T 0199/16 14-10-2021
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Verfahren zur Benutzungsdatenerfassung eines Flurförderzeugs
Erfinderische Tätigkeit - Aufgabe-Lösungs-Ansatz
Erfinderische Tätigkeit - Mischung technischer und nichttechnischer Merkmale
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (nein)
Spät eingereichter Antrag - eingereicht kurz vor der mündlichen Verhandlung
Spät eingereichter Antrag - zugelassen (nein)
Spät eingereichter Antrag - Antrag hätte bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht werden können (ja)
Spät eingereichter Antrag - Antrag eindeutig gewährbar (nein)
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung Nr. 12 158 807 zurückzuweisen. Die Anmeldung betrifft ein Verfahrung zur Entgeltberechnung für die Benutzung eines Flurförderzeugs. Die Prüfungsabteilung hat die Anmeldung wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit zurückgewiesen, da sich der Gegenstand der Ansprüche auf eine Geschäftsmethode beziehe, die mit den von Telematiksystemen bekannten technischen Merkmalen keinen kombinierten technischen Effekt ergäbe und den technischen Charakter dieser bekannten technischen Merkmale nicht verändere.
II. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer fand mit Einverständnis der Beschwerdeführerin (Anmelderin) als Videokonferenz am 14. Oktober 2021 statt. Die Beschwerdeführerin beantragte am Ende der Verhandlung, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf Grundlage der Ansprüche gemäß des Hauptantrags, eingereicht mit Schreiben vom 28. Februar 2014, zu erteilen, oder hilfsweise auf Grundlage der Ansprüche gemäß des Hilfsantrags 1, eingereicht mit Schreiben vom 28. Februar 2014, oder der Hilfsanträge 2 bis 6, eingereicht als Hilfsanträge 1 bis 5 mit Schreiben vom 2. September 2020.
III. Auf folgende Dokumente wird Bezug genommen:
D1 =|Keytroller: "Forklift Safety and Monitoring Devices - Why you need them for your forklift fleet!", INTERNET ARTICLE, 21. Oktober 2010, XP055032554, URL:http://www.keytroller.com/skin1/downloads/Product-PDFs/KEYTROLLERTRADE.pdf|
D2 =|Keytroller: "KEYTROLLER - Access Monitoring System + Creating a Culture of Safety", INTERNET ARTICLE, 10. Dezember 2010, XP055032555, URL:http://keytroller.com/skin1/downloads/Product-PDFs/WHITEPAPER.pdf|
D3 =|Mining Magazine: "Vehicle Health Monitoring - Taking a pulse", INTERNET ARTICLE, 14. März 2011, XP055032560, URL:http://www.mmsi.com/files/download/ModularNews/2011/taking_a_pulse_-_murray_harcus,_mining_magazine, _janfeb._2011.pdf|
D4 =|Forkliftaction.Com: "Keytroller, LLC Announces KEYTROLLER LCD601 New Generation LCD Access & Monitoring System with Color", INTERNET ARTICLE, 23. September 2010, XP055083659, URL:http://www.forkliftaction.com/news/newsprint.aspx?nwid=8991|
D5 =|Forkliftaction.Com: "Keytroller's BOX DEMO KIT - makes the 601wireless access monitoring system easy to demo", INTERNET ARTICLE, 10.Februar 2011, XP055083661,URL:http://www.forkliftaction.com/news/newsprint.aspx?nwid=9446|
D6 =|EP 1 732 027 A1 |
IV. Hervorhebungen (Hinzufügungen/Hervorhebungen, [deleted: Streichungen], fett) und Merkmalsbezeichnungen in Textstellen wurden von der Kammer hinzugefügt.
V. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:
(A) Verfahren zur Benutzungsdatenerfassung eines
Flurförderzeugs (1) mit mindestens einem Flurförderzeug (1),
(B) das Erfassungsmittel, insbesondere Sensoren, für die Erfassung von nutzungs- und/oder verschleißrelevanten Messgrößen,
(C) sowie eine drahtlose Datenübertragungsvorrichtung (12) umfasst, und
(D) mit einer drahtlosen Datenempfangsvorrichtung (16) sowie mit einer Recheneinheit (17), die mit der Datenempfangsvorrichtung (16) verbunden ist,
(E) wobei durch die Erfassungsmittel die nutzungs- und/oder verschleißrelevanten Messgrößen erfasst werden, dadurch gekennzeichnet,
(F) dass die Messgrößen von der Datenübertragungsvorrichtung (12) und der Datenempfangsvorrichtung (16) an die Recheneinheit (17) übertragen werden,
(G) und die Messgrößen von der Recheneinheit (17) verarbeitet und bewertet werden,
(H) um Benutzungsdaten in Form eines Nutzungsentgeltes zu bestimmen.
VI. Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 lautet wie folgt:
[Hauptantrag bis Merkmal (G); "dadurch gekennzeichnet, dass" vor Merkmal (F) ersetzt durch "wobei"],
(H) um Benutzungsdaten zu bestimmen, insbesondere ein Nutzungsentgelt,
(I) dadurch gekennzeichnet, dass eine Mehrzahl von Flurförderzeugen (1) vorhanden ist und diese Flurförderzeuge (1) in Klassen gleicher Flurförderzeuge (1) oder gleicher bzw. ähnlicher Auswerteverfahren zusammengefasst werden, die von der Recheneinheit (17) gleich verarbeitet und bewertet werden.
Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 lautet wie folgt:
[Hauptantrag],
(J) wobei das Flurförderzeug (1) als ein Gegengewichtsgabelstapler (2) ausgebildet ist, wobei das Flurförderzeug (1) eine Fahrerkabine (3) als Fahrgastraum (4) aufweist, in dem sich ein Fahrerarbeitsplatz (5) mit einem Fahrersitz (6) und einem Lenkrad (11) befindet,
wobei an einem Hubmast (8) eine Lastgabel (9) zur Aufnahme einer Last angeordnet ist, und wobei das Gewicht dieser Last durch ein Gegengewicht (10) ausgeglichen wird.
Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 lautet wie folgt:
[Hilfsantrag 2],
(K) und wobei das Flurförderzeug (1) als batterie-elektrisch angetriebene Arbeitsmaschine ausgebildet ist und über Elektromotoren angetrieben wird und welche zur Energieversorgung eine Batterie (7) aufweist.
Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 lautet wie folgt:
[Hilfsantrag 3],
(L) wobei die drahtlose Datenübertragungsvorrichtung (12) eine WLAN-Antenne (13) umfasst, wobei die Datenempfangsvorrichtung (16) und die Recheneinheit (17) eine WLAN-Empfangseinrichtung (15) umfasst, und wobei die drahtlose Datenübertragungsvorrichtung (12) und die Datenempfangsvorrichtung (16) WLAN zum Versenden von Messgrößen nutzen.
Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 lautet wie folgt:
[Hilfsantrag 4],
(M) wobei die Messgrößen Fahrtrichtung und/oder gefahrene Strecke vorwärts und/oder gefahrene Strecke rückwärts und/oder Beschleunigung und/oder Lastgewicht und/oder Hubhöhe und/oder Drehzahlen sowie Ströme von Arbeitsmotoren, und/oder ein Fahreridentifizierungssignal umfassen.
Anspruch 1 des Hilfsantrags 6:
[Hilfsantrag 5] und Merkmal (I) ("dadurch gekennzeichnet, dass" in Merkmal (I) ersetzt durch "wobei")
VII. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen folgendermaßen argumentiert:
a) Bei der Patentfähigkeitsprüfung seien die Dokumente D1 bis D5 nicht zu berücksichtigen, sofern die Kammer für diese Dokumente zum Nachweis von deren Veröffentlichung vor dem Prioritätszeitpunkt nicht einen datierten Beleg durch eine Wayback-Maschine vorlege. Im erstinstanzlichen Verfahren sei schon die Datierung der Internetveröffentlichungen D1 bis D3 beanstandet worden. Dies sei von der Prüfungsabteilung in einem Bescheid aufgegriffen worden. Folglich sollte der Antrag auf eine Datierung der Internetveröffentlichungen D1 bis D5 durch eine Wayback-Maschine nicht als verspätet angesehen werden.
b) Hauptantrag: D4 offenbare nicht eindeutig eine Erfassung der Daten durch Sensoren und dass die Messgrößen von der Recheneinheit verarbeitet und bewertet werden.
c) Eine Entgeltberechnung aus Messgrößen sei ein rein technischer Vorgang im Lichte der Beschreibung, da durch das berechnete Entgelt eine Korrektur der Messgrößen stattfinden könne; eine Entgeltberechnung sei nicht durch D4 nahegelegt.
d) Hilfsantrag 1: Eine Einteilung in Fahrzeugklassen erlaube eine Optimierung der Rechenkapazitäten und habe folglich einen technischen Effekt.
e) Hilfsanträge 2 bis 6 seien zuzulassen, da sie prima facie zu gewährbaren Ansprüchen führten. D4 offenbare keinen batteriebetriebenen Gegengewichts-Gabelstapler und keine Fahreridentifikation über die drahtlose Kommunikation.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Die beanspruchte Erfindung
2.1 In zunehmendem Maße werden Gabelstapler nicht mehr gekauft, sondern kurz-, mittel- oder langfristig geleast oder auch nur gemietet. Dies entspricht dem Wunsch der Nutzer, keinen eigenen Verwaltungsaufwand für eine Flurförderzeugflotte zu haben einschließlich des hierfür nötigen Personals, sondern eine Servicedienstleistung.
2.2 In der Regel werden verschleißrelevante Messgrößen für die Leasingentgeltberechnung in Telematik-Fahrzeugcontrollern aufgezeichnet. In solchen "Embedded-Systemen" steht Rechenleistung nur begrenzt zur Verfügung und das Erweitern von Funktionen ist daher kritisch. Der vorliegenden Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Benutzungsdatenerfassung zur Verfügung zu stellen, das diesen Nachteil vermeidet. Als Lösung wird vorgeschlagen, die verschleißrelevanten Messgrößen über eine drahtlose Verbindung an eine zentrale Recheneinheit zu melden, wo das Entgelt berechnet werden kann (Anmeldung, Absätze [0002] bis [0012]).
3. Antrag auf Datierung von D1 bis D5 durch eine Wayback-Maschine
3.1 Die Beschwerdeführerin bestreitet mit der Eingabe vom 2. September 2020 in Erwiderung auf den ersten, die vorläufige Meinung der Kammer mitteilenden Bescheid vom 10. Juli 2020 erstmals im Verfahren, dass die von der Prüfungsabteilung als Stand der Technik geprüften Dokumente D4 und D5 als Internetoffenbarungen vor dem Prioritätsdatum öffentlich zugänglich gewesen seien, und fordert für diese Dokumente einen aktuell zugänglichen Link einer Wayback-Maschine (z.B. archive.org), da insbesondere der im Recherchenbericht für Dokument D4 zitierte Link (https://www.forkliftaction.com/news/newsdisplay.aspx?nwid=8991) nicht mehr zugänglich sei.
3.2 D4 ist auf den 23. September 2010 datiert:
FORMEL/TABELLE/GRAPHIKDatierung D4
Die Prüfungsabteilung hatte in Reaktion auf das Bestreiten der Beschwerdeführerin, dass die Entgegenhaltungen D1 bis D3 vorveröffentlichter Stand der Technik seien (vgl. Schriftsatz vom 30. April 2013, Abschnitt V, dort als "E1 bis E3" bezeichnet), mit Bescheid vom 24. Oktober 2013 unter anderem die Dokumente D4 und D5 eingeführt. Dabei hat sie für die Verwendung von D4 offensichtlich eine von den damals gültigen Prüfungsrichtlinien gestützte Anscheinsvermutung hinsichtlich des Veröffentlichungsdatums zugrunde gelegt. Diese Anscheinsvermutung wird in den Richtlinien für die Prüfung im EPA, Juni 2012, G-IV 7.5.2 (letzter Absatz), G-IV 7.5.3 (erster Absatz), G-IV 7.5.3.2 (letzter Absatz) und G-IV 7.5.4 wie folgt beschrieben:
a) Zur Datierung der frühesten Zugänglichkeit gilt grundsätzlich eine Datumsanzeige auf einem im Internet veröffentlichten Artikel, wenn diese plausibel ist;
b) der Anmelder muss den Beweis für das Gegenteil erbringen, wenn er die Datumsanzeige für nicht plausibel hält.
3.3 Die Kammer konnte am 17. Juni 2021 (und im Übrigen auch kurz vor der mündlichen Verhandlung am 13. Oktober 2021) problemlos auf den oben in Abschnitt 3.1 genannten Link zugreifen.
3.4 Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 29. Juni 2021 hat die Kammer ihre vorläufige Meinung mitgeteilt, dass unabhängig von der tatsächlich gegebenen Abrufbarkeit des Links die Zulassung des obigen Antrags, der eine Änderung des Vorbringens der Beschwerdeführerin darstellt, nach Artikel 13 (1) VOBK 2020, Artikel 12 (4) VOBK 2007 geprüft werden muss.
3.5 Die Beschwerdeführerin hat argumentiert, dass die Datierung von D1 bis D3 schon im erstinstanzlichen Verfahren gerügt worden sei. Es sei also schon rechtzeitig im erstinstanzlichen Verfahren die eindeutige Datierung der Internet-Offenbarung des KEYTROLLERS LCD601, der Gegenstand der D1 bis D5 sei, angezweifelt worden. Zudem sei zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung (12. Oktober 2015) nicht absehbar gewesen, dass Änderungen des Beschwerdevorbringens sechs Jahre später deutlich strenger behandelt werden würden, als es zum Zeitpunkt der Beschwerde üblich war.
3.6 Die Kammer weist darauf hin, dass für Eingaben nach der Beschwerdebegründung erst recht gelten muss, was gemäß Artikel 12 (4) VOBK 2007 bereits für die zeitlich vorangehende Stufe der Beschwerdebegründung gilt (siehe insofern auch den Verweis in Artikel 13 (1) Satz 2 VOBK 2020 unter anderem auf Artikel 12 (6) VOBK 2020, der inhaltlich Artikel 12 (4) VOBK 2007 entspricht, sowie auf Grundlage der alten Verfahrensordnung T 133/12, Gründe 2.2.2, und T 143/14, Gründe 2.6). Insofern hat die Kammer die Befugnis, Tatsachen, Beweismittel oder Anträge nicht zuzulassen, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können.
3.7 Ferner wird die Nichtzulassung von Anträgen oder Einwänden, welche bereits in der ersten Instanz hätten vorgebracht werden können, in Anwendung von Artikel 12 (4) VOBK 2007 seit langem und weit vor Einführung der neuen Verfahrensordnung 2020 durch die Kammern praktiziert (vgl. die jeweiligen Entscheidungsnachweise in der "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 9. Auflage 2019, Kapitel V.A. 4.11.1, 4.11.2 (dort insbesondere der letzte Absatz) und 4.11.4 b).
3.8 Die Kammer kann daher in Bezug auf Artikel 12 (4) VOBK 2007 die von der Beschwerdeführerin behauptete deutlich strengere Behandlung von Änderungen im Beschwerdevorbringen nicht erkennen. Im Übrigen merkt die Kammer an, dass selbst wenn ein Wandel hin zu einer restriktiveren Vorgehensweise eingetreten wäre, dieser Umstand irrelevant wäre: Entscheidend ist allein, dass durch die geltende Verfahrensordnung der Kammer ein entsprechendes Ermessen eingeräumt wird und sie in Anwendung von zulässigen Ermessenskriterien eine Entscheidung trifft, wie im Folgenden ausgeführt wird.
3.9 Die Prüfungsabteilung hat ihre Argumentation sowohl in ihren Bescheiden als auch in der angefochtenen Entscheidung unter anderem auf die Dokumente D4 und D5 gestützt. Diese Dokumente wurden speziell zur Datierung von D1 bis D3 in Antwort auf die Rüge vom 30. April 2013 eingeführt. Die Beschwerdeführerin hätte also etwaige Zweifel über die Zugänglichkeit der Artikel von D4 und D5 vor dem Prioritätsdatum schon im erstinstanzlichen Verfahren zeitnah nach deren Einführung vorbringen können und müssen. Stattdessen hat sie solche Zweifel zu keinem Zeitpunkt während des erstinstanzlichen Verfahrens angemeldet, sondern die Dokumente als Stand der Technik ohne Weiteres akzeptiert. Das Stillschweigen während des Prüfungsverfahrens und auch noch in der Beschwerdebegründung zur Frage des Datums der Zugänglichkeit dieser beiden Dokumente kann somit vielmehr als konkludente Zustimmung gewertet werden als ein Anzweifeln.
3.10 Hätte die Beschwerdeführerin rechtzeitig Zweifel vorgetragen, hätte die Prüfungsabteilung gegebenenfalls Nachweise vorgelegt oder jedenfalls eine Entscheidung über die Frage der Zugänglichkeit der genannten Dokumente vor dem Prioritätsdatum getroffen, die von der Kammer hätte überprüft werden können.
3.11 Die Kammer kann folglich keinen plausiblen Grund für den verspätet vorgebrachten Einwand erkennen und kommt daher in Anwendung ihres Ermessens gemäß Artikel 12 (4) VOBK 2007 zum Schluss, den Einwand der fehlenden Vorveröffentlichung nicht in das Verfahren zuzulassen und Dokument D4 grundsätzlich als Stand der Technik zu berücksichtigen.
4. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit
4.1 Nächstliegender Stand der Technik
D4 und D6 haben sehr ähnliche Offenbarungen. D4 offenbart jedoch die Benutzung von WLAN und eine zentrale Recheneinheit (Host PC, Server) und wird deshalb als nächstliegender Stand der Technik angesehen. In D6 wird zwar WLAN erwähnt, aber im Ausführungsbeispiel ein RFID-basiertes System verwendet.
4.2 D4
4.2.1 D4 offenbart das Gabelstapler-Kontrollsystem "KEYTROLLER LCD601", mit den folgenden Merkmalen:
a) Abstract, letzter Satz: "...creates driver accountability with impact and speed sensing, prevents unauthorized drivers by requiring code input or RFID card reading, extends equipment life with scheduled maintenance by date or hour meter reading, and is available with wireless options";
b) "How it works", sechster Unterpunkt: "SPEEDOMETER: Vehicles with speed sensor inputs will be able to view speed from color LCD display";
c) "How it works", neunter Unterpunkt: "MACHINE MONITORING: 5 Auxiliary inputs for monitoring engine, seat, seat belt, overload etc.";
d) "How it works", 14. Unterpunkt: "TEXT MESSAGING: When wirelessly enabled, manager can text message individuals directly from host PC";
e) "How it works", letzter Unterpunkt: "FILTERING AND GRAPHING OF EVENT LOG: All usage events can be conveniently viewed using KEYPATROLLER client server software"
f) Absatz "The product features ...", erster Satz: "... START/STOP functions (for both engine and electric powered vehicles)", dritter Satz: "Inexpensive WiFi, Zigbee, and Bluetooth Wireless options are available as well".
g) Auf einem der in D4 abgebildeten Fotos (nachfolgend wiedergeben) wird ein Gabelstapler gezeigt, auf dem der KEYTROLLER LCD601 montiert ist.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
D4, der Pfeil wurde von der Kammer hinzugefügt und zeigt die Position des KEYTROLLER LCD601 an. Erkennbar ist der Hubmast, an dem die Lastgabel befestigt ist
4.2.2 "Wifi" steht für eine WLAN-Kommunikations-Verbindung. Eine solche drahtlose Verbindung setzt einen WLAN-Router und daran angeschlossene Teilnehmer voraus. Werden Daten von dem Keytroller-Gerät an den Host-Computer über die WLAN-Verbindung gesendet, fungiert das Keytroller-Gerät quasi als Sender und der Host-Computer als Empfänger. Die WLAN-Module der beiden Geräte können als Sender und Empfänger gesehen werden.
4.2.3 Die Beschwerdeführerin hat argumentiert, dass D4 nicht explizit ein Flurförderzeug offenbare, sondern nur das Bild eines Gabelstaplers. Ebenso seien Merkmale (B) (Sensoren) und (G) (Verarbeitung der Messgrößen von der Recheneinheit) nicht explizit offenbart. Der letzte Satz in D4 ("KEYPATROLLER Client Server Software provides wireless connectivity for programming and downloading, as well as text messaging, filtering and graphing, and e-mailing any events chosen") weise eher darauf hin, dass die drahtlose Verbindung nicht für eine Übertragung der Messgrößen auf die Recheneinheit und eine Verarbeitung auf dieser Recheneinheit (Host PC, Server) benutzt werde, sondern nur für ein Software-Update.
4.2.4 Die Kammer kommt zum Schluss, dass die Abbildung der D4 den KEYTROLLERS LCD601 auf einem Gabelstapler montiert zeigt. Folglich offenbart D4 ein System bestehend aus dem KEYTROLLER und dem Gabelstapler. Merkmal (B) ist durch den Geschwindigkeits- und Betriebsstunden-Sensor("speed sensor", "hour meter") in D4 explizit offenbart. Merkmal (G) ist durch das "Filtering and Graphing" in der "client server software" gegeben. Eine Datenfilterung setzt eine Datenextraktion nach bestimmten Kriterien voraus und eine graphische Datenanzeige eine entsprechende Aufbereitung der Daten. Da beides durch eine "client server software", also auf einem Server (host PC), stattfindet, findet die Datenverarbeitung auch in einer (zentralen) Recheneinheit statt und damit auch eine drahtlose Übertragung dieser Daten auf diese Recheneinheit, da keine andere Art der Datenübertragung angegeben und ersichtlich ist.
4.2.5 D4 offenbart folglich ein
(A) Verfahren zur Benutzungsdatenerfassung eines Flurförderzeugs (siehe Foto, die zitierte Webseite beschäftigt sich nur mit Gabelstaplern und dessen Zubehör) mit mindestens einem Flurförderzeug (Gabelstapler, Foto),
(B) das Erfassungsmittel, insbesondere Sensoren, für die Erfassung von nutzungs- und/oder verschleißrelevanten Messgrößen (hour meter, driver identity code, speed metering, monitoring motor and overload etc.),
(C) sowie eine drahtlose Datenübertragungsvorrichtung (wireless connection, wifi) umfasst, und
(D) mit einer drahtlosen Datenempfangsvorrichtung (wifi des Host PC) sowie mit einer Recheneinheit (host PC), die mit der Datenempfangsvorrichtung verbunden ist,
(E) wobei durch die Erfassungsmittel die nutzungs- und/oder verschleißrelevanten Messgrößen erfasst werden,
(F) wobei die Messgrößen von der Datenübertragungsvorrichtung und der Datenempfangsvorrichtung an die Recheneinheit übertragen werden (wifi connection),
(G) und die Messgrößen von der Recheneinheit verarbeitet und bewertet werden (z.B. FILTERING AND GRAPHING).
4.3 Unterschied
D4 offenbart daher Merkmale (A) bis (G), aber nicht "Benutzungsdaten in Form eines Nutzungsentgeltes zu bestimmen" (Merkmal (H)), d.h. die Berechnung der (Leasing-)Gebühr aus den Messgrößen, z.B. der Betriebsstunden.
4.4 Effekt
4.4.1 Die Beschwerdeführerin hat argumentiert, dass das berechnete Entgelt auch zu einer Korrektur der Messgrößen verwendet werden könne (Seite 4, Zeile 26 ff. der Patentanmeldung wie ursprünglich eingereicht: "Schließlich wird auch eine nachträgliche Korrektur von Daten bzw. bearbeiteten Messgrößen möglich und durch eine abgespeicherte Datenhistorie wird erkennbar, wie sich diese Korrektur auf das Berechnungsergebnis der Benutzungsdaten, bzw. des Nutzungsentgeldes (sic) auswirkt").
4.4.2 Die Kammer kann jedoch zum einen aus dieser Passage nicht direkt ableiten, dass das berechnete Entgelt für eine Datenkorrektur verwendet wird. Eher wird untersucht, wie sich eine Datenkorrektur auf das Entgelt auswirkt. Zum anderen ist eine Datenkorrektur nicht Teil des Anspruchswortlautes.
4.4.3 Merkmal (H) hat somit nur den Effekt, dass eine automatisierte Abrechnung bezogen auf die Nutzerzeit oder den Verschleiß des benutzten Gerätes erstellt werden kann. Merkmal (H) hat somit einen nichttechnischen Effekt, da es vorwiegend geschäftlichen Zwecken dient. Die Merkmale (A) bis (H) sind zwar in ihrer Gesamtheit technisch und haben zum Teil rein technische Zwecke. Dies gilt jedoch nicht für das Merkmal (H), wenn es isoliert betrachtet wird.
4.4.4 Die Aufgabenstellung ergibt sich nicht alleine aus dem Motiv und der zu erzielenden Wirkung, sondern gemäß T 641/00 auch durch die nichttechnischen Merkmale. Es ist offensichtlich, dass Merkmal (H) durch eine Verwirklichung auf einem Computer-System technisch wird. Merkmal (H) ist für sich jedoch ohne eine Computer-Implementierung möglich und bezieht sich auf eine Geschäftsmethode, da es dem kaufmännischen Zweck der Entgeltabrechnung dient.
4.4.5 Laut Artikel 52 (2) EPÜ werden als Erfindungen im Sinne des Artikel 52 (1) EPÜ insbesondere nicht angesehen (Abschnitt c)) Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten, für Spiele oder für geschäftliche Tätigkeiten sowie Programme für Datenverarbeitungsanlagen.
4.4.6 Merkmale, die Abschnitt c) von Artikel 52 (2) EPÜ betreffen, sind nicht patentierbar, wenn sich die europäische Patentanmeldung oder das europäische Patent auf diese Gegenstände oder Tätigkeiten als solche bezieht (Artikel 52 (3) EPÜ). Das Erzeugen von Entgeltberechnungen hat nichttechnischen Charakter und ist als solches ohne technischen Zusammenhang durch Artikel 52 (2) EPÜ von der Patentierbarkeit ausgeschlossen.
4.4.7 Im Zusammenhang mit technischen Merkmalen, wie z.B. einem Computer-System und einem Flurförderzeug, gilt der gerade genannte Patentierbarkeitsausschluss zwar nicht, Merkmale im Sinne von Artikel 52 (2) c) EPÜ können aber nicht zur erfinderischen Tätigkeit beitragen. Diese Merkmale können somit in die Formulierung der Aufgabe aufgenommen werden (siehe unter anderem G 3/08, T 641/00, G 1/19, Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage 2019, Abschnitte I.D.9.1.2 bis I.D.9.1.4). Folglich kann das nichttechnische Merkmal (H) als zu erfüllende Rahmenbedingung in die Aufgabenformulierung aufgenommen werden.
4.5 Objektive technische Aufgabe
Als objektive technische Aufgabe ergibt sich daher "das von der D4 bekannte Fahrzeugtelematiksystem soweit zu automatisieren, dass die Recheneinheit das Nutzungsentgelt automatisch aus den Messgrößen berechnet".
4.6 Naheliegende Lösung
4.6.1 Die Prüfungsabteilung argumentierte, dass sich der Gegenstand des Anspruchs 1 auf eine Geschäftsmethode beziehe, welche eine Verwaltungsaufgabe sowie eine geistige Tätigkeit darstelle. Die unterscheidenden Merkmale seien geschäftlicher sowie administrativer Natur, d.h. diese Merkmale hätten keinen technischen Charakter und könnten im weitesten Sinne auch von Personen als gedankliche und manuelle sowie als Verwaltungstätigkeit durchgeführt werden; z.B. könnte der Besitzer eines Flurförderzeugs feststellen, dass dessen Nutzer aufgrund vorliegender Informationen drei Stunden damit herumgefahren ist, und diesem dafür einen entsprechenden Betrag in Rechnung stellen.
4.6.2 Zudem wäre es für die Fachperson aus dem Bereich der Informatik naheliegend, die offenbarte Recheneinheit nach geschäftlichen Vorgaben so zu programmieren, dass aus den bereitgestellten Messgrößen das Nutzungsentgelt bestimmt wird. Die Fachperson wüsste, wie man diese Aufgabe mittels allgemein bekannter Informationstechnik umsetze und benötige dazu keine erfinderische Tätigkeit.
4.6.3 Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass die Bestimmung eines Nutzungsentgeltes im vorliegenden Fall als technisches Merkmal angesehen werden müsse. Sehr viele technische Vorgänge im Bereich der Steuerungstechnik würden eine mathematische Berechnung mithilfe von Software erfordern. Es mache insofern keinen Unterschied, ob anstatt einer Steuerungsgröße im Rahmen z.B. einer Geschwindigkeitsregelung ein Preis durch eine mathematische Berechnung gebildet werde. Auch die Geschwindigkeitsregelung wäre "von Hand" möglich und dies erfolge täglich durch jeden Autofahrer im Straßenverkehr mittels des Gaspedals.
4.6.4 Im hier vorliegenden Fall der Berechnung eines Nutzungsentgeltes werde durch die Software kein Geschäft abgeschlossen oder lediglich über ein Computerprogramm ein Produkt angeboten. Das Bestimmen eines Preises könne nicht von vornherein als ausschließlich nichttechnisch qualifiziert werden, da eine Preisbestimmung beispielsweise bei vielen technischen Vorrichtungen geradezu die Hauptaufgabe sei und diese gleichzeitig unzweifelhaft technisch sei, wie etwa bei allen einen Verbrauch messenden Vorrichtungen (Stromzähler, Gaszähler, Wasseruhren etc.). Das Merkmal (H) könne nicht ohne technische Mittel umgesetzt werden, da es nur auf einem Computer ausgeführt werden könne.
4.6.5 Das Merkmal der Bestimmung eines Nutzungsentgeltes könne daher nicht als ausschließlich einen geschäftlichen oder administrativen Charakter aufweisend angesehen werden und es fiele nicht für sich allein unter das Patentierungsverbot nach Artikel 52 (2) EPÜ. Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit könne daher dieses Merkmal nicht außer Acht gelassen werden. Außerdem könne die Entgeltberechnung auch zu rein technischen Zwecken verwendet werden, nämlich zur Korrektur der Messgrößen.
4.6.6 Die Kammer stimmt im Wesentlichen der Argumentation der Prüfungsabteilung zu, dass Merkmal (H) für sich ein rein kaufmännisches nichttechnisches Merkmal ist. Der etablierte Aufgabe-Lösungs-Ansatz bei Vorhandensein nichttechnischer Merkmale ist seit der Entscheidung T 641/00 etabliert. Allein durch die Aufnahme der nichttechnischen Merkmale in die Problemstellung ist im vorliegenden Fall die Lösung des Problems offensichtlich.
4.6.7 Die Kammer sieht zudem im Anspruchswortlaut keine strukturellen technischen Merkmale, die die Fachperson vor technische Probleme stellen würden. Das technische Problem würde wohl eher darin liegen, wie die Messgrößen ermittelt werden. Andererseits gibt die Anmeldung zur Umsetzung des Merkmals (H) auch keine speziellen technischen Lösungen an, die darüber hinausgehen, was die Fachperson durch Umprogrammieren des zentralen Computers erreichen könnte, einen zusätzlichen oder speziellen technischen Effekt hätten oder eine unerwartete und nichtoffensichtliche Lösung darstellen würden. Es wird nicht weiter spezifiziert, mit welchen technischen Mitteln das Problem gelöst wird. Die zu lösende Aufgabe ist schlicht eine Entgeltberechnung aus Messgrößen. Es folgt direkt aus der Aufgabenstellung, dass die Betriebszeit oder andere Parameter durch einen Algorithmus in ein Nutzungsentgelt umgerechnet werden.
4.6.8 Die Fachperson würde somit in Anbetracht der zu lösenden Aufgabe auf einem zentralen Rechensystem (z.B. dem host PC, Server in D4) einen Algorithmus implementieren, der auch eine Berechnung des zu zahlenden Entgelts erstellen würde.
4.6.9 Folglich beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags gegenüber Dokument D4 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
5. Hilfsantrag 1
5.1 Zulassung des Hilfsantrags 1
Hilfsantrag 1 wurde zunächst von der Beschwerdeführerin mit der Beschwerdebegründung eingereicht, im Schreiben vom 2. September 2020 jedoch nicht mehr aufrecht erhalten (und damit zurückgenommen) und dann mit Schreiben vom 11. August 2021 (mit unwesentlichen Änderungen) wieder aufgenommen. Für die Kammer ergibt sich hierdurch im Vergleich zur Sachlage nach Einreichung der Beschwerdebegründung, mit der sich die Kammer bereits in ihrem Bescheid vom 10. Juli 2020 auseinandergesetzt hat, keine Änderung. Die Kammer lässt daher im Rahmen ihres Ermessens gemäß Artikel 13 (2) VOBK 2020 Hilfsantrag 1 in das Verfahren zu.
5.2 Erfinderische Tätigkeit - Unterschied
Anspruch 1 des Hilfsantrages 1 enthält zusätzlich Merkmal (I), d.h. eine Einteilung der Flurförderzeuge in Fahrzeugklassen.
5.3 Effekt
5.3.1 Die Patentinhaberin hat argumentiert, dass die Einteilung in Klassen, die von der Recheneinheit gleich verarbeitet und bewertet werden, dazu führen könne, dass Rechenzeit optimiert werde. Dadurch werde der technische Ablauf des Verfahrens und der Energieverbrauch optimiert, was eindeutig rein technische Effekte seien.
5.3.2 Die Kammer kann in der Beschreibung jedoch keinerlei Hinweise auf diese Effekte finden. Es ist zudem zwar möglich, dass dieser Effekt bei der Prozessierung einer extrem hohen Anzahl von Fahrzeugen auftritt. Eine Klasseneinteilung hat jedoch bei der Entgeltberechnung von sehr wenigen Fahrzeugen keinen Effekt auf die Rechenzeit, ja könnte sich sogar eher gegenteilig auswirken.
5.3.3 Der technische Effekt eines nichttechnischen Merkmals muss über den gesamten Schutzumfang des Anspruchs erzielt werden (G 1/19, Gründe 82 bis 84). Dies ist jedoch im vorliegenden Fall nicht gegeben. Zudem finden sich zu dem möglichen technischen Effekt keinerlei Hinweise in der Beschreibung. In T 2147/16 (Orientierungssatz) wurde entschieden, dass die technische Wirkung von nichttechnischen Merkmalen zumindest in der Beschreibung erwähnt sein sollte und/oder der Anspruchswortlaut den technischen Effekt der nichttechnischen Merkmale reflektieren sollte.
5.3.4 In der Beschreibung der vorliegenden Patentanmeldung wird offenbart (Seite 4, Zeile 7 ff.), dass mehrere Flurförderzeuge einer Flotte an der Recheneinheit zu Nutzungsintensitätsklassen zusammengefasst werden können. Dadurch können "an der Recheneinheit kundenspezifisch, angepasst an den jeweiligen Einsatz und den Flurförderzeugtyp, die Verarbeitungs- und Bewertungsverfahren festgelegt werden". Dies bedeutet, dass kaufmännische Gründe auch und vorwiegend bei der Einteilung in Fahrzeugklassen eine Rolle spielen. Die Einteilung von Mietfahrzeugen in Tarifklassen, die einem bestimmten Kundenkreis angepasst werden können, sind weitläufig bekannt und dient vornehmlich kaufmännischen Zwecken.
5.3.5 Eine Einteilung der Fahrzeuge nach Klassen hat den Effekt, dass die tarifgemäße Nutzungsentgeltberechnung effizienter werden kann, dadurch, dass mehrere Fahrzeuge in der Berechnung zusammengefasst werden können, da für diese Klassen einheitliche Verfahren für die Ermittlung der Belastungsgrößen und damit der Entgelte aus den Messgrößen festgelegt werden können (dies gilt allerdings nur bei einer sehr großen Anzahl von Fahrzeugen, bei sehr weinigen Fahrzeugen könnte sogar der gegenteilige Effekt eintreten).
5.3.6 Da die Einteilung in Klassen zwar sowohl technische als auch nichttechnische Zwecke haben kann, ein technischer Effekt aber für den gesamten Bereich weder direkt ableitbar noch in der Beschreibung dokumentiert ist und auch nicht im Anspruchswortlaut reflektiert ist, kann Merkmal (I) nicht als technisches Merkmal angesehen werden.
5.4 Aufgabe
Die Aufgabenstellung kann deshalb unter Berücksichtigung der nichttechnischen Merkmale (H) und (I) definiert werden (siehe oben Abschnitt 4.4.7) als "das von der D4 bekannte Fahrzeugtelematiksystem soweit zu automatisieren, dass das Nutzungsentgelt automatisch aus den Messgrößen berechnet wird, wobei die Berechnung durch Einteilung der Fahrzeuge in Fahrzeugklassen einfach und effizient gestaltet wird".
5.5 Naheliegende Lösung
5.5.1 Die Prüfungsabteilung argumentierte, dass die besagte Klassifizierung und Gruppierung einen weiteren Aspekt der zugrundeliegenden geschäftlichen Verwaltungsaufgabe beschreibe und daher der Fachperson als nichttechnische Zielsetzung vorgegeben werde, deren Automatisierung mittels der bekannten Informationstechnik (Recheneinheit) als für die Fachperson offensichtlich angesehen werde.
5.5.2 Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass keines der im Recherchenbericht zitierten Dokumente das Merkmal (I) offenbare oder nahelege und dass die Fachperson auch keinerlei Motivation hätte, das Merkmal (I) zu implementieren.
5.5.3 Die Kammer ist der Meinung, dass der Gesamtgegenstand des Anspruchs ("Was?") insgesamt technischer Natur ist, das "Warum?" hauptsächlich geschäftlicher Natur ist, und die Lösung des Problems, das "Wie?", durch eine einfache Programmierung gelöst werden kann. Ausgehend von dem Daten-Überwachungs- und -Übertragungssystem von D4 und der zu lösenden Aufgabe ist es für die Fachperson naheliegend, das Tarifsystem so zu vereinfachen, dass Gruppen von Fahrzeugklassen bzw. Zeitbenutzungsblöcke gebildet werden. Fast jedes Tarifsystem beinhaltet eine solche Klasseneinteilung (Produktgruppen, Zeitblöcke).
5.5.4 Die Fachperson würde sofort erkennen, dass eine solche Klasseneinteilung auch für die technische Implementierung einen Effizienzgewinn bringt. Die technische Umsetzung von Klassen ist sowohl einfach zu implementieren, als auch effizienter für die Entgeltberechnung und die Vermarktung des Systems. Die Fachperson erhält also sowohl durch die technische als auch durch die gewerbliche Aufgabenstellung direkt einen Hinweis auf die Lösung der Aufgabe, deren Implementierung keinerlei technische Herausforderungen darstellt.
5.5.5 Die Kammer ist zudem der Meinung, dass aus der oben formulierten objektiven technischen Aufgabe gemäß dem Ansatz laut T 641/00 die Fachperson eine Motivation hätte, das System der D4 entsprechend zu modifizieren. In der Entscheidung T 1075/14 (Gründe 2.6, die dort zugrunde liegende Anmeldung wurde vor dem Prioritätstag der hier vorliegenden Anmeldung veröffentlicht) wurde zudem entschieden, dass eine Berücksichtigung der Hubhöhe bei der Entgeltberechnung für ein Flurförderfahrzeug nicht erfinderisch ist. Eine Entgeltberechnung nach Hubhöhen entspricht einer Einteilung in Leistungsklassen.
5.5.6 Die Kammer kommt folglich zum Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrages 1 nicht erfinderisch ist gegenüber D4 in Verbindung mit dem fachüblichen Handeln der Fachperson. Die Fachperson würde in Anbetracht der zu lösenden Aufgabe Merkmal (I) einfach auf dem "Host PC" implementieren. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 beruht gegenüber Dokument D4 folglich nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 52 (1), 56 EPÜ).
6. Hilfsanträge 2 bis 6 (Zulassung)
6.1 Die Beschwerdeführerin hat in ihrem Schriftsatz vom 2. September 2020 in Erwiderung auf den ersten Bescheid der Kammer diese neuen Hilfsanträge eingereicht, in welchen sie Merkmale aus der Beschreibung und aus Unteransprüchen in den unabhängigen Anspruch 1 aufgenommen hat.
6.2 Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Einreichen der Beschwerdebegründung bedürfen gemäß Artikel 13 (1) VOBK 2020 (anwendbar gemäß Artikel 25 (1) VOBK 2020) rechtfertigender Gründe seitens des Beteiligten und ihre Zulassung steht im Ermessen der Kammer (vgl. zu den anzuwendenden Ermessenskriterien Artikel 13 (1) Satz 4 VOBK 2020). Der Beteiligte muss die Gründe dafür angeben, weshalb er die Änderung erst in dieser Phase des Beschwerdeverfahrens einreicht. Darüber hinaus muss für Eingaben nach der Beschwerdebegründung erst recht gelten, was gemäß Artikel 12 (4) VOBK 2007 bereits für die zeitlich vorangehende Stufe der Beschwerdebegründung gilt (siehe oben Abschnitt 3.4). Insofern hat die Kammer die Befugnis, Tatsachen, Beweismittel oder Anträge nicht zuzulassen, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können.
6.3 Die Beschwerdeführerin hat in ihrem Schriftsatz vom 2. September 2020 keine Gründe angegeben, warum sie ihre neue Hilfsanträge erst zu diesem Zeitpunkt eingereicht hat. Vorliegend ist nach Auffassung der Kammer auch kein Grund ersichtlich, warum diese Hilfsanträge nicht schon in erster Instanz eingereicht wurden. Die Beschwerdeführerin hat vielmehr ihren Antrag auf mündliche Verhandlung vor der Prüfungsabteilung zurückgezogen. Hätte die Beschwerdeführerin (gegebenenfalls in der mündlichen Verhandlung) in der ersten Instanz diese Hilfsanträge eingereicht, hätte die Kammer entsprechend dem vorrangigen Ziel des Beschwerdeverfahrens (vgl. insofern Artikel 12 (2) VOBK 2020) die dahingehende Entscheidung der Prüfungsabteilung überprüfen können. Selbst mit der Beschwerdebegründung wurden die neuen Hilfsanträge noch nicht eingereicht.
6.4 In der Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 29. Juni 2021 hat die Kammer ausführlich dargelegt, warum die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche der vorliegenden Hilfsanträge 2 bis 6 ihrer Meinung nach nicht erfinderisch im Sinne von Artikel 56 EPÜ sind. In der mündlichen Verhandlung wurde erneut diskutiert, ob die Hilfsanträge 2 bis 6 prima facie einen gewährbaren Anspruchssatz enthalten und gemäß Artikel 13 (1) VOBK 2020 in das Verfahren zuzulassen sind.
6.5 Die Beschwerdeführerin hat argumentiert, dass D4 keinen batteriebetriebenen Gegengewichtsgabelstapler offenbare (Hilfsanträge 2 und 3), sowie die Übertragung der Messgrößen über WLAN zur zentralen Recheneinheit nicht explizit offenbart sei (Hilfsantrag 4). Insbesondere werde das Fahreridentifizierungssignal (Hilfsantrag 5) nicht über die drahtloses Datenverbindung übertragen. D4 lege diese Merkmale auch in keiner Weise nahe.
6.6 Die Kammer ist der Meinung, dass D4 "engine and electric powered vehicles" offenbart und damit einen batteriebetriebenen Gabelstapler (siehe Figur, die einen Gabelstapler mit Fahrersitz und Fahrerkabine zeigt). D6 lehrt in Absatz [0013] einen Gegengewichtgabelstapler. Das Internet-Portal, in dem D4 veröffentlicht wurde, offenbart Details von Gabelstaplern aller Art. Unabhängig davon sind batteriebetriebene Gegengewichtsgabelstapler eine fachübliche Option. Das RFID-basierte Identifikationssystem legt eine Fahreridentifikation durch den zentralen Server (Host PC) nahe, da die RFID-Codes in der Regel auf einem zentralen Server identifiziert werden. Ebenso im Zusammenhang mit Hilfsantrag 5 wird "overload" und damit eine Lastgewichtüberschreitung, als Messgröße über WLAN an die zentrale Recheneinheit übertragen (siehe Abschnitt 4.2 oben). Es werden also Messgrößen über das Lastgewicht an die Recheneinheit übertragen. Folglich sind die zusätzlichen Merkmale der Hilfsanträge 2 bis 6 entweder in D4 offenbart oder naheliegend.
6.7 Die Kammer lässt daher
i) unter Berücksichtigung des Stands des Verfahrens,
ii) da die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche der Hilfsanträge 2 bis 6 prima facie nicht erfinderisch sind,
iii) da die Änderungen der Verfahrensökonomie abträglich sind, und
iv) vor dem Hintergrund, dass die Hilfsanträge bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten eingereicht werden können,
Hilfsanträge 2 bis 6 in Ausübung ihres Ermessens gemäß Artikel 13 (1) VOBK 2020 und Artikel 12 (4) VOBK 2007 nicht in das Verfahren zu.
7. Schlussfolgerung
Da die Anmeldungsunterlagen gemäß Hauptantrag bzw. Hilfsantrag 1 und die Erfindung, die sie zum Gegenstand haben, den Erfordernissen des EPÜ bezüglich erfinderischer Tätigkeit nicht genügen und die Hilfsanträge 2 bis 6 nicht in das Verfahren zugelassen werden, ist die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die Anmeldung zurückzuweisen, zu bestätigen und die Beschwerde zurückzuweisen (Artikel 97 (2) EPÜ und Artikel 111 (1) EPÜ).
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.