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T 1106/15 14-03-2019
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VERFAHREN ZUR ERKENNUNG VON VERSCHMUTZUNGEN UND/ODER FARBABNUTZUNGEN IM BEREICH VON FARBÜBERGÄNGEN AUF WERTDOKUMENTEN UND MITTEL ZUR DURCHFÜHRUNG DES VERFAHRENS
Ausreichende Offenbarung - (ja)
Patentansprüche - Klarheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung Nr. 07 846 608 zurückzuweisen. Die Zurückweisung erfolgte - nachdem die Anmelderin um eine Entscheidung nach Aktenlage gebeten hatte - mit folgender Begründung:
"Im Bescheid / In den Bescheiden vom 12.06.2014 wurde dem Anmelder mitgeteilt, dass und aus welchen Gründen die Anmeldung nicht die Erfordernisse des EPÜ erfüllt.
Der Anmelder hat auf den letzten Bescheid keine Stellungnahme oder Änderungen eingereicht, sondern mit einer am 17.11.2014, also fristgerecht eingegangenen Eingabe, Entscheidung nach Lage der Akten beantragt."
Im Bescheid vom 12. Juni 2014 war die Prüfungsabteilung der Auffassung, dass der beanspruchte Gegenstand der vorliegenden Anmeldung die Erfordernisse der Artikel 83, 84 und 56 EPÜ nicht erfülle.
II. Die Beschwerdeführerin beantragte schriftlich die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und ein Patent in folgender Fassung zu erteilen:
Patentansprüche:
1-17, eingereicht mit Schreiben vom 30. Juli 2009;
Beschreibung:
Seiten 1, 2 und 4-44 in der veröffentlichen Fassung;
Seiten 3, 3A, 3B eingereicht mit Schreiben vom 5. August 2011;
Seiten 3C, 3D eingereicht mit der Beschwerdebegründung;
Zeichnungen:
Blätter 1/5 - 5/5 in der veröffentlichten Fassung.
III. Es wird auf folgende Dokumente verwiesen:
D2: EP 0 947 964 A1
D3: EP 0 718 808 A2
D8: US 5 615 760
IV. Anspruch 1 lautet wie folgt:
"Verfahren zur Erkennung von Verschmutzungen und/oder Farbabnutzungen im Bereich von Farbübergängen in wenigstens einem Abschnitt eines Wertdokuments (12) eines vorgegebenen Wertdokumenttyps auf der Basis von Verarbeitungsdaten, die Farbkoordinatenwerte von Bildelementen (66) in einem Farbraum in Abhängigkeit von der Lage der jeweils den Bildelementen (66) entsprechenden Bereiche in dem Abschnitt (66) des Wertdokuments (12) wiedergeben, und von Referenzdaten, die eine für einen Typ von Wertdokumenten (12) vorgegebene Farbreferenzverteilung von Farbkoordinatenwerten in dem Farbraum in Abhängigkeit von Referenzlagen auf einem Wertdokument (12) des Wertdokumenttyps wiedergeben,
bei dem für jedes der Bildelemente (68) ermittelt wird, ob die dem Bildelement zugeordneten Farbkoordinatenwerte in dem Farbraum der Farbreferenzverteilung entsprechen, wobei die Farbreferenzverteilung durch wenigstens eine vorgegebene, geschlossene Referenzfläche (72) gegeben ist, die durch wenigstens eine für den Wertdokumenttyp vorgegebene lineare Strecke (70) und einen vorgegebenen Abstand der Punkte der Referenzfläche (72) von der wenigstens einen linearen Strecke gegeben ist, bei dem die Lagen der Bildelemente (68), deren Farbkoordinatenwerte als der Referenzverteilung entsprechend ermittelt wurden, mit vorgegebenen Referenzlagen auf dem Wertdokument verglichen werden, und bei dem in Abhängigkeit von dem Ergebnis des Vergleichs eine Anwesenheit oder eine Abwesenheit einer Verschmutzung und/oder Farbabnutzung im Bereich eines Farbübergangs festgestellt wird."
Anspruch 10 lautet wie folgt:
"Vorrichtung zur Erkennung von Verschmutzungen und/oder Farbabnutzungen im Bereich von Farbübergängen in wenigstens einem Abschnitt (66) eines Wertdokuments (12) eines vorgegebenen Wertdokumenttyps mit
wenigstens einer Schnittstelle zur Erfassung von Verarbeitungsdaten, die Farbkoordinatenwerte von Bildelementen (68) in einem Farbraum in Abhängigkeit von der Lage der jeweils den Bildelementen (68) entsprechenden Bereiche in dem Abschnitt (66) des Wertdokuments (12) wiedergeben, und mit einer Auswerteeinrichtung (62), die dazu ausgebildet ist, auf der Basis von über die wenigstens eine Schnittstelle erfaßten Verarbeitungsdaten und von Referenzdaten, die eine für einen Typ von Wertdokumenten (12) vorgegebene Farbreferenzverteilung von Farbkoordinatenwerten in dem Farbraum in Abhängigkeit von Referenzlagen auf einem Wertdokuments (12) des Wertdokumenttyps wiedergeben, ein Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche durchzuführen, und insbesondere für jedes der Bildelemente (68) zu ermitteln, ob die dem Bildelement (68) zugeordneten Farbkoordinatenwerte in dem Farbraum der Farbreferenzverteilung entsprechen, wobei die Farbreferenzverteilung durch eine vorgegebene geschlossene Referenzfläche (72) in dem Farbraum gegeben ist, die durch wenigstens eine für den Wertdokumenttyp vorgegebene lineare Strecke (70) und einen vorgegebenen Abstand der Punkte der Referenzfläche (72) von der wenigstens einen linearen Strecke gegeben ist,
die Lagen der Bildelemente (68), deren Farbkoordinatenwerte als der Referenzverteilung entsprechend ermittelt wurden, mit vorgegebenen Referenzlagen auf dem Wertdokument (12) zu vergleichen, und in Abhängigkeit von dem Ergebnis des Vergleichs eine Anwesenheit oder eine Abwesenheit einer Verschmutzung und/oder Farbabnutzung im Bereich eines Farbübergangs festzustellen."
Anspruch 12 lautet wie folgt:
"Computerprogramm zur Erkennung von Verschmutzungen und/oder Farbabnutzungen im Bereich von Farbübergängen in wenigstens einem Abschnitt eines Wertdokuments (12) eines vorgegebenen Wertdokumenttyps, mit Instruktionen für wenigstens einen Prozessor (38), bei deren Ausführung der Prozessor (38) das Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 9 ausführt."
Anspruch 13 lautet wie folgt:
"Verfahren zur Ermittlung einer Referenzfläche für ein Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 9, bei dem für eine vorgegebenen Anzahl von Wertdokumenten eines vorgegebenen Wertdokumenttyps jeweils diesen zugeordnete Verarbeitungsdaten, die Farbkoordinatenwerte von Bildelementen (66) in einem Farbraum in Abhängigkeit von der Lage der jeweils den Bildelementen (66) entsprechenden Bereiche in dem Abschnitt (66) des Wertdokuments (12) wiedergeben, ermittelt werden,
bei dem Mittelwerte über die Farbkoordinaten wiedergebende erste Komponenten und Korrelationen zwischen den Farbkoordinaten wiedergebende Komponenten einer Matrix in dem Farbraum oder einem anderen Farbraum aus den Verarbeitungsdaten ermittelt werden,
bei dem Richtungsdaten, die die den beiden größten Eigenwerten der Matrix zugehörige Eigenvektoren bestimmen, ermittelt werden, bei dem aus den Richtungsdaten die lineare Strecke definierende Daten so ermittelt werden, daß die Mitte der Strecke durch die Mittelwerte, die Richtung der Strecke durch die Richtung des ersten Eigenvektors bestimmt ist, und
bei dem die Länge der Strecke und der vorgegebene Abstand von der Strecke in Abhängigkeit von dem größten Eigenwert bzw. dem zweitgrößten Eigenwert oder einer die Korrelation entlang der Strecke und der größten Korrelation in einem Unterraum orthogonal zu der Strecke wiedergebenden Größe ermittelt wird."
V. Die Entscheidungsgründe der Prüfungsabteilung wie im Bescheid vom 12. Juni 2014 angegeben und soweit sie für die vorliegende Entscheidung relevant sind können wie folgt zusammengefasst werden:
Kein Merkmal der unabhängigen Ansprüche definiere irgendeinen Unterschied zwischen einer verschmutzten bzw. abgenutzten Stelle einer Banknote und einer anderen Stelle, deren Farbe nicht wegen Verschmutzung oder Abnutzung sondern aus irgendeinem anderen Grund von einer Referenzfarbe abweiche. Die in Anspruch genommene Feststellung einer Verschmutzung bzw. Abnutzung komme lediglich als zu erzielendes Ergebnis zum Ausdruck, und folglich seien die Anforderungen der Artikel 84 nicht erfüllt. Da kein Merkmal zur Unterscheidung von Verschmutzung bzw. Abnutzung von irgendeiner anderen Abweichung von einer Referenzfarbe in der Anmeldung offenbart sei, sei der Gegenstand der Ansprüche nicht ausreichend offenbart im Sinne des Artikels 83 EPÜ.
Was die erfinderische Tätigkeit betreffe, unterscheide sich die Offenbarung des Dokuments D2 vom Gegenstand des Anspruchs 1 wesentlich durch die Form der Referenzfläche. Dies beruhe auf keiner erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ in Anbetracht des Dokumentes D8. Ebenfalls sei der Gegenstand des Anspruchs 1 ausgehend von Dokument D3 nicht erfinderisch.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Artikel 123 (2) EPÜ
Die Prüfungsabteilung hat im Bescheid vom 12. Juni 2014 keinen Einwand unter Artikel 123(2) EPÜ erhoben, und die Kammer sieht keine Veranlassung, von dieser Bewertung abzuweichen.
3. Artikel 83 und 84 EPÜ 1973
3.1 Gemäß Artikel 83 EPÜ 1973 ist die Erfindung in einer europäischen Patentanmeldung "so deutlich und vollständig zu offenbaren, dass ein Fachmann sie ausführen kann".
3.2 Die im Anspruch 1 definierte Erfindung betrifft ein "Verfahren zur Erkennung von Verschmutzungen und/oder Farbabnutzungen" auf einem Wertdokument. Die Prüfungsabteilung hat im Wesentlichen argumentiert, dass kein Merkmal zur Unterscheidung von Verschmutzung bzw. Abnutzung von irgendeiner andern Abweichung von einer Referenzfarbe in der Anmeldung offenbart sei. Folglich offenbare die Anmeldung nicht das beanspruchte "Verfahren zur Erkennung von Verschmutzungen und/oder Farbabnutzungen", sondern lediglich ein Verfahren, mit denen Farben, die aus irgendeinem Grund von einer Referenzfarbe abweichen, festgestellt werden können. Daher seien die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ nicht erfüllt.
Die Kammer stimmt aus folgenden Gründen der Argumentation der Prüfungsabteilung nicht zu.
3.3 Wie in der Beschwerdebegründung dargelegt, hat die Prüfungsabteilung nicht erläutert, welche andere Faktoren, abgesehen von den beanspruchten Verschmutzungen oder Farbabnutzungen, solche Farbabweichungen verursachen können. Es scheint der Kammer schwierig, einen Faktor zu identifizieren, der eine Abweichung der Farbe eines Wertpapiers von seiner ursprünglichen Farbe verursachen kann, aber nicht als eine "Verschmutzung" oder eine "Farbabnutzung" bezeichnet werden kann.
3.4 Selbst unter der Annahme, dass solche Faktoren existieren, ist jedoch nicht einzusehen, warum dies die Ausführbarkeit der Erfindung im Sinne von Artikel 83 EPÜ 1973 in Frage stellen würde. Die Prüfungsabteilung hat in ihrer Entscheidung nicht bestritten, dass ein Fachmann die beanspruchte Verfahrensschritte ausführen könnte, und dabei Verschmutzungen und/oder Farbabnutzungen auf dem Wertdokument erkennen würde.
Die Prüfungsabteilung hat nur argumentiert, dass der Fachmann auch zwangsläufig Farbabweichungen aus anderen Ursachen feststellen würde. Dies hätte lediglich zur Folge, dass das Verfahren eine gewisse Anzahl von falsch-positiven Ergebnissen erbringen könnte, die keine echten "Verschmutzungen" oder "Farbabnutzungen" darstellen würden. Solche falsch-positive Ergebnisse könnten die Effizienz des Verfahrens infrage stellen, aber sie würden der Fachmann nicht verhindern, das Verfahren auszuführen. Daher findet die Kammer, dass die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ 1973 erfüllt sind.
3.5 Ebenso betrachtet die Kammer das beanspruchte Verfahren nicht als ein "zu erzielendes Ergebnis", sondern als ein Verfahren, das eindeutig definiert ist, und mit denen Verschmutzungen und Farbabnutzungen festgestellt werden können.
In welchem Umfang Farbabweichungen auch aus anderen Ursachen festgestellt würden, könnte vielleicht relevant für das Thema Zuverlässigkeit sein. Aber für die Beurteilung, ob das Verfahren gemäß Anspruch 1 klar definiert ist, ist diese Frage nicht relevant. Daher kommt die Kammer zu dem Schluss, dass die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ 1973 erfüllt sind.
4. Erfinderische Tätigkeit gegenüber D2 und D8
4.1 Nach den im Bescheid vom 12. Juni 2014 genannten Gründen stellte die Prüfungsabteilung fest, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Bei ihrer Analyse war die Prüfungsabteilung zum Schluss gekommen, dass das beanspruchte Verfahren sich von dem Verfahren gemäß D2 nur durch die Form der Referenzfläche unterscheide. Die Kammer teilt diese Meinung nicht.
4.6 Die in Anspruch 1 definierte Erfindung betrifft ein Verfahren zur Erkennung von Verschmutzungen und/oder Farbabnutzungen im Bereich von Farbübergängen, so dass beispielsweise entscheidet werden kann, ob Banknoten noch umlauffähig sind oder nicht.
Dagegen besteht die Aufgabe gemäß D2 darin, ein Verfahren bereitzustellen, das "eine zuverlässige Identifikation und Echtheitsprüfung" von Wertpapieren ermöglicht (vgl. Absatz [0008]). Das Ergebnis des Verfahrens wird in Absatz [0036] wie folgt angegeben:
"In der anschließenden Mustererkennung 11 werden die Zeilenvektoren mit den Referenzvektoren verglichen. Das Resultat ist z.B. ein Wahrscheinlichkeitswert für die korrekte Identifikation bzw. für die Echtheit der Banknote."
D2 enthält keine Erwähnung oder Hinweis der Erkennung von Verschmutzungen oder Farbabnutzungen.
4.7 Daher hat die Kammer in dieser Hinsicht Schwierigkeiten, aufgrund der von der Prüfungsabteilung vorgetragenen Argumente zu verstehen, warum das beanspruchte "Verfahren zur Erkennung von Verschmutzungen und/oder Farbabnutzungen" als ein in D2 offenbartes Merkmal anzusehen sein soll.
Eine erste Möglichkeit ist, dass das Argument der Prüfungsabteilung in dieser Hinsicht so zu verstehen ist, dass selbst wenn Verschmutzung oder Farbabnutzung eines Wertpapiers nicht explizit in D2 erwähnt werden, das in D2 offenbarte Verfahren zur Erkennung von Verschmutzungen und/oder Farbabnutzungen geeignet wäre.
Eine andere Möglichkeit ist, dass die Prüfungsabteilung der Auffassung war, dass eine Erkennung von Verschmutzungen und/oder Farbabnutzungen ein zwangsläufiges Ergebnis der Durchführung des in D2 offenbarten Verfahrens wäre.
Keines dieser beiden Argumente überzeugt die Kammer.
4.8 Erstens stellt im beanspruchten Verfahren "zur Erkennung von Verschmutzungen und/oder Farbabnutzungen" ein funktionelles Merkmal dar, das über die reine Eignung zum Zweck hinausgeht (siehe hierzu Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 8. Auflage 2016, I.C.8.1.3(c)). Insbesondere unterstützt die Kammer folgende Stellungnahme, die in T 848/93 abgegeben wurde:
"Betrifft ein Anspruch z. B. eine Vorrichtung, die sich von einer aus einer Vorveröffentlichung bekannten Vorrichtung lediglich durch die Angabe der Verwendung unterscheidet, so stellt die Verwendung kein Vorrichtungsmerkmal dar. Dies bedeutet, daß die beiden Vorrichtungen gleich sind, was ihre Struktur anbelangt. Eignet sich die bekannte Vorrichtung für die beanspruchte Verwendung, so wird die Neuheit verneint. Ähnliches gilt für einen Anspruch für einen Gegenstand, einen Stoff und ein Stoffgemisch. Eine andere, nicht vergleichbare Situation liegt jedoch vor, wenn sich der Anspruch auf ein Verfahren bezieht. In diesem Fall ist nämlich das Verwendungsmerkmal ein funktionelles Verfahrensmerkmal, das schon von der Kategorie her mit den anderen Merkmalen (Schritten) des Verfahrens vergleichbar ist" (T 848/93, Entscheidungsgründe, Punkt 3.2).
Selbst wenn das Verfahren von D2 für das beanspruchte Ziel geeignet wäre, stellt dies keine Offenbarung des Merkmals dar, dass das Verfahren "zur Erkennung von Verschmutzungen und/oder Farbabnutzungen" ist.
4.9 Zweitens ist die Kammer nicht der Ansicht, dass eine Erkennung von Verschmutzungen und/oder Farbabnutzungen das zwangsläufige Ergebnis der Durchführung des in D2 offenbarten Verfahrens wäre.
In D2 wird eine Matrix von Abtastwerten erzeugt (Absatz [0026]). Die Abtastwerte entsprechen z.B. der Intensität einer bestimmten Farbe am Abtastort oder der Differenz von verschiedenen Farbintensitäten (Absatz [0027]). Alle Abtastwerte einer Spalte können zu einer Komponente eines Zeilenvektors aufsummiert werden (Absatz [0028]), und die Zeilenvektoren werden mit Referenzvektoren verglichen (Absatz [0036]). Das Resultat ist z.B. ein Wahrscheinlichkeitswert für die korrekte Identifikation bzw. für die Echtheit der Banknote (Absatz [0036]).
4.10 Die Kammer sieht keinen Anlass zur Annahme, dass ein Wahrscheinlichkeitswert für die Identifikation oder Echtheit einer Banknote notwendigerweise einem Maß der Verschmutzung oder Abnutzung entsprechen würde.
Vielmehr ist wahrscheinlich, dass ein Verfahren zur Identifikation und Echtheitsprüfung so konzipiert wäre, dass es das selbe Ergebnis hervorbringen würde, unabhängig davon, ob die Banknoten im neuwertigen Zustand oder im verschmutzten oder abgenutzten Zustand sind.
4.11 Daher stellt das beanspruchte Merkmal "Verfahren zur Erkennung von Verschmutzungen und/oder Farbabnutzungen" einen Unterschied gegenüber der Offenbarung von D2 dar.
4.12 Ein zweiter Unterschied liegt darin, dass Anspruch 1 folgende Merkmale definiert (Hervorhebung durch die Kammer):
"Verfahren ... auf der Basis von Verarbeitungsdaten, die Farbkoordinatenwerte von Bildelementen (66) in einem Farbraum in Abhängigkeit von der Lage der jeweils den Bildelementen (66) entsprechenden Bereiche in dem Abschnitt (66) des Wertdokuments (12) wiedergeben, und von Referenzdaten, die eine für einen Typ von Wertdokumenten (12) vorgegebene Farbreferenzverteilung von Farbkoordinatenwerten in dem Farbraum in Abhängigkeit von Referenzlagen auf einem Wertdokument (12) des Wertdokumenttyps wiedergeben ... wobei die Farbreferenzverteilung durch wenigstens eine vorgegebene, geschlossene Referenzfläche (72) gegeben ist ..."
4.13 Da die Farbreferenzverteilung in dem Farbraum einer vorgegebenen geschlossenen Referenzfläche entspricht, ist es klar, dass der Farbraum (mindestens) dreidimensional sein muss (z.B. ein RGB Farbraum). Daraus folgt implizit, dass die beanspruchten Farbkoordinatenwerte von Bildelementen von (mindestens) drei voneinander unabhängigen Farbmessungen abgeleitet werden (wie in Fig. 2 dargestellt wird).
Die in D2 offenbarten Abtastwerte entsprechen einer einzelnen Farbparameter, beispielsweise "der Intensität einer bestimmten Farbe am Abtastort oder der Differenz von verschiedenen Farbintensitäten" (Absatz [0027]). D2 offenbart keinen Farbraum (abgesehen von einem trivialen eindimensionalen Farbraum), keine Referenzfläche und keine Messung am Abtastort von drei Farbparametern, die notwendig wäre, einen dreidimensionalen Farbraum zu schaffen.
4.14 Ein dritter Unterschied liegt darin, dass in Anspruch 1 nicht nur eine Referenzfläche sondern eine Referenzfläche einer ganz spezifischen Form definiert wird:
"wobei die Farbreferenzverteilung durch wenigstens eine vorgegebene, geschlossene Referenzfläche (72) gegeben ist, die durch wenigstens eine für den Wertdokumenttyp vorgegebene lineare Strecke (70) und einen vorgegebenen Abstand der Punkte der Referenzfläche (72) von der wenigstens einen linearen Strecke gegeben ist".
4.15 Aus dem Wortlaut des Anspruchs ist implizit, dass der vorgegebene "Abstand" (Deltae) sich auf die kürzeste Entfernung zwischen einem Punkt auf der Referenzfläche und der linearen Strecke bezieht, und dass dieser Abstand für jeden Punkt der Referenzfläche konstant ist. Folglich hat die so definierte Referenzfläche die Form eines Zylinders mit Radius Deltae, dessen Achse der linearen Strecke entspricht, und der an beiden Enden mit einer Halbkugel mit Radius Deltae verschlossen ist (genau wie in Fig. 6 dargestellt).
4.16 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich der Gegenstand des Anspruchs 1 im Vergleich zu der Offenbarung von D2 mindestens durch die drei folgenden Merkmale unterscheidet:
a) Ziel der Erfindung ist die "Erkennung von Verschmutzungen und/oder Farbabnutzungen".
b) Das Verfahren stützt sich auf Farbkoordinatenwerte und eine Farbreferenzverteilung in Form einer vorgegebenen, geschlossenen Referenzfläche in einem (mindestens dreidimensionalen) Farbraum (siehe Punkt 4.13 oben).
c) Der Referenzfläche hat eine wie oben unter Punkt 4.15 dargelegte Form.
4.17 Nach der Beschreibung der Anmeldung (Seite 3, Zeilen 4-8) ist die der vorliegenden Erfindung zugrundeliegende Aufgabe darin zu sehen, ein Verfahren zur Erkennung von Verschmutzungen und/oder Farbabnutzungen im Bereich von Farbübergängen in wenigstens einem Abschnitt eines Wertdokuments zu schaffen, das schnell durchführbar ist. Die Kammer sieht keinen Grund, von dieser Formulierung der technischen Aufgabe abzuweichen.
4.18 Ausgehend von Dokument D2, das ein Verfahren mit dem Ziel der Identifikation und Echtheitsprüfung eines Wertpapiers offenbart, müsste der Fachmann, um zum Unterschied (a) zu gelangen, das in D2 offenbarte Ziel des Verfahrens zu einem ganz anderen Ziel ("Erkennung von Verschmutzungen und/oder Farbabnutzungen") umwandeln. Im Rahmen des Aufgabe-Lösung Ansatzes ist es der Kammer nicht ersichtlich, was einen Fachmann motivieren könnte, der Sinn und Zweck des offenbarten Verfahrens von D2 zu verändern. Allein aus diesem Grund scheint die Begründung bezüglich mangelnder erfinderischer Tätigkeit ausgehend von D2 nicht überzeugend.
4.19 Um ihren Standpunkt in der Frage der erfinderischen Tätigkeit zu unterstützen, hat die Prüfungsabteilung Dokument D8 zitiert. In dieses Dokument ist jedoch keines der Unterscheidungsmerkmale (a), (b) oder (c) offenbart.
4.20 Dokument D8 offenbart ein Münzvalidierungsverfahren, in dem drei unabhängige Messungen (P1, P2 und P3) verwendet werden. In dem beschriebenen Ausführungsbeispiel (Spalte 4, Zielen 38-56) sind P1, P2 und P3 bzw. die Leitfähigkeit, die Dicke und der Durchmesser einer eingeworfenen Münze. Im letzten Satz der Beschreibung wird kurz erwähnt, dass das Verfahren bei Echtheitsprüfung von Banknoten Anwendung finden könnte, aber es wird nicht erläutert, was in diesem Fall P1, P2 und P3 wären.
4.21 Folglich offenbart D8 weder ein Verfahren zur Erkennung von Verschmutzungen und/oder Farbabnutzungen (Unterscheid (a)) noch die Verwendung eines Farbraums (Unterscheid (b)).
Des Weiteren offenbart D8 keine Referenzfläche mit einer wie in Anspruch 1 definierten Form (Unterscheid (c)), sondern eine ellipsoidische Referenzfläche in einem Raum, der kein dreidimensionaler Farbraum ist.
4.22 Aus diesen Gründen sind die Argumente, dass das Verfahren gemäß Anspruch 1 ausgehend von Dokument D2 (mit oder ohne D8) nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, nicht überzeugend.
5. Erfinderische Tätigkeit gegenüber D3
5.1 Nach Auffassung der Prüfungsabteilung offenbart D3 "ebenfalls ein Verfahren, das den Gegenstand der Ansprüche 1, 10 und 12 nahelegt".
5.2 D3 offenbart ein Verfahren, bei dem Merkmalsvektoren auf der Basis von drei Farbemessungen berechnet werden, und es wird ermittelt, ob die Merkmalsvektoren im Innenraum einer vorgegebenen, geschlossenen Referenzfläche in einem Farbraum liegen, der dreidimensional sein kann (Spalte 6, Zeilen 16-30; Spalte 7, Zeilen 1-11). Daher offenbart Dokument D3 das Unterscheidungsmerkmal (b).
5.3 Dokument D3 offenbart jedoch ein Verfahren zur Überprüfung der Echtheit von Dokumenten wie z.B. Banknoten, und betrifft nicht ein Verfahren zur Erkennung von Verschmutzungen und/oder Farbabnutzungen wie beansprucht. Daher offenbart Dokument D3 nicht das Unterscheidungsmerkmal (a), und insofern treffen die oben unter Punkt 4.18 äußerten Bemerkungen mutatis mutandis zu.
5.4 Außerdem ist die in D3 definierte Referenzfläche in der Form eines Ellipsoids (Spalte 7, Zeilen 9-11, Fig 7.), und nicht in der Form wie sie in Anspruch 1 definiert wird (siehe Punkt 4.15 oben). Daher offenbart D3 nicht das Unterscheidungsmerkmal (c). Die Kammer sieht keinen plausiblen Grund, warum der Fachmann zu einer Referenzfläche in der beanspruchten Form gelangen würde, zumal es im verfügbaren Stand der Technik kein Vorbild zu einer solchen Referenzfläche gibt.
5.5 Aus diesen Gründen wird das Verfahren des Anspruchs 1 nicht durch den verfügbaren Stand der Technik nahegelegt, sodass es auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Artikel 52(1) EPÜ und Artikel 56 EPÜ 1973).
6. Unabhängige Ansprüche 10, 12 und 13
6.1 Anspruch 10 definiert eine Vorrichtung, die dazu angepasst ist, "ein Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche durchzuführen". Anspruch 12 definiert ein Computerprogramm, "mit Instruktionen für wenigstens einen Prozessor (38), bei deren Ausführung der Prozessor (38) das Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 9 ausführt". Der Gegenstand dieser Ansprüche ist daher aus denselben Gründen erfinderisch, die für Anspruch 1 gelten.
6.2 Anspruch 13 definiert ein "Verfahren zur Ermittlung einer Referenzfläche für ein Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 9". Wie bereits oben ausgeführt, ist eine solche Referenzfläche im verfügbaren Stand der Technik nicht zu finden (siehe oben Punkte 4.15 und 5.4). Allein aus diesem Grund kann der Gegenstand des Anspruchs 13 als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend betrachtet werden.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen:
Patentansprüche:
1-17, eingereicht mit Schreiben vom 30. Juli 2009;
Beschreibung:
Seiten 1, 2 und 4-44 in der veröffentlichen Fassung;
Seiten 3, 3A, 3B eingereicht mit Schreiben vom 5. August 2011;
Seiten 3C, 3D eingereicht mit der Beschwerdebegründung;
Zeichnungen:
Blätter 1/5 - 5/5 in der veröffentlichten Fassung.