linearbewegung, als wesentlich bzw. technisch erforderlich zu betrachten sind. Der Teleskoparm ist in der Tat bloß eine bevorzugte Lösung, um den Schlitten zu führen, wie im ursprünglichen abhängigen Anspruch 4 dargestellt. Deshalb würde der Fachmann sich nicht auf die strukturelle Lösung, d.h. den Teleskoparm, beschränken, sondern an allen zu seinem Fachwissen gehörenden Lösungen denken.
Aus dem gleichen Grund ist auch eine Angleichung der anderen Merkmale des Anspruchs 1 des Hauptantrags für die Kammer nicht ersichtlich (siehe die angefochtene Entscheidung, Punkt 13.2.9).
3.5.2 Das Merkmal "Hin- und Herdrehung"
Im Hinblick auf das Merkmal "Hin- und Herdrehung" vertritt die Beschwerdegegnerin die Meinung, dass das Weglassen dieses Merkmals zu einer ganz erheblichen erforderlichen Änderung der Geometrie des Tauchbeckens führen müsse, weil es dann (quer zur Förderrichtung) so breit ausgebildet sein müsse, dass die Fahrzeugkarosserie im Rahmen einer fortlaufenden Drehung um die vertikale Drehachse zeitweise auch in Querstellung durch das Tauchbecken gefördert werden könne. Im Gegensatz hierzu sei eine Hin- und Herdrehung um die vertikale Drehachse bereits dann möglich, wenn die Breite des Tauchbeckens nur geringfügig größer sei als die Länge der Fahrzeugkarosserie. Das Weglassen des Merkmals der Hin- und Herdrehung mache somit eine erhebliche Änderung der Geometrie des Tauchbeckens erforderlich.
Ferner sei laut der Beschwerdegegnerin die Seite 19, Zeilen 13-17 der ursprünglich eingereichten Anmeldung die einzige Stelle, wobei eine vertikale Drehung mit einem vollständigen Eintauchen der zu behandelnden Fahrzeugkarosserie offenbart sei. In dieser Passage sei nur von einer Hin- und Herdrehung ("Schlingerbewegung") die Rede. Eine fortlaufende vertikale Drehung in eine einzige Richtung sei sowieso wegen des Widerstands der Flüssigkeit technisch nicht durchführbar.
Die anderen Passagen der ursprünglich eingereichten Anmeldung offenbaren entweder keine vertikale Drehung in Kombination mit dem vollständigen Eintauchen der Fachzeugkarosserie in die Behandlungsflüssigkeit (Seite 3, Zeilen 4-32) oder eine vertikale Drehung vor bzw. nach dem Eintauchen der Fachzeugkarosserie in diese Flüssigkeit (Seite 3, Zeilen 2-32; Seite 17, Zeilen 17-21).
Dieser Meinung kann sich die Kammer auch nicht anschließen. Wie in der angefochtenen Entscheidung angegeben (Punkt 13.2.9), ist es der Beschreibung der ursprünglich engereichten Anmeldung zweifellos zu entnehmen, dass die vertikale Verdrehbarkeit viele unterschiedliche Bewegungsmöglichkeiten bzw. Bewegungsfreiheitgrade für das Fahrzeug ermöglicht. Die "Hin- und Herdrehung" der Fahrzeugkarosserie erfordert somit keine weitere Änderungen des Tauchbeckens im Hinblick auf eine einfache Drehung um eine vertikale Achse, welche in Anspruch 1 vorgesehen ist (Seite 4, Zeilen 4-14, Seite 5, Zeilen 4-22 und Seite 19, Zeilen 3-27).
Ferner ist, wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, es der zu lösenden Aufgabe zu entnehmen, dass die Bewegungsfreiheitsgrade der Fahrzeugkarosserie im Tauchbad zu erhöhen sind (Seite 3, Zeilen 4-10), darunter auch die vertikale Verdrehbarkeit, siehe Seite 5, Zeilen 17-22 oder Seite 19, Zeilen 19-27 der ursprünglich eingereichten Anmeldung.
Im Lichte der Ausführungsform der Figuren 1 und 10 bis 18 und wie schon oben diskutiert, ist "im Tauchbad" so auszulegen, dass die Fahrzeugkarosserie vollständig eingetaucht wird. Deshalb offenbart die ursprünglich eingereichte Anmeldung zweifellos eine vertikale Drehung, die nicht nur auf Hin- und Herdrehung beschränkt ist, in Kombination mit einem vollständigen Eintauchen einer Fahrzeugkarosserie in die Behandlungsflüssigkeit. Im Gegensatz zur Beschwerdegegnerin wird der Fachmann sich nicht auf die Passage der Seite 19, Zeilen 13-17 beschränken, sondern er wird die Lehre der gesamten Offenbarung in Betracht ziehen. Schließlich sieht die Kammer keine technische Schwierigkeit eine fortlaufende vertikale Drehung in nur eine Richtung durchzuführen, auf alle Fälle nicht mit mehr Schwierigkeiten als im Vergleich mit einer Hin- und Herdrehung.
3.6 Im Lichte der oben angegebenen Gründe erfüllt Anspruch 1 des Hauptantrags die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.
4. Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung
4.1 In G 9/91 (ABl. EPA 1993, 408), wurde festgestellt, dass der Hauptzweck des zweiseitigen Beschwerdeverfahrens darin besteht, der unterlegenen Partei die Möglichkeit zu geben, die ihr nachteilige Entscheidung anzufechten und ein gerichtliches Urteil über die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung zu erwirken.
Da die angefochtene Entscheidung auf die Neuheit und erfinderische Tätigkeit der beanspruchten Gegenstände nicht eingeht, hält es die Kammer für angemessen, in Ausübung des ihr gemäß Artikel 111 (1) EPÜ zustehenden Ermessens die Angelegenheit zur Fortsetzung des Verfahrens an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.
4.2 Die Beschwerdegegnerin vertritt die Meinung, dass es im Interesse der Öffentlichkeit sei, den Fall schnell zu bearbeiten bzw. zu einer endgültigen Entscheidung zu kommen. Eine Zurückverweisung an die Vorinstanz sei mit einer langen Verzögerung verbunden. Ferner würde der Fall sehr wahrscheinlich danach wieder vor der Kammer kommen.
4.3 Dieser Meinung kann die Kammer sich nicht anschließen. Wie während der mündlichen Verhandlung diskutiert, spielt die Zeit keine wesentliche Rolle, denn der Fall wurde von der Kammer vorgezogen, gerade weil die Entscheidung sich nicht mit allen erhobenen Einspruchsgründen befasst hat.
5. Hilfsanträge 1, 2(neu) und 3
Im Lichte der oben angegebenen Gründe erübrigt es sich, die Hilfsanträge 1, 2(neu) und 3 in der vorliegenden Entscheidung zu diskutieren.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.